Autor Thema: Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung  (Gelesen 5039 mal)

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Investivlohn
« Antwort #15 am: 05 Juli, 2007, 09:26 »
Soziale Kapitalpartnerschaften mit begrenzter Haftung

Bis zum Ende des Legislaturperiode will die Große Koalition den Investivlohn auf den Weg bringen. Doch über die Ausgestaltung einer Arbeitnehmerbeteiligung an Gewinn und Kapital herrscht noch lange keine Einigung

Dass die Beträge, die der bundesrepublikanische Durchschnittsbürger mit seiner Hände Arbeit, intellektueller Brillanz, Erfindungsreichtum und Kreativität halbwegs legal erwerben kann, längst nicht mehr mit Unternehmensgewinnen und Kapitaleinkommen Schritt halten, hat sich inzwischen herumgesprochen. Und so musste auch die gemeinsame Arbeitsgruppe von CDU und CSU Ende letzter Woche mit Bedauern feststellen, wie sich der Anteil der Arbeitnehmerentgelte am gesamtwirtschaftlichen Einkommen immer mehr verflüchtigt. 2006 lag er noch bei 66,2 Prozent, seit sieben Jahren ist er durchgehend rückläufig und ein Ende des Abwärtstrends vorläufig nicht in Sicht.

Ob diese Zahlen - für sich genommen, prinzipiell und überhaupt - schon ausreichen würden, um die Mehrheit der Unionsstrategen dauerhaft zu beunruhigen, sei einmal dahingestellt. Nach dem ernüchternden Ergebnis der letzten Bundestagswahl, als CDU und CSU von luftigen Umfragegipfeln auf das nicht eben aussichtsreiche Stimmenhäufchen von 35,2 Prozent herunterklettern mussten und die Analyse des Debakels immer wieder eine eklatante Vernachlässigung sozialer Fragen zutage förderte, liegt die Dringlichkeit, nun beizeiten überzeugende Konzepte zu präsentieren, auf der Hand.

Das gilt umso mehr, als die positive wirtschaftliche Entwicklung zwingend für eine umfassendere Beteiligung der Arbeitnehmer an Unternehmensgewinnen und Kapitaleinkommen zu sprechen scheint, damit die oft zitierte Schere zwischen Arm und Reich nicht noch weiter auseinandergeht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ sich von der schwierigen Aufgabe beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen der Arbeitnehmer-Union in der CSU denn auch zu einer ungewohnt pathetischen Wortwahl hinreißen: "Es ist den Schweiß der Edlen wert, es ist jede Anstrengung wert."

Beteiligung an Gewinn und Risiko

Da sich die Große Koalition nur sehr bedingt auf einen Kompromiss zwischen dem von den Unionsparteien favorisierten Kombilohnmodell und der offenbar wahlkampftauglichen Idee eines gesetzlichen Mindestlohns, die von den Sozialdemokraten präferiert wird, einigen konnte, soll nun wenigstens auf dem Gebiet der Gewinnbeteiligung ein Mittelweg gefunden werden, der nicht gleich wieder in die Sackgasse führt.

Dabei ist der sogenannte Investivlohn kein neues politisches Konzept. Auch in Deutschland wird seit Jahrzehnten mit unterschiedlicher Intensität über die Frage diskutiert, inwiefern die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch Aktien oder Anteile an ihren Unternehmen beteiligt werden können. Rund 8 Prozent aller Beschäftigten sind denn auch bereits in der einen oder anderen Form "Teilhaber" ihres Arbeitgebers, wobei die zu erzielenden Erträge ebenso variieren wie die Möglichkeiten des betrieblichen Mitspracherechts.

CDU und CSU haben sich auf der Suche nach einem Grundsatzprogramm nun zu der Entscheidung durchgerungen, diesen Anteil deutlich aufzustocken und ein "verbessertes staatliches Anreizsystem" zu schaffen. Demnach könnten Arbeitnehmer in Zukunft bis zu 1.000 Euro im Jahr steuerbegünstigt als Kapitalbeteiligung an ihrem Unternehmen erwerben beziehungsweise durch zusätzliche Entgelte wie außertarifliche Lohnsteigerungen oder Ergebnisbeteiligungen bekommen. Um diesen Betrag nicht gleich wieder durch Lohnsteuern, Solidaritätszuschlag oder Sozialversicherungsbeiträge zu minimieren, sollen Freibetragsregelungen und eine Bruttolohnumwandlung beschlossen und außerdem Möglichkeiten entwickelt werden, Kapitalbeteiligungen "steuerunschädlich" in die persönliche Altersvorsorge zu übertragen.

In einer Hinsicht sind die Vorstellungen der Union, die sich seit dem Dresdner Parteitag im Jahr 2006 immer weiter konkretisieren, allerdings klar begrenzt: Die Arbeitnehmer sollen sich in der Regel nur an dem Unternehmen beteiligen können, in dem sie selbst beschäftigt sind. Beteiligungsrisiken werden damit unmittelbar einkalkuliert und müssen von den Betrieben oder den Beschäftigten durch entsprechende Versicherungsabschlüsse aufgefangen werden.

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Quelle : www.heise.de

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Profit zählt mehr als Menschenrechte
« Antwort #16 am: 29 September, 2007, 11:20 »
China verurteilt das Militärregime in Burma bislang nicht. Das hat einen Grund: Das bitterarme Land verfügt über riesige Rohstoffvorkommen und liegt strategisch günstig. Deshalb interessiert sich die aufstrebende Volksrepublik mehr für Burmas Wirtschaft als für die Menschenrechte.

Hamburg - Manchmal klingen Verteidigungsreden absurd, obwohl sie der Wahrheit sehr nahe kommen: "Unglücklicherweise liegen die Öl- und Gasreserven der Welt nicht immer in Demokratien", schreibt der französische Ölkonzern Total auf seiner Internetseite. "Deshalb sind Ölgesellschaften, die mit diktatorischen Regimen Geschäfte machen, häufig heftiger Kritik ausgesetzt." Trotzdem sei man überzeugt, dass man mit seinem Engagement den Alltag von zehntausenden Menschen verbessere.

Gerade in diesen Tagen hagelt es wieder Kritik, weil der Konzern an einem Offshore-Gasfeld in der Andaman See beteiligt ist und das Gas über eine 65 Kilometer lange Pipeline durch Burma nach Thailand exportiert. Total gehört damit nicht nur zu den größten Auslandsinvestoren der Militärdiktatur. Am Beispiel des Ölkonzerns wird auch deutlich, dass bei dem Konflikt zwischen den buddhistischen Mönchen, der Zivilbevölkerung und den militärischen Machthabern in Burma viel mehr Interessen im Spiel sind als auf den ersten Blick ersichtlich.

Ein Drittel der Bevölkerung Burmas lebt unterhalb der Armutsgrenze und muss mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen - und das, obwohl das Land über Ressourcen verfügt, nach denen es viele gelüstet: Öl und Gas. Laut dem aktuellen Länderbericht des Ostasiatischen Vereins (OAV) sind bisher drei große Offshore-Gas- und Ölvorkommen und 19 Vorkommen im Land identifiziert.

China hat die besseren Karten

Die gesamten Bestände belaufen sich nach offiziellen Statistiken auf 2,46 Billionen Kubikmeter Gas und 3,2 Milliarden Barrel förderwürdiges Rohöl. "Das ist beträchtlich und einer der Gründe, warum sich China und Indien derzeit mit einer Verurteilung Burmas so zurückhalten", sagt OAV-Geschäftsführerin Monika Stärk. "Es tobt ein heftiger Konkurrenzkampf und keiner will sich die Generäle verprellen."

Derzeit hat China noch die besseren Karten: Das Land - neben Singapur der größte Handelspartner Burmas - besitzt weitreichende Ausbeutungsrechte im Westen des Landes und plant den Transport per Pipeline nach Südchina. Das lässt sich das chronisch klamme Regime mit 300 Millionen US-Dollar jährlich bezahlen. Im April hat es außerdem ein Abkommen mit einem russisch-singapurischen Konsortium über die Förderung von Erdöl und Gas im Nordwesten des Landes geschlossen.

"Der Norden des Landes ist schon heute wirtschaftlich fest in chinesischer Hand", sagt Stärk vom OAV. Dabei geht es vor allem um Teakhölzer, neben Gas das meist exportierte Gut. Das Holz wird über China ausgeführt - ein Teil offiziell, ein anderer Teil inoffiziell. "Außerdem besitzt Myanmar große Edelsteinvorkommen, die verarbeitet und exportiert werden", sagt Stärk. Das Geschäft werde allerdings stark von den Generalsfamilien kontrolliert, die Gewinne gingen direkt an sie.

"Konzeptlose Wirtschaftspolitik"

Tatsächlich kommt bei den normalen Bürgern Burmas von dem eigentlichen Reichtum des Landes nichts an. Offiziellen Zahlen zufolge verfügt das Land zwar über ein Wachstum von 12,3 Prozent - Experten halten das aber für unrealistisch. Noch immer macht die Landwirtschaft mehr als 50 Prozent der Wirtschaft aus, der Anteil der verarbeitenden Industrie liegt nur bei 15 Prozent.

Haupthandelspartner sind dabei die asiatischen Nachbarländer, an erster Stelle Thailand, China, Indien und Singapur. Danach folgen Hongkong, Japan, Malaysia und Indonesien. An achter und neunter Stelle der Exportländer liegen allerdings schon Deutschland und Großbritannien. Exportiert werden dabei neben Teakholz und Gas vor allem Hülsenfrüchte, Textilien und Metalle. Im Gegenzug importiert Burma Maschinen und Transportausrüstung, raffiniertes Öl und Metallerzeugnisse, aber auch Pharmaprodukte, Papier und Stoffe.

Wegen der vom OAV als "konzeptlos" bezeichneten Wirtschaftspolitik herrscht in vielen Bereichen Unterversorgung, die einheimische Industrie hat kaum eine Chance. Das liegt auch daran, dass zum Beispiel nur 20 Prozent der erzeugten Energie ins eigene Land fließen, der Rest wird exportiert. Etwa nach Thailand, das seit neuestem mit Strom aus Wasserkraftwerken beliefert wird. Die Folge: Im Frühjahr 2007 war Strom in Burma teilweise nur vier Stunden am Tag erhältlich.

Aber auch die notwendige Infrastruktur fehlt: Straßen und Brücken sind löchrig oder gar nicht vorhanden - und werden erst jetzt mit Geldern aus China oder Indien gebaut. "Auch für Bildung gibt es weder ein Konzept noch Geld", kritisiert Asien-Expertin Stärk. Zeitweise seien sogar die Universitäten über Jahre geschlossen gewesen. "Eine Mittelschicht ist nicht mal in Ansätzen vorhanden." Wirtschaftssanktionen hält sie deshalb für den falschen Weg: "Sie treffen die Machthaber nicht, sondern nur die Menschen. Wir müssen die stärken, die etwas aufbauen können: die Wirtschaft und eine Zivilgesellschaft."

Wie ein Keil zwischen den Großmächten

Der wachsende Einfluss Chinas zeigt sich aber nicht nur in den Handelszahlen. "Von China inspiriert und weitgehend gesteuert sind Pläne zur Errichtung von sechs Freihandelszonen", heißt es in dem Bericht des OAV. Vorgesehene Standorte sind der Hafen von Thilawa Port bei Rangun und Kyaukphuy im Rakhine-Staat mit chinesischem Investment sowie Hpa-an, Mawlamyaing und Myawaddy für thailändische Investoren und ein Technologiepool in Pyin Oo Lwin. "Die Rolle Chinas ist unter wirtschaftlichen Aspekten durchaus positiv für das Land", sagt OAV-Chefin Stärk.

Warum Indien und China trotzdem so großes Interesse an dem eigentlich unterentwickelten Land haben, zeigt ein Blick auf die Landkarte: Wie ein Keil schiebt sich das verhältnismäßig kleine Land zwischen die beiden großen Staaten und fungiert dabei wie ein Puffer. Außerdem - und das ist neben den Rohstoffreserven vielleicht der wichtigste Punkt - verfügt das Land über den Zugang zum Golf von Bengalen und damit zum Indischen Ozean. Der war bislang quasi indisches Hoheitsgebiet, allerdings macht China Indien diesen Einfluss zunehmend streitig.

Tatsächlich wäre für China der schnelle Zugang zum Indischen Ozean viel wert. Es würde Containern und Tankschiffen den langen Umweg über das Südchinesische Meer und die Straße von Malakka bei Singapur ersparen. Und damit den Import und Export von Waren erleichtern.

Quelle : www.spiegel.de

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Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung
« Antwort #17 am: 08 Oktober, 2007, 12:01 »
SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT

Viele Arbeitnehmer erleben die Globalisierung als Verlustbringer: Wohlstand ist für sie ein Traum, der sich mit ehrlicher Arbeit nicht mehr verwirklichen lässt. Das Vertrauen in die soziale Marktwirtschaft schwindet.

Mit vielem hat sich Matthias Rolle arrangiert in seinem langen Berufsleben: Die quälenden Nachtschichten von abends elf bis morgens um sieben, das stundenlange Stehen mit Wollpullover und Thermoweste in einer fünf Grad kalten Kühlhalle, der ständige Blutgeruch von frischem Fleisch. Auch dass er als Schichtarbeiter während der Woche Frau und Kind kaum sieht, hat er gelernt zu ertragen. "Das Familienleben", sagt er, "findet eben am Wochenende statt."

Mit einem aber mag der Dresdner Fleischer sich nicht abfinden. Er arbeitet nicht selten 40 Stunden die Woche und mehr, aber es kommt immer weniger dabei heraus. Matthias Rolle legt einen dreifach gefalteten DIN-A4-Zettel auf den weißen Campingtisch. Es ist seine Verdienstbescheinigung.

