Autor Thema: Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung  (Gelesen 5041 mal)

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Arm durch Arbeit - die neue Ausbeutung
« am: 27 März, 2005, 10:56 »
Bundeskanzler Schröder hat die Unternehmer aufgefordert, endlich Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. In seiner Regierungserklärung habe er weitere Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung angekündigt. "Jetzt erwarte ich, dass nicht immer neue Forderungen nachgeschoben werden", betonte der Kanzler in einem Interview.

Hamburg - Schröder sagte der "Bild am Sonntag", die Bundesregierung habe mit der Reformagenda 2010 den Unternehmen allerbeste Voraussetzungen geschaffen. In seiner jüngsten Regierungserklärung habe er weitere Maßnahmen für Wachstum und Beschäftigung angekündigt. "Jetzt erwarte ich, dass nicht immer neue Forderungen nachgeschoben werden", betonte der Kanzler.

Deshalb sollte "das ständige Gerede" von der Verlagerung der Betriebsstätten und Arbeitsplätzen in Ausland aufhören und in Deutschland investiert werden, wurde der SPD-Politiker zitiert. Schröder betonte, dass auch Arbeitnehmer und Gewerkschaften einen wichtigen Beitrag zu den Reformen geleistet hätten.

Die Grünen kritisierten unterdessen, dass Unternehmer die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland von der Steuer absetzen können. Die Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel sagte derselben Zeitung, Bund und Länder könnten bis zu fünf Milliarden Euro mehr einnehmen, wenn die Steuersubvention für Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland gestrichen würden. "Damit wäre die geplante Senkung der Unternehmensteuer von 25 auf 19 Prozent nahezu vollständig finanziert und zwar von den Unternehmen, die von den niedrigen Steuersätzen hauptsächlich profitieren", wurde Scheel zitiert.

Quelle : www.heise.de

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ARBEITSMARKT : Wirtschaft wehrt sich gegen Kanzler-Kritik
« Antwort #1 am: 29 März, 2005, 09:13 »
Es war ein großes Donnerwetter des Bundeskanzlers: In einem Interview hatte Gerhard Schröder an die Unternehmen appelliert, endlich mehr Jobs zu schaffen - die Politik habe ihren Teil getan. Vertreter von Wirtschaftsverbänden reagieren verständnislos. Die Reformen seien längst noch nicht weit genug gediehen.

Berlin - "Schuldzuweisungen helfen nicht weiter", sagte Ludwig Georg Braun, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) der "Bild"-Zeitung. Die Unternehmen investierten in Deutschland weiter und schüfen trotz schwieriger Rahmenbedingungen neue Arbeitsplätze.

Braun verwies auf eine aktuelle DIHK-Befragung mittelständischer Unternehmen. Ihr zufolge bemängeln die Unternehmer eine immer noch mangelnde Verlässlichkeit politischer Zusagen. Neben den Steuern seien es vor allem die hohen Lohnnebenkosten und die fehlende Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, die mehr Investitionen in Deutschland verhinderten.

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser. "Schuldzuweisungen helfen nicht Weiter", sagte er. Gegen wirtschaftliche und technologische Fakten nützten keine Beschwörungsformeln.

Bofinger: Mitverantwortung für Deutschland

Dagegen unterstützten Grünen-Fraktionschefin Krista Sager und Wirtschaftsexperte Bofinger die Forderungen Schröders. "Wer deutsche Infrastruktur genießen will, wer die Qualifikation deutscher Beschäftigter und deutsche Rechtssicherheit genießen will, wer deutsche Lebensqualität genießen will, der sollte etwas dazu beitragen, das soziale Gefüge zu stärken - auch durch die Sicherung von Beschäftigung", sagte Sager.

Bofinger betonte, zwar dürfe man den Unternehmen keinen bösen Willen bei ihrer Investitionszurückhaltung unterstellen. Vielmehr sei wegen der schwachen Inlandsnachfrage die Vorsicht verständlich. Schröders Appell könne aber "helfen, den Unternehmen klar zu machen, dass sie auch eine Mitverantwortung für die Stimmung in Deutschland haben". So belaste etwa die derzeitige "Modediskussion um die Betriebsverlagerung ins Ausland" ganz klar die Stimmung unter den Konsumenten.

Bundeskanzler Schröder hatte am Wochenende betont, mit der "Agenda 2010" habe Rot-Grün einen Rahmen geschaffen, der den Unternehmen in Deutschland "allerbeste Voraussetzungen" biete. In der letzten Regierungserklärung habe er weitere konkrete Maßnahmen angekündigt, um Wachstum und Beschäftigung anzukurbeln. Deshalb sollte das ständige Gerede von der Verlagerung von Betriebsstätten und Arbeitsplätzen endlich aufhören und in Deutschland investiert werden.

Quelle : www.spiegel.de

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STEUERVERSCHWENDUNG : Steuerzahlerbund prangert größte Sünden an
« Antwort #2 am: 27 September, 2005, 18:28 »
Wenn der Bund der Steuerzahler sein Schwarzbuch zückt, muss sich die Verwaltung auf einiges gefasst machen. 2005 reicht die Palette der Vergehen von sündhaft teuren und nie gebauten Hallenbädern über versehentlich asphaltierte Straßen bis hin zu Werbekampagnen der Bundesregierung.

Berlin - 50.000 Euro kostet die geschlechterspezifische Walddidaktik im Nationalpark Eifel. 2,5 Millionen Euro zahlen die Steuerzahler für eine Luxusbrücke für Tiere über eine Autobahn - 50 Meter breit, ausgestattet mit Buschwerk, Wasserkuhlen und Trockenrasen. Die 100 Fälle, die der Steuerzahlerbund in seinem diesjährigen Schwarzbuch auflistet, entbehren wie immer nicht der Komik.

Doch der Präsident des Steuerzahlerbundes, Karl Heinz Däke, will darüber nicht lachen. "Angesichts der Notlage, in der sich die meisten Haushalte befinden, erhöht sich durch jeden verschwendeten Euro die Verschuldung und damit die Belastung künftiger Generationen", warnte er. Die in dem 68-Seiten starken Werk aufgeführten Beispiele seien nur die Spitze des Eisbergs.

Rund 30 Milliarden Euro hätten Bund, Länder und Gemeinden in den vergangenen zwölf Monaten in den Sand gesetzt, behauptet Däke. Insgesamt würden bei öffentlichen Ausgaben rund fünf Prozent der Gelder unwirtschaftlich verwendet, schätzt der Steuerzahlerbund. Manchmal seien es technische Pannen, die plötzlich Hunderttausende von Euro verschlingen. Oft sind Projekte dem Schwarzbuch zufolge aber einfach nur schlecht geplant.

In Deutschland müsse endlich der Strafbestand der Amtsuntreue und damit verbunden das Amt eines Amtsanklägers eingeführt werden, forderte Däke deshalb. Wer die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit missachte, müsse genauso zur Rechenschaft gezogen werden wie jemand, der Steuern hinterziehe. Auch regress- und disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen die Verantwortlichen müssten möglich sein.

Beispielhaft für Verschwendung im Verkehrsbereich sei der Bau der ICE-Strecke Nürnberg-Ingolstadt-München. Aus den geplanten 2,7 Milliarden D-Mark seien nun 3,6 Milliarden Euro geworden.

Auch die Öffentlichkeitsarbeit der rot-grünen Bundesregierung stellt das Schwarzbuch an den Pranger. Deren Informationsgehalt sei "oft mehr als dürftig". So wie die überdimensionierte sechsseitige Medienbeilage mit dem Titel "Agenda 2010 - Deutschland bewegt sich", die 522.810 Euro kostete. Auch der Geschäftsbericht der Bundesregierung 2003/2004 sei als "Imagepflege auf Kosten der Steuerzahler" zu sehen. "284.000 Euro mussten die Steuerzahler für den 76-seitigen Bildband mit wenigen Informationen aber vielen Werbeslogans berappen", sagte Däke.

Regierungssprecher Béla Anda wehrte sich gegen die Kritik. Der Geschäftsbericht und die ausführliche Zeitungsbeilage zur Agenda 2010 seien sinnvolle Instrumente gewesen, um die Bevölkerung von der Notwendigkeit der eingeleiteten Reformen zu überzeugen.

Quelle : www.spiegel.de

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UNTERSCHICHT- DEBATTE - Verloren, verarmt, verdrängt
« Antwort #3 am: 16 Oktober, 2006, 18:45 »
Neue Studie, alter Befund: 6,5 Millionen Deutsche leben einer Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung zufolge in Armut, haben häufig eine miese Ausbildung und sind resigniert. Das Entsetzen in der Politik ist groß - aber gespielt. Dabei warnen Experten seit Jahren vor wachsender Armut und Frustration.

Hamburg - Kurt Beck sprach von "Unterschicht". Frank Karl von der Friedrich-Ebert-Stiftung hat in seiner Studie einen etwas wissenschaftlicher klingenderen Begriff gewählt, der freilich kaum freundlicher klingt: "abgehängtes Prekariat". Acht Prozent der Deutschen gehören zu dieser Gruppe, hat der Volkswirt berechnet - betrachtet man allein die neuen Bundesländer sind es sogar 20 Prozent. Insgesamt 6,5 Millionen Menschen.

Die Untersuchung, die eigentlich erst in mehreren Wochen unter dem Titel "Gesellschaft im Reformprozess" erscheint, sorgt jetzt schon für hitzige Diskussionen. Nicht nur wegen der Wortwahl; auch das Bild, das die Studie von den Betroffenen zeichnet, sorgt für Entsetzen.

Denn das Prekariat hat mit durchschnittlich rund 424 Euro im Monat nicht nur unterdurchschnittlich wenig Geld zur Verfügung. Schulden, geringe Bildung aber auch mangelnder familiärer Rückhalt und ein Hang zu autoritären politischen Verhältnissen seien typische Probleme, so die Ergebnisse der Untersuchung.

Arm ist relativ

Mit 3000 Befragten sei die Untersuchung die breiteste in den letzten Jahren, sagt Autor Karl im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Die Ergebnisse belegen das, wovor Ökonomen und Sozialwissenschaftler seit langem immer wieder warnen. Nur dass zuvor kein Wissenschaftler solch harte Begriffe benutzt hat wie Karl.

Schon der im vergangenen Jahr veröffentlichte zweite Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung erklärte, der Anteil der Bevölkerung unter der Armutsgrenze sei seit 1998 von 12,1 auf 13,5 Prozent gestiegen. Jeder achte Haushalt war demnach betroffen. Insgesamt elf Millionen Menschen.

24 Prozent der Migranten gehörten zu dieser Gruppe, bei den Alleinerziehenden waren es über ein Drittel, so die weitere Schreckensbilanz. Und: Die Unterschiede zwischen Reich und Arm sind stark gewachsen. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte teilten sich rund 47 Prozent des Privatvermögens, ein Zuwachs von rund zwei Prozent seit 1998. Die Zahl der verschuldeten Haushalte nahm von 2,77 auf 3,13. Millionen zu.

