Autor Thema: Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)  (Gelesen 125675 mal)

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Was war. Was wird. Durch dick und dünn, durch Not und Tod.
« Antwort #600 am: 29 November, 2015, 09:05 »
"'s ist Krieg! 's ist Krieg! 's ist leider Krieg - und ich begehre nicht schuld daran zu sein!", zitiert Hal Faber, der die IT-Krieger schon losziehen sieht, aller Hacker-Ethik entledigt.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Hurra, wir fliegen in den Krieg! In Syrien verteidigen wir unsere Sicherheit, schreibt CDU-Mann Norbert Röttgen als "fremde Feder" in der Zeitung für kluge Köpfe. Seine christliche Parteigenossin Ursula von der Leyen übernimmt als deutsche Verteidigungsministerin im Interview die Daesh-Terminologie von der "Kreuzfahrernation". Auf die muntere Kreuzfahrt gehen ein paar Aufklärungsflugzeuge mit digitaler Bildtechnik aus Israel und eine Fregatte zum Geleitschutz eines Flugzeugträgers und ein paar Kampfretter für unsere Piloten nach einem Aufflugunfall. Hurra, hurra, wir fliegen, auch wenn niemand weiß, was man sich morgen in London, Paris oder Berlin überlegt. Wie war das nochmal in Afghanistan: "Das ist ein Scheißkrieg, für den wir uns opfern und niemand weiß, was eigentlich hier los ist."

*** Das Ganze ist ja "nur" ein kleiner Einsatz, nur als Geste der Solidarität gedacht, da darf man schon nach der Symbolik hinter dieser Geste fragen. Denn da sind wir flugs in unserem Element, der IT mit all ihren Schattenseiten, düsteren Ecken und 0Days. Alle großen Tageszeitungen haben in dieser Woche so etwas wie Vorberichte vom großen Cyberkampf gegen den Deash gebracht, vom Löschen, Sperren und Hacken, hübsch ausgemalt mit Anonymous-Masken mächtiger Hacker. Besonders apart die Idee der Süddeutschen Zeitung, einen schwerst bewaffneten Trupp Cyberkrieger mit diesen Masken abzubilden und den digitalen Raum zum "Kriegsgebiet" zu erklären, in dem ein "gnadenloses Wettrüsten" stattfindet. Die Kriegswaffen "Handy, Computer und Server" ziehen in der "Allianz zwischen Staat und Hackern" aufs Schlachtfeld, wo es der kriegerischen Logik nach bald Tote geben wird beim gegenseitigen Cyberschießen auf die "Infrastruktur".

*** Wir schreiten Seit an Seit mit unserem europäischen Digitalkommissar, wenn er erklärt, dass nun nicht mehr mit Bombengürteln angegriffen wird, sondern es mit Perl und PHP gegen sensible Bereiche der Infrastruktur geht, gegen Wasserversorgung, Stromnetz und Flugsicherung. Dabei kennt Günther Oettinger keine Informatiker und Hacker und Datenschützer mehr, keine Parteien, sondern nur noch Deutsche! Ja, jetzt ist es an der Zeit, geschlossen da zu stehen und das Grundmisstrauen gegenüber Geheimdiensten schnellstens in Vertrauen umzutauschen. Sind sie nicht ungemein effektiv, diese Heuhaufen-Anhäufer. Alle! Deutsche! Vertrauen! Schön soll er werden, unser Cyberburgfrieden. Im nächsten Schritt, wenn dieses Ur-Vertrauen in BND, MAD und Verfassungsschutz da ist, wenn wir die Schnüffler mielkisch lieben, können wir ihnen natürlich erlauben, die Gesetze zu ignorieren. Und als Medaille gibt es das Eiserne Schweigen am Bande, selbst für diejenigen, die für Netzneutralität kämpfen und damit laut Oettinger ja eine taliban-ähnliche Orientierung besitzen.

*** Vor allem aber muss Schluss sein mit dem verschlüsselten Informationsaustausch der Terroristen Ja, mit solchen Worten kann man fein kämpfen und mordsmäßig Karma sammeln und die Sicherheitslage von Brüssel mit der von Bayreuth vergleichen. Fakten stören da nur. Mehrere Wochen sind ins Land gegangen, seitdem der belgische Innenminister Johan Jambon noch vor den Anschlägen in Paris erklärte, dass es für Geheimdienste schwierig sei, die Terroristen-Kommunikation mit Playstations 4 im Playstation Network zu entschlüsseln. Doch noch immer geistert das Gerede des Informatikers und ehemaligen IBM-Managers durch den Raum, ordentlich dramatisiert als Terror auf Playstation 4. Kein Wunder, dass selbst redliche Figuren wie Peter Schaar auf den Unsinn reinfallen und fabulieren, dass man Nachrichten mit dem Joystick in Gebäudewände schießmeißeln kann.

*** Bevor das Grauen uns überspült, ein Restfunken Hoffnung. Inmitten all der hektischen Kriegsvorbereitungen und der moralischen Aufrüstungsappelle an Hacker und Informatiker klingt die Forderung nach Cyberpeace wie ein Märchen vom anderen Stern. Ein Internet, das dem Frieden dient, wer hat sich so etwas Komisches ausgedacht? War es nicht von Anfang an eine Kriegswaffe mit dieser Ausfallsicherheit im Fall eines Atomkrieges? Soll all das schöne Herumhacken fürs Vaterland in den kritisischen Infrastrukturen des Gegners tatsächlich mit einer Genfer Konvention für den Cyberspace untersagt werden? Müssen Informatiker und Programmierer nicht vielmehr das machen, was wirklich zaehlt und in den virtuellen Tarnfleck steigen? Viele Fragen, schwere Fragen, auch wenn es coole Antworten gibt. Vielleicht sollte man mit der ganz einfachen Frage beginnen, ob es deutsche Familien gibt, in denen nicht das Leiden am Krieg präsent ist bis zum heutigen Tag. Angefangen bei den Fluchterlebnissen der Eltern bis zu den merkwürdig erscheindenden Ritualen wie dem Verstellen der Sender vor dem Ausschalten von TV und Radio kommt da sicher viel zu Tage.

*** Da bleibt nicht mehr viel, als Gedichte zu zitieren.

's ist Krieg! 's ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Was sollt ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen
Und blutig, bleich und blaß,
Die Geister der Erschlagnen zu mir kämen,
Und vor mir weinten, was?

Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,
Verstümmelt und halb tot
Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten
In ihrer Todesnot?

Wenn tausend tausend Väter, Mütter, Bräute,
So glücklich vor dem Krieg,
Nun alle elend, alle arme Leute,
Wehklagten über mich?

Wenn Hunger, böse Seuch' und ihre Nöten
Freund, Freund und Feind ins Grab
Versammelten, und mir zu Ehren krähten
Von einer Leich herab?

Was hülf mir Kron' und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
's ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Ja. Wenn dann der Krieg in vollem Gange ist, da wälzen sich auch Demokratie und Rechtsstaat halbt tot im Staub, und da ist von Hackerethik und dem offenen Netz, das heute noch wir alle sind, nicht mehr die Rede. Nur das Grauen, das Grauen, das bleibt.

*** Wenn diese kleine Wochenschau in den unendlichen Weiten des friedliebenden Internets erscheint, bricht in den USA ein Tag an, an dem gejubelt werden kann. Es ist der Tag von Edward Snowden, denn morgen endet erst einmal die anlasslose Telefonüberwachung durch die NSA, die dank Snowden an das Tageslicht kam. Zwar kann die NSA weiterhin schnorcheln und besitzt nach wie vor weit reichende Möglichkeiten, braucht aber für jeden inneramerikanischen Einzelfall einen richterlichen Beschluss, ehe sie die Telefone von Terrorverdächtigen überwachen kann. Außerdem werden die bislang auf Vorrat gespeicherten Daten ein wenig länger erhalten bleiben, zur Sicherheit. Bis Snowdens Veröffentlichung war die Sache 14 Jahre lang geheim. Was lernen wir daraus? Die USA schafft es, ihre Gesetze zu verändern. In Deutschland werden Snowdens Dokumente zur Kenntnis genommen, doch Konsequenzen bleiben aus.

Was wird.

Nach 20 Gipfeln soll es diesmal richtig krachen und ein rechtlich bindender Vertrag zustande kommen. Wenn am Montag in Paris das Pokern und Feilschen um diesen Weltklimavertrag beginnt, herrscht dort der Ausnahmezustand, was eine praktische Sache ist. Bekannte französische Klimaktivisten haben Hausarrest bekommen und sind damit so etwas wie Klimaterroristen. Auch der Zugterrorismus dürfte schnell und entschlossen geräumt werden. Mit dabei bei der Sicherung des 2-Grad-Ziels ist Bill Gates, der zwei Milliarden Dollar in Clean Energy stecken will. Sinnvoller wäre eine Steuer auf jede Ressource, die das Klima schädigt, angefangen bei den Plastiktüten und den vielen Disketten und CD-ROMs mit Microsoft-Software.

Wie praktisch ist es doch, dass es da dieses friedliebende Internet gibt, in dem Daten aus klimaneutralen Rechenzentren abgerufen werden, etwa in Island. Es ist unser Internet und es ist wieder einmal an der Zeit, so pathetisch zu werden wie damals, als der aus der Zukunft zurückkehrende Perry Barlow die Regierungen der alten, abgewrackten Welt ermahnte, die Pfoten vom Internet zu lassen. "Wer sich zugehörig zu einem offenen, dezentralen, von Selbstbestimmung geprägten Netz fühlt, ist Teil dieses Wir." Wir sollten uns gegen den Krieg im Cyberspace und für das nachhaltige Vernetzen entscheiden, gegen Terror-Hysterie und gegen Dienste, die in sich geschlossen sind als Gated Communities. Ein Vorhaben, das sinnigerweise im Internet nicht mit Kurzzitaten der Hacker-Ethik enden muss, sondern mit dem "Original". Wie war das noch mit dem Transparenz schaffen ohne Waffen? Ihr Internet oder unser Netz, überall.

Quelle : www.heise.de

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Was war. Was wird. Vom Ankern im Schlamm und Verrücktwerden vor Langweile
« Antwort #601 am: 06 Dezember, 2015, 05:46 »
In der taz stehen Statements zum Krieg gegen den Terror von heute und von gestern, von Regierung und Opposition einander gegenüber. Hal Faber hingegen ringt darum, das K-Wort erst gar nicht zu bemühen, und gerät so in illustre Gesellschaft.


Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war

*** Ja, da hat der Säzzer der taz zugeschlagen und die Nachricht über den deutschen Aufklärungsbeitrag gekonnt mit Passagen aus alten Zeiten kombiniert, als Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte, dass man nicht allein auf militärische Maßnahmen im Krieg gegen den Terror setze. Hoppsa, sagte ich Krieg? Ganz falsch. Was da um Syrien herum passiert, ist ein militärischer Prozess mit einem deutschen Beitrag oder eine gemeinsame, abgestimmte Aktion. Vorbildlich ist da die aktuelle Bundeskanzlerin Angela Merkel, die in ihrem aktuellen Video-Podcast mit einem migrantischen Bundeswehr-Teilnehmer (Soldat wäre zu hart) spricht, ohne ein einziges Mal vom Krieg zu reden. In der kommenden Woche besucht Merkel die Teilnehmer vom Kommando Schnelle Einsatzkräfte Sanitätsdienst, die in Aktion treten, bevor es in den Wald der Erinnerung geht.

*** Die Bundeswehr ist an vielen Fronten und auf vielen Wassern aktiv. Richtig spannend wird es an der Heimatfront, wenn Mitte Dezember die Wundertüten-Software SASPF heruntergefahren wird und für drei Wochen stillsteht. Grund ist ein anstehendes Update, von dem niemand weiß, ob es erfolgreich aufgespielt werden kann. Das ist insofern misslich, da die Teilnehmer der Bundeswehr das Zustandsmanagement ihrer Flugzeuge, Panzer und Schiffe über SASPF abwickeln. So können die Aufklärungstornados erst im Januar nach der "mörderischen Terrorbande" gucken, wie Verteidigungsministerin von der Leyen den Daesh genannt hat. Geschickt eingefädelt, dieses Software-Intermezzo über Weihnachten, wenn alles unter dem Baume feiert. Immerhin: Das heftige Blitzlichtgewitter haben die Flugzeuge bravourös überstanden, und Fotos von Windows im Tarnfleck gab es auch noch.

*** Auch in dieser Woche hat der NSA-Untersuchungsausschuss für erfrischende Schlagzeilen gesorgt, besonders mit der Erkenntnis, dass Mathematiker das Gras wachsen hören können. Wobei mit Gras die Selektorenlisten vom BND und der NSA gemeint sind, um die seit Wochen gestritten wird. Jetzt will sogar die G10-Kommission des Bundestages mit ihrer Klage auf Einsicht in die Spezialität des BND vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Unterdessen sind Details aus dem Inneren der Superbehörde bekannt geworden, in der sich Mitarbeiter dermaßen langweilten, dass sie für andere Dienste spionieren. Drei mal täglich kontrollierte Markus R. die eingehende E-Mail beim BND, ein Vorgang der 10 Minuten dauerte. Er speicherte interessante Fundstücke für seine amerikanischen Freunde auf einem USB-Stick ab und drehte ansonsten Däumchen und wurde "verrückt vor Langweile". Auf seinem Computer fand man sein Abschiedsschreiben, adressiert an Gerhard Schindler.

"Sehr geehrter Herr Präsident, nach einigen verschwendeten Jahren im Dienst ist es endlich geschafft. Ich habe meine Zeit überstanden und werde demnächst wieder in das echte Arbeitsleben integriert. Würde ich all die negativen Dinge aufzählen, die es in dieser Anstalt gibt, ich würde nicht fertig werden. Jedem, der mich fragt und sich in dieser Behörde bewerben will, werde ich abraten. Hier verlernt man das Arbeiten. Sie haben echt ein schweres Los, von so etwas Präsident zu sein."

*** Dabei muss irgendjemand beim BND aus seinem Büroschlaf aufgewacht sein und im allwissenden Heise-Forum gelesen haben. Die Warnung vor Saudi-Arabien wurde vom "BND-Kunden" des Auswärtigen Amtes prompt dementiert. So eine Kritik an einem Verbündeten ist unpassend, wo dieser bekanntlich ein Stabilitätsanker ist. Doch im Schlamm Ankern geht selten gut. Bleibt nur noch die Frage übrig, ob die Warnung vor Saudi-Arabien auch in Comic Sans ausgedruckt wurde.

*** Nach einer mir nicht bekannten Logik kann das Terror-Risiko nicht mehr wachsen. Schließlich haben die Geheimdienste alles im Griff, außerdem ist das Schengen Informationssystem SIS gut gefüllt. Dennoch kann es ganz hilfreich sein, wenn sich Europol und Internetfirmen zusammensetzen und über den Kampf gegen den Terror beraten. Mit von der Partie beim ersten "Dialog-Forum" unter Ausschluss der Öffentlichkeit waren Vertreter von Ask.fm, Facebook, Google, Microsoft und Twitter. Was beraten wurde, ist geheim, doch sprach man auch über Hintertüren in Software-Programmen, um verschlüsselte Kommunikation mitlesen zu können. Die Hartnäckigkeit dieses Themas zeigt, dass es neben dem Krieg gegen den Terror weiterhin den Krieg gegen die Mathematik gibt.

*** Wenn diese Wochenschau online geht, ist der 125. Geburtstag von Fritz Lang vorüber. Mit den 1000 Augen des Dr. Mabuse drehte Lang einer der ersten Filme vom Leben unter einem allgegenwärtigen Überwachungsapparat, der von Nazis gesteuert wird. Die Idee des Überwachungsapparates hatte Jan Fethke 1931 in einem futuristischen Kriminalroman ausgearbeitet, der vor den Nationalsozialisten warnen sollte. Fethke war vor dem Zweiten Weltkrieg ein Regieassistent bei Fritz Lang gewesen und hatte die Drehbücher zu Mutter Krausens Fahrt ins Glück, Jenseits der Straße und später zur Lem-Verfilmung Der schweigende Stern mit verfasst. Im Drehbuchteil von Fethke findet sich die Geschichte von einem Roboter namens "Omega", dem eine Seele eingebaut wird — für einen Propaganda-Film der DDR gegen den Atomkrieg ein ungewöhnliches Thema. Das führt uns wieder in die Gegenwart: in den USA ist Joseph Engelberger gestorben, der "Vater der Roboter" im Automobilbau. Engelbergers Erfindungen wurden stark von den Robotergesetzen geprägt, die Isaac Asimov in einer Kurzgeschichte niederschrieb. Zeit seines Lebens weigerte er sich, Robotern menschliche Eigenschaften zuzuschreiben.

Was wird

Glückliches Saarland, glückliches Hamburg! In diesen Bundesländern ist der Besuch des 32C3-Kongresses als Bildungsurlaub anerkannt worden, wie dies seit vielen Jahren bereits für deutsche Geheimdienstmitarbeiter gilt. Mit der Veröffentlichung des Halfnarps wird klar, was Bildung heute ist. Neben der obligaten Sicherheitsschulung und ein bisserl Robotik dürfte die Failosophy über das "G'scheitern" und Wiederaufstehen von Projekten der wichtigste Fortschritt beim CCC sein, der sich selbst sehr gerne unfehlbar gibt. Hat man nicht alles korrekt erkannt, vom krebsenden, immer noch sehr "neuen" Personalausweis bis zum Sicherheits-Irrtum der elektronischen Gesundheitskarte? "Aber das wichtigste wäre die offene Rede gewesen, gegen das Schweigen", heißt es im Buch vom "Scheitern der Arbeiterbewegung" des Ruhrgebiets-Historikers Erhard Lucas. Gescheiterte Projekte gibt es zur Genüge, die der Debatte bedürfen. Snowden sitzt in Russland fest, Wikileaks hat abgewirtschaftet und wer die Liste der Düsternis zum dunklen Jahresende verlängern will, kann das ja in den Kommentaren tun.

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4W: Von Grenzen, Grenzbeamten, Grenz-IT - und Wintermärchen.
« Antwort #602 am: 13 Dezember, 2015, 06:21 »
Tja, wenn Software-Updates die Grenzen öffnen, dann ist mal wieder ein IT-Wintermärchen im Gange. Derweil kämpft die SPD ihren ganz eigenen Kampf mit der digitalen Welt. Und das nicht nur in Antragsbüchern, befürchtet Hal Faber.

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Was war.

*** Puh, da sind wir noch einmal davongekommen: Fast acht Stunden lang stand das Schengener Informationssystem still und war für die Staaten nicht erreichbar, die keine lokale technische Kopie besitzen oder diese nur unregelmäßig ziehen. Mitten im Kampf gegen den Terror war ein Software-Update fällig, das keinen Aufschub duldete und recht plötzlich von den Technikern von EU-LISA angekündigt wurde. Nicht auszudenken, wenn Erika Mustermann, geboren in Damaskus, unabgefragt in unseren wunderbaren Schengen-Raum eingereist wäre. Seit Jahren fahnden alle möglichen Behörden mit dem Bild nach dieser Frau, die bereits im Besitz des neuen Ankunftsausweises ist, der bei seiner Vorstellung vom BAMF-Chef Weise als "IT-technisches Wintermärchen" gefeiert wurde. Immerhin soll dieser Ausweis mitsamt der hinter ihm liegenden Infrastruktur einer zentralen Datenbank und Erfassungs-Arbeitsplätzen in den Erstaufnahme-Einrichtungen das erste Großprojekt sein, in dem die IT-Spezialisten und nicht die Politik das Sagen, ähem, räusper, die "Vorfahrt" haben. Wir kennen das ja vom Straßenverkehr, wenn Polizeieskorten alles aufhalten, wenn ein hohes Tier vorbei braust.

*** Wo SIS so kippelt, ächzt und knackt, dass Daten-Aufnehmer und -Abgleicher in den tollen Registrierungs-"Hotspots" auf kalten Entzug gesetzt werden, da ist es nur folgerichtig, wenn am kommenden Dienstag Frontex ausgebaut wird, mehr als 1000 Köpfe zusätzliches Personal bekommt, dazu 1500 weitere Grenzbeamte aus den Mitgliedsstaaten und viele, viele Computer. Etwas lustig klingt es schon, dass man daneben auch auf europäischer Ebende an einer Gesetzesinitiative "zu einem einheitlichen europäischen Dokument für Flüchtlinge" werkelt, wo wir doch gerade unseren tollen deutschen Ankunftsausweis präsentiert haben. Die Vorstellung, dass ganz Europa das fortschrittliche Kerndatenbanksystem von Bundes-CIO KLaus Vitt akzeptiert und obendrein den ordentlichen gefalteten Papierlappen unserer Bundesdruckerei, hat etwas Skurriles. Die Spannung steigt, und am Ende steht die Frage, wer von rechts gekommen ist bei der allfälligen Datenversorge für unsere rein sprachlich ausgezeichneten Flüchtlinge. Da liegen die "Flüchtlingsgespräche" nahe, die über das edelste Teil eines Menschen gehen, seinen Pass, einen Ausweis, der für jedwede Ordnung zuständig ist.
"Die Sorge für den Menschen hat in den letzten Jahren sehr zugenommen, besonders in den neuen Staatengebilden... Aber die Pässe gibts hauptsächlich wegen der Ordnung. Sie ist in solchen Zeiten absolut notwendig. Nehmen wir an, Sie und ich liefen herum ohne Bescheinigung, wer wir sind, so daß man uns nicht finden kann, wenn wir abgeschoben werden sollen, das wär keine Ordnung. Sie haben vorhin von einem Chirurgen gesprochen. Die Chirurgie geht nur, weil der Chirurg weiß, wo z. B. der Blinddarm sich aufhält im Körper. Wenn er ohne Wissen des Chirurgen wegziehn könnte, in den Kopf oder das Knie, würd die Entfernung Schwierigkeiten bereiten. Das wird Ihnen jeder Ordnungsfreund bestätigen."