Brutto bekommt er im Monat rund 1600 Euro. Nach allen Abzügen bleiben unter dem Strich gut 1200 Euro übrig. Das ist kaum mehr, als mancher Hartz-IV-Empfänger nach Hause bringt. Sein Gehalt ist schon seit Jahren nicht gestiegen, gleichzeitig werden Strom und Lebensmittel immer teurer. "Wohlstand ist ein Traum", sagt er, "der mit ehrlicher Arbeit nicht mehr zu verwirklichen ist."

Die triste Bilanz des Schichtarbeiters deckt sich mit der Erfahrung von Millionen Menschen im Land. Sie arbeiten hart und kommen doch kaum über die Runden. Was sie verdienen, reicht immer weniger zum Leben. Wie nie zuvor in der Nachkriegsgeschichte haben die Arbeitnehmer in den vergangenen Jahren materielle Einbußen hinnehmen müssen.

Bei den meisten stagniert der Verdienst seit Jahren. Immer mehr müssen wieder 40 Stunden oder mehr die Woche arbeiten, immer weniger haben Anspruch auf betriebliche Sonderleistungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld. Seit 15 Jahren sind die realen Bruttoverdienste der Arbeitnehmer praktisch nicht mehr gewachsen.

Partiell rechtsfreie Wildwest-Ökonomie

Wie kaum eine andere Bevölkerungsgruppe haben die abhängig Beschäftigten das vergangene Jahrzehnt als Verlustphase erlebt. Einkommen, Jobs, Abgaben: Überall stand ein dickes Minus vor der Bilanz. Das galt besonders für jene Werktätigen, die als Bauhelfer, Bandarbeiter oder Lkw-Fahrer auf den unteren Etagen der Verdienstskala angesiedelt waren.

Sie mussten mit ansehen, dass sie am Monatsende oft kaum mehr im Portemonnaie hatten als mancher Fürsorgebezieher. Sie mussten erleben, wie sich ihre einst mit Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen geregelte Arbeitswelt in eine partiell rechtsfreie Wildwest-Ökonomie verwandelte. Sie mussten hinnehmen, dass sie in vielen Berufen nur noch als Zeitarbeiter, Minijobber oder Scheinselbstständige gefragt waren.

Der Niedriglohnsektor, der lange Zeit als unterentwickelt galt, wächst seit Jahren. Mittlerweile arbeiten nach einer Studie der Nürnberger Bundesagentur für Arbeit fast vier Millionen Deutsche zu Löhnen, die weniger als zwei Drittel des Durchschnittsverdiensts erreichen. Das ist ein Zuwachs von zehn Prozent innerhalb weniger Jahre.

Bei manchen Armutslöhnern reicht das Gehalt nicht mal mehr aus, wenigstens das Existenzminimum zu decken. Fast eine halbe Million Bundesbürger verdienen mit ihrer Vollzeitstelle so wenig Geld, dass sie zusätzliche finanzielle Unterstützung in Form von Arbeitslosengeld II benötigen.

Nicht nur, dass immer mehr Deutsche in die Zone materieller Bedrängnis abrutschen, sie finden auch immer seltener wieder heraus. Wer einmal in die Verliererregion aus Niedriglohnjobs und Hartz IV eingetaucht ist, bleibt ihr mit einiger Sicherheit dauerhaft erhalten, zeigt eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Zwei Drittel aller Armutslöhner sind auch fünf Jahre später noch Armutslöhner, lediglich ein Drittel schafft den Sprung zu einem besser bezahlten Job.

Der Exportweltmeister darf sich damit einer weiteren, eher fragwürdigen internationalen Spitzenstellung rühmen: In keinem anderen Land Europas finden Geringverdiener so schlechte Aufstiegschancen vor wie hierzulande.

Es geht um mehr als ein paar Euro

Längst hat die Erosion der Arbeitnehmereinkommen das soziale Klima im Land verändert. In der Unterschicht breitet sich das Gefühl aus, dauerhaft von der wirtschaftlichen Entwicklung abgekoppelt zu sein. In der Mittelschicht wiederum fürchten viele, möglicherweise bald selbst in die gesellschaftliche Verliererregion abzusteigen.

Von einem "Klima der Verunsicherung" sprechen Soziologen, seit die Entlassungswellen der großen Konzerne auch die Büroflure entvölkern und sich vermehrt Angestellte oder kleine Unternehmer in den Büros der Schuldnerberatungen drängen. 72 Prozent der Deutschen beunruhigt, dass selbst in Firmen, denen es gut geht, die Arbeitsplätze nicht mehr sicher sind.

Es geht um mehr als um ein paar Euro zusätzlich in der Lohntüte. Es geht um das Vertrauen in die ökonomische und gesellschaftliche Grundordnung der Republik. Noch vor wenigen Jahren galt die soziale Marktwirtschaft als Garant für ökonomisches Wachstum und gesellschaftlichen Ausgleich. Heute glauben nach Erkenntnissen der Meinungsforscher nur noch 28 Prozent der Bundesbürger, dass es gerecht zugeht im Land.

Wo die Ursachen für die verbreitete Unzufriedenheit zu suchen sind, verrät die amtliche Lohn- und Verteilungsstatistik. Mitten im stärksten weltwirtschaftlichen Aufschwung seit Jahrzehnten sind Deutschlands Arbeitnehmer einer Zangenbewegung ausgesetzt, die viele als Anschlag auf den eigenen Lebensstandard erleben. Zum einen nimmt der Staat den Arbeitnehmern erhebliche Teile ihres Einkommens in Form von Steuern und Beiträgen ab, um seine Sozialsysteme zu finanzieren. Das mindert den Nettoverdienst.

Zum anderen schwächt der globale Kapitalismus die wirtschaftliche Position der abhängig Beschäftigten. Was Karl Marx bereits vor 150 Jahren als "rasende Jagd der Bourgeoisie über die ganze Erdkugel" beschrieb, hat heute eine neue Etappe erreicht. Die Opfer sind die Arbeitnehmer in den alten Industrieländern, die ohnmächtig mit ansehen müssen, wie sie die neue Weltwirtschaftsordnung einer bislang unbekannten Konkurrenz aussetzt - und ihre Bruttolöhne drückt.

"Giftiges Gemisch aus Ungleichheit und niedrigen Löhnen"

Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas und Indiens sowie der Fall des Eisernen Vorhangs führen dem Weltmarkt ein Millionenreservoir billiger Arbeitskräfte zu. Konkurrenz belebt das Geschäft, aber sie drückt die Preise - auch diejenigen für die Ware Arbeitskraft. Wer bislang als einfacher Arbeiter in der Textil-, Elektronik- oder Gebrauchsgüterindustrie Europas oder Nordamerikas sein Auskommen fand, sieht sich nun oft vor eine höchst unangenehme Alternative gestellt: Entweder er akzeptiert einen niedrigeren Lohn - oder sein Job wandert ins Ausland.

In vielen der alten Industrienationen erwies sich die Globalisierung für die Arbeitnehmer so als "giftiges Gemisch aus Ungleichheit und niedrigen Löhnen", wie der liberale Londoner "Economist" feststellt. Kaum irgendwo aber war der Anpassungsdruck so groß wie in der Bundesrepublik, wo die Arbeitskosten im Gefolge der deutschen Vereinigung auf ein weltweites Spitzenniveau geklettert waren.

Es begann jener Prozess, den Ökonomen auf den verniedlichenden Begriff der "Lohnzurückhaltung" getauft haben. Das klingt nach vornehmer Bescheidenheit und einsichtsvollem Verzicht. Tatsächlich büßten die Arbeitnehmer weit mehr von ihrem Lebensstandard ein, als nötig gewesen wäre.

Denn nach den Faustregeln der Ökonomie hätten die Einkommen im vergangenen Jahrzehnt um 2,5 Prozent pro Jahr steigen dürfen. Um diesen Wert nämlich legte die Wirtschaftsleistung zu, die ein Beschäftigter im Schnitt erzeugte. Tatsächlich aber sanken die realen Nettoverdienste pro Arbeitnehmer im Schnitt um 0,5 Prozent jährlich.

Die Differenz strichen die Unternehmen und der Staat ein. Ihr Gewinn addierte sich, über das gesamte zurückliegende Jahrzehnt gerechnet, auf die ansehnliche Summe von rund 250 Milliarden Euro. Immerhin: Was die Beschäftigten einbüßten, nutzte der Wirtschaft insgesamt. So gering war der Lohnanstieg in den vergangenen Jahren, dass er dauerhaft hinter dem Wachstum der Produktivität zurückblieb; ganz anders als in Ländern wie Frankreich, Italien oder den USA.

Ausgerechnet die deutschen Arbeitnehmer: ein Standortvorteil

Entsprechend wurden die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten immer wettbewerbsfähiger. Maschinenbau, Chemie, Autoindustrie: die Vorzeigebranchen der Republik nutzten die günstige Entwicklung der heimischen Arbeitskosten, um von einem Exportrekord zum nächsten zu eilen.

Erst wuchsen die Umsätze im Auslandsgeschäft, dann legten die Investitionen im Inland zu, und mittlerweile zeigt auch der notorisch erstarrte Arbeitsmarkt ungewohnte Lebenszeichen. Vom Mittelstand bis zur Großindustrie kündigen die Unternehmen mittlerweile an, wieder neues Personal einstellen zu wollen.

Von einem "Lohnkostenwunder" sprechen mittlerweile die Ökonomen und signalisieren damit zweierlei: Erstens, die jüngste wirtschaftliche Erholung kommt kaum weniger überraschend als der mirakulöse Wiederaufstieg Deutschlands nach dem Weltkrieg.

Zweitens, die Belebung ist vor allem jenen zu verdanken, die mit ihrem Konsum- und Wohlstandsopfer die Kostenseite der heimischen Unternehmensbilanzen wieder in Ordnung gebracht haben. Ausgerechnet die deutschen Arbeitnehmer, die jahrelang als zu bequem, zu unflexibel und zu teuer verspottet wurden, gelten plötzlich wieder als Standortvorteil.

Ein Trost ist das nicht - zu ungleich sind die Früchte des Aufschwungs verteilt. Während Aktienkurse, Gewinne und Managergehälter explodieren, haben die Lohnzuwächse in den vergangenen Jahren vielfach nicht einmal die Preissteigerung ausgeglichen. "Wenn wir es klassenkämpferisch ausdrücken, haben wir in den letzten Jahren eine Umverteilung von Arbeit zu Kapital gesehen", sagt der Frankfurter Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen.

Was die Arbeitnehmer nicht weniger erboste: Die sogenannte Deregulierung der Wirtschaft fand vor allem bei ihnen statt. Mehr Zeitarbeit, mehr befristete Beschäftigung, weniger Kündigungsschutz: die Regeln für das abhängige Beschäftigungsverhältnis wurden in den vergangenen Jahren auf vielerlei Weise gelockert. Bei Freiberuflern wie Architekten oder Anwälten dagegen gelang es nicht einmal, die staatlichen Preis- und Honorarordnungen abzuschaffen.

Vom Sozialstaat über den Tisch gezogen

Nirgends herrsche so wenig Wettbewerb wie in den privilegierten Schutzzonen akademischer Berufe, pflegte etwa der frühere Wirtschaftsminister Wolfgang Clement zu klagen. Die Einbußen der Arbeitnehmer waren zu einem guten Teil der schlechten Konjunktur und der Globalisierung geschuldet.

Für den vierten Schwundfaktor aber sorgte der Staat. Um das ausgedehnte Netz der sozialen Sicherung zu finanzieren, erhöhte er die Beiträge für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und bat die Bevölkerung zusätzlich durch höhere Umsatz- und Mineralölsteuern zur Kasse. Wie ein Keil schoben sich die staatlichen Abgaben zwischen die Brutto- und Nettoverdienste und sorgten dafür, die ohnehin geringen Lohnzuwächse weiter einzudampfen.

Die Beschäftigten trugen zur Finanzierung des Wohlfahrtsstaates mehr bei als andere Bevölkerungsgruppen - und schnitten finanziell oft schlechter ab als diejenigen, die von ihren Beiträgen lebten. In der Arbeitswelt mussten die abhängig Beschäftigten die Kosten der Globalisierung tragen. Noch bitterer aber war für sie die Erkenntnis, dass sie auch im Sozialstaat über den Tisch gezogen wurden.

Quelle : www.spiegel.de
« Letzte Änderung: 08 Oktober, 2007, 12:13 von SiLæncer »

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Arm durch Arbeit - Arbeitnehmer - die wahre Unterschicht
« Antwort #18 am: 09 Oktober, 2007, 11:30 »
Die Einkommen der Arbeitnehmer haben sich in den vergangenen Jahren viel schlechter entwickelt als die von Selbständigen, Rentnern oder Pensionären. Schuld ist eine Fehlkonstruktion des Sozialstaats, der abhängig Beschäftigte abstraft.

Für den Sachverständigenrat der Bundesregierung erforschen die Berliner Wirtschaftswissenschaftler Gert Wagner und Markus Grabka regelmäßig die Einkommensverteilung in Deutschland. Die beiden Ökonomen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung messen, wie weit der Lebensstandard in den oberen und unteren Etagen der Gesellschaft auseinanderklafft, wer die Unterschicht bildet und wie viel in der Einkommenselite verdient wird.