Als arm galten in der Studie all diejenigen, deren Einkommen bei weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens lag - also unter 938 Euro. Grundlage für den Armutsbericht waren Daten von 2003 - doch seitdem ist es nicht besser geworden. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) kam wenige Monate nach der Bundesregierung aufgrund von Zahlenmaterial aus dem Jahr 2004 bei der gleichen Berechnungsmethode auf 16 Prozent Arme in Deutschland - nach 11,5 Prozent im Jahr 1999. 2005 waren es dem Institut zufolge schon 16,5 Prozent. Und in den neuen Bundesländern waren den DIW-Forschern zufolge sogar 21,5 Prozent arm.

"All solche Berechnungen sind natürlich relativ", erklärt Martin Werding, Leiter der Abteilung Sozialpolitik und Arbeitsmarkt beim Ifo-Institut in Berlin: "Was wir als 'arm' ansehen hat im Vergleich zu anderen Ländern sogar etwas Zynisches." Immerhin werde der Armutsbegriff im Verhältnis zum Durchschnittseinkommen des Landes definiert.

Trotzdem zeigen alle Studien zum Thema eine beunruhigende Entwicklung, wie viele Wissenschaftler bestätigen: Die Schere zwischen Arm und Reich geht etwa seit dem Jahr 2000 auch in Deutschland weiter auf. Der Osten fällt immer weiter zurück. Und: In Deutschland gibt es besonders viele Langzeitarbeitslose, "und je nach Berechnungsmethoden sind 40 bis 75 Prozent gering qualifiziert", erklärt Werding. Auch Waltraut Peter vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln bestätigt: "Bildungsarmut und Langzeitarbeitslosigkeit sind typisch deutsche und sehr extreme Probleme. Das weiß man schon lange."

Extreme Sozialausgaben, miese Verhältnisse

Die jüngste Studie des Berliner Think-tank "berlinpolis" und der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung passt in dieses Bild. In kaum einem anderen Land gebe es so viele Arbeitslose mit niedrigem Bildungsstand wie in Deutschland, erklären die Forscher darin. "Die Gefahr, in Deutschland in Armut abzurutschen, ist größer als in anderen europäischen Ländern", erklärt der Autor der Studie, Jeppe Fisker Jörgensen. Die Maschen des sozialen Netzes seien hierzulande schlicht größer als anderswo.

Die Studie offenbart auch eine paradoxe Tatsache: Während der Staat in Deutschland extrem hohe Sozialausgaben hat - sie entsprechen rund 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - sind die Verhältnisse unterdurchschnittlich schlecht. In einem Sozialranking von 24 Staaten kommt Deutschland so mit Rang 21 extrem schlecht weg.

Auch die bedenklichen politischen Einstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung, die die Friedrich-Ebert-Stiftung jetzt feststellte, ist eigentlich keine große Neuigkeit. Immer mehr Menschen seien von der Demokratie enttäuscht, hieß es erst kürzlich bei der Vorstellung des Datenreports 2006, den unter anderem das Statistische Bundesamt und die Bundeszentrale für Politische Bildung gemeinsam erarbeiten. Demnach hielten in den neuen Bundesländern 2005 nur noch 38 Prozent der Menschen die Demokratie für die beste Staatsform in Deutschland.

So sind die Schlussfolgerungen, die Karl nach eineinhalbjähriger Forschungsarbeit zieht, eigentlich erwartbar - wie er auch selbst einräumt. Wirklich entsetzt habe ihn aber das Ausmaß der Resignation innerhalb des sogenannten Prekariats, erklärt der Wissenschaftler. "Diese Menschen fühlen sich als Verlierer, im gesellschaftlichen Abseits", sagt Karl. "Und das Schlimmste ist: Auf die Frage, ob es den Kindern wohl einmal besser ergehen werde, antworten die meisten mit Nein."

Quelle : www.spiegel.de

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Offline NewMan

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Re: UNTERSCHICHT- DEBATTE - Verloren, verarmt, verdrängt
« Antwort #4 am: 16 Oktober, 2006, 21:53 »
Der Artikel bietet nichts Neues, seid Jahren wird diskutiert, was jeder Mensch mit eigenen Augen sieht Armut in Deutschland. Eine Ausnahme bilden hier die Politiker, und natürlich unsere Machthaber Manager, sie leben in einer Subkultur, haben sich vom Volke abgegrenzt, die Probleme des Volkes sind für sie nicht sichtbar.

Ein Abschnitt in dem Artikel lässt bei mir aber sofort alle Alarmglocken klingeln.

Auch die bedenklichen politischen Einstellungen in weiten Teilen der Bevölkerung, die die Friedrich-Ebert-Stiftung jetzt feststellte, ist eigentlich keine große Neuigkeit. Immer mehr Menschen seien von der Demokratie enttäuscht, hieß es erst kürzlich bei der Vorstellung des Datenreports 2006, den unter anderem das Statistische Bundesamt und die Bundeszentrale für Politische Bildung gemeinsam erarbeiten. Demnach hielten in den neuen Bundesländern 2005 nur noch 38 Prozent der Menschen die Demokratie für die beste Staatsform in Deutschland.

Ist das Thema des Spiegels wirklich die Armut in Deutschland, oder versucht man hier doch so langsam an der Demokratie zu kratzen, um eine andere Form der politischen Führung zu finden (Überwachung, Eingrenzen der Menschenrechte vereinbaren sich nicht mit Demokratie).

Es ist einfach zu billig, die Demokratie als schlechte Staatsform zu bewerten, es ist doch eher die Art der Demokratie, die in Deutschland (nicht nur in Deutschland) ungenügend ist. Unsere Politiker setzen doch nach einer demokratischen Wahl das Gegenteil in geradezu diktatorischer Art um. Denken wir nur mal an die Europäische Verfassung, die unter Ausschluss der öffentlichen Diskussion, und absolut undemokratisch implementiert werden sollte.

Wir brauchen mehr Mitbestimmung. Deutschlands Demokratie krankt sehr wohl, aber es ist nicht die Demokratie, sondern die Undemokraten die Sie verunglimpfen.
« Letzte Änderung: 16 Oktober, 2006, 21:55 von NewMan »

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UNTERSCHICHT- DEBATTE - Oben Heuschrecke, unten rum nix
« Antwort #5 am: 17 Oktober, 2006, 14:46 »
SPD und Union überhäufen sich in der Armutsdiskussion mit Schuldzuweisungen. Dabei tragen beide Parteien Verantwortung für die Misere: Die Sozialdemokratie ging auf Distanz zu ihrer Klientel, die Konservativen fordern Elite - und fördern Verblödung.

Als die SPD vor mehr als 130 Jahren gegründet wurde, war sie stolz auf ihr Prädikat als Klassenpartei. Die Sozialdemokraten verstanden sich als politische Anwaltschaft des Proletariats. Die Grundidee der Selbstorganisation der Arbeiterbewegung war simpel, aber effektiv: Wir müssen uns selbst aus dem Sumpf ziehen, denn andere werden uns nicht dabei helfen. Deshalb beließ es die Partei August Bebels nicht bei dem Versuch, als politische Partei zu reüssieren - was ihr die herrschende Klasse übrigens schwer genug machte. Die SPD baute eine ganze Welt um sich herum: Bildungs- und Sportvereine, Jugendorganisationen, Saalschutztruppen, Kulturinitiativen, Zeltlager, Theater. Von der Wiege bis zur Bahre war man als Sozialdemokrat vielleicht kein Krösus - aber nie allein.

Diese sozialdemokratischen Parallelgesellschaft, die mit der Machtergreifung der Nazis ihr jähes Ende fand und auch in der DDR jahrzehntelang ausgesperrt wurde, ist nach dem Krieg auch im Westen kaum restauriert worden. Sie erschöpft sich heute im sozialdemokratischen Reiseservice (einer Organisation, die interessante Auslandsreisen für Besserverdiener anbietet), in der ständig wachsenden Arbeitsgemeinschaft 60 plus und den ewig altklugen Jusos, deren Lebenswelt bestenfalls im Langzeitstudium besteht.

Die sogenannte Unterschicht, von der in diesen Tagen oft die Rede ist, findet sich in der SPD nicht mehr wieder. Das Gesellschaftsbild der modernen Sozialdemokratie, die sich seit dem Godesberger Parteitag als Volks- und nicht mehr als Klassenpartei definierte, gleicht inzwischen dem Jahrmarktsbild der Dame ohne Unterleib: oben Heuschrecken, dann ganz viel neue Mitte - und unten rum nix.

Dass der SPD die kleinen Leute verloren gingen, für die sie historisch zuständig war, hat wenig mit Hartz IV zu tun, wie nun manche "linke" Sozialdemokraten glauben machen wollen. Die Politik der SPD in den siebziger und achtziger Jahren bestand im Wesentlichen darin, die Errungenschaften der Arbeiterbewegung staatlich abzusichern. Die Gewerkschaften verlegten sich darauf, die Arbeitszeit zu kürzen und Löhne zu erhöhen. So verwandelte sich die Sozialdemokratie - die Gewerkschaften ausdrücklich einbezogen - zu einem völlig uninspirierten, letztlich vollkommen unpolitischen Dienstleistungsunternehmen. Für Arbeitslose fühlte sich weder der DGB noch die SPD zuständig - diese Ignoranz rächt sich heute besonders bitter.

Verblödungsprogramm seit 20 Jahren

Das politische Vakuum, das nach dieser freiwilligen Selbstaufgabe entstand, füllten die Konservativen auf ihre Weise: Sie setzten vor 20 Jahren das Privatfernsehen durch und damit eine der größten Verblödungsmaschinerien der deutschen Geschichte in Gang. Es sind dieselben Leute, die heute aufgeregt nach Elite-Unis rufen. Seit nunmehr 20 Jahren werden jeden Nachmittag Heerscharen von Menschen mit zu viel Zeit und zu wenig Selbstvertrauen in eine dumpfe Welt entführt, in der viel gekreischt und so gut wie nicht gedacht wird. Argumente sind dort Glücksache, Logik eine unbekannte Kreuzwort-Vokabel mit fünf Buchstaben.

Wenn Ronald Pofalla, Generalsekretär der CDU, heute die rot-grüne Koalition für die neue Armut in Haft nehmen will, sollte er sich vielleicht mal daran erinnern, wer die Verantwortung für das geistige Elend trägt, dass inzwischen übrigens auch die öffentlich rechtlichen Sender voll erfasst hat: Die meisten deutschen Fernsehserien spielen inzwischen in Krankenhäusern. Da wird dämlich gequatscht, bis der Arzt kommt.