*** Google übersetzt Ankunftsausweis übrigens jahreszeitlich passend mit "advent card", ein "papier d'avent" wäre aus dieser Weiterübersetzung im französischen Sprachraum auch passend und sicher gibt es einen hübschen finnischern Ausdruck wie der zum Eukonkannonkisat mit den Ehefrauen. Zum ersten Mal in seiner Firmengeschichte hat sich das Startup-Sammelsurium Siemens ein englisches Firmenmotto zugelegt, das "prägnant und knackig die Philosophie des Hauses" benennen soll. "Just do it" war bekanntermaßen vergeben, auch "Vorsprung durch Technik" hat jemand anders. So entschied man sich bei Siemens für "Ingenuity for Life". Dafür offeriert uns Google Einfallsreichtum, Genialität, Findigkeit, Raffiniertheit und Brillianz, na bitte, wie findig. Die französische Variante wäre Ingenuité, ist aber mit "Treuherzigkeit" in der Rückübersetzung etwas suboptimal ausgefallen. Deshalb heißt es dort korrekt "L'ingénousité au service de la vie". Auch "Engenhosidade para a vida" dürfte die Sprach-Stefanowitsche mit der Brillianz entzücken, wie da ingênuo umgangen wurde. Ahnungslos will man bei Siemens halt nicht sein, denn man will ja ran an die "die Ideen unserer klugen Köpfe innerhalb und außerhalb unseres Unternehmens", was nur hartgesottene Foristen anders übersetzen.

*** Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands hat es nicht geschafft, die hochgelobten Wahl-Tablets einzusetzen, die als Zeichen des unbedingten Ja zum digitalen Fortschritt ausgelegt wurden. Böse Genossen mit Technik-Kenntnissen behaupten, dass die Wahlleiterin Doris Ahnen bei der Tablet-Abstimmung so erschrocken war, als der Rechner das sofort ermittelte Ergebnis von 74 Prozent für Sigmar Gabriel anzeigte, dass sie die Prozedur mit Wahlzetteln wiederholte. 74,3 Prozent dokumentieren einen "Schweren Rückschlag", ein "Fiasko" oder eine "Blamage" für den Mann, der die Vorratsdatenspeicherung lobte und nun die große alte Arbeiterpartei dazu brachte, im TTIP-Abkommen das freundliche Emoji-Gegrinse des Kapitalismus zu sehen. Zwar haben die "Parteisoldaten" keinen Zugang zu den TTIP-Dokumenten wie etwa ExxonMobilde oder BusinessEurope, aber mit dem Siggy seinem Ministerium wird da schon was rauskommen. Die 150.000 Menschen, die in Berlin gegen TTIP demonstrierten, die wollen wir mal schnell vergessen. Das war eine Sammlung von Verirrten. Aber von großen Würfen war ja auch nie die Rede, oder?

*** "Grausige Entdeckung: noch ein NSU-Opfer" titelte die tageszeitung über die vorgelesene Aussage von Beate Zschäpe im NSU, die eine schwer erträgliche Geschichte auftischte, von der hilflosen Frau, die aus Liebe und Sorge um ihre "Familie" schweigen musste und nichts unternehmen konnte. Diese Familie tötete Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru, Süleyman Tasköprü, Habil Kiliç, Mehmet Turgut, Ismail Yasar, Theodoros Boulgarides, Mehmet Kubasik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. In einer Zeit, in der rechtsextreme Parteien und ihre Pegida-Sturmtruppen von der Sorge um die deutsche "Familie" schwafeln und Flüchtlingsheime brennen, muss die Aufklärung weiter gehen. Ohne die Hilfe der Terroristin, die Bekenner-DVDs verschickte, deren Inhalt sie angeblich nicht kannte. Aber mit der Hilfe und den Tricks von IT-Spezialisten.

Was wird.

In den nächsten Tagen wird Julian Assange in der Botschaft von Ecuador Besuch aus Schweden bekommen. Die beiden Länder haben sich auf ein Rechtshilfeabkommen in der Causa Assange geeinigt, das eine Befragung des Australiers ermöglicht. Zeitnah zu dieser Befragung zum Vorwurf der "Vergewaltigung in einem minderschweren Fall" wird in Schweden über eine Anklage entschieden. Entfällt die diese Anklage, muss sich Assange mit der britischen Justiz beschäftigen: Er wurde vor 5 Jahren verhaftet und saß 10 Tage im Gefängnis, eher nach einer Kautionszahlung unter Meldeauflagen entlassen wurde. Das Geld der Bürgen wurde eingezogen, doch ist der Verstoß gegen Haftauflagen ein eigenständiges Delikt. Vielleicht ist es diese Perspektive, die zu ihn düsteren Prognosen vom erlebten Ende der Privatsphäre treibt, veröffentlicht in seinem Haussender Russia Today.

Bekanntlich hilft hier die Mathematik und auch die IT hat ihren Anteil daran, sei es mit DANE oder p=p. Gegen alle düsteren Prognosen ist es an der Zeit, sich daran zu erinnern, dass die Kryptologen hier eine gesellschaftliche Verantwortung tragen wie die Kernphysiker, die sich einstmals auf den Pugwash-Konferenzen mit der atomaren Bedrohung beschäftigten. Kryptographie ist die einzig sinnvolle Antwort auf die Frage ob wir überwacht werden. Denn so stellt sich die zentrale Frage, wie Überwachung behindert, verteuert, erschwert werden kann. Nun gibt es nicht allein die IT, auch mit politischen Forderungen wie die der Abschaffung des deutschen Verfassungsschutzes kann man Verantwortung übernehmen. Die moralische Bankrotterklärung dieser Truppe, die vor der Mordserie des NSU begann, hat dieser Tage einen neuen Höhepunkt erklommen als dessen Chef allen Ernstes verkündete: "In manchen Bereichen unseres Hauses kann man all das machen, was man schon immer machen wollte, aber man ist straflos. Zum Beispiel Telekommunikations-Überwachung."

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« Antwort #603 am: 20 Dezember, 2015, 09:20 »
An manchen Orten wurstelt es sich eben noch wurstiger als in Berlin, stellt Hal Faber fest. Gegen den Präventionsstaat, in dem die Politik von Paranoikern am Nasenring durch die Arena gezogen wird, helfen keine Furchtableiter.

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Was war.

*** Willkommen im neuen Jahr! ja, richtig gelesen, ein neues Jahr, wenn nicht gar ein neues Zeitalter ist angebrochen mit der neuen Vorratsdatenspeicherung. Ab vorgestern kann landauf, landab von uns allen alles mitgespeichert werden, was irgendwie wie eine Verbindungsinformation aussieht und unseren Standort verrät. Das ganze zum Wohle der Polizei, die serienweise Kinderpornotauscher aus dem Verkehr ziehen kann und zum Unwohle der Sicherheitsexperten, die bemängeln, wie Mobilfunkfirmen mit ihren Daten umgehen. Noch wohler fühlt sich der bayerische Verfassungsschutz. Der war zwar von dem SPD-Justizminister Maas in seinem Wurstl-Gesetz nicht vorgesehen, aber bayerische Würste sind immer extra gewurstelt, wegen dem Terror sein Fratzl, wissensscho. Hach, es wird ein schönes neues Jahr werden. Ganz, ganz weit weg erscheint dieses 2014, wo eben jener Heiko Maas kurz vor Weihnachten die Vorratsdatenspeicherung ganz entschieden ablehnte. "Man kann mit uns nicht umgehen wie mit der FDP" , sagte Maas damals, was hinkommen dürfte, weil die FDP gegen die VDS klagen will. Derweil die erste Verfassungsschutzbeschwerde gegen die VDS diskutiert wird, weht er kräftig durch diese kleine Wochenschau, der berühmte Hauch der Geschichte. Er erinnert uns an den 14. Dezember 1995, als eine Justizministerin mit Tränen in den Augen zurücktrat. An Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wird man sich noch erinnern, wenn Maas längst vergessen ist.

*** Neidisch guckt der Innen-Bayer Joachim Herrmann nach Frankreich, diesem Musterland der Vorratsdatenspeicherung, wo alles noch viel schnieker ist und alle Dienste und Sondereinheiten in den Daten suchen können und abgenommene Pässe zentral verwahrt werden. Wo es mit dem "Fiche S" ein Zusatzspeicher-Zeichen für die Gefährder mit Zusatzklassifikationen S16 für den Anfangsterroristen bis S1 für den sprengbereiten Staatsfeind gibt. Brauchen wir nicht auch so etwas, so eine S-Karte für mehr Sicherheit? Zwar alles nicht sehr wirksam, um Terrorattacken zu verhindern, aber doch schwer nützlich, rund 20.000 Personen kurzfristig zu internieren oder unter Hausarrest zu stellen.

*** Ehe diese Kolumne als antibajuwarische Generalklatsche verstanden wird, sei darauf verwiesen, dass auch in Bayern gute Arbeit gemacht wird, besonders von der Polizei. Hier scheint es noch den Realismus zu geben, der in der Politik abhanden gekommen ist: "Ich persönlich will keine Zustände wie in George Orwells '1984'. Da habe ich als Polizist lieber eine Befugnis weniger, bevor ich in einem Überwachungsstaat lebe." Indes, in was für einem Staat wir leben, muss auch vermittelt werden. In eben diesem Bayern hat das Justizministerium eine Aufklärungsaktion gestartet, die Flüchtlingen den Rechtsstaat erklären soll. Wie wäre es mit einem nur unwesentlich veränderten Film in leichter Sprache, der Pegida-Anhängern erklärt, wie der Rechtsstaat funktioniert? "Für alle, die zu uns kommen, gelten unsere Gesetze. Und natürlich auch die ungeschriebenen – wie zum Beispiel die Kehrwoche." Nein, das ist nicht Bayern, das hat die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney am Mittwoch im Landtag gesagt.