Sie erheben "Median-Einkommen", berechnen "perzentile Verhältniszahlen", bilden "Verteilungskoeffizienten" und werten jenen Datensatz zur Einkommenslage des Landes aus, der als einer der aussagekräftigsten in der ganzen Republik gilt: das institutseigene "sozio-oekonomische Panel", das jedes Jahr in gut 10.000 deutschen Haushalten die finanziellen Verhältnisse erhebt.

Jüngst legten sie eine Sonderuntersuchung vor. In einer Langzeitstudie haben sie verglichen, wie sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten die Nettoeinkünfte von Bevölkerungsgruppen entwickelt haben, die in unterschiedlicher Weise am Sozialsystem des Landes beteiligt sind. Betrachtet wurden Arbeitnehmer, die Mitglieder der gesetzlichen Sozialkassen sind; Selbstständige, die sich überwiegend privat versichern; sowie verschiedene Empfänger staatlicher Transferzahlungen: Rentner, Pensionäre und Arbeitslose.

Für alle Gruppen ermittelten die Berliner Forscher die Erwerbseinkommen, zählten sonstige Einkünfte wie Kapitalerträge oder Mieten hinzu und addierten die staatlichen Sozialleistungen. Davon zogen sie die gezahlten Steuern und Beiträge ab. Unter dem Strich erhielten sie so das verfügbare Haushaltsnettoeinkommen, aus dem sich ablesen ließ, wie sich der Lebensstandard der verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Schnitt entwickelt hatte.

Geradezu bizarre Verteilung staatlicher Lasten

Was sie ermittelten, war überraschend und brisant zugleich. Die Resultate zeigten, welch beträchtliche Folgen die unterschiedliche Beteiligung am Sozialstaat hatte, wer den Löwenanteil seiner Leistungen erhielt und wer sich als Gewinner betrachten durfte. Sie zeigten, dass sich das soziale Gefüge im Land ganz anders entwickelt hatte als vielfach gedacht. Und sie demonstrierten, dass die Jahre seit der Wiedervereinigung vor allem einer gesellschaftlichen Gruppe Verluste brachten: den Arbeitnehmern.

Das erweist sich vor allem im Vergleich mit jenen erwerbstätigen Bundesbürgern, die das Glück haben, als Selbstständige nicht in die Sozialkassen einbezogen zu sein. Anfang der neunziger Jahre überstiegen ihre Nettoeinkünfte den bundesweiten Durchschnitt um 40 Prozent. Rund 15 Jahre später war der Abstand schon auf circa 50 Prozent angewachsen. Die Einkommen der Arbeitnehmer dagegen stagnierten dauerhaft knapp fünf Prozent über dem Durchschnitt.

Die Ursache lag nicht nur darin, dass sich die Bruttoeinkommen von Freiberuflern, Unternehmern und Gewerbetreibenden besser entwickelten als die von abhängig Beschäftigten. Die Ursache lag vor allem in einer unterschiedlichen Belastung mit Steuern und Abgaben.

So sank der Betrag, den die Selbstständigen an den Staat abführen mussten, seit Anfang der neunziger Jahre um rund sechs Prozent; derjenige der Arbeitnehmer dagegen stieg im selben Zeitraum um fast drei Prozent an. Als Folge konnten sich diejenigen, die als Freiberufler oder Unternehmer ihre Existenz bestreiten, nicht unerhebliche Einkommensvorteile verschaffen. Ein Arbeitnehmerhaushalt führt heute je Mitglied gut 26 Prozent des Einkommens an den Staat ab, ein Selbstständigenhaushalt dagegen nicht einmal 15 Prozent.

Die vergangenen Jahrzehnte, so erwies die Untersuchung, haben zu einer geradezu bizarren Verteilung staatlicher Lasten geführt. Arbeitnehmer, die im Schnitt deutlich schlechter verdienen als Selbstständige, mussten deutlich steigende Abgaben verkraften. Die besser verdienenden Selbstständigen dagegen konnten ihre Zuwendungen an die Gemeinschaft beträchtlich abbauen. Solidarität paradox.

Die "Leistungsgesellschaft" - eine Sozialleistungsgesellschaft

Nicht weniger überraschende Resultate förderte der Vergleich zwischen den Einkünften von Arbeitnehmern und den Einkommen von Transferempfängern zutage. Nach der Logik des bundesdeutschen Wohlfahrtsstaates sollte sich die Einkommensentwicklung der Beschäftigten mit jenen von Rentnern oder Arbeitslosen in etwa im Gleichschritt bewegen. Doch das war nicht der Fall. Im Gegenteil: Viele Empfänger öffentlicher Zuwendungen haben in den vergangenen Jahren deutlich besser abgeschnitten als die Arbeitnehmer. Die Leistungsgesellschaft präsentierte sich, zumindest bis zu einem gewissen Grad, als Sozialleistungsgesellschaft.

Während die Einkommensposition von Arbeitern und Angestellten stagnierte, haben die gut 22 Millionen Rentner ihre Einkünfte in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten um gut zwölf Prozent gesteigert. Mitte der achtziger Jahre erreichten ihre Nettoeinkünfte 82 Prozent des Durchschnittseinkommens. 20 Jahre später war der Wert auf 92 Prozent gestiegen. Mit anderen Worten: Der Lebensstandard von Senioren entspricht heutzutage praktisch dem von Arbeitnehmern. "Keiner anderen Rentnergeneration ist es materiell je so gut gegangen wie der heutigen", sagt Einkommensforscher Wagner.

Im Seniorenparadies Deutschland schnitt nur eine Gruppe noch besser ab: die Pensionäre. Die durchschnittlichen Einkünfte der knapp eine Million Ruhestandsbeamten lagen schon immer deutlich über denen des aktiven Teils der Bevölkerung - worüber sich nur derjenige wundert, der die rentierlichen Prinzipien der deutschen Beamtenversorgung nur vom Hörensagen kennt. In den letzten Jahrzehnten jedoch hat die Distanz geradezu atemberaubende Ausmaße angenommen.

Goldenes Jahrzehnt der Pensionäre

Mitte der achtziger Jahre überstiegen die Pensionärseinkommen den gesellschaftlichen Durchschnitt noch um bescheidene 18 Prozent. Mitte dieses Jahrzehnts aber ist der Abstand schon auf fast 40 Prozent angewachsen. Keine andere der untersuchten Bevölkerungsgruppen hat im Vergleichszeitraum finanziell besser abgeschnitten, keine andere hat ihre Einkünfte schneller gesteigert als das Heer der ausgemusterten Amtsräte, Staatsanwälte oder Studiendirektoren. Geht die Entwicklung weiter wie bisher, werden die Pensionärsbudgets schon in wenigen Jahren die Einkünfte jener Selbstständigen toppen, die sich mitten im Erwerbsleben befinden.

Kein Zweifel, die neunziger Jahre werden einst als das goldene Jahrzehnt der Pensionäre in die Annalen des deutschen Staatsdienstes eingehen. Selbst die Arbeitslosen sind lange Zeit im deutschen Sozialstaat gar nicht schlecht gefahren, so geht aus der Untersuchung hervor. Zwar lagen ihre Einkünfte stets deutlich niedriger als die aller anderen Gesellschaftsgruppen.

Doch in den späten achtziger- und frühen neunziger Jahren holten sie deutlich auf; zeitweise wuchs ihr Lebensstandard sogar schneller als derjenige der Arbeitnehmer. Erst in jüngster Zeit sind die Einkünfte der Jobsuchenden nach zahlreichen Sparpaketen und Reformen regelrecht abgestürzt. Seit 2000 verloren sie gegenüber den Beschäftigten gut 17 Prozent ihrer Einkommensposition.

Das Fazit der Untersuchung ist ein Alarmruf an alle Anhänger des deutschen Sozialmodells: Je weniger die Bürger mit der Finanzierung des hiesigen Wohlfahrtsstaates zu tun hatten, desto günstiger entwickelte sich ihr Haushaltsbudget. Am besten schnitten diejenigen ab, die wie Pensionäre oder Selbstständige weitgehend von den Solidarsystemen abgenabelt sind. Auch die Rentner, die von den Beiträgen der aktiven Arbeitnehmer leben, fuhren nicht schlecht. Verlierer dagegen waren die abhängig Beschäftigten, die den Wohlfahrtsstaat finanzieren mussten. Sie bilden die wahre Unterschicht.

Überdehnt und übersteuert, ausgereizt und tot geritten

Das Ergebnis zeigt mehr als die Verteilungsgewinne und
-verluste der vergangenen Jahre. Es verweist auf den Kern des Problems im deutschen Sozialsystem.

Wie in kaum einem anderen Land Europas hat die Bundesrepublik die Finanzierung des Wohlfahrtsstaates an den Faktor Arbeit gekoppelt - und die Verbindung trotz aller Beteuerungen kaum gelockert. Zum einen speisen sich von der Rente bis zur Gesundheitsversorgung alle großen Sozialsysteme vornehmlich aus Beiträgen auf den Lohn der Arbeitnehmer. Zum anderen machen die gesetzlichen Mega-Versicherungen einen größeren Anteil des Hilfs- und Unterstützungswesens aus als in vielen anderen Ländern, wo die Sozialsysteme stärker aus Steuern und über die öffentlichen Haushalte bezahlt werden.

Während vieler Nachkriegsjahrzehnte erwies sich der deutsche Sonderweg als Erfolgsmodell. Solange Wirtschaft und Beschäftigung wuchsen, war der Faktor Arbeit ergiebig genug, um von der Kassen-Kur bis zur Lohnfortzahlung immer neue soziale Bedürfnisse zu finanzieren. Ob Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" oder Helmut Schmidts "Modell Deutschland": Die wirtschaftspolitischen Konzepte der fünfziger, sechziger und siebziger Jahre setzten im Kern auf jenes sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis, das ökonomisches Wachstum und sozialen Ausgleich gleichermaßen zu garantieren schien.

Doch dann geschah, was mit Erfolgsmodellen häufiger geschieht, wenn die Erfolge immer größer werden: Sie werden überdehnt und übersteuert, ausgereizt und tot geritten. Das Netz sozialer Leistungen wuchs und wuchs - auch dann noch, als Konjunktur und Arbeitsmarkt zu schwächeln begannen und sich jene demografische Krise ankündigte, deren volle Wucht die Wohlfahrtssysteme erst in einigen Jahren erreichen wird.

Todesspirale zu Lasten von Wachstum und Jobs

Schließlich halste das Kabinett Kohl auch noch die Kosten der deutschen Einheit zum größten Teil dem Faktor Arbeit auf und verwandelte damit das einstige Fortschrittsprinzip endgültig in einen Sanierungsfall. Eng verkettet wie sie waren, nährte nun jede Steigerung der Arbeitslosenzahlen die Misere der Sozialkassen, und umgekehrt.

Eine Todesspirale zu Lasten von Wachstum und Jobs kam in Gang, die sich Umdrehung für Umdrehung nach dem gleichen Prinzip voranfraß: Wenn irgendwo in der Kranken- oder Rentenversicherung die Kosten stiegen, musste die Regierung die entsprechenden Sozialbeiträge anheben. Das verteuerte viele Jobs, die bei nächster Gelegenheit gestrichen wurden. Die Entlassenen wiederum verstärkten die Armee der Transferempfänger auf Kosten der Sozialkassen - und lösten die nächste Umdrehung der unheilvollen Spirale aus.

Die einseitige Kopplung der Sozialkosten an den Faktor Arbeit bewirkt, dass die Beschäftigten nicht nur die Nachteile der Globalisierung und die Kosten der Wirtschaftskrise zu tragen haben. Sie sind auch die Geprellten in den großen Versicherungssystemen des Landes.

Sie müssen hinnehmen, dass andere Bevölkerungsgruppen vom sogenannten Solidarprinzip weitgehend ausgenommen bleiben. Sie müssen akzeptieren, dass sie aus den Wohlfahrtssystemen nur noch bescheiden bedient werden. Sie müssen erleben, dass die Reformpolitik der vergangenen Jahre vor allem zu ihren Lasten ging.

Quelle : www.spiegel.de
« Letzte Änderung: 09 Oktober, 2007, 11:36 von SiLæncer »

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ARM DURCH ARBEIT - Deutschland - Weltmeister im unfairen Abkassieren
« Antwort #19 am: 12 Oktober, 2007, 14:38 »
Die jüngsten Sozialreformen haben vor allem eine Gruppe benachteiligt: die Arbeitnehmer. Ihre Beiträge stiegen steil an, dafür wurden die Leistungen zusammengestrichen. Wer arbeitslos wird - der stürzt trotz vieler Berufsjahre im Expresstempo runter auf die Armutsschwelle.

Es gibt gesellschaftliche Debatten, die führen nach kurzer Zeit zu einer allgemein akzeptierten Lösung. Andere enden nach jahrelangem Streit, in dem sich eine Seite durchsetzt. Und schließlich gibt es Kontroversen, die sich scheinbar endlos wiederholen - ohne Ergebnis und Konsens, ein ewiger Zirkel derselben Argumente und Erwiderungen.

Zur letzteren Gruppe gehört die seit Jahren erbittert geführte Diskussion über den deutschen Sozialstaat. Kaum eine andere Frage wird hierzulande derartig emotional und unversöhnlich erörtert wie jene nach Fluch oder Segen der öffentlichen Wohlfahrtssysteme. Und kaum eine andere dreht sich derart im Kreis wie diese.

Die Sozialsysteme sind verantwortlich für die wirtschaftlichen Probleme des Landes, rufen die einen. Im Gegenteil, sie sind der letzte Gegenpol zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche, entgegnen die anderen. Am wirklichen Problem aber geht ihre Kontroverse haarscharf vorbei.