Pofallas Nachkarten ist wenig glaubwürdig. Hilfreicher wäre eine selbstkritische Auseinandersetzung der CDU mit der Ära Kohl. In dieser Zeit wurde auch nicht der leiseste Versuch gemacht, die Sozialversicherungssysteme zu modernisieren. Stattdessen lief ein kleiner freundlicher Rheinländer durchs Land und säuselte in jede Kamera: "Die Renten sind sicher." Der Mann hieß Norbert Blüm. Er hat - wissentlich - die Unwahrheit gesagt.

In keinem anderen Land gibt es einen so eklatanten Zusammenhang zwischen Bildungsarmut und Langzeitarbeitslosigkeit. Die Verantwortung dafür trägt nicht eine einzelne Partei, die Ursachen sind wesentlich komplexer. Sie haben auch mit Globalisierung zu tun, und die hat Rot-Grün ebensowenig erfunden wie die Union.

Skandal Kinderarmut

Möglicherweise können wir in Deutschland bestimmte Probleme gar nicht mehr grundsätzlich lösen. Die Vollbeschäftigung ist eine kurze Episode des deutschen Wirtschaftswunders. Sie wird nicht wiederkommen. Aber wir können vielleicht darauf achten, dass grobe Ungerechtigkeiten vermieden werden. Es ist heute offensichtlich, dass Armut wieder neue Armut produziert. Das trifft vor allem Kinder - und hier liegt der Skandal. Wenn der Staat sich heute flächendeckend aus Betreuungs- und Freizeitangeboten für Kinder und Jugendliche zurückzieht, schaltet er genau jenes Frühwarnsystem ab, das Familienministerin Ursula von der Leyen aufbauen will.

Der Dreh- und Angelpunkt der Misere liegt auch nicht bei Hartz IV, wie die PDS und manche SPD-Linke jetzt behaupten. Nach einer Studie des Nürnberger IAB-Instituts haben 53 Prozent der bedürftigen Haushalte durch die Reform Geld verloren, 47 Prozent haben etwas dazu gewonnen. Die "gefühlte" Wirklichkeit sieht sicher anders aus: Danach haben durch Hartz IV alle nur verloren. Dieses Märchen geht auf das Konto der Lafontaines und Gysis; die NPD macht sich die Legende inzwischen erfolgreich zunutze.

Andere Studien bestätigen, dass die Ost-West-Schere weiter auseinander geht: Vier Prozent Unterschicht im Westen, 20 Prozent im Osten: Die Idee der "gleichartigen Lebensverhältnisse" war schon Anfang der nenziger Jahre eine Lebenslüge des neuen Deutschland. Die große Herausforderung für die deutsche Politik liegt darin, den Menschen darüber die nackte Wahrheit zu sagen - ohne sie damit allein zu lassen.

Diesem Ziel kommt man nicht näher, wenn man sich neue Sprechverbote auferlegt. Welche Euphemismen will man denn für die Unterschicht erfinden? "Menschen mit Erwerbslosenhintergrund"? Kein Langzeitarbeitsloser bekommt einen neuen Job, nur weil man sich ein hübsches Synonym für seine verkorkste Existenz ausdenkt. Der verhängnisvolle Trend, dass die deutsche Politik Phänomene nur noch kommentiert statt sie politisch zu erfassen und zu handeln, setzt sich in der "Unterschicht-Debatte" gerade auf groteske Weise fort.

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ARMUTSDEBATTE - SPD und Gewerkschaften nehmen Reiche ins Visier
« Antwort #6 am: 17 Oktober, 2006, 17:43 »
In der Armutsdiskussion nehmen SPD und DGB die Reichen in die Pflicht. Wer über Armut rede, müsse auch über Reichtum reden, forderte SPD-Generalsekretär Heil. Finanzminister Steinbrück warnte die Wohlhabenden, das Problem wachsender Ungleichheit in der Gesellschaft zu ignorieren.

Berlin - Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) appellierte an die wohlhabenden Menschen in Deutschland, vor der wachsenden Armut nicht die Augen zu verschließen. "Ignorieren Sie diese Probleme nicht. Sie werden spätestens dann aufmerksam, wenn dieses Problem an ihrer Türe pocht, wenn vor ihrer Haustür das erste Mal ein Auto angesteckt wird". Steinbrück sagte, ein wachsender Teil der deutschen Gesellschaft sei "abgekoppelt" und fühle sich gedemütigt und deklassiert. Auf Dauer könne sich die Bundesrepublik solche sozialen Fliehkräfte nicht erlauben. Hier stelle sich ein weiteres Integrationsproblem.

Auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nahm die Reichen ins Visier. "Wenn man über Armut in Deutschland redet, darf man über Reichtum nicht schweigen", sagte Heil dem Sender n-tv heute. Heil warnte, die Gesellschaft drohe auseinanderzubrechen, "wenn wir zulassen, dass es einem Drittel sehr gut geht, die Mitte der Gesellschaft Angst hat vor sozialem Abstieg und ein Drittel der Gesellschaft abgehängt ist". Die Gesellschaft müsse nicht nur aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit zusammengehalten werden, sagte der SPD-Generalsekretär. Es sei auch wirtschaftlich unvernünftig, die in Deutschland vorhandenen Potenziale nicht zu nutzen.

Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Michael Sommer, forderte eine neue Verteilungsdiskussion: "Es kann nicht sein, dass auch aufgrund staatlicher Politik die einen immer reicher und die anderen immer ärmer werden." Sommer warnte davor, die zunehmende Aufteilung in Arm und Reich hinzunehmen. Wer dies tue, mache sich "auf Dauer an unserer Gesellschaft und der Demokratie in Deutschland schuldig", sagte Sommer der "Neuen Presse" vom Dienstag. Das Problem Armut in Deutschland müsse endlich ernst genommen werden. Hartz IV sei zwar nicht die Ursache, die Arbeitsmarktreform habe aber den Trend dahin verstärkt. "Es war doch die Lebenslüge bei Hartz IV, dass zwar gefordert, aber nie gefördert werden konnte", sagte der DGB-Chef. Ohne Jobs gebe es nichts zu fördern.

Für Finanzminister Steinbrück ist der "strategische Ansatzpunkt" um der wachsenden Armut entgegenzusteuern, wie Finnland einen größeren Akzent auf den Zugang zu Bildung und Ausbildung zu legen. Dies reiche von der schulischen Bildung im Kindergarten bis zur Weiterbildung älterer Arbeitnehmer. Steinbrück regte eine Debatte über die zielgenaue Verwendung von Steuermitteln an. Er rechnete vor, dass man alle Kindergärten in Deutschland gebührenfrei finanzieren könne, wenn man das Kindergeld um 12,50 Euro senke.

"Resignation im Osten"

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee wies auf die besonderen sozialen Probleme in Ostdeutschland hin. Armut sei "ein verschärftes Problem speziell in den neuen Bundesländern mit hoher Arbeitslosigkeit und mit Sozialkarrieren, die sich zum Teil über Jahre hinziehen", sagte der für den Aufbau Ost zuständige SPD-Politiker heute in Schkeuditz bei Leipzig. In weiten Teilen Ostdeutschlands mache sich Resignation breit, vor allem wegen der Arbeitslosigkeit. Tiefensee betonte jedoch, die Debatte dürfe nicht nur auf das Problem der Arbeitslosigkeit verengt werden. "Der Verlust von Arbeit spielt eine große Rolle, und der Verlust von Würde", sagte er. Es zeige sich eine Perspektivlosigkeit, gegen die die Politik mit Initiativen zur Stärkung der Familien und der Bildungschancen vorgehen müsse.

Ex-Bundessozialminister Norbert Blüm (CDU) kritisierte Bundespräsident Horst Köhler. Deutschland mache bei der Olympiade der Globalisierung 'Der Billigste gewinnt' mit. Dies fange schon beim Bundespräsidenten an. "Dessen Reden kann ich auch zusammenfassen in dem Wort Kostensenkung", sagte Blüm dem "Kölner Stadtanzeiger". Er fügte hinzu: "Wenn wir so die Welt aufziehen, dann müssen wir die Kinderarbeit wieder einführen."

Die Armut in Deutschland hat Blüm zufolge eine neue Qualität erreicht. Anders als in Zeiten des Aufbaus der Bundesrepublik sei Mittellosigkeit kein "vorübergehendes Außer-Tritt-Geraten" mehr. Sie habe sich vielmehr verfestigt und sei nicht mehr allein national zu bewältigen. Äußerungen von Vizekanzler Franz Müntefering (SPD), wonach es in Deutschland keine Unterschicht gebe, wies Blüm zurück: "Natürlich gibt es eine Unterschicht."

Eine Studie für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung hatte der von SPD-Chef Kurt Beck angestoßenen Debatte neue Nahrung gegeben. Die Studie beziffert die Gruppe der sozial Schwachen auf rund acht Prozent der Bevölkerung oder 6,5 Millionen Menschen. Zudem wird seit Tagen über Hilfe für Eltern diskutiert, die mit der Betreuung ihrer Kinder überfordert sind. Anlass dafür waren mehrere Todesfälle, nach dem zweijährigen Kevin ein vierjähriger Junge in Sachsen.

Auf Antrag der Grünen und der Linksfraktion berät der Bundestag am Donnerstag in einer Aktuellen Stunde über Armut in Deutschland. "Wir können nicht dulden, dass ein Teil der Gesellschaft zunehmend ausgeschlossen wird", erklärte Grünen-Geschäftsführer Volker Beck. Die Große Koalition müsse endlich die langfristige Armutsbekämpfung angehen.

Quelle : www.spiegel.de

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UNTERSCHICHTENDEBATTE - Die neue soziale Frage
« Antwort #7 am: 17 Oktober, 2006, 19:05 »
Früher gab es nicht weniger Minderbemittelte als heute - doch damals wurden sie am Werkstor mit Handschlag begrüßt. Der Aufstieg Asiens hat in Deutschland zu Arbeitslosigkeit und einer neuen sozialen Verwahrlosung geführt. Dabei ist die Politik nicht so hilflos, wie sie sich fühlt.

Es gibt derzeit in Deutschland zwei Parteien. Die eine heißt "Nicht mit mir" und stemmt sich gegen Veränderungen aller Art. Ihre Mitglieder kommen aus den Reihen von Linkspartei, Union, SPD und Grünen. Das wichtigste Erkennungsmerkmal ihrer Mitglieder sind die trotzig über dem Bauch verschränkten Hände. Oskar Lafontaine ist ihr unumstrittener Spitzenmann, ein Neinsager aus Passion.

Die andere Formation hat sich unter dem Banner "Lauft schneller, Leute" versammelt. Ihr gehören die FDP und die verbliebenen Truppenteile der anderen Parteien an. Das einzig Bemerkenswerte dieser Allparteien-Partei ist ihre ausdauernde Erfolglosigkeit. Wer sich als Antreiber vors Publikum stellt, wird abgestraft. Als Gerhard Schröder seine Agenda 2010 verlas, begann tags darauf sein politischer Abstieg.