*** In dieser Woche haben wir anlässlich der "endgültig fertigen" EU-Datenschutzreform lernen können, dass ein Internetjahr sich in Hundejahren umrechnen lässt und die Datenschutzreform deswegen eigentlich 70 Jahre alt sein wird, wenn sie irgendwann um 2018 herum tatsächlich greift. Statt Hurra, Hurra zu rufen oder wie Heiko Maas von einem "historischen Tag für den Datenschutz" zu schwafeln, müsste klar und deutlich gesagt werden, wie hoch der Preis für diese gründlich verwässerte Reform ist, den vor allem betriebliche Datenschützer bezahlen müssen - und alle überigen Bürger, wenn es mühsam weitergeht wie bisher:
"Es werden ihn aber vor allem alle europäischen Bürgerinnen und Bürger bezahlen, wenn wir nicht sofort beginnen, an der nächsten, technologienahen Edition der Datenschutzgrundverordnung zu arbeiten, statt – wie beim letzten Mal – zwanzig Jahre lang zu warten, bis endlich irgendetwas geschieht. "

*** Ffssssch! Die Macht ist erwachsen, Star Wars ist da, die Lichtschwerter zuzeln, ganz vortrefflich passend zum Fest der Liebe und all der Verwurschtereien, die in ein einziges großes Zuzeln mündet. Im verschneiten Wald (danke, Klimaschutzkonferenz!) kloppen sich Finn und Rey mit dem Urbösen mit dem verbeulten Masken-Tick. Schon der obligate widerständige Roboter BB-8 sieht wie eine fehlproduzierte Weihnachtskugel aus im puritanisch-protestantischen Weihnachtsmärchen. Ein Gottesdienst zu Star Wars ist das Mindeste, was in der innig gelebten Adventszeit gemacht werden sollte. Viel christliches Gedankengut ist drinne, bis hin zum Imperattiv, dass man nicht auf der Seite des Bösen stehen darf. Auch die Krippenszene verdient eine zeitgemäße Interpretation, mit Jedi-Rittern statt dieser Könige aus dem abgebrannten Morgenland. Im Übrigen ist diese Geschichte nicht mehr zeitgemäß, dass jeder Christ einem Flüchtling ein Dach über dem Kopf geben muss, und sei es ein Stalldach auf einem Wüstenplanet.

*** Die launigen Zeiten der Shitstorms sind vorbei, der Hass bricht durch, mitunter auch in den wunderbaren Heise-Foren zu spüren, wo es zwar hart hergeht am Baggersee, doch selten gehässig. Sollte es ein Gesetz geben, das Hasskommentare mit mehr als zwei Rechtschreibfehlern löscht, so wäre es effektiver als das, was ein runder Tisch da ausgehandelt hat. Das war wohl nichts. Die richtige Antwort auf all die Hass-Attacken ist ein fetziges Verpisst euch!, doch die Sache mit der Modernität unserer Zeit zu erklären, in der die Stammtische ins Internet gewandert sind, das greift zu kurz. Der Hass sitzt tief, sagt man und meint nicht die verzierenden Tätowierungen. "Ich bin überzeugt, man liebt sich nicht bloß in anderen, sondern hasst sich auch in anderen", bemerkte einst Georg Christoph Lichtenberg, ein Nerd, dem wir das schöne Wort vom "Furchtableiter" verdanken. Oh, Toleranz. Auch schon oft besungen.

Was wird.

Eigentlich ist Berlin die Hauptstadt der Bewegung derer, die gegen die totale Überwachung kämpfen. So behauptet es die aktuelle Berliner Wochenend-Ausgabe der tageszeitung , zwar nicht online und verlinkbar, dafür aber proppenvoll mit triefendem Lob für den Grünen-Netzpolitiker Konstantin von Netz, der Aktivistin Stephanie Hankey von Tactical tech und Crille, der Cryptoparties organisiert. Auch eine hübsch gruslige Beschreibung der c-base durfte da nicht fehlen.

In der anstehenden Woche wird Berlin durch Hamburg abgelöst, wenn sich die Gated Communities der vielen disparaten Hacker-Szenen im Chaos Congress Centrum treffen, das noch nicht wegen Renovierung geschlossen ist – so kann man sich irren. Kurz bevor mit 2016 wieder einmal das Jahr der Katzen anbricht, gibt es Katzencontent ohne Ende. Für Hacker und Häcksen gibt es Vorträge und Workshops, für Häcksen und Hacker das Rahmenprogramm mit Lynn Hershman Leeson, deren Hot-Link-Sammlung "Clicking In" (bzw. die CD "Clicking On") Bestandteil unseres Sommerrätsels war. Dort findet man auch diesen Trost und Ratschlag für bessere Zeiten:

"Invisibility – there are things we can't see now, that are there, that are embedded, that it really takes time in order to be able to see. There are many ghosts that are lurking around and lingering through us that takes the technology of another generation or so in order to uncover and show what those stains and strains and perceived flaws really we're building towards."

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Was war. Was wird. Vom Bezahlen und bezahlt werden.
« Antwort #604 am: 27 Dezember, 2015, 06:00 »
Es gibt viele Möglichkeiten, mit wem man die ruhigen Tage verbringen könnte. Dumpfbacken, Brandstifter (ob geistig oder real) und wehleidige Kleingeister gehören nicht dazu, da wäre Hal Faber die Gesellschaft eines Waldmenschen lieber.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Der Tag, vor dem der große Christ
zur Welt geboren worden ist
war hart und wüst und ohne Vernunft.
Seine Eltern, ohne Unterkunft
fürchteten sich vor seiner Geburt
die gegen Abend erwartet wurd.
Denn seine Geburt fiel in die kalte Zeit.
Aber sie verlief zur Zufriedenheit.
Der Stall, den sie doch noch gefunden hatten
war warm und mit Moos zwischen seinen Latten
und mit Kreide war auf die Tür gemalt
dass der Stall bewohnt war und bezahlt.

Mit Bertolt Brecht Weihnachten zu verbringen, ist das Schlechteste nicht in kriegerischer Zeit. Denn neben den vielen guten Wünschen ist es in dieser unserer Gesellschaft wichtig, dass bezahlt wird, was fremde Freunde brauchen, ob auf Amazon oder anderswo. Denn sonst ist es mit der einfachen Geste, mit der wunderbaren Gabe zur Gastfreundschaft schnell vorbei, nicht nur an Weihnachten. Der Weihnachtstext über das Geben in der Süddeutschen Zeitung ist gewissermaßen der Kontrapunkt zum überaus freundlichen, von keiner Kritik getrübten Loblied auf den genialen Jeff "Captain Future" Bezos in der Weihnachtsausgabe des zugehörigen Magazins. Der Mann, der nicht sonderlich unter Nadelstichen zu leiden hat und mit seinem Raketenprojekt bis zum Rand des Weltraums fliegen kann, musste in dieser Woche seinem Rivalen Elon Musk mit dem gelungenen Flug von SpaceX gratulieren und verschwendete dafür sogar ein Leerzeichen.

*** Achja, gratulieren können unsere treuen Forums-Leser besser, wie man an den Weihnachtsgrüßen von epic fail sehen kann:

"War doch schon oft so, dass alle Leute mächtig heiße Luft verbreiten, doch der heise-Forist, der Eine Welche, der Erlauchte, der RobinHood der Informationstechnologie, der Bill Gates im Trump-Universum, das A & das O der universellen Logik, der R2D2 unter uns analogen Einzellern, der Geschmacksneutrale, der Meister Proper unter den Punks, der Diego Maradona unter den Gotteshändern, der Weihnachtsmann, der an Ostern die Eier versteckt, der Hanuta unter den Duplos, der Raider unter uns Twix-Schokoriegeln, der Dreizehnte vom dreckigen Dutzend, das Handschuhfach im autonomen Fahrzeug von Geohot, der Schatz im Silbersee, DER weiß es besser."

*** So ist es. Eigentlich könnte die kleine Wochenschau mit dieser schönen Gewissheit aufhören, doch gibt es unschöne Zahlen zum Fremdenhass und über die Hasskommentare im Internet, die vom künftigen OSZE-Vorsitzenden Frank-Walter Steinmeier als geistige Brandstiftung angeprangert wurden. 850 Attacken auf Flüchtlingsunterkünfte, von den Schmierereien ganz zu schweigen, das ist ein Geben der anderen Art. Wie schrieb Bert Brecht in den Flüchtlingsgesprächen:

"Eine Zeit lang hat's ausgesehn, als ob die Welt bewohnbar werden könnte, ein Aufatmen ist durch die Menschen gegangen. Das Leben ist leichter geworden. Der Webstuhl, die Dampfmaschine, das Auto, das Flugzeug, die Chirurgie, die Elektrizitåt, das Radio, das Pyramidon kam und der Mensch konnte fauler, feiger, wehleidiger, genusssüchtiger, kurz glücklicher sein. Die ganze Maschinerie diente dazu, dass jeder alles tun können sollte. Man rechnete mit ganz gewöhnlichen Leuten in Mittelgröße. Was ist aus dieser hoffnungsvollen Entwicklung geworden? "

*** Statt mittelgroßen Menschen haben wir wehleidige Kleingeister in einem Deutschland, in dem die, die nicht fliehen konnten, besonders laut gegen Flüchtlinge hetzen. Dazu kommen "Wirtschaftsbosse", die von Brandbeschleunigern reden und damit die Wirkung von "Flüchtlingsströmen" meinen. Natürlich darf dabei die Klage zum weichen Euro nicht fehlen, ebenso die düstere Zukunftsprognose vom kommenden Schicksalsjahr und zur Zukunft von VW. Wobei dieser Konzern ein Auslaufmodell ist, wie Tesla nach seinem OTA-Update zeigt, komplett mit rauflustiger Stimmung im Heise-Forum. Dabei findet der hinter dem Getue um Big Data liegende Trend nur wenig Beachtung: Mittelgroße Manager werden im großen Stil entlassen und durch IT-Systeme ersetzt, die fortlaufend Daten optimieren und unkündbar sind. Die ganze Daten-Maschinerie wird die ganze Maschinerie stellen, bis die Blase platzt, wieder einmal.

Was wird.

"@leitmedium kommst du zum #30c3?", mit diesem harmlosen Tweet begann eine Geschichte, die es in sich hat. Weil er nicht antwortete, wurde ein Netizen und seine Familie erbarmungslos verfolgt, von einem Hacker, der in seinen Taten nichts weiter Schlimmes sah. Nur ein bisschen Sicherheit testen, wollte das Mitglied des Chaos Computer Clubs, der c-Base und anderer Netzszenen. "Ein Spiel von Computerfreaks, sach ich mal", so sah er die Sache, ein Spiel, dass für den "Gegenspieler" acht Monate Angst bedeutete, für seine Frau das schwerste Jahr ihres Lebens. In ein paar Jahren werden ihre Kinder drüber schreiben, was sie vom Stalking mitbekommen haben, denn die Schrift stirbt nicht aus. Kurz nachdem diese kleine Wochenschau online geht, beginnt in Hamburg der 32C3, wo "Ethics, Society & Politics" von der Failosophy und dem Entertainment eingerahmt ist. Die Frage einer zeitgemäßen Hacker-Ethik, die Menschen wie den stalkenden Hacker erreichen kann, steht wieder einmal im Raum beim Spiel von Computerfreaks, die eine Abschussliste witzig finden. "Es gilt also Regeln zu finden, die zwischen Anspruch und Wirklichkeit vermitteln. Regeln oder besser Leitlinien, die für jedermann einsichtig sind und ganz selbstverständlich befolgt werden." Das wurde im Jahr 1988 in Hamburg geschrieben und ist mit einigen Nachschlägen auch im Jahr 2016 aktuell.