Nicht der Umfang der Sozialleistungen ist hierzulande das Problem, sondern wie sie finanziert werden. Nicht die Ausgaben für Altersversorgung, Krankenversicherung und Pflegeleistungen sind zu hoch, sondern die Abgaben auf den Faktor Arbeit. Nicht die Rente ist der Jobkiller, sondern die Entwicklung der Rentenbeiträge in den vergangenen Jahrzehnten.

Wie kaum ein anderes Land konzentriert die Bundesrepublik die Finanzlast ihres Sozialsystems ausgerechnet auf diejenigen, die gleichzeitig den größten Teil des nationalen Reichtums produzieren: die abhängig Beschäftigten. Kaum eine andere Industrienation nimmt ihren Arbeitnehmern derartig hohe Lohnsteuern und Sozialabgaben ab wie die Bundesrepublik. Kaum irgendwo sonst geht die Schere zwischen Brutto- und Nettoverdiensten weiter auseinander. In kaum einem anderen Land verteuert der Staat das Arbeiten stärker als hierzulande.

Alle Werte in der Minuszone

So erhöhten sich in den vergangenen 15 Jahren die Beitragseinnahmen je Beschäftigten in der Rentenversicherung um 49 Prozent, in der Krankenversicherung um 53 Prozent und in der Arbeitslosenversicherung um 91 Prozent. Im selben Zeitraum stiegen die durchschnittlichen Arbeitnehmerentgelte um lediglich 30 Prozent. Das Fazit ist schnell gezogen: Um die Sozialsysteme zu sanieren, haben die Regierenden vor allem die Arbeitnehmer zur Kasse gebeten.

Bei der Rente zum Beispiel haben die Regierungen die Einschnitte beim Altersgeldniveau kunstvoll auf spätere Jahre verschoben. Die jüngsten Reformen mit ihrem hoch komplizierten Kürzungsmechanismus aus sogenannter Riester-Treppe sowie verschiedensten Nachhaltigkeits- und Korrekturfaktoren folgen einem einfachen Schema: Die Altersgelder werden nicht gekürzt, nur der Anstieg fällt jedes Jahr ein bisschen geringer aus.

Entsprechend wachsen die Abstriche am Rentenniveau erst im Lauf der nächsten zwei Jahrzehnte zu nennenswerten Größenordnungen heran, dann also, wenn ein Großteil des aktuellen Rentnerbestandes bereits ins Jenseits abgewandert und durch Vertreter der heutigen Erwerbstätigengeneration ersetzt worden ist.

Nach demselben Prinzip konstruierte die Große Koalition auch die Rente mit 67. Wer schon im Ruhestand ist, hat durch die höhere Altersgrenze keine Nachteile. Im Gegenteil, er profitiert sogar: Die Reform erhöht den Anteil der Erwerbstätigen an der Bevölkerung - und damit einen der Faktoren, die laut gültiger Rentenformel zu höheren Altersgeldern führen.

Ganz anders werden dagegen diejenigen getroffen, die in der Mitte ihres Berufslebens stehen. Sie müssen entweder zwei Jahre länger arbeiten oder eine Rentenkürzung von weiteren zwölf Prozent hinnehmen. Die ganze Wucht der beschlossenen Kürzungen trifft damit diejenigen, die heute im Erwerbsleben stehen.

Je harmloser die Überschrift, desto giftiger der Inhalt

Wenn sich nur die Rente als Renditekiller erweisen würde, wären die Einbußen vielleicht verkraftbar. Schließlich müssen auch an der Börse die Verluste mancher Aktien durch Gewinne anderer Anteilsscheine ausgeglichen werden. Im deutschen Sozialsystem jedoch stecken derzeit alle Werte in der Minuszone und die Aktionäre müssen ein katastrophales Kurs-Gewinn-Verhältnis registrieren, nicht zuletzt in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Die Beiträge für AOK und Co. sind in den vergangenen Jahren kaum weniger stark gestiegen als diejenigen für die Rente. Dafür wurden die Leistungen stark eingedampft. In den vergangenen drei Legislaturperioden brachten die Regierungen eine schier endlose Kette von Reformen auf den Weg, die sie dem Volk mit immer hochtrabenderen Titeln schmackhaft zu machen trachteten. Dem Beitragsentlastungsgesetz (1996) folgten das erste und zweite Neuordnungsgesetz (1997), das Solidaritätsstärkungsgesetz (1999) sowie das Gesundheitsmodernisierungsgesetz (2004).

Dabei galt: Je harmloser die Überschrift, desto giftiger der Inhalt. Reform um Reform dünnten die Gesundheitsminister den Leistungskatalog aus, senkten die Medizinbudgets, erhöhten die Selbstbeteiligung. Das Sterbegeld wurde gestrichen und der Kassenzuschuss für Brillen abgeschafft. Die Versicherten müssen zahlreiche Medikamente sowie die Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung selbst bezahlen, bei Arztbesuchen wird eine Praxisgebühr fällig. Das Krankengeld wurde gekürzt, der Zuschuss für künstliche Befruchtungen halbiert, die Zuzahlung zu medizinischen Leistungen erhöht.

Wie sehr ihr Versicherungsschutz inzwischen eingeschränkt wurde, haben viele Arbeitnehmer noch gar nicht bemerkt. Weil sie in jüngster Zeit nicht krank waren, glauben sie sich mit ihren Kassenbeiträgen von vielfach über 500 Euro monatlich noch immer bestens versorgt.

Das ist ein Irrtum. Wer die vielen offenen und verdeckten Rationierungen des gesetzlichen Gesundheitswesens bereits am eigenen Leib erleben durfte, fühlt sich mitunter vor eine Wahl gestellt, die im Extremfall auf die unschöne Alternative "Geld oder Leben" hinausläuft: Entweder akzeptiert der Versicherte die Kassenversorgung auf Minimalniveau oder er ist bereit, privat jede Menge draufzuzahlen.

Hartz IV - eine alte Melodie, besonders schrill intoniert

Um wenigstens die schlimmsten sozialen Härten abzufedern, führte die Regierung eine sogenannte Überforderungsklausel ein. Die geht so: Wer für Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen mehr als ein Prozent seines Bruttoeinkommens aufwenden muss, bekommt die Differenz von der Kasse erstattet. Das klingt gerecht, ist aber nur eine weitere Regel, die zu Lasten der Arbeitnehmer geht. Erst zahlen sie für ihre eigenen Medikamente, Operationen oder Arztbesuche kräftig zu - und dann müssen sie mit ihren Beiträgen auch noch die Extraausgaben jener Rentner und Fürsorgeempfänger begleichen, die ihre Sonderzahlungen nicht selbst bestreiten können.

Kein Wunder, dass immer größere Teile des Krankenkassenbudgets an die Empfänger staatlicher Transferleistungen und immer weniger an den aktiven Teil der Bevölkerung fließen. Die Gesundheitsleistungen für Arbeitnehmer wurden in den vergangenen zehn Jahren praktisch eingefroren, die durchschnittlichen Kassenausgaben für Rentner dagegen stiegen um knapp 20 Prozent. Vor einem Jahrzehnt überstieg das Budget der Aktiven-Versicherung den Etat der Rentnerversorgung noch um fast 18 Milliarden Euro. Heute fließt mehr Geld an die knapp 17 Millionen Ruheständler als an die 50 Millionen Kassenmitglieder.

Nach derselben Melodie wurden viele Gesetze in den vergangenen Jahren verabschiedet. Keines aber verfolgte die Linie so konsequent wie die Hartz-IV-Reform. Bis vor wenigen Jahren waren die staatlichen Leistungen für Arbeitslose eng an den vorherigen Verdienst gekoppelt - und fielen üppiger aus als in fast allen anderen Industrieländern. Wer seinen Job verlor, dem sicherten Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe selbst nach jahrelanger Erwerbslosigkeit zumindest teilweise den bisherigen finanziellen Status. Derjenige Teil der Erwerbsbevölkerung dagegen, der zuvor gar nicht oder nicht lange genug gearbeitet hatte, erhielt nur die meist deutlich geringere Sozialhilfe.

Im Expresstempo runter auf die Armutsschwelle

Seit der Hartz-Reform ist der Abstand zwischen den Leistungen für Arbeitslose und denjenigen für Fürsorgeempfänger drastisch geschrumpft. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld wurde gekürzt, die Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe fusioniert. Was das bedeutet, kann sich jeder Arbeitnehmer leicht ausrechnen: Geht der Job verloren, sichert das Arbeitsamt noch ein Jahr lang den Lebensstandard, anschließend geht's im Expresstempo runter auf die Armutsschwelle. Ade Reihenhaus. Tschüs Mittelklassewagen.

Die Einschnitte waren unvermeidlich, sagen die Experten. Ein Großteil der Arbeitnehmerschaft aber empfindet Hartz IV bis heute als schreiende Ungerechtigkeit. Wer ein Leben lang gearbeitet hat, soll nach kurzer Erwerbslosigkeit auf dasselbe Unterstützungsniveau rutschen wie ein drogenabhängiger Jugendlicher, der noch nie einen Handschlag getan hat?

Wer in zig Berufsjahren oft viele Zehntausende Euros Arbeitslosenbeiträge zahlen musste, soll nur noch maximal zwölf Monate abgesichert sein? Wer jahrelang die Sozialkassen gefüllt hat, soll als Arbeitsloser nur noch denselben Rentenanspruch erwerben wie ein Fürsorgebezieher? Was den Unmut zusätzlich schürte: Während die Leistungen für Arbeitnehmer zusammengestrichen wurden, stellte die Reform die bisherigen Sozialhilfebezieher besser. Seit Hartz IV sind sie, anders als früher, kranken- und rentenversichert, dürfen mehr privates Vermögen und ein Auto besitzen, bekommen als Ostdeutsche mehr Geld. Nehmen sie einen Minijob an, dürfen sie einen Großteil des Verdienstes behalten. Melden sie sich arbeitslos, haben sie Anspruch auf das komplette Förder- und Vermittlungsprogramm der Arbeitsverwaltung.

Kein Wunder, dass die Hartz-Reform zum Kristallisationspunkt für die Proteste gegen die Sozialpolitik der vergangenen Jahre wurde. Die Arbeitnehmer spürten sehr genau, dass die Sanierungsmaßnahmen vor allem zu ihren Lasten gingen.

Im Zuge der zahllosen Konsolidierungs- und Sparpakete, der Gesundheits-, Renten- und Agenda-Reformen haben sich die Sozialkassen für sie zu einem immer schlechteren Geschäft entwickelt. Überall müssen sie mehr einzahlen, überall bekommen sie weniger heraus: Werden sie entlassen, droht der rasche Absturz zum Fürsorgeempfänger. Werden sie krank, müssen sie einen Großteil der Medizinleistungen aus der eigenen Tasche bezahlen. Gehen sie in Rente, bietet ihnen der Staat nicht mehr als eine Basisversorgung.

Quelle : www.spiegel.de

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Offline Jürgen

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Re: Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung
« Antwort #20 am: 13 Oktober, 2007, 01:11 »
Ist ja schön, dass der Spiegel inzwischen sinngemäss dasselbe schreibt, wie nicht nur ich schon seit Jahren.
Aber kaufen kann man sich davon nix.

Ist dieses Volk zu lethargisch, um endlich aufzustehen und die Schmarotzer und Räuber in Politik, Management und insbesondere Finanzwirtschaft zu entmachten?
Oder haben inzwischen alle die Büxen randvoll?
Es darf doch nicht sein, dass sich in einer (angeblichen?) Demokratie die übergrosse Mehrheit der Bevölkerung so widerstandsloss knechten, verar...en und noch dazu regelmässig öffentlich verhöhnen lässt...  ::)

Jürgen
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Re: Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung
« Antwort #21 am: 14 Oktober, 2007, 22:31 »
"teile und herrsche" wussten schon die alten Römer. Die Mehrheit lässt sich gegeneinander ausspielen: Alt<>Jung  Arbeiter<>Arbeitslose  Inländer<>Ausländer  Ossis<>Wessis  Männer<>Frauen  Proleten<>Beamte  Lokführer<>Fahrgäste  Demonstranten<>schweigendeMehrheit  Gesunde<>Kranke  Mitläufer<>Andersdenkende  Raucher<>Nichtraucher ...   
...und das Ganze garniert mit sozialer Demagogie ...
Solange das so bleibt, wird es nix mit "the wind of change".
In einer ehemaligen DDR-Zeitung, die man nach einmaligem Nichtlesen für "hinterlistige" Zwecke verwendete, stand unter der Überschrift: "Proletarier aller Länder vereinigt euch". Der Spruch erweitert, s.o. kommt mir die letzten Jahre immer öfter in den Sinn. Die einige Bevölkerung wird von den Herrschenden gefürchtet, deshalb muss sie zerteilt und marginalisiert werden.
Die ziemlich gleichgeschalteten Medien sorgen schon dafür...

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Konzertierte Aktion der deutschen Wirtschaft: BDI-Präsident Thuman und die Chefs von drei weiteren Spitzenverbänden verlangen von Union und SPD, am Reformkurs festzuhalten. Nach dem internen Machtkampf in der SPD um das Arbeitslosengeld übt sich Parteichef Beck in Schadensbegrenzung.

Hamburg - "Keine Rolle rückwärts bei den Reformen! Macht den Aufschwung nicht kaputt!", heißt es in dem Appell der vier Spitzenverbände, der der "Bild"-Zeitung vorliegt. Unterschrieben ist der Aufruf von BDA-Präsident Dieter Hundt, BDI-Präsident Jürgen Thumann, DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun und ZDH-Präsident Otto Kentzler.