Kaum hatte Angela Merkel sich als gestrenge Reformerin empfohlen, setzte das große Frösteln ein. Beide erfuhren einen Machtverlust, wobei die Strafe für Merkel härter ausfiel als für Schröder: Sie muss den Machtverlust im Amte erleiden, derweil der Memoirenschreiber sich auf dem heimischen Sofa räkelt.

Formal betrachtet, hat sie die Bundestagswahlen zwar für sich entschieden, doch in Wahrheit ist sie die Chefin einer Minderheitenregierung. Selbst innerhalb ihrer Koalition, die sich zu Unrecht die Große nennt, sind die Anhänger der "Nicht mit mir"-Bewegung in der Überzahl. Auch deshalb fristet die Reformerin Merkel ein so kümmerliches Dasein. Ihr Leitmotiv "Mehr Freiheit wagen" versteht eine Mehrheit im Lande als die Drohung, weniger Sicherheit zu bekommen. Ihre Aufforderung, die Deutschen sollten unerschrocken "ins Offene gehen", empfinden nicht wenige als besonders perfiden Ratschlag, da sie den geschlossenen Raum als ihr Biotop begreifen. So schieben sich die Hände vor dem Bauch weiter ineinander.

Der wichtigste Rohstoff des einundzwanzigsten Jahrhunderts, sagen die Politiker, sei die Bildung. Welch ein Irrtum: Die wichtigste, da knappste Ressource unserer Tage ist die Willenskraft. Ausgerechnet in jenem Land, das nach verlorenem Weltkrieg mit einem ökonomischen Wunder überraschte, kam es zu einer Entladung der mentalen Antriebskräfte. Seit Jahren wird auf Halten gespielt, nicht auf Sieg.

Sie wissen wenig, aber sie spüren die Globalisierung

Nun ist Volksbeschimpfung eine gleichermaßen beliebte wie müßige Beschäftigung. Es gibt in unserem Herrschaftssystem auf Dauer keine andere Macht als jene, die vom Volke ausgeht, und zuweilen wohnt dieser Macht sogar eine kollektive Klugheit inne. Es hat sich schon oft gezeigt, dass das Volk zwar kein großes Wissen besitzt, aber ein feines Gespür, auch für die politischen Notwendigkeiten. Eine Mehrheit erkannte früh, früher zumindest als die Konservativen, dass eine neue Ostpolitik schmerzhaft, aber sinnvoll sei; von unten wurde der Umweltschutz nach ganz oben auf die Tagesordnung der Politik gedrückt; Helmut Kohl blieb sechzehn Jahre lang unbeliebt, aber er blieb sechzehn Jahre lang Kanzler. Die Menschen ahnten, dass er dem Land bekömmlicher war als die Herren Scharping und Lafontaine, die als Alternative empfohlen wurden.

Dieses vorausgeschickt, sollten wir uns an folgendes Gedankenexperiment wagen: Wir unterstellen, die Mitglieder der "Nicht mit mir"-Fraktion sind keine Verwirrten, sondern haben gute Gründe für ihre Verweigerung. Wir gehen davon aus: Sie wissen wenig, aber spüren viel von dem, was wir gemeinhin Globalisierung nennen. Sie sind durch Erfahrung klug, vergleichbar dem Bergbauern, der das Wetter der nächsten Tage mit größerer Treffsicherheit vorhersagt als die Experten vom Deutschen Wetterdienst.

Sehen wir also mit ihren Augen auf die Welt. Wir blinzeln der herbstlichen Mittagssonne entgegen, hinaus auf die Straßen von Berlin-Neukölln, Hamburg-Billbrook oder Köln-Kalk. Je länger wir hinausstarren, desto deutlicher erkennen wir, dass es gesellschaftliche Verformungen gegeben haben muss. Es gab früher nicht weniger Minderbemittelte als heute, aber sie wurden am Werkstor mit Handschlag begrüßt. Selbst Bauernsöhne aus Anatolien, ungebildet und des Deutschen kaum mächtig, winkte man herein. Es gab Arbeit und Lohn satt. Das Wohlstandsversprechen stand nicht nur auf dem Wahlplakat.

Seither hat sich vieles verändert. Der Handel ist seit dem Markteintritt von China, Indien und Osteuropa weltweit frei, aber er ist nicht so friedlich, wie es die Bilder von den bunten Containerschiffen glauben machen. Wandel durch Handel hieß das Postulat der Entspannungspolitiker, das auf die allmähliche, die unmerkliche Veränderung der Ostblockstaaten im Zuge der Handelsbeziehungen setzte. Die Erkenntnis war damals richtig und ist es womöglich noch immer, nur dass sie jetzt in die umgekehrte Richtung wirkt. Die Mitglieder der "Nicht mit mir"-Partei sind heute die Verwandelten.

Der Aufstieg Asiens hat die Preise auf den für diese Menschen relevanten Weltarbeitsmärkten purzeln lassen, und sie purzeln in loser Reihenfolge hinterher. Ihre einst hochgeschätzte Arbeitskraft ist mittlerweile so wertlos wie ein Auto ohne TÜV, weshalb der Staat viel Geld für ihre Stilllegung ausgibt. In Amerika sind seit fünfundzwanzig Jahren die Löhne der Industriearbeiter nicht mehr gestiegen. In Europa wurden binnen zweier Jahrzehnte zwanzig Millionen arbeitslos. Die einen sind arm mit Arbeit, die andern sind arm ohne Arbeit, und der Streit der "Lauft schneller"-Bewegung darüber, welche dieser Armutsformen nun die bessere ist, muss den Betroffenen wie die reinste Narretei erscheinen.

Die Herren Professoren haben ihr Wissen in der Zeit vor Chinas Aufstieg erworben

Auch für die anderen, die wir bisher Mittelschicht nannten, hatte die neue Zeit vor allem Zumutungen zu bieten. Sie bekommen von allem weniger - weniger Urlaub, weniger Weihnachtsgeld, weniger Lohn, und nur die Wahrscheinlichkeit, dass ihr bisheriger Lebensstandard nicht zu halten sein wird, hat sich deutlich erhöht. Vielleicht war es ja ein Irrtum, zu glauben, auf den Weltmärkten würden nur Waren gehandelt, wie es der klassische deutsche Professor uns weismachen will. Diese Herren, die jetzt so viel von den Chancen der Globalisierung zu berichten wissen, haben allesamt in der Zeit vor Chinas Aufstieg ihre Expertise erworben. Ihre Theorien sind mittlerweile so verstaubt wie die Arbeitsplätze der ehemaligen Textilarbeiterinnen, nur dass an den Universitäten der örtliche Landeswissenschaftsminister und nicht die Globalisierung die Regie führt, weshalb die Professoren noch da sind und die Textilarbeiterinnen nicht.

Was wurde da nicht alles von höchster akademischer Autorität prophezeit: Die Industriegesellschaft geht unter, und die Dienstleistungsgesellschaft kommt. In Wahrheit erlebt die Industriegesellschaft derzeit ihre Blüte, allerdings in Fernost. Anstelle der Dienstleistungsgesellschaft kam hierzulande das Schuldenmachen in Mode. In Europa sind die Staaten auf Kredit finanziert, in Amerika die Privathaushalte, so dass die Wirklichkeit überall im Westen nur noch unter Narkose wahrgenommen wird. Die Wachstumserfolge der vergangenen Dekade sind erkauft, nicht erwirtschaftet. Der Freihandel nützt allen, die sich an ihm beteiligen, sagen die Professoren. Doch auch diese Behauptung hält der Realität nicht stand. Könnten die Produkte im Kaufhausregal die wahre Geschichte ihres Entstehens erzählen, würde deutlich, dass Waren nichts anderes sind als geronnene Werte. Das Ringen um Marktanteile ist immer auch ein Ringen um die Dominanz von Werten.

Wer sich für den Kühlschrank aus China entscheidet, der akzeptiert damit auch die sozialen Bedingungen seines Zustandekommens. Wer die Pharmaprodukte aus Indien in die Hausapotheke einstellt, erteilt damit den dort üblichen Patiententests seine Absolution. Wer Spielzeug aus Taiwan ordert, signalisiert sein Einverständnis mit den dortigen Produktionsverhältnissen. Das Ergebnis jedenfalls ist beeindruckend: Die Wohn- und Kinderzimmer wurden über die Jahre gewerkschafts- und sozialstaatsfrei, befreit auch von einer Umweltschutzgesetzgebung, die diesen Namen verdient. Viele träumten links, aber lebten rechts. "Es gibt nichts Neoliberaleres als den Kunden", sagt Adolf Muschg.

Der kleine Mann ist kleiner als je zuvor

Was in den Wohnzimmern begann, pflanzte sich in den Arbeitsstätten fort. Der Rückzug von Gewerkschaftsmacht verlief spiegelbildlich zum Vormarsch der gewerkschaftsfrei produzierten Waren. Auf der Rückseite der Importbestellung fanden sich immer häufiger die Entlassungsschreiben. Der Friedhof der westlichen Industriesaurier ist mittlerweile gut gefüllt. Was würde wohl passieren, wenn sich die Konkurrenz im Inland in gleicher Ursprünglichkeit entfalten könnte wie die aus dem Ausland? Wenn die Siebentagewoche eingeführt, die Kinderarbeit erlaubt, die Löhne bis auf sechzig Euro im Monat abgesenkt werden dürften? Von der Sozialen Marktwirtschaft bliebe binnen weniger Monate nur ein Torso übrig.

Die Professoren beschwichtigen. Schon immer habe es weltweit unterschiedliche Produktionsbedingungen gegeben, das sei der Clou des internationalen Handels, den man sich bei gleichen Bedingungen ersparen könnte. Sie sagen: Was im Inland das Ordnungsamt, die Jugendschützer, den TÜV und beide Tarifparteien auf den Plan rufen würde, sei, wenn es im Ausland geschieht, nicht nur gefahrenlos, es sei regelrecht erwünscht. Das steigere den Wohlstand aller Nationen. Die "Nicht-mit-mir"-Mitglieder bezweifeln das. Sie erleben ja, wie die globale Wirtschaftswelt, in der Zeit und Entfernung zusammengeschrumpft sind, sie einem enormen Stress aussetzt. Shanghai liegt um die Ecke. Die Vergangenheit ihrer Urgroßväter, als der Sozialstaat noch nicht erfunden war, kehrt in Gestalt der Moderne zurück.

Das eben unterscheidet die Globalisierung vor und nach dem Eintreffen der neuen Angreiferstaaten ganz erheblich: Ihre Art zu arbeiten, zu lernen, zu leben war vorher hoch angesehen und wird nun in Frage gestellt. Der kleine Mann ist kleiner als je zuvor. Ulrich Beck spricht von den "strukturell Überflüssigen", die Amerikaner reden in der ihnen eigenen Direktheit vom "White trash", dem weißen Müll. Nahezu zehn Prozent der deutschen Bevölkerung beziehen mittlerweile Geld aus dem Hartz-IV-Programm.