Am Rande des Hacker-Kongresses wird Im Rausch der Daten aufgeführt, jener Film über die große EU-Datenschutzreform des Jahres 2015, der uns erzählt, wie die europäische Politik tickt und von Lobbyverbänden getickt wird. Dass im Namen des Datenschutzes Informationsverhinderung betrieben wird, wird das große Thema im Wahl-Jahr 2016 sein, nicht nur in Baden-Württemberg. Dabei muss man nicht einmal die ganz große Keule der Geschichtsfälschung schwingen, das kleine, rund 40.000 Euro teure Knüppelchen tut's auch, mit dem Abgeordnetenwatch behindert wurde. Die offengelegte Lobbyisten-Liste verdiente sich zur Weihnachtszeit ein ganz besonderes Schmankerl, weil die Bundestagsverwaltung nicht mehr im Jahre 2016 die Gerichte bemühen will. Wie anders tönte man doch ganz am Anfang dieses nun abtretenden Jahres, als von dem Schutz der Persönlichkeit geschwafelt wurde, von Sozis wie von den "Christlichen". Womit der Lobbyismus nicht verschwunden ist, der sogar außerparlamentarisch funktioniert, wenn die Piratenpartei "die eine oder andere Telefonnummer von fähigen Sicherheitsexperten aus dem Umfeld des CCC, des AK Vorrat, von Digitalcourage oder der FSFE" herausgeben will.

2016? Aber Hallo, ganz so weit ist es noch nicht. Das traditionelle Jahresend-WWWW mit all den Statistiken, Rück- und Ausblicken steht noch an, ehe am Rande der norddeutschen Tiefebene nach den Boole-Feiern und dem Ada-Geburtstag ihr binär rechnender Urahn an der Reihe ist und der ganz große Leibniz-Rummel losgehen kann: "Während Gott rechnet und denkt, ereignet sich die Welt."

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Ein Buch! Ein Buch! Ein Königreich für ein Buch. Oder so ähnlich, oder wie? Hal Faber fällt wie allen anderen auch aller Anfang schwer. Aber das macht nichts. Es sind auch nicht alle Bücher wirklich von Wert, auch wenn sie bedeutungsvoll sein mögen.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "In omnibus requiem quaesivi, et nusquam inveni nisi in angulo cum libro", schrieb Thomas von Kempen, wie man bei Umberto Eco nachlesen kann. Nirgendwo habe ich Ruhe gefunden, nur in der Ecke mit einem Buch. Bei all den Dingen, die in der IT-Branche so abgehen, sind gute Bücher ein wichtiger Ausgleich. Zumal dann, wenn man sie umstandslos auf ein iPad oder ein Tablet packen kann, am besten ohne DRM als gemeinfreie Artefakte. Also, dann wollen wir mal: Eine etwas andere Wochenschau zum Jahresanfang.

*** Ja, aller Anfang ist schwer. Das kommt davon, dass man Anfänger ist oder Anfängerin. Anne Frank war so eine, als sie im Juni 1942 Het Achterhuis begann. Bekanntlich konnte sie ihre Aufzeichnungen nur bis zum 1. August 1944 fortführen, da wurde sie von begeisterten Lesern des Buches "Mein Kampf" zu einer Landpartie mitgenommen, die in Bergen-Belsen 1945 endete. So kam es, dass ihr Vater Otto Frank Hand an die Aufzeichnungen legte und alle Abschnitte entfernte, in denen Anne Frank sich beispielsweise mit ihrer Sexualität beschäftigte. Das von ihm erstellte Kompilat gehört heute zum Weltdokumentenerbe. Nun liegt nicht nur die Böllerei und Feierei des Unglücksjahres 2015 hinter uns, sondern auch Neujahr, der Internationale Tage der Gemeinfreiheit. An ihm werden die großartigen künstlerischen Leistungen der Personen gemeinfrei, die vor 70 jahren gestorben sind. Dazu gehört die wundervolle Tiergeschichte "Bambi. Eine Lebensgeschichte aus dem Walde" und die "Meine 365 Liebhaber" einer gewissen Josephine Mutzenbacher, geschrieben von Felix Salten – zumindest in Europa, denn in den USA sind sie das Eigentum anderer. So können wir das hemmungslos genießen, was der große Kybernetiker Oswald Wiener einen Roman von Weltrang genannt hat.

*** Für Anne Frank gibt es keine Gemeinfreiheit. Der schweizerische Anne Frank Fond sieht das Redigier-Werk seines 1980 gestorbenen Gründers in Gefahr und konnte sich mit seiner Auffassung vor einem niederländischen Gericht durchsetzen. Zwar gibt es weiterhin Widerstand gegen die Entscheidung, etwa von der niederländischen Anne Frank-Stiftung oder vom Blogger Olivier Ertzscheid, doch was zählt, ist der Sieg der Anwälte. Frühestens 2036 oder 2050 wird Annes Weltdokumentenerbe gemeinfrei. Bemerkenswert: Nach dem Willen der Anwälte soll der Blogger nicht nur die Veröffentlichung des Tagebuches zurückziehen, sondern alle Medien von der Löschung informieren, seine Reue aussprechen und seine Schande bekennen sowie den Anwälten eine Liste aller kontaktierten Medien übermitteln, damit die Reue gerichtsfest dokumentiert ist. Das gesamte Verfahren erinnert an Thomas Morus' "Utopia" von 1516. In seinem utopischen Land gibt es keine Anwälte, denn würde es sie geben, wäre jeder Frieden dahin.

*** In Deutschland ist Mein Kampf von Adolf Hitler gemeinfrei geworden, eine kommentierte wissenschaftliche Ausgabe mit der Erstauflage von 4000 Stück bereits ausverkauft. Hitler starb 1945. Zu seinen Lebzeiten wurden mehr als 12 Millonen Exemplare verkauft und sehr wohl auf breiter Flur gelesen, obwohl das später geleugnet wurde. Da machten Deutschlands Bürger ganz besorgt auf ahnungslos und machten das "Tagebuch der Anne Frank" zum meistverkauften Taschenbuch der 50er jahre. Hitlers böses Buch wird landauf, landab besprochen, ganz besorgt fragt etwa die tageszeitung ihre Leser, ob dieses Buch noch gefährlich ist. Dazu gibt es das berühmte Bild von Sergant Arthur E. Peters, wie er in Hitlers Münchener Wohnung auf dem Bett liegend im Buch schmökert und den Inhalt durchtelefoniert. Mein Kampf kommt auch ins Theater, wo der türkische Musiker Volkan Türeli aus dem Buch liest, das jeder seine Freunde dort besessen hat. In der Türkei gilt mein Kampf als weit verbreitete Lektüre, als Teil der Weltgeschichte, heißt es in der Berlin-Ausgabe der tageszeitung an diesem Wochenende. Dort wird der Wirbel um Erdogan nicht verstanden. War ja nur gut gemeint.

*** Mein Kampf gibt es auch als Dokumentarfilm, der auf Youtube in 12 Teilen gesehen werden kann. Der Regisseur Erwin Leiser hatte sich mit den Folgen des Hitler-Buches beschäftigt und den im Buch deutlich lesbaren Judenhass von Hitler dokumentiert, überwiegend mit nationalsozialistischer Propaganda, die er in DDR-Archiven gefunden hat. Die Kollegen von Leni Riefenstahl hatten 1942 im Warschauer Ghetto einen "Informationsfilm über den Juden" gedreht. Ihre Bilder wurden auf Geheiß des Propaganda-Ministeriums unter Verschluss gehalten, da sie das Elend der Juden "zu krass" darstellten. Unter dem Tarntitel "Richthofen, der rote Baron" verschwand der Film in den Archiven, bis Erwin Leiser ihn fand und mit NS-Aufmärschen zusammenschnitt. Die Filmkritik bemäkelte damals den problematischen Umgang mit Archivmaterial, wir würden heute von einem gelungenen Remix sprechen.

*** Wird Hitlers Gefängnisschrift den deutschen besorgten Bürgern Munition zur Hand geben wie diese Böller, mit denen sie zum Jahreswechsel vor Flüchtlingsheimen auftauchten? Man wird sehen, doch in den bornierten Pegida-Köpfen bräunt es längst dank anderer Lektüre. Der freigestellte Geschichtslehrer Björn Höcke hat in einer Rede über das Fortpflanzungsverhalten von Europäern und Afrikanern seine Argumente eindeutig vom "wissenschaftlichen Rassismus" des Philippe Rushton abgeschrieben. Rushton machte mit seiner r/K-Theorie im rechten Umfeld der Eugeniker Karriere. Die überlegene Rasse sind bei ihm die Asiaten, gefolgt von den Kaukasiern und den Schwarzen. Der Islam war für Rushton keine Religion, sondern ein besonderer genetischer Defekt, der besonders aggressive Personen bzw. Araber erzeugt, die vernünftigen Argumenten nicht zugänglich sind.

*** Vernünftige Argumente sind nicht die Sache von Helmut Roewer a.k.a. Stephan Seeberg, den Theoretiker des völkischen Umsturzes. Er ist die leibgewordene Verköperung meines Dauerargumentes, dass der Verfassungsschutz aufgelöst werden muss. Mutige Menschen, die gegen einen nationaldeutsch witzelnden Bachmann stehen, sind ein Konglomerat von Taugenichtsen und Schwätzern. Wo Adolf Hitler vom Erzfeind Frankreich schrieb, steht ihm Helmut Roewer nicht nach. Der erste Weltkrieg ist das Resultat einer russisch-französischen Verschwörung. Na, so ein Zufall.

Was wird.

Doch raus aus den Büchern, hinein ins "richtige" Leben! Frischauf ins neue Jahr 2016, allein die Themen klingen altbacken und fad. Etwa dann, wenn sich der Großauftrieb von Politikern und Wirtschaftsführern auf dem Weltwirtschaforum zu Davos mit der 4. industriellen Revolution, bei uns auch Industrie 4.0 genannt, beschäftigt. Etwas knapper geht es kurz davor bei der DLD-Konferenz in München zu, wo der zu Recht vergessene Hausphilosoph von Google, Luciano Floridi, mit dem Philosophen des Internet-Kolonialismus, Peter Sloterdijk, über die 4. Revolution unterhalten wird. Als Moderator wünschen wir uns mal WhatsApp-Gründer Jan Koum, der ebenfalls auf Burdas Digitalsimulation auftreten will. Wegen der vorbildlichen Nutzlosigkeit.