"Diejenigen, die in SPD und Union Kernpunkte der Agenda 2010 aufweichen oder zurücknehmen wollen, gefährden den Aufschwung und die gute wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land", sagten die Wirtschaftsvertreter im Hinblick auf die diskutierte Verlängerung des Arbeitslosengeldes. Deutschland dürfe nicht in eine populistische, rückwärtsgewandte Politik verfallen, während sich der Rest der Welt den notwendigen Veränderungen stelle.

Die Verbandschefs erinnerten daran, dass der aktuelle wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland auch eine Folge der "richtigen und wichtigen Reformen" der Agenda 2010 sei. Gleichzeitig mahnten sie weitere Reformen an. "Der internationale Wettbewerb geht weiter. Auch bei uns müssen die Reformen mutig und entschieden fortentwickelt und vorangetrieben werden", heißt es in dem Aufruf.

Gestern hatte sich SPD-Chef Kurt Beck im parteiinternen Streit mit seiner Forderung durchgesetzt, älteren Arbeitslosen länger Arbeitslosengeld I (ALG I) zu zahlen. Er hatte mit Arbeitsminister Franz Müntefering vereinbart, dass nur das von Beck bevorzugte Konzept dem SPD-Parteivorstand und anschließend dem Parteitag in Hamburg vorgelegt werden soll.

Das vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) erarbeitete Konzept will die Zahlungen an Arbeitslose vom Alter und von den Beschäftigungsjahren abhängig machen. Arbeitnehmer ab 50 Jahren sollen demnach bei mindestens 36 Monaten vorheriger Beitragszahlung 18 Monate lang Arbeitslosengeld I erhalten, bei 42 Monaten sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung sogar 24 Monate.

Die Vorstellungen Münteferings, der eine Verlängerung an Fortbildungsmaßnahmen koppeln wollte, sollen hingegen nicht berücksichtigt werden. Obwohl der Arbeitsminister seine Niederlage nach dem Treffen mit Beck eingestanden hatte, hoffte der konservative Seeheimer Kreis in der SPD dennoch weiter auf einen Kompromiss zwischen Müntefering und Beck. Sprecher Johannes Kahrs sagte der "Passauer Neuen Presse", Müntefering habe in der Sache Recht. "Er hat in dieser Frage eine Zweidrittel-Mehrheit in der Bundestagsfraktion", sagte Kahrs.

Rüttgers erwartet schnelle Einigung beim Arbeitslosengeld

Der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jürgen Rüttgers rechnet mit einer schnellen Verständigung in der Großen Koalition über eine Neuregelung beim Arbeitslosengeld I zugunsten der älteren Arbeitslosen. "Ich bin sicher, dass wir noch in diesem Jahr zu einer Einigung über Änderungen beim Arbeitslosengeld I kommen werden", sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident der "Financial Times Deutschland" zum Vorhaben der SPD-Führung, den Arbeitslosengeldbezug zu verlängern. Die Änderungen müssten aber im System gegenfinanziert werden. Die SPD rechnet dagegen mit Zusatzkosten in Höhe von rund einer Milliarde Euro.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger warnte seine Partei vor Kompromissen mit der SPD beim Arbeitslosengeld I. Wenn es Spielräume in der Arbeitslosenversicherung gebe, müssten die Beiträge gesenkt werden.

Diesem Ziel müsse alles untergeordnet werden, sagt Oettinger der Wochenzeitung "Die Zeit". Die Senkung der Lohnnebenkosten sei wichtiger, als Programme aufzulegen, die Geld kosteten, aber die Arbeitslosigkeit nur verwalteten.

Die designierte SPD-Vize Andrea Nahles rechnet mit einem Ende des parteiinternen Konfliktes um das längere Arbeitslosengeld für Ältere noch vor dem Hamburger Parteitag. "Der Parteivorstand wird am kommenden Montag die Linie für den Parteitag festlegen", sagte Nahles. "Ich gehe fest davon aus, dass der Vorschlag Becks dort breite Unterstützung finden wird. Das heißt, der Konflikt wird nicht mehr auf dem Parteitag ausgetragen, sondern vorher geklärt", sagte Nahles.

FDP-Vizeparteichef Rainer Brüderle forderte Merkel im "Reutlinger General-Anzeiger" zum Eingreifen auf. "Frau Merkel muss jetzt endlich Farbe bekennen und sagen, was sie eigentlich will: Fortschritt oder Rückschritt."

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nannte den SPD-Beschluss zur stärkeren Senkung des Beitragssatzes einen Erfolg von Bundeskanzlerin Angela Merkel. "Darauf kann die CDU stolz sein", sagte er am Dienstagabend bei einer Regionalkonferenz der Partei in Essen. Die Kanzlerin betonte die Förderung vor allem älterer Arbeitsloser.

Beck: Müntefering nicht beschädigt

Nach der absehbaren Niederlage Münteferings sind führende Sozialdemokraten um Normalität bemüht. Beck bekräftigte gestern Abend im ZDF-"Heute Journal", dass der Arbeitsminister "in keiner Weise beschädigt" sei.

Ähnlich äußerte sich SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel. "Für mich zeigt gerade der Größe, der nicht ständig nur seine eigene Meinung zum Maßstab aller Dinge macht", fügte er in der "Frankfurter Rundschau" hinzu.

Müntefering wies Fragen nach seinem möglichen Rückzug erneut zurück. "Ich möchte weiter daran mitwirken, dass wir eine vernünftige Arbeits- und Sozialpolitik machen", sagte er in den ARD-"Tagesthemen". Er gehe davon aus, dass der anstehende SPD-Parteitag Becks Linie folge. Dann "muss im Koalitionsausschuss zwischen den Parteivorsitzenden (von SPD und CDU/CSU) geklärt werden, ob man sich auf eine gemeinsame Linie verständigt", sagte der Vizekanzler, der selbst dem Ausschuss angehört. "Ich werde dafür werben, dass soviel wie möglich an Arbeitsplätzen für ältere Menschen dabei herauskommt." Gerade weil die Menschen immer älter würden, dürften sie nicht mit 55 aus dem Berufsleben gedrängt werden.

Sein Unterliegen sei keine Schwächung der eigenen Position. "Das war nicht die kalte Schulter, das war nicht Argumente beiseite wischen", sagte Müntefering im Deutschlandfunk mit Blick auf die Unterredung mit Beck in Mainz. Er verstehe auch "die gute Absicht" Becks, der Partei zu signalisieren, dass er die Sorgen der Älterwerdenden sehe. Das habe für ihn "ein gewisses Maß an Plausibilität". Für ihn sei allerdings die Frage entscheidend, mit welchem Instrument die Politik den Älteren am ehesten nutze.

Zu der Äußerung von Alt-Kanzler Gerhard Schröder (SPD), die Agenda 2010 sei "nicht die zehn Gebote" und wer daran mitgearbeitet habe, nicht Moses, sagte Müntefering: "Der Moses war ja eigentlich ein ganz toller Typ, der hat ja viel erreicht für sein Land. Vielleicht ist das ja ein kleiner Hinweis gewesen."

Zugleich verteidigte er auch, dass Beck nach der Unterredung gestern allein vor die Presse trat. Er habe lediglich als derjenige, der in der Regierung mit diesem Thema umzugehen hat, seinen Rat gegeben, "weshalb sollte ich mich da verstecken". Der Auftritt und seine eigene spätere Äußerung dazu seien "voll abgesprochen" abgelaufen.

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) unterstützte Müntefering. Der Minister gehöre zu denen, die in der Partei die breiteste Unterstützung hätten, er sei "fast wie eine Ikone in der Partei", sagte sie am Mittwoch im Deutschlandfunk. An der Frage einer längeren Bezugsdauer von ALG 1 entscheide sich weder, ob eine Partei zu einem Minister stehe noch, ob ein Minister sein Amt durchführen könne.

Quelle : www.spiegel.de

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SPD-Vorstand beschließt Plan Becks zu Arbeitslosengeld I
« Antwort #23 am: 22 Oktober, 2007, 19:09 »
Der SPD-Vorstand hat mit großer Mehrheit das Modell von Parteichef Kurt Beck zur längeren Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für Ältere beschlossen. In dem 45 Mitglieder umfassenden Gremium gab es nur zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung. Damit setzte sich der Vorstand über Einwände von Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) hinweg. Beck erklärte die Debatte über das ALG I für die Parteispitze für beendet. Eine Mehrheit auf dem SPD-Parteitag in Hamburg für die längere Bezugsdauer gilt als sicher.

Gegen die längere Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I stimmten im SPD-Vorstand nur Parteivize Jens Bullerjahn und Gesundheitsstaatssekretärin Marion Caspers-Merk; Finanzminister Peer Steinbrück enthielt sich der Stimme. Müntefering, der in dem Gremium nicht stimmberechtigt ist, bekräftigte in der Sitzung seine Haltung. Er hatte sich wiederholt gegen die Forderung Becks gestellt, die auch eine Korrektur der Reformagenda 2010 bedeutet.

Beck sagte, er respektiere die Haltung Münteferings. "Wir sind nicht im Mittelalter, wo man einer Meinung abschwören musste." Auch solle es keine generelle Abkehr von der Agenda 2010 geben. Die umstrittene Forderung nach der längeren Zahldauer ist ein Punkt des Neun-Punkte-Programms der SPD zur Arbeitsmarktpolitik. Dieses gesamte Programm wurde einstimmig beschlossen. Beck hob hervor, über acht der neun Punkte gebe es zwischen ihm und Müntefering Übereinstimmung.

Das Programm sieht vor, eine Milliarde Euro zusätzlich für ältere Arbeitnehmer bereitzustellen - wofür genau, bleibt offen. Altersteilzeit und Teilrente sollen besser miteinander verzahnt werden. Die SPD will außerdem den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung auf 3,5 Prozent senken und den Status von Leiharbeitern verbessern. Abschläge wegen eines vorzeitigen Renteneintritts sollen bei berufsbezogener Leistungsminderung vermieden oder abgemildert werden.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla sagte in Berlin, er gehe von einer einvernehmlichen Lösung in der Koalition zum Arbeitslosengeld I aus. Am 4. November und voraussichtlich erneut am 12. November solle darüber im Koalitionsausschuss gesprochen werden. Pofalla bekräftigte aber, die Union werde einer Verlängerung der Zahldauer beim ALG I nur zustimmen, wenn diese aufkommensneutral sei. Dies lehnt die SPD wegen der damit verbundenen Einschnitte für Jüngere ab.

Quelle : http://de.news.yahoo.com

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Die Schere zwischen Arm und Reich klafft weiter auseinander
« Antwort #24 am: 07 November, 2007, 19:24 »
Essen. Statistisch gesehen besitzt laut einer aktuellen Studie jeder Deutsche im Durchschnitt ein Vermögen von 81.000 Euro. Im Prinzip. De facto besitzt über die Hälfte der Bevölkerung so gut wie nichts. Für die Demokratie ist das eine Herausforderung.

Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschafsforschung fällt es nicht schwer, 81.000 klein zu rechnen, ist Vermögen in Deutschland doch arg asymetrisch verteilt: Errechnet Grabka den Wert nur für die ärmere Hälfte der Bevölkerung, beträgt der mittlere Wert lediglich 15.000 Euro. Noch dramatischer ist die Gesamtrechnung, die Grabka aufmacht: "Die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung verfügen über zwei Drittel des gesamten Vermögens." In Bezug auf die Vermögenskonzentration in Deutschland konstatiert der Forscher "eine sehr hohe Ungleichheit".

Frauen sind mittelloser als Männer

"Ich war nicht unbedingt überrascht", sagt Grabka nüchtern. Die Tendenzen seien seit Jahren hinlänglich bekannt. Verblüfft war der Forscher hingegen von einigen speziellen Erkenntnissen, die seine Studie zutage förderte. Fakten, die vermutet werden durften, die aber nun durch Zahlen belegt sind: Ostdeutsche sind ärmer dran als Westdeutsche, Frauen mittelloser als Männer, Menschen mit Migrationshintergrund haben weniger Geld als die ohne. Mit dem besonderen Verfahren, das Grabka und seine Kollegen angewandt haben, bundesweit wurden 12.000 Privathaushalte und 24.000 Einzelpersonen befragt, sei es möglich, "Vermögen auf individueller Ebene zu erfassen".

DGB: Entwicklung hat sich zugespitzt

Nun ist das, was bis an die Oberfläche drängt, eine "Bestandsaufnahme", mehr nicht. Erklärungen müssen andere suchen, zum Beispiel der DGB-Landeschef Guntram Schneider. Die Zahlen, die nun auf dem Tisch liegen, seien nichts weiter als die "Fortschreibung einer Entwicklung seit vielen Jahren", die sich nun lediglich "zugespitzt" haben. Für den Gewerkschafter kein Wunder: "Was die Reallöhne anbelangt, steht Deutschland unter vergleichbaren EU-Ländern an letzter Stelle." Wo am Ende des Monats nichts bleibt, kann sich kein Vermögen bilden. Immer wieder habe auch der DGB darauf hingewiesen, dass eine solche gesamtgesellschaftliche Entwicklung "der Stabilität der Demokratie abträglich" sei. Schneiders Vorschläge für einen Ausweg: eine aktive Einkommenspolitik, die die realen Einkommen steigen lässt, und diverse Modelle der Vermögensbildung, wie sie derzeit in allen Parteien diskutiert werden. Illusionen gibt sich Schneider nicht hin: "Diese Entwicklung, die wir seit 30, 40 Jahren haben, wird nicht von heute auf morgen korrigierbar sein."