Nun könnten die Reformer erwidern: Weil das alles so ist, müssen die Menschen schneller laufen. Die Welt von gestern ist untergegangen, bewegt euch gefälligst, seid flexibel, seid billig, lernt, was das Zeug hält. Gern erzählt der deutsche McKinsey-Chef den Witz von den zwei barfüßigen Läufern, die in der afrikanischen Steppe dem Löwen zu entkommen versuchen. Der eine hält plötzlich an und zieht sich Turnschuhe an. Der andere fragt: Du glaubst doch nicht im Ernst, dass du jetzt schneller bist als der Löwe? Nein, erwidert der Turnschuhträger, aber ich bin nun schneller als du.

Das Volk und die Führung haben den Sichtkontakt verloren

Die Reformer glucksen vor Vergnügen, die anderen aber erstarren. Und Oskar Lafontaine ist der lachende Dritte. Der Löwe treibt ihm die Menschen zu. Er darf sich als Fürsprecher aller Barfüßigen fühlen, womit wir bei den Schlussfolgerungen wären. Drei sind es insgesamt.

Erstens: Es ist keine Laune des Augenblicks, auch nicht das Ergebnis schlechter Öffentlichkeitsarbeit, sondern Ausdruck handfester Interessen, dass es in Deutschland keine Legitimation für eine wirkliche Reformpolitik gibt. Das gemeine Volk und große Teile der Führung haben den Sichtkontakt verloren, weil das Wollen der Führung sich nicht mit den Erfahrungen der Mehrheit deckt. Ein Patt zwischen der "Nicht mit mir"-Bewegung und der "Lauft schneller"-Partei ist entstanden, das sich in den kommenden Jahren vermutlich auflösen wird - nicht automatisch zugunsten derer, die Veränderung wollen.

Zweitens: Um das Patt in die andere Richtung aufzulösen, ist ein Brückenschlag nötig. Was sich ändern muss, ist den Barfüßigen oft genug gesagt worden. Jetzt müsste ihnen verbindlich erklärt werden: Was bleibt? Wo ist die Demarkationslinie, an der fallende Löhne und geschrumpfte Sozialstandards zum Stehen kommen? Und: Was tun die gewählten Interessenvertreter, um diese Haltelinie zu verteidigen?

Wider den Raubkatzenkapitalismus

Drittens: Damit richtet sich das Augenmerk der Politik erstmals auf den Löwen selbst. Der Raubkatzenkapitalismus aus Fernost hat die Spielregeln zu seinen Gunsten verändert und muss nun in die Schranken verwiesen werden. An Themen, über die mit den Befehlshabern der gelenkten Marktwirtschaften zu reden wäre, herrscht kein Mangel: Vom milliardenteuren Ideenklau über systematische Umweltzerstörung bis hin zu Kinderarbeit und der offen zur Schau gestellten Unterdrückung freier Gewerkschaften reicht die Liste dessen, was wir heute akzeptieren und in dieser Bedingungslosigkeit nicht akzeptieren müssten. Es geht um nichts Geringeres als den Schutz unserer Wertewelt. Der Westen ist nicht so wehrlos, wie er sich fühlt.

In einem langen, mutmaßlich Jahrzehnte dauernden Prozess bekäme die Globalisierung jenen Ordnungsrahmen, der ihr heute fehlt. Der Liberalismus von unten, wo urwüchsige Märkte sich den passenden Staat formen, würde durch einen Liberalismus von oben ersetzt, wie er den Gründungsvätern der Sozialen Marktwirtschaft, Walter Eucken und Alfred Müller-Armack, vorschwebte. Das Neue: Die Politik würde ihre Forderungen, die ja in Wahrheit Zumutungen sind, nicht mehr allein an die eigene Bevölkerung richten. Die Reform im Inneren und das Beharren auf Bewahrung im Äußeren bilden jetzt die zwei Seiten der Medaille.

Vielleicht ließen sich die vorm Bauch verschränkten Hände so wieder lösen. Womöglich kehrt die alte Energie aufs Neue zurück, wenn die Politik die Reformnotwendigkeit auch bei sich erkennt. Das Publikum will seine Politiker endlich kämpfen sehen - gegen die Löwen und nicht gegen sich selbst. "Das Volk", wusste schon Kurt Tucholsky, "ist doof, aber gerissen."

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ARMUTSDEBATTE - Struck attackiert Kritiker in den eigenen Reihen
« Antwort #8 am: 17 Oktober, 2006, 21:18 »
Wer ist schuld an der wachsenden Armut in Deutschland? Die Union macht die Regierung Schröder verantwortlich, die Sozialdemokraten wiegeln ab. Doch hinter verschlossenen Türen liefert sich auch die SPD-Fraktion heftige Wortgefechte.

Berlin - Es ging offenbar hoch her, nachdem sich die SPD-Bundestagsfraktion am Dienstagnachmittag in Berlin zurückgezogen hatte, um über die Ursachen der wachsenden Armut in Deutschland zu beraten. Teilnehmer berichteten anschließend von einer stellenweise erregten Aussprache.

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) zeigte sich während der zweistündigen Beratung spürbar verärgert über die Debatte. "Wir sind keine Schichtenpartei, wird sind eine Volkspartei", sagte er nach Angaben von Teilnehmern. Er warnte davor, Menschen mit Begriffen wie Unterschicht abzustempeln. Fraktionschef Peter Struck attackierte in der Sitzung den SPD-Linken Ottmar Schreiner und warf ihm unsolidarisches Verhalten vor. Dennoch verteidigte Schreiner seine These, der ehemalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder trage mit seinen Arbeitsmarktreformen eine Mitschuld an der wachsenden Kluft in der Gesellschaft.

Der frühere SPD-Finanzminister Hans Eichel sprach von einer "psychischen Verelendung" von ganzen Bevölkerungsgruppen. Andere Redner betonten, nur durch mehr Investitionen in die Bildung könne eine Wende erreicht werden.

Pofalla macht Rot-Grün für Misere verantwortlich

Auch innerhalb der Großen Koalition führte die Debatte über eine soziale Unterschicht und geeignete Gegenmaßnahmen zu neuem Streit. Die Sozialdemokraten lehnten die Unionsforderung nach mehr Druck auf Langzeitarbeitslose strikt ab. CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla machte die Vorgängerregierung verantwortlich für die wachsende Zahl von Menschen in finanzieller Not. "In den sieben Jahren rot-grüner Bundesregierung hat Armut deutlich zugenommen", sagte Pofalla. Das werde jetzt jedem klar, der Zahlen lesen könne.

Struck wies diese Schuldzuweisung als "absoluten Unsinn" zurück. Die Entwicklung habe mit Schröders früherer Politik nichts zu tun. Arbeitsminister Müntefering wandte sich ebenfalls gegen Pofallas Darstellung, Hartz IV sei Schuld an der Misere vieler Menschen. Mit der Reform hätten Sozialhilfeempfänger überhaupt erst einmal wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt erhalten. In der ARD plädierte Müntefering für Verbesserungen bei der Arbeitsvermittlung. An die Adresse Betroffener sagte er: "Ihr müsst euch anstrengen. Ihr müsst auch die Jobs nehmen, die wir zur Verfügung stellen können."

Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) warnte indirekt vor französischen Verhältnissen. "Ich sage denjenigen, denen es besser geht, die in den besseren Stadtvierteln wohnen: Ignorieren Sie dieses Problem nicht, sie werden spätestens dann aufmerksam, wenn diese Probleme an ihre Türen kommen", betonte er. In Frankreich hatte es vor einigen Monaten tagelange Krawalle von Jugendlichen aus sozialen Problembezirken gegeben.

Pofalla bekräftigte, die Union wolle die Hartz IV-Regelsätze nicht reduzieren. "Wir brauchen Integration statt Alimentation", sagte CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer. Auch ökonomisch Schwache hätten ein Recht auf würdevolle und aktive Teilhabe.

Für Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sind die Hartz-Gesetze nicht verantwortlich für die wachsende Armut. Anders als Müntefering vertrat Thierse jedoch die Ansicht, in Deutschland gebe es unverändert eine Klassengesellschaft. Soziale Gegensätze hätten sich über Generationen verfestigt, sagte er der "Berliner Zeitung". Der frühere CDU-Arbeitsminister Norbert Blüm sagte dem "Kölner Stadt-Anzeiger": "Natürlich gibt es eine Unterschicht. Richtig ist, dass Armut sich wieder vererbt."

Armut birgt Risiko für Kinder

"Absurd" nannte die deutsche Vorsitzende des Kinderhilfswerks Unicef, Heide Simonis, die Steuersenkungspläne der Koalition. Damit bleibe kein Geld mehr für die Hilfe von Jugendlichen und Familien, sagte die SPD-Politikerin im MDR. Für den Präsidenten des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, hängen Armut und die steigende Zahl von verwahrlosten Kinder eng zusammen. 99 Prozent der Fälle würden in armen Familien registriert, sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Der Kriminologe Christian Pfeiffer plädierte im Deutschlandradio Kultur für die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz.

Die vom SPD-Vorsitzenden Beck angestoßene "Unterschichten"-Debatte hatte durch eine Studie für die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung Auftrieb erhalten. Der Erhebung zufolge sind 6,5 Millionen Menschen in der Bundesrepublik finanziell in arger Bedrängnis. Einem Drittel der Bevölkerung geht es demnach sehr gut geht, die "Mitte" ist zufrieden, hat teilweise aber Angst vor sozialem Abstieg, und ein weiteres Drittel der Gesellschaft ist abgehängt oder steht kurz vor dem Abseits.

Die hitzige Diskussion über Armut und das laut der Studie "abgehängte Prekariat" wird auch den Bundestag beschäftigten: Auf Antrag der Linksfraktion und der Grünen setzte das Parlament für Donnerstag eine Aktuelle Stunde an. Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck forderte: "Die Große Koalition muss endlich die langfristige Armutsbekämpfung zum Ziel ihrer Sozialpolitik machen."

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Offline ionti

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Re: UNTERSCHICHT- DEBATTE - Verloren, verarmt, verdrängt
« Antwort #9 am: 17 Oktober, 2006, 22:33 »
Wen´s interessiert guckst du hier: http://www.jungewelt.de/2006/10-17/055.php?sstr=m%FCntefering

------------------------------------------

Armut kommt von Armut, vererbt sich ???? Wieso denn das?
Es sind doch wohl die herrschenden Verhältnisse, die zu Armut führen. z.b. werden Kinder schon in der
Schule selektiert nach der sozialen Herkunft, wie bei Mengele an der Rampe.