Nun, da das neue Jahr endlich angefangen hat, gibt es mal keine Musik zum Start ins Wochenende, die mein Redakteur sonst empfiehlt, den ich ja nur Samstagnachts, aus meinem schwarzen Hubschrauber kletternd, auf dem Heise-Parkplatz treffe. Zum Start ins Jahr gehen wir vielmehr in die Geschichte zurück und hören uns den wunderbaren, großartigen Oscar Pettiford an. Es ist nicht nur sein Bass-Solo bei der von Coleman Hawkins aufgenommen, besten jemals gespielten Version von "The Man I Love". Es ist auch ein Auftritt wie 1958 "mit Freunden" (zu denen unter anderem auch Attila Zoller gehörte), den er in Hamburg spielte. Ach, wäre das Leben nur immer so relaxed, swingend und spannend wie diese Musik. Hoffen wir das Beste für 2016.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #606 am: 10 Januar, 2016, 08:29 »
Straftaten? Straftaten! Auch Hal Faber muss sich dem stellen, und meint nicht die Benutzung von Comic Sans. Auch nicht die Musik, die manche Leute in vergangenen Tagen zu Gehör brachten, selbst wenn manches davon wie ein Verbrechen erscheint.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Gutes tun, Gutes tun
Gutes tun ist gar nicht schwer
Man kann soviel Gutes tun
Zuhause und im Kreisverkehr:

Bewusster atmen
Gesunde Sachen essen
Mit Nazis diskutieren
Die Mutter nicht vergessen
Auch einmal fremden Hundekot entfernen
Den Islam näher kennenlernen

Gutes tun, Gutes tun
Gutes tun ist gar nicht schwer
Man kann soviel Gutes tun

Zuhause und im Kreisverkehr. (Funny van Dannen)

*** Aahhh, tut das gut, diese vollständige Offenlegung in bester okzidentaler Tradition: Diese von keiner Hard- oder Softwarefirma gesponsorte Wochenschau wird von einem männlichen mehrheimischen Deutschen ohne Migrationshintergrund mit Gedit unter Ubuntu geschrieben. Dabei werden die Richtlinien des Presserates beachtet, ehe diese Wochenschau vom Rande der norddeutschen Tiefebene epizoisch wird. Da heißt es über unsere ausländischen Bürger (Mitbürger ist ja schlimmstes Othering):
"In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht."

*** Nun geht es in dieser Wochenschau selten um die Berichterstattung über Straftaten, sieht man einmal von der Benutzung von Comic Sans ab. Aber in Köln agierten rund um den Bahnhof Banden junger Männer wie auf dem Tahrir-Platz in Kairo zur Hochzeit des arabischen Frühlings. Dazu gibt es eine Statistik, die die Bundespolizei veröffentlicht hat über 32 Straftaten mit 31 namentlich bekannten Verdächtigen, aufgeschlüsselt nach Herkunftsländern:
"Unter den 31 bekannten Verdächtigen der übrigen Delikte seien neun algerische, acht marokkanische, fünf iranische, vier syrische, ein irakischer, ein serbischer, ein US-amerikanischer und zwei deutsche Staatsangehörige. 18 von ihnen seien Asylbewerber."

*** Huiwusch, da ist sie hin, die Freundlichkeit gegenüber den Allothigen und anstelle einer Debatte über die Gewalt gegen Frauen oder den allgegenwärtigen Alkoholkonsum bekommen wir dummes Zeug zu hören wie die Forderung nach einer Ausweitung der Videoüberwachung, die in Köln mit 350 Stunden Videomaterial zu Buche schlug oder dem Einsatz von intelligenter Videotechnik und Bodycams bei der Polizei. Auch die Geschichten vom dauernotgeilen Orientalen mit seiner Allogamie dürfen nicht fehlen, denn die Sehnsucht nach einfachen Erklärungen ist groß, egal wie groß der Unsinn ist. Ich weiß zwar nichts, aber das habe ich schon immer gesagt und wenn etwas wiederholt wird, dann ist es der Unsinn vom Schweigekartell der Medien. Worauf selbige reagieren und ihre Leser per E-Mail anschreiben, um gleich einmal die Kanzlerin (Regierungskrise? Umsturz?) ins Spiel zu bringen, wie das die Süddeutsche Zeitung in ihrer Entschuldigung schafft:
"Nein, es hat damit zu tun, dass bislang nicht feststeht, wer diese Straftaten begangen hat (Asylbewerber? Kriminelle, schon länger in Deutschland agierende Banden? Andere Ausländer? Ausländisch aussehende Deutsche?) und dass es bis jetzt keine Beweise dafür gibt, dass wirklich Flüchtlinge die Täter waren. Deshalb steht auch nicht fest, dass die Kanzlerin an der Gewalt von Köln auf jeden Fall mit schuld ist."

*** Ob diese Mitschuld der Kanzlerin auf jeden Fall einmal fest stehen wird oder ob hier nur jemand mit der Sprache drechselnd umgegangen ist wie die Deutschen mit den Polen, wird sich zeigen müssen. Viel wäre schon geholfen, wenn man zwischen Polizeiberichten und persönlichen Berichten von Polizisten a.k.a. "Einsatzerfahrungsberichten" unterscheiden kann, in dem schon mal der elektronische Aufenthaltstitel (eAT), das Pendant zu unserem Ausweis-Plastikkärtchen so zerrissen wird, wie das Felix Graf von Luckner mit den Telefonbüchern machte.

*** Oohhh, oohhh, ich muss noch mal Disklamieren: In der Regel wird diese Wochenschau auf einem Thinkpad geschrieben, welches ein gar wundervolles Maschinchen ist mit all seinen Sicherheitseinstellungen im BIOS, der brauchbaren Tastatur und dem kleinen roten Rubbelknopf für die Mausbändigung. Umso trauriger ist die verspätet eintreffende Nachricht, dass der deutsche Thinkpad-Designer Richard Sapper verstorben ist, der 1986 mit dem IBM Convertible 5140 auch den ersten Laptop von Big Blue entwarf. Ja, vor 30 Jahren war die Welt noch in Ordnung, ganz besonders die der Hacker, die ihr romantisches Hacker-Manifest veröffentlichten.
"Das ist nun unsere Welt .... die Welt der Elektronen und der Verteiler, die Schönheit des Baud. Wir nutzen einen bestehenden Dienst, ohne zu zahlen, der saubillig sein könnte, wenn er nicht von profitgeilen Nimmersatts angeboten werden würde und ihr nennt uns Kriminelle. Wir erforschen ... und ihr nennt uns Kriminelle. Wir suchen das Wissen ... und ihr nennt uns Kriminelle."

*** Heute sind Hacker am liebsten Nerds, die immun gegen jede Zweifel im Wahr/Falsch-Modus arbeiten und in diesem schon einmal als Stalker auftreten können. Wer ihren Jargon beherrscht, kann ihren Trachtenjanker-Hoodie anziehen und eine wunderbare Zeit auf dem Kongress haben. Die anderen sind eh auf der CES gewesen, die in dieser Woche den Newsticker zudröhnte. Denn dort galt: Die Angst vorm schlauen Trockner ist die Angst vor Manipulationen dieser Geräte durch schlaue Hacker. "Wir erforschen einen Kühlschrank ... und ihr nennt uns Kriminelle."

Was wird.

Alles wird gut, das ist ein Satz, der nach dem Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik für die Guten und die Bösen gleichermaßen gilt. Nach all den Querelen und Kabalen um die Selektoren ist es doch eine erbauliche Nachricht, dass die NSA und der BND in Bad Aibling wieder zusammenarbeiten bei der Überwachung des "islamischen Krisenbogens". Die Selektoren phagozytieren die Nachrichten, als hätte es nie eine Verstimmung gegeben. 4,5 Millionen Selektoren für unser alle Sicherheit und das Beste daran: "Seit einigen Monaten nun reichen die Amerikaner die geforderten Begründungen für jeden einzelnen Suchbegriff ein." Das ist gelebte transatlantische Transparenz! Man denke nur an die Synergieeffekte bei der Knete, wenn geldgierige Informanten bezahlt werden können und nicht mal eben so ein ganzer Hauptbahnhof dicht gemacht werden muss wegen explosiver Deter-Minierer.

Gut und güter wird es auch beim Bundeskriminalamt mit seinen angeschlossenen Landeskriminalämtern, diesen hoch spezialisierten Service-Dienstleistern und Cybercrime-Literaturwissenschaftlern. Dem Vernehmen nach wird dort die gesamte Mail-Kommunikation mit Julia Mailoffice auf PGP umgestellt, komplett mit eigener PKI. Charlotte Lindholm und ihre KollegInnen sind dank Thunderbird und Enigmail auch im Außendienst verschlüsselt angeschlossen. Das sind ja die Guten. Die Bösen nehmen die PGP-Varianten Asrar al-Mujahedeen oder Amn al-Mujahid. Und der Rest? Der will ja nicht kriminell werden, da sei die neue Mainzer Erklärung der CDU vor.
"Wir haben die Speicherfristen für Verbindungsdaten (sogenannte 'Vorratsdatenspeicherung') eingeführt und sorgen damit für wirkungsvollere Strafverfolgung. Künftig sollen diese Daten auch Verfassungsschutzbehörden nutzen können. Wir setzen uns mit Nachdruck für die wirksame Überwachung auch verschlüsselter Kommunikation (sogenannte 'Quellen-TKÜ') ein und wollen den Verfassungsschutzbehörden die Befugnis zur 'Online-Durchsuchung' zur Vorbeugung vor terroristischen Aktivitäten geben."

Ich sagte es doch: Alles wird gut, der Überwachungsstaat wird ausgebaut. Wer von den korpuskulären Sozialdemokraten Protest erwartet, glaubt auch an Kleine-Dosen-Heilverfahren. Oder wahlweise an die neun Ringe der Macht von Privategrity, "den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen", gegeben. Neun unkorrumpierbare Admins, die gemeinsam eine Backdoor öffnen können, das gehört mehr in die Welt von Tokien als in unsere, in der sich die Gewissensfrage stellt: Baez oder Bowie? Aber eigentlich ist das keine Frage. Ich jedenfalls möchte das nie wieder hören, Musik im Stile von Baez' Sacco-und-Vanzetti-Song, des schlimmsten Stücks gutgemeinten und gerade deswegen unerträglichen Pops, das ich je erlebt habe, und das gut als Hintergrundbeschallung in unsägliche grüne Mittelschicht-Restaurants mit Nobel-Ambiente und entsetzlich überschätzter Küche passt. Also: Hoch lebe Bowie!