"Kompromisse, die geschnürt werden mussten"

Ein beliebtes Streitthema im Arm-Reich-Konflikt ist seit jeher die Erbschaftssteuer, bei der sich die Große Koalition in dieser Woche mühsam auf einen gemeinsamen Nenner geeinigt hatte. "Was da beschlossen werden soll", wettert NRW-DGB-Chef Schneider, "das ist nicht ausreichend, sondern höchstens ein Anfang." In diesem Punkt springt NRW-SPD-Generalsekretär Michael Groschek dem Gewerkschafter bei: Hätten die Sozialdemokraten bei der Erbschaftssteuer alleine entscheiden können, hätte die Partei die Beschlüsse "deutlich pointierter" getroffen. Für die Koalition bleibt Groschek nur, "die Kompromisse, die geschnürt werden mussten", zu verteidigen. Und Groschek gewinnt den Kompromissen Positives ab: "Schlupflöcher" seien geschlossen worden, so könne etwa Privatvermögen nicht mehr so leicht als Betriebsvermögen deklariert werden, Immobilien würden bald steuerlich voll veranschlagt.

CDU will Vermögen "ausgewogener" verteilen

An den Kompromissen zu rütteln, käme auch CDU-Fraktionschef Helmut Stahl nicht in den Sinn. Einig sind sich Groschek und Stahl auch in der Interpretation der DIW-Studie. So beklagt Stahl: "Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander." Stahl betont aber auch, dass immerhin zehn Prozent der Steuerzahler für 50 Prozent des gesamten Steueraufkommens aufkommen. Für den CDU-Fraktionschef ist indes auch unmissverständlich klar: "Es ist eine wichtige Aufgabe der Politik, für eine ausgewogenere Verteilung des Vermögens in Deutschland zu sorgen."

Wie nun das Vermögen gerechter verteilt wird: Vor allem darüber, Arbeiter und Angestellte besser am Erfolg ihres Unternehmens zu beteiligen. Da propagiert die SPD den von Parteichef Kurt Beck ins Spiel gebrachten Deutschland-Fonds, da setzt die CDU auf ihr Konzept des Investiv-Lohns. Da würde der DGB gerne noch einmal darüber diskutieren, größere Vermögen stärker zu besteuern. Das Argument einer möglichen "Vermögensflucht" in einem solchen Fall hält NRW-Chef Schneider jedenfalls für ziemlich hinfällig. Selbst bei einer höheren Besteuerung würde "niemand über Gebühr belastet". Da betont auch DIW-Forscher Grabka, die Reform der Erbschafts- und Schenkungssteuer solle noch einmal überdacht werden, seien die Sätze in internationalen Vergleich doch niedrig und die Freibeträge hoch. "Unglaublich", ärgert sich Grabka und fragt bei einem Freibetrag von einer halben Million Euro: "Wer zahlt denn da noch Erbschaftssteuer?"

"Es wird sich nicht soviel ändern"

Grabkas Studie fußt auf Zahlen, die 2002 erhoben worden sind. Die Auswertung zog sich angesichts der Komplexität der Datenmenge und -qualität. Im Moment sind Grabka und Kollegen dabei, die Zahlen, die 2007 erhoben worden sind, auszuwerten. Grabka wagt sich noch nicht an eine konkrete Aussage, aber an eine tendenzielle: "Es wird sich nicht soviel ändern", prophezeit der Forscher. Die Schere zwischen Reich und Arm klafft weiter auseinander. Und die Gesellschaft muss darauf reagieren.

Quelle : www.derwesten.de

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Report kritisiert Ausbeutung in der IT-Industrie
« Antwort #25 am: 15 Februar, 2009, 19:11 »
Die US-Menschenrechtsorganisation National Labor Committee (NLC) hat einen umfangreichen Bericht (PDF) über unmenschliche Arbeitsbedingungen des Tastatur-Herstellers "Dongguan Meitai Plastics & Electronics Factory" in der südchinesischen Provinz Guangdong vorgelegt. Die Arbeitszeit dort beträgt wöchentlich regelmäßig über 80 Stunden. Von ihrem Stundenlohn von umgerechnet knapp 60 Cent wird den Arbeitern – zum überwiegenenden Teil jungen Frauen im Alter zwischen 18 und 25 – ein Teil für Unterkunft und Verpflegung abgezogen, ausbezahlt bekommen sie dann noch rund 30 Cent pro Stunde. Mit der dort hergestellten Ware werden IBM, Microsoft, Dell, Lenovo und Hewlett-Packard beliefert.

Die Arbeitsbedingungen erfüllen noch nicht einmal die recht laxen chinesischen Standards. Beispielsweise dürfen die rund 2000 Arbeiter das Firmengelände nur an drei Tagen pro Woche verlassen. Einer wird mit den Worten zitiert "Ich fühle mich, als ob ich eine Gefängnisstrafe abbüßte". Die Fließbandarbeiter müssen rund eine Taste pro Sekunde montieren, dabei sitzen sie auf ungepolsterten Holzschemeln ohne Rücken- oder Armlehnen. Die Vorschriften des Arbeitgebers sind umfangreich, die Strafen drakonisch. Wer nur eine Minute verspätet am Arbeitsplatz erscheint, muss bereits eine Strafe von zwei Stundenlöhnen entrichten. Viereinhalb Stundenlöhne kostet das Falschparken mit dem Fahrrad, die unbefugte Nutzung eines Aufzugs wird mit dem Abzug von anderthalb Tageslöhnen bestraft. Wer Flugblätter verteilt oder sich Notizen macht, darf mit einem Lohnabzug von drei Tagen rechnen. Der Beitritt zu einer unabhängigen Gewerkschaft führt zur sofortigen Kündigung.

Untergebracht sind die Arbeiter in Schlafsälen mit 10 bis 12 Betten. Die Verpflegung ist einfach und besteht hauptsächlich aus dünner Suppe und Reis; einmal pro Woche gibt es einen Hähnchenschlegel und einen Hühnerfuß. Laut NLC sind die meisten Arbeiter nicht in der gesetzlichen Kranken-, Renten- und Unfallversicherung, obwohl das in China gesetzlich vorgeschrieben ist. Das Management riskiert indes die Gesundheit der Arbeiter an vielen Stellen: Rund 30 Plastikformmaschinen etwa sorgen in einer Abteilung für extreme Temperaturen, Klimaanlagen gibt es dennoch nicht. Bei den dort tätigen Arbeitern sind Hautausschläge aufgrund ständigen Schwitzens an der Tagesordnung. In der Lackiererei gibt es keine Atemschutzmasken, obendrein wird den Arbeitern verheimlicht, mit welchen Stoffen sie umgehen.

Die Electronic Industry Citizenship Coalition (EICC), eine freiwillige Selbstkontroll-Organisation, die sich die Überwachung fairer Arbeitsbedingungen (Verhaltenskodex als PDF) auf die Fahnen geschrieben hat und in der alle genannten Abnehmer der Ware aus Guangdong Mitglied sind, will nun die Arbeitsbedingungen offiziell untersuchen. Dem NLC-Bericht zufolge verstößt Meitai gegen eine Vielzahl der von der EICC aufgestellten Richtlinien. Ob die Kontrolle jedoch effektiv sein wird, bezweifelt Charles Kernaghan, einer der Autoren der NLC-Studie. Denn die EICC hat bereits verkündet, dass sie am 23. und 24. Februar vor Ort sein werde. Das Management werde die Angestellten nun einschüchtern, damit diese keine Beschwerden führen, befürchtet Kernaghan. Vermutlich dürfen sich die Arbeiter aber wenigstens kurzfristig über korrekte Arbeitsbedingungen und außergewöhnlich gute Verpflegung freuen – bis die EICC-Kontrolleure wieder auf dem Heimweg sind.

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/Report-kritisiert-Ausbeutung-in-der-IT-Industrie--/meldung/132571

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Billige Arbeitskräfte in der Sackgasse
« Antwort #26 am: 14 Juni, 2009, 12:09 »
Mittlerweile gibt es rund 750.000 1-Euro-Jobs. Sie verdrängen reguläre Arbeitsplätze und bieten kaum Perspektiven. Offenbar wird nur 12 Prozent der Betroffenen überhaupt eine Vollzeitstelle angeboten

Der Bundesrechnungshof beschäftigt sich im Rahmen seiner Prüfungen der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes auch mit der "Durchführung der Grundsicherung für Arbeitssuchende" und fand in den vergangenen Jahren immer wieder Grund zur Beanstandung.


Kritisiert wurden missverständliche Regelungen im sogenannten SGB II, rechtswidrige Interpretationsversuche in den einzelnen Ländern und Kommunen, eine "uneinheitliche Verwaltungspraxis" oder der "unwirtschaftliche Mittelverbrauch".

Insbesondere die "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung", die in der weniger nebulösen Umgangssprache 1-Euro-Jobs heißen, dienen nicht dem Ziel eines "rechtskonformen, zielgerichteten und wirtschaftlichen Einsatzes", stellte der Bundesrechnungshof noch Ende 2008 fest. Zwei Drittel der geprüften Maßnahmen erfüllten erst gar nicht die gesetzlichen Fördervoraussetzungen, überdies blieben die 1-Euro-Jobs "für drei von vier Hilfsbedürftigen weitgehend wirkungslos".

Neue Sozialkontakte, alte Perspektiven

Der Gesetzgeber hatte sich das anders gedacht oder den Sachverhalt anders kommuniziert. Eigentlich sollten 1-Euro-Jobs nur in den Fällen eingesetzt werden, in denen besser bezahlte und effektivere Eingliederungsmöglichkeiten nicht realisierbar sind - und dann eine Perspektive für die baldige Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt bieten.

Dass beides nicht zu funktionieren scheint, belegt nun die Studie "Praxis und neue Entwicklungen bei 1-Euro-Jobs" des Deutschen Gewerkschaftsbundes, die auf einer repräsentativen Befragung von Ein-Euro-Jobbern basiert. Zwischen 2005 und 2007 wurden Menschen interviewt, die in "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung" beschäftigt waren oder bereits entsprechende Erfahrungen gesammelt hatten. Viele von ihnen machten schon bei den Vermittlungsgesprächen in den Arbeitsagenturen Bekanntschaft mit den Defiziten der staatlichen Arbeitsmarktpolitik.

Zitat
Jede/r vierte erwerbsfähige Hilfebedürftige hatte keine ausführlichen Gespräche bei der ARGE, jede/r dritte hat kein Stärken-Schwächen-Profil erstellt bekommen, jede/r zweite keine Beratung für Bewerbungsgespräche erhalten.
DGB: Praxis und neue Entwicklung bei 1-Euro-Jobs

Nur 12 Prozent der Befragten, die im Untersuchungszeitraum einen 1-Euro-Job hatten, wurde eine reguläre Vollzeitstelle angeboten, wobei sich die Situation für weibliche Bewerber noch deutlich problematischer darstellte.

Eine geschlechtsspezifische Ausdifferenzierung zeigt, dass 15 Prozent der Männer, aber nur acht Prozent der Frauen eine Vollzeitbeschäftigung offeriert wurde. Alternative Maßnahmen, etwa im Bereich der Weiterbildung, werden ebenfalls nur gelegentlich in Erwägung gezogen. Genug Defizite, um Betroffene zur Formulierung einer gut begründeten Widerspruchserklärung zu motivieren.

Trotz dieser ernüchternden Zahlen und des immerhin bemerkenswerten Umstandes, dass die flächendeckende Einführung dieser Art Mini-Jobs von manchen Beobachtern als klarer Verstoß gegen das Völkerrecht gewertet wird, wurden die Regelungen des SGB II und die Möglichkeit, für eine befristete Zeit im 1-Euro-Bereich zu arbeiten, nicht durchweg negativ bewertet.

83 Prozent sahen in dem Beschäftigungsverhältnis immerhin die Möglichkeit, "etwas Sinnvolles zu tun und unter Menschen zu kommen." Die – wenn auch geringe - Verbesserung der finanziellen Situation spielte in den Überlegungen ebenfalls eine wichtige Rolle. Im Osten Deutschland bewarben sich erstaunliche 41 Prozent der Befragten eigeninitiativ um einen 1-Euro-Job (Westdeutschland: 26 Prozent).

Zitat
Das bedeutet, insbesondere in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit werden 1-Euro-Jobs scheinbar besser bewertet, da sie mangels anderer Alternativen der Arbeitslosigkeit vorgezogen werden. In der Not wird so nach jedem Strohhalm gegriffen, unabhängig davon, ob sich daraus längerfristige Perspektiven eröffnen oder nicht.
DGB: Praxis und neue Entwicklung bei 1-Euro-Jobs

An diese längerfristigen Perspektiven glaubte knapp zwei Drittel der Befragten aber ohnehin nicht. 64 Prozent rechneten nicht damit, durch ihren 1-Euro-Job wieder eine reguläre Beschäftigung zu finden, und die Forschung gibt ihnen in diesem Punkt unzweifelhaft Recht.

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung stellte in einer Untersuchung Anfang 2008 fest, dass Ein-Euro-Jobs die Eingliederungschancen und Beschäftigungsfähigkeit mancher Teilnehmer zwar "innerhalb der ersten 20 Monate nach Maßnahmebeginn" erhöhen können. Eine erfolgreiche Beseitigung der Hilfebedürftigkeit werde jedoch "innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt in einen Zusatzjob" nicht erzielt, resümierten die Autoren Katrin Hohmeyer und Joachim Wolff.

Die Ultima Ratio als Regelfall

Bei der Diskussion über die Folgen, die SGB II und vor allem die flächendeckende Einführung von 1-Euro-Jobs mit sich bringen, geht es freilich nicht nur um individuelle Fälle und persönliche Einschätzungen oder Befindlichkeiten. Der DGB kritisiert vor allem, dass diese Form einer sozialrechtlichen Beschäftigung ohne Arbeitsvertrag mittlerweile ganz unabhängig vom Verlauf der Konjunktur "im großen Stil" eingesetzt wird.