Einen Spruch habe ich noch von einem alten chinesischen Philosophen (Lao-Tse):

Ein Staatswesen
das den Armen nimmt,
 und den Reichen gibt,
ist ein räuberisches Staatswesen


ionti
« Letzte Änderung: 18 Oktober, 2006, 07:51 von SiLencer »

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VERSTECKTE ARMUT - Zehn Millionen Deutsche sind bedürftig
« Antwort #10 am: 18 Oktober, 2006, 20:06 »
Wer hat Schuld an der Armut in Deutschland, wie kann man sie bekämpfen? Mitten in die hitzige Debatte trifft eine neue Studie: Das Problem ist noch viel größer als angenommen. Denn Millionen Menschen verstecken ihre Armut nach Kräften.

Hamburg - Wenn es um die ausufernden Kosten für das Arbeitslosengeld II (ALGII) geht, lenkten Politiker bisher gerne die Aufmerksamkeit auf den vermeintlich grassierenden Missbrauch. Dabei ist das Arbeitsministerium - wollte man zynisch sein - letztes Jahr mit rund 26 Milliarden Euro noch recht gut weggekommen. Denn tatsächlich nehmen viele Menschen, die aufgrund ihrer finanziellen Situation sehr wohl Anrecht auf ALG II hätten, den Anspruch gar nicht wahr.

Das zeigt eine neue Studie, die die Forscherin Irene Becker jetzt im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung erstellt hat. Mitten in der hitzigen Debatte über Armut in Deutschland zeigt die Untersuchung außerdem, dass das Problem noch sehr viel größer ist als die offiziellen Statistiken vermuten lassen.

Mithilfe von Daten aus dem Sozioökonomischen Panel, einer jährlichen Haushaltsbefragung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, berechnete die Wissenschaftlerin: Eigentlich wären statt der rund 7,4 Millionen Menschen, die aktuell in Haushalten mit Hartz-IV-Unterstützung leben, etwa zehn Millionen Menschen ALG-II-berechtigt. Über 30 Milliarden Euro müsste die Bundesregierung Beckers Einschätzung zufolge insgesamt jährlich aufbringen, wenn sich alle Leistungsberechtigten bei den zuständigen Jobcentern melden würden.

Der immer wieder hochkochenden Missbrauchs-Debatte will die Autorin mit ihrer Studie den Zündstoff nehmen. Denn ihre Ergebnisse ständen "in auffallendem Kontrast" zu der Vermutung, die jetzt schon hohe Zahl an ALG-II-Empfängern lasse sich mit den zahlreichen Trittbrettfahrern erklären, die die Unterstützung eigentlich gar nicht nötig hätten. Auch die viel diskutierte These, die Hartz-IV-Unterstützung motiviere zum Nichtsstun, sei ihren Forschungsergebnissen nach zumindest höchst diskutabel. "Viele Bedürftige verzichten auf Arbeitslosengeld II - und das Hauptmotiv ist Scham", sagte Becker zu SPIEGEL ONLINE. Offensichtlich hätten viele Menschen das Bedürfnis nach Anerkennung und Selbständigkeit.

In der aktuellen Armuts-Debatte liefert die Studie außerdem noch einmal die erschreckende Wahrheit über die deutschen Verhältnisse. Besonders oft bedürftig sind der Untersuchung zufolge Alleinerziehende, Geringqualifizierte und Teilzeitjobber. 3,4 Millionen Kinder und Schüler leben in bedürftigen Familien. Je mehr Kinder in einem Haushalt leben, desto höher das Armutsrisiko.

Besonders eindrücklich sind solche Fakten angesichts der strengen Kriterien, die Forscherin Becker ansetzt. Während sonst häufig bei Studien zu dem Thema jeder als arm gilt, dessen Einkommen unter 60 Prozent des deutschen Durchschnitts liegt, zählt Becker nur ALG-II-Berechtigte dazu.

Die offiziellen Statistiken verraten nur die halbe Wahrheit, lautet die Schlussfolgerung Beckers. "Dabei hat mich das Ausmaß des Entsetzens schon verwundert", kommentiert die Wissenschaftlerin die aktuelle Armuts-Debatte. Denn die Ergebnisse der Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung über das "abgehängte Prekariat", die die Debatte angestoßen hat, habe letztlich nur längst bekannte Erkenntnisse bestätigt.

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Offline Jürgen

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Re: VERSTECKTE ARMUT - Zehn Millionen Deutsche sind bedürftig
« Antwort #11 am: 19 Oktober, 2006, 00:31 »
Ich kann diese Informationen prinzipiell bestätigen.

Selbst könnte ich derzeit einige wenige Euro zusätzlich beanspruchen, verzichte aber dankend, um die damit verbundene komplette Durchleuchtung meine Verhältnisse und die ewige rennerei von einer Stelle zur anderen zu vermeiden.
Allerdings komme ich mit meinem geringen Einkommen halbwegs zurecht, sehe mich also derzeit nicht als bedürftig an. Wenn sich das erkennbar ändert, kenne ich definitiv keine derartigen Hemmungen mehr. Ebenso, wenn die gessamtgeseellschaftliche Entwicklung in Richtung auf den Sozial-Darwinismus weiter fortschreitet...

In meinem Bekanntenkreis gibt's auch etliche deutlich drastischere Fälle, wo Leute sich erheblich einschränken (müssen), um nicht zur "Behörde" zu müssen. In gewissen Grenzen mag das noch gehen, zumal nicht alle Menschen dieselben "gernormten" Bedürfnisse haben.
Aber in dem Masse, wie die deutsche Schröpf-Maschinerie immer stärker in die Taschen der Kleinen Leute greift, sinken erstens die (gerne, gezielt und eifrig vom Staatswesen erhöhten) Hemmschwellen und lassen sich zweitens die Verhältnisse immer seltener ohne staatliche oder andere Hilfen ertragen.

Es ist dringend an der Zeit, die Ursachen der Armut zu bekämpfen, nicht die Armen!
Dazu gehört unabdingbar die stärkere Belastung der Starken, insbesondere durch wesentlich stärkere und wirksamere Besteuerung von Kapitalerlösen, verglichen mit Arbeitseinkommen.
Verdammt nochmal, warum zahlt Airbus (selbst) seit mindestens zehn Jahren (seit "Dolores") keinerlei Steuern mehr, sondern empfängt sogar immer wieder gigantische Subventionen? Warum "muss" sich "unser" Staat statt dessen aus meiner Tasche bedienen?
Warum?
Weil sich die Grossen zu wehren wissen, die Kleinen dagegen werden schon vorab abgezogen (oder zusammengespart), ohne reelle Chance auf Gegenwehr  :o

Die Verfassungs-Definition als sozialer Rechtsstaat ist wohl nur noch Makulatur  >:(
« Letzte Änderung: 19 Oktober, 2006, 00:34 von Jürgen »
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BÜRGERTUM VS. UNTERSCHICHT - Arbeitslos? Selbst Schuld!
« Antwort #12 am: 22 November, 2006, 16:42 »
Deutschlands Mittelschicht spricht heute über Arbeitslose, als wären sie Kriminelle. In der öffentlichen Debatte gelten sie nicht mehr als Opfer der Verelendung, sondern als Mitschuldige an der sozialen Krise - die neuen Bürgerlichen wollen sich einreden, dass ihnen selbst so was nie passieren würde.

Kriminelle sieht die Öffentlichkeit - je nach Zeitgeist - mal als Opfer der Gesellschaft, mal als Sünder. Ebenso ist es mit den Arbeitslosen: Als zu Beginn der achtziger Jahre die Arbeitslosigkeit erstmals seit dem Wirtschaftswunder die Millionengrenze deutlich überschritt, da überwog noch der mitleidige Blick. Arbeitslose, das waren Opfer der kapitalistischen Gesellschaft, ausgespuckt von einem zynischen System der Profitmaximierung. Diese Menschen waren "um ihre Arbeit gebracht worden". Solche Formulierungen, typisch für die damalige Zeit, zeigen: Arbeit galt als etwas, das mir zusteht. Wer sie mir wegnimmt, der ist böse. Und Klaus Lage lieferte den passenden Soundtrack dazu: "Monopoly, Monopoly, die an der Schlossallee verlangen viel zu viel."

Gut 20 Jahre später, drei Millionen Arbeitslose mehr: Der gesellschaftliche Blick auf Menschen ohne Arbeit hat sich komplett gewandelt. Die neuen Begriffe lauten: "Sozialhilfeadel" oder "Arbeitslosenkarrieren". Es geht nicht mehr um etwas, das diesen Menschen fehlt, nämlich Arbeit, sondern um etwas, das sie bekommen, nämlich staatliche Unterstützung, etwas, das sie zu Unrecht aus der Gesellschaft heraushebt, sie zu "Adeligen" und "Karrieristen" macht. Längst geht es auch nicht mehr um jene Arbeitslosen, die spätestens nach einem Jahr wieder einen neuen Job finden, immerhin sind das rund zwei Drittel. Nein, die Debatte dreht sich fast ausschließlich um das restliche Drittel, die Langzeitarbeitslosen. Berichte über diese Menschen lesen sich heute so:

"Udo Hupa ist 44 Jahre alt und wohnt auf demselben Stockwerk wie seine Eltern. Er ist klein und wiegt um die 130 Kilo. Im Sommer hat er sich ein Piercing in die linke Augenbraue bohren lassen. Als junger Mann hat Hupa Metzger gelernt. An seine letzte Arbeitsstelle kann er sich nicht mehr erinnern. Arbeit ist in Katernberg einfach kein Thema. Hupa lebt von Arbeitslosenhilfe und davon, DVDs zu brennen. 'Was die Leute hier halt so gucken.' Pornos." Soweit Walter Wüllenweber im Dezember 2004 in der Zeitschrift "Stern".

Mit Menschen wie Udo Hupa wollen anständige Bürger natürlich nichts zu tun haben. Und deshalb wurde für die Langzeitarbeitslosen ein schöner, alter Begriff reaktiviert.

Dieser Begriff heißt Unterschicht.

Wenn sich neubürgerliche Autoren über die Unterschicht äußern, schwingt schnell ein Unterton der Verachtung mit, etwa wenn Wüllenweber nach seinem Rechercheabstecher ins Problemviertel Essen-Katernberg sofort begriffen hat: "Disziplinlosigkeit ist eines der Merkmale der neuen Unterschichtskultur (...). Die Unterschicht lebt im Hier und Heute und kümmert sich nicht um die Zukunft. Weder um die eigene noch um die der Gesellschaft."