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Was war. Was wird. Von den Zigeunern am Rande des Universums
« Antwort #607 am: 17 Januar, 2016, 08:57 »
Ach ja, die deutsche Sprache. Manche lassen sich durch sie dazu verrenken, von einer "thymotischen Unterversorgung" zu schwafeln. Derweil singt im Apple Store leise aus den Boxen David Bowie, den Hal Faber vor einer Woche noch hochleben ließ.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

"Der Mensch muss endlich aus seinem tausendjährigen Traum erwachen und seine totale Verlassenheit erkennen. Er weiß nun, dass er seinen Platz wie ein Zigeuner am Rande des Universums hat, das für seine Musik taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen. Leiden oder Verbrechen." (Jacques Monod über den Zufall)

*** Ja, draußen knallt es ganz enorm, zur Verblüffung der Forscher, doch das Zufallsprodukt Mensch hält dagegen, mit der Musik von David Bowie. Der hat sich von der Bodenkontrolle mit "Blackstar" verabschiedet und uns gezeigt, was Sterben in Würde bedeutet, mit allem Respekt vor der Privatsphäre. Die vorige Ausgabe dieser Wochenschau endete mit einem Gruß an Bowie und einem "Hoch lebe er", als wenige Stunden später sein Tod bekannt gegeben wurde. Skandalöserweise drehte sich die Erde weiter und dem Universum war es schnurzegal, was diese Zigeuner da trieben. Was bleibt, ist die Musik und der steigende Aktienkurs.

"Selbst im Apple Store kommt leise aus den Boxen Bowie. Das merken die unterbelichteten Apple-Millenials natürlich nicht, die dort ihren Technikkäse in die Ohren ihrer Kundschaft faseln. Und Bowie singt: 'I'm so high it makes may brain whirl, I dropped my cell phone down below.'"

So steht es, geschützt durch die Waberlohe, in der Süddeutschen Zeitung in einem Bericht, der da schildert, wie gestandene Väter ihre Kinder am Montag in der Kita abgaben und dann zusammenbrachen, "Fuck!! Shit!!" Dazu hören wir Bowie: Look up here, I'm in heaven, lesen Bowie-Geschichten und betrachten Bowie-GIFs und erinnern uns an die Zeit, als es richtig aufregend war, das Bowienet zu erkunden. Für David Bowie war es die Erfahrung des Kontrollverlustes:

"And I have no control over that at all. The lot on Bowienet are quite funny and sarcastic – they're not, like, goths, all serious and heavy. They do a lot of sending-up, referencing The Laughing Gnome and that, which I like. Am I OK with that? Oh God yeah! I had to get over that a long time ago. But then, as we all know, history is revisionism. One makes one's own history." (David Bowie)

*** Ja, der Revisionismus regiert. Die Menschen, diese Zigeuner am Rande des Universums machen ihre eigene Geschichte. Und sie machen ihre Geschichten ganz alleine, aus freien Stücken, bis der letzte Zufall kommt. Mitunter sind es sehr deutsche Geschichten, mit ganz eigenartiger Musik. Während #Bowie Trend bei Twitter in den USA und Großbritannien war, rangierte #ausnahmslos bei uns auf dem ersten Platz, mit einem Aufruf zu Sprech- und Denkverboten mit 14 Regeln und drei FüßInnennoten, der es in sich hat. Selberdenkende aller möglicher Geschlechter werden von diesem Aufruf allseitig angetanzt. Viele Forderungen sind richtig, aber in einer Sprache von Alpha-Frauen vorgetragen, die nicht auf Verständigung aus ist, sondern ihre Herkunft aus Unversitätsseminaren nicht leugnen kann: "Wir alle sind von struktureller Diskriminierung geprägt und müssen erlernte Vorurteile erst einmal reflektieren, um sie abzulegen." Viel fehlt nicht, um einen "nationalen Pakt für Reflektion" auszurufen, mit Pflichtkursen an der nächsten Volkshochschule oder im massiv offenen Online-Kurs und einer Ablegeprüfung im Fach "gendersensible Neuprägung". So ist es nur traurig, wie die notwendige Debatte über Köln abgleitet ins Allgemeine und den Kurzgeschlossenen Auftrieb gibt, die umstandslos den Skandal von Rotherham mit 1400 Kindern und Köln zusammendenken. So tönt es von der Militärakademie für NATO-Stabsoffiziere ebenso eisig wie beflissen in der Neuen Zürcher Zeitung:

"Nach dem Fiasko der grossen Rassereinheit im Dritten Reich darf der Traum multikultureller Vermischung bei Verdacht auf alles Eigene nicht auch noch zuschanden gehen. Deshalb kommt es am Kölner Bahnhof am 31. Dezember 2015 zu einer direkten Wiederholung von Rotherham im Schnelldurchgang."

*** Ach ja, die deutsche Sprache. Als in dieser Wochenschau im Sommer 2014 Gedanken zum Gutmenschen erschienen, gab es viele Reaktionen, die auch in der darauf folgenden Wochenschau zitiert wurden. Nun ist der Gutmensch zum Unwort des jahres gewählt worden, vor "Hausaufgaben" und "Verschwulung". Die Wahl kommt mit einem schönen Nebeneffekt, nämlich der vollständigen Veröffentlichung des Artikels von Karl-Heinz Bohrer aus dem Jahre 1992, in dem fremdredigiert der neuzeitliche Gutmensch das Licht der Welt erblickte. Schon damals ging es um die Asylfrage und die rechtslastig verkrampften Vorstellungen von deutscher Nationalität, die sich an ethnischen Kriterien ausrichtete statt an kulturellen. Nachzulesen ist auch, wie Bomber Harris durch die Geschichte spukte, und der erste Golfkrieg gerechtfertigt wurde:

"Sie enthielt natürlich den Gedanken, dass die angelsächsischen Bomberkommandos im Falle des Zweiten Weltkriegs keineswegs eine schuldlose Zivilbevölkerung als Opfer trafen, daß der Krieg der Alliierten gegen Nazideutschland keineswegs unmoralisch war, dass sie sich nichtsdestotrotz schmutzige Hände machten. Dass 'sich schmutzige Hände machen' also nicht notwendigerweise politisch und moralisch verwerflich sei, sondern umgekehrt manchmal notwendig. Zum Beispiel im Golfkrieg."

*** Worüber schon Karl-Heinz Bohrer rätselte, ist die Tatsache, dass sich nur in Deutschland eine solche Schaumsprache entwickeln konnte, in der Worte wie "Querdenker" akzeptiert wurden, in der man "verkrustete Strukturen aufbrechen" will oder eben über die "von struktureller Diskriminierung geprägte Privilegierung" schwafelt und "Denkanstöße" geben will. Es bleibt weiterhin ein Rätsel, das seit 1992 seiner Lösung harrt. Der Fortschritt seit damals hat immerhin für die Erkenntnis gesorgt, dass die Schaumsprache kein Privileg der Grünen und/oder Linken ist. Es sei nur an die thymotische Unterversorgung gedacht, von der der AfD-Philosoph schwafelt, der die "Seelenfakultäten" der Deutschen analysiert. Thymotisch soll Mut, Zorn und Empörung zugleich umfassen, wie früher die maßlos gekränkte Gutmenschenseele "wütend und traurig zugleich" war. Wie heißt es dazu im Wörterbuch des Gutmenschen, was bestens zur heutigen AfD und ihren Pegidioten passt? "Er kann nicht anders als beleidigt auf die Erfahrung der bloßen Unabhängigkeit einer anderen Meinung reagieren." Genau.

Was wird.

"Monsieur Newton und seine Anhänger haben von Gottes Werk eine recht merkwürdige Meinung. Ihrer Meinung nach ist Gott gezwungen, seine Uhr von Zeit zu Zeit aufzuziehen, andernfalls würde sie stehenbleiben. Er besaß nicht genügend Einsicht, um ihr eine immerwährende Bewegung zu verleihen. Gottes Maschine ist ihrer Meinung nach sogar so unvollkommen, dass er gezwungen ist, sie von Zeit zu Zeit durch einen außergewöhnlichen Eingriff zu reinigen und sogar zu reparieren, so wie ein Uhrmacher sein Werk repariert, der ja ein um so ungeschickterer Handwerker ist, je öfter er gezwungen ist, sein Werk in Ordnung zu bringen und zu reparieren." (Gottfried Wilhelm Leibniz an Samuel Clarke)

Am kommenden Dienstag beginnt der Reigen der Feierlichkeiten im Leibniz-Jahr 2016, passenderweise mit einem Hannoveraner Vortrag über die Sprache der Tiere. Inzwischen wissen wir, dass Tiere dank Smartphone und Tablet im modernen Diskurs mithalten können, jedenfalls solange kein Windows 10-Update ansteht. So liegt es nahe, aus dem vom hannöversch-britischen Königshaus provozierten Briefwechsel zwischen Leibniz und Clarke zu zitieren, welcher Newton verteidigte. Dieser hatte damals ausgerechnet, dass Jupiter und Saturn kollidieren könnten und damit das ganze göttliche Uhrwerk des Universums eine Macke hatte, die den Menschen bedroht. Der von Leibniz verhöhnte Gedanke an einen reparierenden Gott wurde Jahre später mit Hilfe der Himmelsmechanik von Laplace mathematisch entschärft, freilich mit einem anderen Ausgang. Als Laplace seine Berechnungen vor Napoleon demonstrierte, fragte ihn dieser, was denn Gott in seinem System mache. "Citoyen premier Consul, je n’ai pas eu besoin de cette hypothèse." Der olle Uhrmacher wird nicht mehr benötigt.

Was bleibt, sind die Menschen, die Zigeuner am Rande des Universums. Da singen sie Bowies Lieder oder die von Peter Gabriel. Glaubt man Gabriel, kommt nach den 3D-Druckern mit den Gehirnscannern eine neue, wunderbare Zeit auf die Menschen zu, wenn sich die Grenzen zwischen der Vorstellung und der Realität vollständig auflösen. Wenn der Architekt an Roboter angestöpselt wird, die seine Überlegungen ausdrucken und noch am selben Tag zusammenbauen können, tritt der allseits entfaltete Mensch auf und baut BER zu Ende.

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Was war. Was wird. Von Einsamkeit, Gebrüll und Meinungsführerschaften.
« Antwort #608 am: 24 Januar, 2016, 01:52 »
Es ist hoffnungslos. Oder doch nicht? Dabei sind es nicht nur prominente Internet-Versteher, die verzweifelt nach der Vernunft im Internet schreien. Hal Faber aber fürchtet die Meinungsführerschaft der "hermetischen Teilöffentlichkeiten".

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Der Deutsche ist ein guter Mann:
Er hält die Frau in Ehren.
Er zündet Flüchtlingsheime an
Und gründet Bürgerwehren.