2008 nahmen bundesweit 764.000 Menschen an einem 1-Euro-Job teil, andere, qualitativ möglicherweise höherwertige Instrumente der Arbeitsmarktförderung spielten dagegen kaum noch eine Rolle. Von einer überzeugenden Eingliederungsstrategie kann gleichwohl keine Rede sein, meint die Gewerkschaft. Weil dieser Aspekt in den SGB II-Richtlinien zu undeutlich definiert werde, zielten die Bemühungen zu oft auf "Quantität von der Stange statt Qualität im Einzelfall". Dass 1-Euro-Jobs mittlerweile Regelfälle des Arbeitsmarktes geworden sind, führt der DGB auf eine Fehlsteuerung des Gesetzgebers zurück.

Zitat
Insbesondere ist es aus fiskalischer Sicht für SGB II Träger attraktiv, in großer Zahl 1-Euro-Jobs anzubieten, denn aus ihrem Eingliederungsbudget müssen sie nur die Mehraufwandsentschädigung und die Trägerpauschale (zusammen rund 500 Euro) finanzieren. Das Gros der Gesamtkosten bei 1-Euro-Jobs macht die Weiterzahlung des ALG II bzw. des Sozialgelds für Kinder und der Unterkunftskosten aus. Da dies aber passive Pflichtleistungen sind, müssen Bund bzw. Kommune (bei der Miete) außerhalb der arbeitsmarktpolitischen Förderung für diese Kosten aufkommen.
DGB: Praxis und neue Entwicklung bei 1-Euro-Jobs

Die geplante Neufassung der Arbeitshilfe könnte bei optimaler und flächendeckender Umsetzung wenigstens in Teilbereichen Abhilfe schaffen. Wenn ARGEn und Optionskommunen jede Maßnahme hinsichtlich der Fördervoraussetzungen prüfen müssen und pauschale Bewilligungen von Rechts wegen nicht mehr erlaubt sind, gibt es erkennbar weniger Spielraum für den inflationären Einsatz von 1-Euro-Jobs.

Verdrängung regulärer Arbeitsplätze

Umstritten ist nach wie vor die Frage, inwieweit 1-Euro-Jobs reguläre Beschäftigungsverhältnisse verdrängen und damit kontraproduktive Effekte auf dem Arbeitsmarkt [extern] entfalten. Dabei kann die gesetzliche Vorgabe kaum missverstanden werden. Alle auszuführenden Arbeiten müssen demnach "zusätzlich, im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral" sein.

Die aktuelle Untersuchung des DGB deutet allerdings darauf hin, dass die Spielräume, die der staatlich geförderte Billiglohnsektor den Trägern bietet, in großem Umfang genutzt werden. 68 Prozent aller Teilnehmer an den 1-Euro-Jobs konnten eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss vorweisen, fast jede(r) Zweite gab an, während der Maßnahmen die gleichen Tätigkeiten ausgeführt zu haben wie festangestellte Mitarbeiter.

Zitat
Demnach könnte zumindest ein Viertel der 1-Euro-Jobs einer regulären Beschäftigung entsprechen, also eine Tätigkeit sein, für die eine Berufsausbildung notwendig ist, die von einem Teilnehmenden mit Berufsausbildung gemacht wurde, der das Gleiche gemacht hat, wie Festangestellte.
DGB: Praxis und neue Entwicklung bei 1-Euro-Jobs

Der DGB vermutet darüber hinaus, dass die Träger 1-Euro-Jobs vor allem in Ostdeutschland gezielt als "Marktersatzmaßnahme für vermeintlich oder auch tatsächlich fehlende andere Beschäftigungs- und Qualifizierungsmöglichkeiten" einsetzen. Tatsächlich übersteigt der Anteil bei den 1-Euro-Jobs (42 Prozent) hier deutlich den Anteil an der Arbeitslosigkeit (33 Prozent).

Düstere Prognosen

Wie die Situation von Erwerbslosen und Menschen, die in 1-Euro-Jobs beschäftigt sind, in der nahen Zukunft aussehen wird, hängt naturgemäß von der Gesamtentwicklung des Arbeitsmarktes ab. Und diese gibt wenig Anlass zur Hoffnung, wie der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, Ende Mai in einer Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Soziales mitteilte.

Weise rechnet damit, dass die durchschnittliche Arbeitslosigkeit im laufenden Jahr etwa fünf bis sechs Prozent höher ausfallen wird als 2008. Außerdem müsse von einem deutlichen Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse ausgegangen werden.

Zitat
Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze sinkt derzeit wieder. Der Aufbau von zwei Millionen sozialversicherungspflichtiger Jobs in den vergangenen Jahren geht zurück.
Frank-Jürgen Weise

Besonders schwierig ist die Situation offenbar für Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte im SGB-II-Bezug, bei denen Weise ein "Abgangsproblem" diagnostizierte. Beide Personengruppen hätten auf dem Arbeitsmarkt momentan "extrem schlechte Chancen".

Unter den Bedingungen der Wirtschafts- und Finanzkrise hat sich die Lage selbstredend nicht verbessert, doch es gibt offenbar auch zahlreiche strukturelle Probleme und Fehlentwicklungen, die zur Destabilisierung des deutschen Arbeitsmarktes beitragen.

Eine aktuelle Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass an jedem Arbeitstag der vergangenen zehn Jahre durchschnittlich 30.000 Arbeitsverhältnisse begonnen und ebenso so viele beendet wurden. Die Dynamik auf dem Arbeitsmarkt werde häufig unterschätzt, gaben die Nürnberger Arbeitsmarktforscher zu Protokoll. Im übrigen sei bereits seit knapp zwei Jahren Monat für Monat ein Rückgang der gemeldeten offenen Stellen zu beobachten – zwischen April 2008 und April 2009 sank ihre Zahl um 97.000 oder 16 Prozent.

Zitat
Da die Konkurrenz um die knapper werdenden offenen Stellen zunehmend härter wird, dürften die Chancen für Personen mit geringer Qualifikation oder anderen die Beschäftigungsfähigkeit einschränkenden Merkmalen sinken. Dies wird insbesondere die Integration von Arbeitslosen im Rechtskreis des SGB II erschweren. Insgesamt sind in Folge der Krise vermehrte Übergänge aus dem SGB III in das SGB II sowie ein Wiederanstieg der Langzeitarbeitslosigkeit zu erwarten. Dies birgt auch die Gefahr, dass sich die Arbeitslosigkeit verhärtet und dadurch die Sockelarbeitslosigkeit wieder steigt.
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Forderungen der Gewerkschaft

Der DGB und viele Einzelgewerkschaften traten trotz öffentlicher Proteste nicht immer als entschiedene Gegner der Hartz-Reformen in Erscheinung und waren mit Vertretern aus den eigenen Reihen in der berühmten "Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" des Jahres 2002 vertreten. Doch die spürbare Betroffenheit der eigenen Klientel (Ein frühes Beispiel aus dem Jahr 2005: hier) scheint den letzten Rest Reformoptimismus zerstört zu haben.

Nun wurde aus der Analyse ein Maßnahmenkatalog entwickelt, der die offensichtlichsten Fehlsteuerungen beheben soll. Die Gewerkschaft fordert, dass nur "in begründeten (Einzel-)Fällen", die der zielgerichteten Heranführung an einen Arbeitsplatz dienen, auf dieses mittlerweile dominante Instrument der deutschen Arbeitsmarktförderung zurückgegriffen wird. Sämtliche Maßnahmen sollen durch einen Sozialpartnerausschuss - mit Vetorecht - auf Verdrängungseffekte und öffentliches Interesse geprüft, obendrein auf freiwilliger Basis angeboten und auf eine wöchentliche Arbeitszeit von maximal 20 Stunden pro Woche begrenzt werden. Neben der Beseitigung von finanziellen Fehlanreizen plädiert der DGB aber vor allem für die Überwindung einer Konkurrenzsituation, von der langfristig niemand der Betroffenen profitieren kann.

Zitat
Kein Ersatz für öffentlich geförderte Beschäftigung in sozialversicherungspflichtigen Jobs mit Löhnen nicht unter 7,50 €/Stunde.
DGB: Praxis und neue Entwicklung bei 1-Euro-Jobs

Quelle : http://www.heise.de/tp

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Re: Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung
« Antwort #27 am: 14 Juni, 2009, 22:05 »
Zitat
Die aktuelle Untersuchung des DGB deutet allerdings darauf hin, dass die Spielräume, die der staatlich geförderte Billiglohnsektor den Trägern bietet, in großem Umfang genutzt werden. 68 Prozent aller Teilnehmer an den 1-Euro-Jobs konnten eine abgeschlossene Berufsausbildung oder einen Hochschulabschluss vorweisen, fast jede(r) Zweite gab an, während der Maßnahmen die gleichen Tätigkeiten ausgeführt zu haben wie festangestellte Mitarbeiter.



Leider auch hier im Kreis Plön lange eine gängige Praxis. Über die Dörfer ist ein !Dienstleistungszentrum! entstanden. Besetzt mit 1€ Jobbern aller Berufe und sortiert/bestellt wurde nach geplanten "Vorhaben".

Mitlerweile hat der Kreis da aber mal zwischengehauen, was die Kommune sich da erschaffen hatte ging gar nicht. Insgesamt ist die Zahl der 1€ Jobs hier rückläufig. Die Arge hier vergibt extrem ungerne diese Jobs, nur auf Nachfrage und dreimal Bitte Bitte Bitte sagen. Weil: sie führen zu keiner Eingliederung, das ist nun mal so!

Bei uns an der Schule waren immer mindestens drei 1€ Jobber gleichzeitig, das wurde jetzt gestrichen. Es wurde nach Jahren festgestellt das ja offensichtlich ein doch ein Bedarf für Personal also somit für mindestens eine (Teilzeit)Stelle besteht. Das war ein schlauer Kopf!! Nur werden sie keinen einstellen, denn wer soll den bezahlen? Und gelackmeiert sind die, die die 120€ im Monat gerne verdient haben.
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Streik - "Macht euren Dreck alleine weg!"
« Antwort #28 am: 20 Oktober, 2009, 20:03 »
Der Aufstand der unterbezahlten Unsichtbaren hat begonnen. Heute früh begann erstmals in Deutschland ein bundesweiter, unbefristeter Streik im Gebäudereinigerhandwerk. Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Branche ist aber nur ein Bruchteil gewerkschaftlich organisiert.

Die ersten Streiks fanden in Magdeburg statt, wo bereits letzte Nacht um Mitternacht die Arbeit niedergelegt wurde. Rund 1.000 Menschen streiken derzeit, anstatt wie üblich ihre Frühschicht anzutreten. In zahlreichen Büros, öffentlichen Verwaltungen und Krankenhäusern müssen die kaufmännischen bzw. medizinischen Mitarbeiter nun ihren Müll selber hinaus tragen beziehungsweise an ihrem Arbeitsplatz den gröbsten Dreck eigenhändig entfernen.

Weitere Streikobjekte werden im Laufe des Tages und in den nächsten Tagen neu dazukommen, so die IG Bauen Agrar Umwelt dazu. Die Gewerkschaft fordert eine Lohnerhöhung von 8,7 Prozent für 12 Monate, das letzte Angebot der Arbeitgeber betrug auf diesen Zeitraum gerechnet nur 1,8 Prozent im Westen und 2,1 Prozent im Osten. Dem Aufbau einer betrieblichen Altersvorsorge mit Beteiligung der Arbeitgeber hatte der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks (BIV) im Vorfeld eine Absage erteilt. Es ist aber mehr als unklar, wie die Beschäftigten bei diesem Lohnniveau Gelder für ihr Alter zurücklegen sollen. Nicht selten verdienen die Mitarbeiter monatlich nicht mehr als 900 Euro netto.

Das Problem dieses Streiks: Nur eine absolute Minderheit ist überhaupt gewerkschaftlich organisiert. Das bedeutet, dass nur rund 10 Prozent aller Raumpflegerinnen überhaupt ihre Arbeit aussetzen dürfen. Susanne Neumann, die Vorsitzende der Gebäudereiniger IG BAU, wies im ZDF Morgenmagazin darauf hin, dass sich 8,7% vielleicht im ersten Moment viel anhören mag. Man muss sich dabei aber klarmachen, dass es sich dabei lediglich um 71 Cent mehr dreht. "Die Arbeitgeber bieten uns 24 Cent, das ist noch nicht mal der Gegenwert von einem Brötchen." Frau Neumann glaubt auch, dass man viele Arbeitgeber mit dem Streik überraschen kann. Sie hofft, dass dieser deswegen seine Wirkung nicht verfehlen wird. Sie wies daneben darauf hin, dass von den Arbeitgebern eine Reinigungsleistung von bis zu 400 qm pro Stunde pro Person gefordert wird. "Das schafft kein Mensch!". In der Konsequenz müssen die Beschäftigten ihre Freizeit opfern, um den hohen Vorgaben gerecht zu werden. "Seitdem es die befristeten Arbeitsverträge gibt, werden die Quadratmeter immer noch mehr und die Zusatzleistungen." Keiner der befristet angestellten Mitarbeiter wird wagen sich gegen diese Arbeitsbedingungen aufzulehnen, ansonsten wird ihr Vertrag eben nicht mehr verlängert. "So wird der Drill immer schlimmer und jetzt ist ganz einfach mal Schluss!"

Es war schon im Vorfeld interessant zu beobachten, dass fast pünktlich zum Ende der Großen Koalition nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen den Tarifparteien der Mindestlohntarifvertrag auslief und sich die Arbeitgeber seitdem an keine tariflichen Regelungen mehr halten müssen. Auch vom Gesetzgeber haben die Raumpflegerinnen und Raumpfleger derzeit wenig Hilfe zu erwarten.