Schlimmer noch: Nicht einmal Benimm weiß der Pöbel zu wahren. Der Verfassungsrichter Udo Di Fabio klagt in seinem Buch "Die Kultur der Freiheit" über "Menschen, die bei der Wahl ihrer Kleidung, in der Art, wie sie speisen oder wie sie reden, inzwischen wieder dem Niveau vorkultureller Zeit zuzustreben scheinen. Menschen, die schon morgens mit einer Alkoholfahne in öffentlichen Verkehrsmitteln reisen, oder solche, die überzogen aggressiv ihre Freizeitneigungen austoben, dürfen in unserer Kultur der selektiven Toleranz gegenüber dem individuellen Sosein weder verlacht noch öffentlich auch unter ästhetischen Gesichtspunkten kritisiert werden."

Kaum kaschierter Ekel

Aus Wüllenwebers und Di Fabios kaum kaschierten Ekel spricht, was der Stammtisch schon immer gewusst hat: (Langzeit-)Arbeitslose sind an ihrem Schicksal nicht nur selbst schuld ("Wer wirklich Arbeit will, der findet auch welche"), sie sind auch noch ein Ärgernis für die restliche Gesellschaft (Alkoholfahnen, schlechte Manieren). Neu ist allerdings, dass solche Vorurteile zum Repertoire eines gesellschaftlichen Dialogs gehören, der sich intellektuell gibt.

Vom Opfer zum Schuldigen in gut 20 Jahren. Was für eine paradoxe Karriere des deutschen Arbeitslosen! War es bei einer Million Arbeitslosen nicht viel wahrscheinlicher, dass die wenigen Betroffenen eine gewisse Mitschuld an ihrem Schicksal trifft, als bei vier Millionen?

Es hat natürlich einen Grund, warum Langzeitarbeitslose ihren Opferstatus verloren haben - es gibt einfach zu viele von ihnen, um sie noch zu bedauern. Die Mittel- und Oberschicht beginnt stattdessen, sich von den Verlierern des gesellschaftlichen Wandels abzugrenzen, und die neubürgerlichen Autoren liefern die Argumentationshilfe.

In der Geschichte der Menschheit gab es wahrscheinlich keine Ungerechtigkeit, die nicht von irgendwem irgendwie rational gerechtfertigt wurde. In den Romanen Tolstois finden sich Szenen von makabrer Komik, in denen sich (meist selbst völlig lebensuntüchtige) russische Adelige über die Notwendigkeit der Leibeigenschaft ergehen: Die Leibeigenen ihre eigenen Äcker bestellen zu lassen führe zu nichts. Das Gesindel sei derart faul, dass es sich nur unter der Knute des Aufsehers zum Arbeiten aufraffe. Alles Geld würden sie vertrinken, keine Kopeke für morgen zurücklegen.

Es gab diese Leute immer, sie fielen nur nicht so auf

Disziplinlosigkeit, Zukunftsvergessenheit, Alkoholismus: Alles, was Wüllenweber und Konsorten heute an der Unterschicht beobachten, machten Tolstois Antihelden schon vor 150 Jahre geltend. Es ging ihnen darum, die Existenz der Leibeigenschaft vor sich und dem Rest der Gesellschaft zu rechtfertigen. Heute geht es darum, die Existenz von Massenarbeitslosigkeit zu rechtfertigen.

Die Angehörigen der wiederentdeckten Unterschicht sind ja nicht alle erst in den letzten 20 Jahren geboren worden. Es gab diese Menschen schon immer, sie fielen früher nur nicht so auf. Bis in die achtziger Jahre hatte in Westdeutschland auch das untere Fünftel der Gesellschaft zumeist einen sicheren Arbeitsplatz, der dem Leben Halt und Struktur gab. Mit den jährlichen tariflichen Lohnerhöhungen konnte auch diese Schicht vom wachsenden Wohlstand profitieren. In Ostdeutschland war Arbeitslosigkeit bis zur Wiedervereinigung ohnehin kein Thema.

Hüben wie drüben war die Unterschicht zur unteren Mittelschicht geworden, die Bundesrepublik zum Heim einer "nivellierten Mittelstandsgesellschaft", so der Soziologe Helmut Schelsky 1953. Wie viele Pornos der Fließbandarbeiter nach Feierabend schaute, wie viel Bier er trank, wurde als das betrachtet, was es natürlich auch heute noch sein sollte: seine Privatsache.

Doch seit die Arbeitslosigkeit rapide zu steigen begann - im Westen seit Anfang der achtziger Jahre, im Osten schlagartig mit der Wiedervereinigung - wurde die untere Mittelschicht von der Wohlstandsentwicklung abgekoppelt. Die bescheidene berufliche Qualifikation dieser Menschen reichte immer seltener für eine tariflich abgesicherte Vollzeitbeschäftigung. Heute leben die meisten Angehörigen dieser Schicht von Hartz IV oder stecken in sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen - meist ohne Aufstiegschancen, Tarifbindung oder Kündigungsschutz.

Keine vernünftige Alternative zur Marktöffnung

Warum aber reichten neun Jahre Hauptschule ohne Abschluss noch vor 30 Jahren aus, um mit der allgemeinen Wohlstandsentwicklung Schritt zu halten, während heute oft noch nicht einmal mehr die Mittlere Reife einen Ausbildungsplatz garantiert?

Wichtigste Ursache ist die gewaltige Ausweitung des effektiven weltweiten Arbeitsangebots in den letzten zwei Jahrzehnten. Vor einigen Jahrzehnten begannen deutsche Textilfabriken mit neuen Anbietern in Asien zu konkurrieren - und verloren, weil die deutschen Arbeiter natürlich ungleich höher bezahlt wurden.

Die Entwicklung erfasste nach und nach immer weitere Industriezweige. Auf die Textilindustrie folgten die Unterhaltungselektronik und schließlich auch Stahlwerke wie das in Rheinhausen. Inzwischen sind es nicht mehr nur Hilfsarbeiterjobs, die der Globalisierung zum Opfer fallen. Auch Aufträge in Handwerk und Dienstleistung werden immer häufiger von ausländischen Unternehmen übernommen, die dazu ihre niedrig entlohnten Mitarbeiter nach Deutschland schicken - etwa auf Baustellen oder in Schlachthöfe.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt keine vernünftige Alternative zur Marktöffnung. Zum einen aus ethischen Erwägungen, denn warum sollten ein türkischer Bekleidungshersteller oder ein polnischer Handwerker weniger Recht als ein Deutscher darauf haben, seine Ware oder seine Dienstleistung in Deutschland anzubieten?

Zum anderen aus wirtschaftspolitischen Gründen, weil es keinen wissenschaftlich begründbaren Zweifel daran gibt, dass freier Handel für Wohlstandszuwächse in allen daran beteiligten Staaten sorgt und mehr Protektionismus umgekehrt Wohlstand vernichtet.

Ungerechtigkeit? Welche Ungerechtigkeit?

Die volkswirtschaftliche Begründung des Freihandels weist jedoch einen Haken auf, der in der öffentlichen Diskussion meist zu kurz kommt: Durch mehr Handel steigt zwar der Wohlstand aller beteiligten Volkswirtschaften insgesamt. Innerhalb der einzelnen Volkswirtschaften jedoch gibt es sehr wohl Gewinner und Verlierer des Freihandels. Theoretisch reichen die Zuwächse zwar aus, um alle Verlierer angemessen zu entschädigen. Ob und wie weit dies jedoch geschieht - das ist eine politische Entscheidung jeder einzelnen Gesellschaft.

Die Verlierer des verstärkten internationalen Handels, das sind in Deutschland die Anbieter gering qualifizierter Tätigkeiten. Egal ob es sich dabei um Industriearbeiter oder um kleine Selbständige handelt: Sofern sie noch Arbeit haben, sind ihre Realeinkommen in den vergangenen Jahren gesunken; sind sie arbeitslos, dann wurde vielen von ihnen im Rahmen der Agenda 2010 die Arbeitslosenunterstützung auf Sozialhilfeniveau gekürzt.

Kurz: Die deutschen Globalisierungsverlierer wurden für ihre Verluste nicht entschädigt.

Wie gehen wir mit dieser Ungerechtigkeit um? Ist da überhaupt eine Ungerechtigkeit?


Die einfachste Antwort besteht darin, die zweite Frage zu verneinen. Bisweilen trägt der daraus resultierende Versuch, der wiederentdeckten Unterschicht die Schuld an ihrem Schicksal zuzuschreiben, fast schon absurde Züge. Wenn etwa die neuen Bürgerlichen beklagen, dass Unterschichtangehörige sich selbst um ihre Chance auf gesellschaftliche Teilhabe brächten, weil sie sich nur von ungesundem Fast Food ernährten, zu viel Alkohol tränken, Privatfernsehen schauten und ihre Kinder nicht vernünftig erzögen. Während die wackeren Proletarier früherer Zeiten natürlich ihren Körper beim Sport stählten, sich pausenlos in Lesehallen weiterbildeten, im Arbeitergesangsvereinen die Fahne hoch hielten und ihre Kinder niemals ohne Pausenbrot in die Volksschule schickten.

Man wünscht die Herren Wüllenweber und Di Fabio in eine Zeitmaschine, die sie zurückbefördert ins Deutschland der fünfziger Jahre. Sie könnten sich dann selbst davon überzeugen, wie die Handlanger auf den unzähligen Baustellen des Wirtschaftswunders in der Frühstückspause die "Frankfurter Allgemeine" aufschlagen und vergnügt ihre Rohkostsalate futtern. Wie Frauen am Zahltag ihre Männer am Werkstor abholen, damit die den Inhalt der Lohntüte nicht gleich wieder für frischgepresste Fruchtsäfte verprassen; und wie die Näherin von der Fabrik nach Hause eilt, um ihre Kinder mit einem gekonnten Medley aus Schubert-Liedern in den Schlaf zu singen.

Stolzes Beharren aufs eigene Proletentum

Im Ernst: Der Lebensstil der Unterschicht war tendenziell schon immer ungesünder und unvernünftiger als jener der braven Bürgersleut'. Schon immer drohte der unteren Mittelschicht mit dem Verlust des Arbeitsplatzes auch das entscheidende bisschen Halt verloren zu gehen, der einen rauen Lebensstil von einem selbstzerstörerischen trennt. Lange bevor es Fast Food und Privat-TV gab, zeigte das bereits 1933 der österreichische Sozialforscher Paul Felix Lazarsfeld in der Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal".

Ebenfalls schon immer war das Bürgertum von den derben Sitten der "einfachen Leute" abgestoßen und fasziniert zugleich, und umgekehrt war die Unterschicht schon immer hin- und hergerissen zwischen der Imitation des bürgerlichen Lebensstils und dem stolzen Beharren auf dem eigenen Proletentum. Warum ist es gerade heute so populär, genau dies zu leugnen und auf die angeblich so grundlegenden kulturellen Unterschiede zwischen Bürgertum und "Unterschichtkultur" zu verweisen?

Zum einen weil, wie gesagt, der Unterschicht Mitschuld an ihrem eigenen Schicksal zugeschrieben werden soll. Zum anderen weil die Globalisierung inzwischen auch weite Teile der Mittelschicht in ihrem sozialen Status bedroht. Es sind ja längst nicht mehr nur die geringqualifizierten Arbeitsplätze, die von Verlagerung oder Einkommensverlust bedroht werden. Bedroht sind inzwischen auch die klassischen Biotope der Mittelschicht: Dank gesunkener Kosten für die elektronische Datenübertragung (auch dies eine Facette der Globalisierung) lassen sich heute die Tätigkeiten von technischen oder kaufmännischen Angestellten ebenso global verlagern wie vor zwanzig Jahren die Jobs der Hilfsarbeiter. Wo dieser Prozess endet, wen es noch alles trifft, das weiß niemand.

Umso größer das Bedürfnis der Mittelschichten, sich abzusetzen gegenüber den gesellschaftlichen Verlierern. Sich und anderen zu vergewissern: Mir kann nicht passieren, was der Unterschicht passiert, denn ich bin grundlegend anders als die.

Ob es tatsächlich die Menge des Fernsehkonsums, die Häufigkeit der McDonald's-Besuche oder die Vorliebe für Tätowierungen überm Gesäß sind, die ursächlich die Verlierer der Globalisierung von denen scheiden, die noch einmal davonkommen werden? Das ist zwar mehr als fraglich, aber es beruhigt natürlich enorm, sich genau das von den neuen Bürgerlichen einreden zu lassen.

Quelle : www.spiegel.de

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Kein Entkommen aus der Armutsfalle
« Antwort #13 am: 21 März, 2007, 20:30 »
Die Armut in Deutschland hat sich in den vergangenen fünf Jahren nach Einschätzung des DIW zunehmend verfestigt. Die verbreitete Angst des Mittelstands vor dem Absturz in die Armut halten die Wirtschaftsforscher allerdings für unbegründet.

Berlin - Zwar habe sich die Armut besonders gering qualifizierter Bevölkerungsgruppen noch einmal verfestigt, berichten die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Die Zone der so genannten Prekarität sei jedoch weitgehend stabil. "Die Armut greift also nicht so stark auf die Mitte der Gesellschaft über, wie mit der These von der sozialen Entgrenzung der Armut oft behauptet wird", schrieben die Ökonomen. Es gehe an der Realität vorbei, Armut in Deutschland als kollektive Abstiegsbedrohung der gesamten Gesellschaft zu dramatisieren.

Das DIW berief sich bei seinen Schlussfolgerungen auf die Studie "Sozio-oekonomisches Panel" (SOEP), die in Zusammenarbeit mit Infratest Sozialforschung erhoben wurde. Demzufolge ist die Einkommensarmut in Deutschland zuletzt sechs Jahre in Folge gestiegen, von 12,0 Prozent im Jahr 1999 auf 17,4 Prozent im Jahr 2005.

Als arm wird dabei derjenige definiert, der weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Die Zone der Prekarität, in der die Drohung dauerhafter Armut stets präsent ist, liegt bei 60 Prozent des Durchschnittseinkommens.

Besorgniserregender Trend

Die Betrachtung des Haushaltsnettoeinkommens allein liefert nach Ansicht der Forscher jedoch ein nur ungenaues Bild der Betroffenheit von Armut. Es sei durchaus möglich, dass Haushalte trotz geringer Einkommen einen Lebensstandard wahren könnten, der gesellschaftlich als akzeptabel gilt, sei es, dass die Einkommensarmut nur vorübergehend auftritt oder durch andere Ressourcen, etwa durch angespartes Vermögen, aufgefangen werden kann.

Diese vorübergehende Armut liefert für die Experten zunächst wenig Anlass, um Alarm zu schlagen. Ein anderer Trend ist dagegen weitaus besorgniserregender. Danach halten Phasen der Armut inzwischen deutlich länger an und sind häufiger durch mehrfache Notlagen in verschiedenen Lebensbereichen geprägt - etwa durch Wohnungsprobleme, Konsumdefizite, Arbeitslosigkeit und fehlende Rücklagen.

Fast ein Zehntel der Bevölkerung lebe inzwischen in dieser "verfestigten Armut", wie die Forscher es nennen. Diese Gruppe verfüge über weniger als 43 Prozent des deutschen Durchschnitteinkommens. Hauptbetroffene seien dabei nach wie vor Arbeiter, vor allem Arbeiterfamilien mit Migrationshintergrund oder mit mehreren Kindern. Dieser Bereich habe sich im Untersuchungszeitraum nur wenig verändert, auch nicht in Ostdeutschland.

Der Graben vertieft sich

Oberhalb der verfestigten Armut lasse sich eine Zone der Prekarität identifizieren, in der immer wieder Erfahrungen der Einkommensarmut oder der mehrfachen finanziellen Engpässe gemacht würden.

Im vergangenen Herbst hatte eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) für hitzige Diskussionen gesorgt, in der vom "abgehängten Prekariat" die Rede war. Ausgehend von der Studie wurde die These von einer "neuen Armut" und einer gesellschaftlichen "Unterschicht" in Deutschland diskutiert.

Vor dem Hintergrund ihrer empirischen Befunde beurteilen die DIW-Experten die Kontroversen um die Entstehung einer neuen Unterschicht in Deutschland und um die Abstiegsbedrohungen der Mittelklassen kritisch. Insgesamt nehme die Armut zwar in allen Berufsgruppen tendenziell zu, der rapide Anstieg der Armutsquoten bei einfachen Arbeitern deute aber eher darauf hin, dass der Graben zwischen der bestehenden Unterschicht und dem Rest der Gesellschaft noch weiter vertiefe. Die Mitte der Gesellschaft kenne Armut nach wie vor kaum aus eigenem Erleben.

Quelle : www.spiegel.de

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Philosophie mit Dosenbier, Fastfood, Körperkult
« Antwort #14 am: 23 April, 2007, 17:44 »
Stolz, aufstiegswillig, bildungsbeflissen: Das war früher die Unterschicht, die Klientel der SPD. Nichts davon findet die Beck-Müntefering-Partei heute wieder, zeigt eine Studie: Die neue Unterschicht will Freizeit, Spaß, Unterhaltung, Ablenkung, Body-Kult - ein Leben in Traumwelten.

Im Herbst 2006 herrschte in der deutschen Republik für eine halbe Woche lautstarke Aufregung über eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zur "Gesellschaft im Reformprozess". Denn die Sozialforscher hatten in ihrer Untersuchung - die in ihren übrigen Facetten bis heute kaum zur Kenntnis genommen, ja meist nicht einmal gelesen wurde - auf die Rückkehr sozialer Polarisierungen hingewiesen, vor allem auf die Existenz eines "abgehängten Prekariats".

Das mündete dann in eine durchaus furiose, aber eben rasch vorübergehende "Unterschichtendebatte". Vor allem die Sozialdemokraten, einst politische Repräsentanten der unteren gesellschaftlichen Schichten, reagierten irritiert und ein wenig richtungslos. Dass ausgerechnet während ihrer Regierungszeit sich die sozialen Antagonismen und Marginalisierungen verschärft haben sollten, war ihnen nur schwer erträglich. Und daher dekretierte ihr sauerländischer Kompanieführer und Vizekanzler zackig, dass es in Deutschland keine Schichten gebe, dass dies alles nur krauses Geschwätz "weltfremder Soziologen" sei.

Doch hätte es des Münteferingschen Verbalhammers gar nicht bedurft, denn die Diskussion zur neuen sozialen Frage brach so plötzlich ab wie sie kurz zuvor jäh aufgekommen war. In den quirligen Rochaden der Mediengesellschaft existiert nur wenig Platz für kontinuierliche Debatten konstanter Probleme.

Nun hat in diesen Tagen das Heidelberger Sinus-Institut nachgelegt. Die Vorzüge der Sinus-Studien liegen darin, dass sie Analysen zur sozialen Lage mit den Einstellungen und Lebensstilen der Zugehörigen unterschiedlicher Milieus verknüpfen. Denn schließlich sagt die soziale Lage allein nichts über politische Einstellungen, soziales Engagement, den Charakter alltagsorientierender Deutungsmuster aus. Und dass die unzweifelhaft bedrückende soziale Lage der Prekarisierten in diesem Land bemerkenswert geringe altruistische oder solidarische Zuwendungen hervorruft, hat gewiss mit eben dieser subjektiven, lebensstilistischen Seite des Problems zu tun.

Prekariat wird selbst von Sozis und Grünen verachtet

Denn: Es gab Zeiten, da wurden die Outcasts und Unterdrückten dieser Welt politisch umschwärmt und literarisch mythologisiert. In einer solchen Zeit aber leben wir nicht. Das Prekariat des Postindustrialismus wird vielmehr verachtet. Auch prominente Sozialdemokraten und erst recht die etablierten Grünen können mit großem Eifer expressive Geschichten über die Disziplinlosigkeit, den schrillen Konsumismus, die Antriebsschwäche, ja die "Asozialität" des "neuen Unten" erzählen.

Den Sozialdemokraten gilt dabei als stetes Vorbild ihre eigene Geschichte mit den tüchtigen Facharbeitern im Zentrum - berufsstolz, aufstiegswillig, bildungsbeflissen, organisationsbereit. Nichts davon finden die Beck-Müntefering-Sozialdemokraten in den neueren unteren sozialen Lagen wieder. Die fleißigen Dreher, Drucker und Drechsler der frühen Arbeitsgesellschaft hatten sich noch - so wird es gerne sentimental erinnert - nach langen Arbeitszeiten bei Kerzenlicht durch Buchlektüre weiterzubilden versucht.

Das neue Prekariat aber, so wird es vorwurfsvoll kolportiert, liegt faul mit Dosenbier und Kartoffelchips auf der Couch vor einfältigen Kabel-1-Spielfilmen, verfettet und verlottert so auf Dauer in der von den Fleißigen mühevoll gespannten sozialen Hängematte des deutschen Wohlfahrtsstaates.

Die Sinus-Sozialforscher haben nun einen genaueren Blick in die prekären Lebenswelten der deutschen Gesellschaft geworfen. Zur Underclass zählen sie diejenigen mit einem Nettoeinkommen unter 600 Euro, einer geringstufigen Schulbildung und der soziokulturellen Entkopplung von den Möglichkeiten der Mehrheitsgesellschaft.

Folgt man der Prämisse, dann gehören in Deutschland nahezu vier Millionen Menschen zu dieser mehrfach abgehängten Schicht. Es gibt dabei ein deutliches Ost-West-Gefälle, da in den neuen Bundesländern zehn Prozent niederschichtig angesiedelt sind, im Westen sind es nur fünf Prozent. Bemerkenswerterweise konzentrieren sich die Unterschichten nicht wie vielfach angenommen in erster Linie in den urbanen Zentren, sondern verteilen sich, wenngleich nur leicht überproportional, im ländlichen, klein- und mittelstädtischen Raum.

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