Es gibt noch immer viel zu viele juristische Schlupflöcher für solche Arbeitgeber, die weniger als den gesetzlichen Mindestlohn bezahlen wollen. An diesem Punkt müsste mehr Klarheit und auch Unterstützung von Schwarz-Gelb kommen.

Sauber leben und arbeiten möchten wir alle, ausreichend viel dafür bezahlen wollen einige hingegen nicht.

Quelle : www.gulli.com

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Schöne neue Arbeitswelt
« Antwort #29 am: 20 Februar, 2010, 16:02 »
Wie glücklich macht eigentlich Arbeit in einer Gesellschaft, deren Betriebssystem auf Konkurrenz, Siege und Niederlagen setzt?

Gott brachte die schweißtreibende Arbeit als Strafe über den Menschen. "Sie ist die wesentliche Voraussetzung für die Selbstverwirklichung der Menschen und für ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben", erläutert uns dagegen der DGB im Grundsatzprogramm Zukunft  der Arbeit. Sollte die Bibel doch Recht haben? Solche paradoxen Befindlichkeiten gegenüber der Arbeit, die dem Geschichtsontologen Karl Marx als "ewige Naturnotwendigkeit" erschien, prägen einen diffusen Begriff jenseits einer eindeutigen positiven oder negativen Besetzung. Arbeit macht das Leben sauer und bietet andererseits hohe Zufriedenheitsgarantien und sei es nur die einer höheren gesellschaftlichen Achtung gegenüber Menschen ohne Arbeit.

Der Begriff ist also politikverdächtig, weil er ohne zusätzliche Kategorien definitorisch diffus genug ist, um damit scharfe Unterscheidungen zu präsentieren, die den jeweiligen Gegner fundamental diskreditieren: Ein marxistischer Arbeitsbegriff hat mit einem neoliberalen oder marktorientierten Konzept von Arbeit so viel gemein wie die zugrundeliegenden Menschenbilder. Jenseits der immergrünen Hoffnung auf eine nicht verdinglichte Arbeit, geht es in einer Forsa-Studie  im Auftrag des Fürstenberg-Instituts diesmal weniger um Theorie als um unfröhliche Faktizitäten der gegenwärtigen Arbeitswelt.

Untersucht wurde, welche Umstände Arbeitnehmer an der Entfaltung ihrer optimalen Leistungsfähigkeit hindern. 63 Prozent der Arbeitnehmer, die in der Studie befragt wurden, erklären, dass ihre Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz reduziert sei. Mangelnde Anerkennung (27 Prozent), Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes (17 Prozent) und fehlende Leistungsmöglichkeiten (22 Prozent) werden als Ursachen genannt. Stress ist ein weiterer Faktor, wobei 41 Prozent der Befragten Leistungsdefizite auch auf Probleme an der privaten Front zurückzuführen.

Die Sorge für die Familie sei eine große Belastung, was jedenfalls nicht ohne weiteres mit einer weiteren Erkenntnis der Studie korreliert, dass jüngere Mitarbeiter mehr klagen als ältere. Summa summarum: "262 Mrd. Euro Kosten, umgerechnet 11,5 Prozent des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts von 2008." Die Rechenkunst ist stupende: Denn ob Menschen je optimale Leistungen erbringen können, von gedopten Sportlern und stressresistenten Politikern einmal abgesehen, muss bezweifelt werden. Der Mensch ist auch vor Erfindung der gegenwärtigen Multitasking-Gesellschaft, die Alpha-Journalisten wie Frank Schirrmacher an  der digitalen Überlastung verzweifeln lässt, ein Tier mit vielen, allerdings bedingt zuverlässigen Funktionen.

Insofern können uns solche Studien über die "conditio humana" nicht viel Neues erzählen. Klären Sie uns überhaupt auf? Der frühe Arbeitssoziologe Karl Bücher klagte in seiner ethnologischen Studie "Arbeit und Rhythmus" bereits 1904, dass die moderne Arbeit nicht mehr wie bei Naturvölkern "Musik und Poesie zugleich" sein könne. Die Anforderungen der technisch avancierten Massenproduktion würden die Arbeit seelenlos machen, weil der menschliche Rhythmus technischen Bedingungen geopfert würde. Ob ihm Plantagensklaven, Musik hin oder Blues her, zugestimmt hätten, muss nicht mehr untersucht worden.

Doch auch bei menschenfreundlicheren Modellen, von Robert Owens genossenschaftlich projektierter Arbeitskolonie "New Harmony" von 1825 über Henry Fords ca. 100 Jahre später ersonnenem Fordlândia bis hin zur Human-Relations-Bewegung wollte die "Schöne Neue Arbeitswelt" nur in der idealtypischen Konzeption entstehen. Moderne Arbeitsformen sind Lichtjahre von solchen früh- bis spätsozialistischen Glückseligkeitsformen der Arbeit entfernt. Die Zumutungen, immer neues Wissen in immer kürzeren Zeiten zu erfolgreichen Arbeitsroutinen werden zu lassen, sind ebenso zahlreich wie jene, in Betrieben zu arbeiten, die als krank machende Treibhäuser einer beschädigten Streit- und Hasskultur gelten dürfen, ohne dass der Lohn auch die zwingend notwendige Zusatzfunktion eines Schmerzensgeldes übernimmt.

Trübe Verhältnissse von Profit und Moral, Job und Arbeitsfreude

Betrachtet man Betriebskulturen, werden zahlreiche Rezepte genannt, Produktivität im Verein mit erträglichen Arbeitsbedingungen zu sichern. Glückliche Arbeiter und mindestens ebenso glückliche Unternehmer sind allemal Bilder einer abstrakten Utopie, wie es der just restaurierte Film "Metropolis" in eine krude, leider nur cineastisch erfolgreiche Formel packte: "Mittler zwischen Hirn und Hand soll das Herz sein." Das löste schon damals scharfe Kritik aus, weil man kein Hardcore-Klassenkämpfer sein muss, um die gesammelte Ignoranz gegenüber allen Interessengegensätzen der Beteiligten wahrzunehmen.

"Herz" oder Herzersatzstoffe werden in Unternehmen schon seit vielen Jahren verabreicht, um die Arbeitsplätze zumindest in ihrer Papierform erträglicher zu gestalten. Schwerbehinderten- und Mobbing-Beauftragte, Eingliederungsmanagement, Mitarbeiterkonferenzen ohne Ende, Compliance-guides und verwandte Rezepturen werden aufgeboten, um den Eindruck zu kaschieren, hier ginge es um mehr als öde Maloche. Liest man hochtönende Kodizes der Unternehmen, wenn sie sich im eiligen Vorgriff auf deren Umsetzung beste Noten erteilen, weiß man, dass "Mobbing" ein Alien aus einer fernen Galaxis ist.

In Abwandlung von Jean-Paul Sartres sozialem Pessimismus gilt auf den wölfischen Spuren von Thomas Hobbes: Mobbing, das sind immer die anderen. Oder so: Alle reden vom Mobbing, wir nicht! Es ist grotesk, dass sich alle Welt über die Mobbing- und Burnout-Unterwelten der Unternehmen erregt, die juristischen Konsequenzen aber regelmäßig ausbleiben. Das typische Unternehmen wählt die Spiegelglas-Beton-Idylle der Fassaden auch für die Beschwörung der "corporate identity", die das Unternehmen wider jeden arbeitssoziologischen Befund als "humanoide" Persönlichkeit darstellt. Typisch sind solche unternehmerischen Magien, wie sie tausendfach gebraucht werden: "Wir als X-Gruppe wollen in unserem Kerngeschäft…weltweit Leader sein. Zu einem weltweit führenden Unternehmen zu werden, heißt für uns nicht nur in jedem Land, in dem wir tätig sind, für unsere technische, wirtschaftliche und finanzielle Leistung auf dem Siegerpodest zu stehen, sondern auch durch vorbildliche Geschäftspraktiken und berufsethisches Verhalten Maßstäbe zu setzen." Das funktioniert freilich nicht, weil sich Erfolg und Ethos zwar nicht wie Feuer und Wasser ausschließen. Doch wirtschaftlicher Megaerfolg heißt regelmäßig, dass zahlreiche Sprinttechniken im globalen Haifisch-Becken nicht durch zuviel ethischen "Ballast" und persönliche Probleme der Mitarbeiter behindert werden dürfen.

Dieses weiterhin trübe Verhältnis von Profit und Moral, Job und Arbeitsfreude lässt sich auch so charakterisieren:

Zitat
Die heutige kapitalistische Wirtschaftsordnung ist ein ungeheurer Kosmos, in den der einzelne hineingeboren wird und der für ihn, wenigstens als einzelnen, als faktisch unabänderliches Gehäuse, in dem er zu leben hat, gegeben ist. Er zwingt dem einzelnen, soweit er in den Zusammenhang des Marktes verflochten ist, die Normen seines wirtschaftlichen Handelns auf. Der Fabrikant, welcher diesen Normen dauernd entgegenhandelt, wird ökonomisch ebenso unfehlbar eliminiert, wie der Arbeiter, der sich ihnen nicht anpassen kann oder will, als Arbeitsloser auf die Straße gesetzt wird. Der heutige, zur Herrschaft im Wirtschaftsleben gelangte Kapitalismus also erzieht und schafft sich im Wege der ökonomischen A u s l e s e die Wirtschaftssubjekte - Unternehmer und Arbeiter - deren er bedarf.
Das sagte nicht Karl Marx, sondern Max Weber in seiner Analyse "Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus"

 Cum grano salis gilt dieser Determinismus der Rollenverteilung nach wie vor. Guido Westerwelles Ausführungen zum für alle geeigneten Ressentiment-Thema "Arbeit muss sich wieder lohnen" sind demgegenüber deshalb so verkürzend, weil komplexe Gesellschaften nicht ansatzweise funktionieren würden, wenn alleine karriere- und profitorientierte Unternehmermentalitäten prämiert werden, die das soziale Netz nicht brauchen, sondern angeblich mit Motivation und Spucke das Schicksal zum Teufel schicken.

Unerträglich ist nicht das geläufige Lob von Arbeitseifer, Motivation und Selbstverantwortung per se, sondern die flächendeckende Projektion auf eine Wirtschafts- und Arbeitsgesellschaft, die in ihrem Betriebssystem auf Konkurrenz, Siege und Niederlagen gerichtet ist. Westerwelles Welt ist eine Siegerwelt, in der Opfer Betriebsunfälle sind und jene, die behaupten, Opfer zu sein, prima facie auf ihren Simulantenstatus untersucht werden müssten.

Je glücklicher die Arbeit macht, desto weniger Lohn wird dafür gezahlt

Allerdings ist es nicht Westerwelles Privileg, die göttliche Strafe der Arbeit zum heroischen Akt zu stilisieren. "Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft" erläuterte uns bereits 2001 der pragmatische Sozialdemokrat Gerhard Schröder, seinerzeit noch Bundeskanzler, heute fleißiger Lobbyist. Einige menschliche Charaktereigenschaften schlicht auf gesellschaftliche Strukturen hochzurechnen ist der übliche politisch naive Einseitigkeitsdiskurs, der nie akzeptiert, dass Arbeitslose, "Loser", Verbrecher und das auch im übrigen sehr heterogene Personal wuchernder Parallelgesellschaften systematisch und notwendig von Verhältnissen gemacht werden, um eben diese Gesellschaft zu reproduzieren.

Wer das gegen Max Webers frühe Einsicht anders und besser will, braucht radikalere Rezepte als die Tinkturen aus der wohlfeilen Abteilung "Arbeit muss sich wieder lohnen". Wäre es nicht mutiger, darauf hinzuweisen, dass die Gesellschaft darauf hinsteuert, dass sich Leistung eben immer weniger lohnt. Das sollte noch um den Hinweis ergänzt werden, dass sich auch Bildung nicht mehr auszahlen könnte – jedenfalls nicht im Rahmen dieses Klipp-Klapp-Mechanismus, den hier Politik als ranziges Remedium verkündet. Woran scheitern nach dieser parteiübergreifenden Ideologie eigentlich arbeitslose Akademiker?

Stehen wir nicht längst vor einem kompletten Umbau, besser: Umbruch des Wirtschaftssystems und der Arbeitswelt, der konkrete Lebensumstände, Arbeit und Geldkreisläufe entkoppeln muss, um zu erträglicheren Konditionen zu kommen? Vielleicht wäre dann das prekäre "Lohnabstandsgebot" umgekehrt zu interpretieren: Wer arbeitet, bekommt weniger als jene, die darauf verzichten, einen der verbliebenen Arbeitsplätze für sich zu reklamieren. Je glücklicher die Arbeit macht, desto weniger Lohn wird dafür gezahlt.

Diese vorscheinenden Konvertierungen der Gesellschaft mag kaum einer denken, zum wenigsten Politiker, weil diese Radikalität erstens beim Wähler nicht ankommt und zweitens nicht im Ansatz klar ist, welche Gesellschaft unter diesen Auspizien auf uns zukommt. Soweit die Verhältnisse diese Programme diktieren, ist indes auch ohne Kristallkugel davon auszugehen, dass die Zumutungen politischer Rhetorik immer offensichtlicher werden. Ein Trost bleibt: Auch für Politiker werden die Zeiten schwerer, wenn sie mit alten Kategorien in immer neuen Katastrophen schlingern und uns das aus alter Routine heraus als die Kunst des guten Steuermanns verkaufen müssen.

Quelle : http://www.heise.de/tp

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