Dieses bitterböse Gedicht vom ehemaligen Titanic-Journalisten Thomas Gsella brachte ihm eine Facebook-Sperre ein, weil besorgte Bürger sich bei Facebook beschwerten. Am rechten Rand ist man erstens empfindlich und zweitens allergisch gegen Satire. Das Facebook dem nachgibt und gleichzeitig eine "Initiative für Zivilcourage Online" bekannt gibt, ist ein schönes Beispiel für die Symbolpolitik gegen Hatespeech. Die Beschwerde selbst entstammt der ach so beliebten Praxis des Nicht-Nachdenkens, [i"]eine Art Rasterfahndung für Laien, die nach ideologischen Alarmbegriffen und Merkmalen sucht, durch die sich potenzielle Gegner und Feinde schnellstmöglich erkennen (oder selbsttätig konstruieren) lassen."[/i]

*** Ihr liebt den Haß und wollt die Welt dran messen.
Ihr werft dem Tier im Menschen Futter hin,
damit es wächst, das Tier tief in euch drin!
Das Tier im Menschen soll den Menschen fressen.

Andere Zeiten, anderer Dichter? Das Jahr ist noch jung, unschuldig ist es nicht mehr: 63 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte, davon 14 Brandanschläge sind ein deutliches Indiz für den grassierenden Fremdenhass. Auch die Antanz-Angriffe, teilweise gekoppelt mit Sexualdelikten, sollen erwähnt werden, wenn es um die Ozeane mit verexkrementierten Gedanken geht, die heute wieder einmal deutsche Köpfe umspülen. Die "guten Täter" des dritten Reiches haben ihre Nachfolger gefunden, die ihren Hass nicht nur in den "Kommentarspalten im Internet" ausleben. "Auf der Straße führen sie sich wie Gekränkte auf, denen es eine kleinliche Polizei, verbiesterte GegendemonstrantInnen oder politisch viel zu korrekte Medienpartner erschweren, sich so offen und frei für ihren Führer auszusprechen, wie sie es möchten." Aber in den Kommentarspalten laufen sie zu ungeahnter Form auf, sodass selbst die optimistischsten Internet-Versteher kurz vor der Verzweiflung sind: "Lasst uns nicht allein mit den stumpfen Horden. Kommt! Wir halten nicht mehr lange durch im digitalen Stalingrad der Vollidiotie." Und wenn wir doch allein bleiben? Ist dann nicht das Toben der stumpfen Horden das moderne Abbild dessen, zu was die Mobilisierung gegen die Weimarer Republik bedeutete und zu was sie letztendlich führte?`Auch das wird in den Kommentarspalten des Internet befürchtet, dieses Mal von gar nicht stumpfen Kommentatoren. So sind dann die hermetische Teilöffentlichkeiten nur die Mosaiksteinchen, die das Bild eines autoritären und faschistoiden Deutschtums ergeben, vor dessen Meinungsführerschaft mir mehr als graut.

*** In Davos tagte wieder einmal das Weltwirtschaftsforum. Man erfuhr vom deutschen Bundespräsidenten, dass eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen moralisch und ethisch geboten sein kann und dass Europa in der Krise stecke. So oder so sieht das staatliche Unbehagen an der Willkommenskultur aus. Zum millionenfachen Jobschwund durch maschinelle Intelligenz, die etwa in der Versicherungswirtschaft die Sachbearbeiter überflüssig macht, äußerte er sich nicht. Aber das machen ja andere in der IT.

*** Mit kindlicher Begeisterung sprach der Google-Manager Philipp Schindler beim DLD über die maschinelle Intelligenz, die bei Diensten wie Google Fotos wahre Wunder vollbringe. Für Davos sparte man sich die Nachricht auf, dass Google mit IBM und Philipps dem heruntergewirtschafteten National Health Service mit smarten Geräten und maschineller Intelligenz unter die Arme greifen will, zum Nutzen von chronisch Kranken. Wie gut, dass Google, anders als General Electric, angefangen hat, in Großbritannien Steuern zu zahlen. Auch die Zahlung an Apple ist so betrachtet ein Google-Goodie. Nächste Woche, wenn Amazon, Apple, Facebook und Microsoft ihre Zahlen verkünden, wird man sehen, ob Google die wertvollste Firma auf dem digitalen Planeten ist. Zumindest Microsoft scheint schon die weiße Fahne zu hissen.

*** Weil Frank Schirrmacher tot und das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zum Gedenken an ihn ein Friedhof geworden ist, hat die Süddeutsche Zeitung nach der Übernahme von Schirrmachers Edge-Themen nun die Debatte über die "Künstliche Intelligenz" aufgenommen, aber bis auf die Grafik leider nicht online frei geschaltet. Passenderweise macht die FAZ-Kolumnistin des Maschinenraums den Anfang und schwächt mit dem Artikel die Befürchtungen ab, die Stephen Hawking dieser Tage äußerte. Hawking würde es um generelle KI-Systeme gehen, nicht um spezielle Systeme aus dem Bereich des maschinellen Lernens. Die sind nützlich und werden uns im Alltag die Arbeitsplätze weg- und mühsame Arbeiten abnehmen. Man müsse nur sachlich die Leistungen solcher Computersysteme beurteilen wie die Qualitäten eines guten Autofahrers. Den Rest regelt schon "der Markt" und "die Müdigkeit" des Menschen:
"Die Konsequenzen der Entwicklung hängen auch davon ab, welche Arten von künstlicher Intelligenz am Markt nachgefragt werden. Für simulierte Menschen-Gehirne gibt es eigentlich keinen Bedarf. Wohl aber für Systeme, die Teilaspekte des menschlichen Denkens und Könnens deutlich effizienter und besser erledigen können – schlicht, weil sie mit der Geschwindigkeit moderner Computer weitaus mehr Daten einbeziehen, aus mehr Beispielen lernen können und keine Müdigkeit kennen."

*** Eine andere Davoser Debatte verdient Erwähnung, weil sie mindestens ebenso kurios ist wie der Kniefall vor Marktkräften und Schlafbedürfnissen. Ausgerechnet der Chef eines Geldhauses, das gerade 6,7 Milliarden Euro Verlust meldete, machte sich dort für die Abschaffung des Bargeldes stark. Die freiheitswürgende Wirkung dieser Maßnahme ist schon mehrfach Thema dieser Wochenschau gewesen, doch hat es was, diese These zu vertreten, während in Deutschland gerade Hunderttausende von Bankkarten ausgetauscht werden und ein neuer Kreditkarten-Betrug aufgedeckt wurde. Halten wir uns deshalb nicht mit Späßchen über geldsuchende RAFler auf, halten wir es mit Jean Ziegler, über den in diesen Tagen Erstaunliches bekannt wurde: "Geld produziert Geld. Geld ist ein Herrschafts- und Machtmittel. Der Wille zur Herrschaft ist unausrottbar. Er kennt keine objektiven Grenzen." Wer die Verfügungsgewalt über Bargeld entzieht, entzieht Macht, könnte man schlussfolgern.

Was wird.

Nach der Schelte über das Zigeuner-Zufall-Zitat in der letzten Wochenschau bitte ich um Nachsicht, so flappsig vom Zufall gesprochen zu haben. Denn den Zufall gibt es nicht, solange es keinen strikten wissenschaftlichen Beweis für den Zufall gibt, sondern nur faule Erklärungen. David Bowie ist tot und gleichzeitig wird ein neunter Planet diskutiert, das kann einfach kein Zufall sein.
"Und ist diese Steinmasse, fragte Coppi, die dem Kult fürstlicher und religiöser Zeremonienmeister diente, die den Sieg der Aristokraten über ein erdgebundenes Völkergemisch verherrlichte, zu einem freistehenden Wert geworden, jedem angehörend, der davor hintritt."

Am kommenden Montag wäre der der Widerstandskämpfer Hans Coppi 100 Jahre alt geworden, ein Gedenktag, der im kleinen Familienkreis, erweitert um linke Bezirkspolitiker, am Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium begangen wird. Ob die in Fahrtrichtung Links abgebogenen Piraten aus der Selbstzerleger-Szene dabei sind, ist nicht bekannt. Es ist ja nur ein kleiner Gedenktag eines kleinen Kämpfers im zivilen Widerstand abseits der Stauffenbergs & Co. Schon der 100. Geburtstag von Coppis Chronisten Peter Weiss wird anders gefeiert, mit Vorlesungsreihen, Aufführungen und Sonderbänden. Wir nennen es Erinnerungskultur.

Wir alle
das möchte ich nochmals betonen
haben nichts als unsere Schuldigkeit getan
selbst wenn es uns oft schwer fiel
und wenn wir daran verzweifeln wollten.
Heute
da unsere Nation sich wieder
zu einer führenden Stellung
emporgearbeitet hat
sollten wir uns mit anderen Dingen befassen
als mit Vorwürfen
die längst als verjährt
angesehen werden müssten.

Auch dazu gibt es eine ganz eigene, passende Musik.

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Dingsbums. Ja. Die Wirklichkeit? Ooooch. Interessiert doch nicht, wo es doch so schöne Verschwörungstheorien und Phantasmagorien gibt. Hal Faber ist immer noch frustiert und zweifelt daran, dass KI der Intelligenz der Menschheit auf die Sprünge hilft.


Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.



Was war.

*** Das Internet der Dinge ist da. Es begann harmlos als Internet der Dingsbumse, mit Dildos, die sich über Bluetooth als "Serial Port 1" mit einem Smartphone und dem Code 0000 verbinden lassen. In Zeiten, in denen kaum noch jemand weiß, was eine serielle Schnittstelle ist, ist das doch ein hübscher Einfall. Seinen vorläufigen Höhepunkt hat das Internet der Dinge mit Hello Barbie ausgerechnet im Kinderzimmer erreicht. Kein Wunder, dass in dieser Woche in Berlin gezeigt wurde, wie Barbie und Ken es tun bei ihrem Date. Im Kinderzimmer spielt ein Mädchen mit seinen Puppen und lässt es im Bend Over-Porn so richtig krachen: Kens Hose wird runtergezogen, Barbie bückt sich und es geht los mit dem großen Stöhnen, den OOOhs und AAAAhs. Der heiße Sketch, den Digitalcourage da aufführte, sollte geladene Journalisten daran erinnern, dass auch Kinder eine Menschwenwürde haben, die verletzt werden kann.

*** Klingt pathetisch, war es auch. Falsch war es obendrein auch noch: Erst wenn ein Kind bei "Hello Barbie" auf den Gürtel drückt, zeichnet ein Mikrofon auf, was es sagt und schickt dies via WLAN zu einem Server der Firma Toytalk. Dort wird die Sprache analysiert und einer von 8000 Sätzen zurückgeschickt, die Barbie sprechen kann. Ein Lachen oder ein dreckiges Stöhnen in der Phantasie junger Mädchen wird bei der Analyse auf Sprache übergangen, ein längeres AAA könnte als Ada extrahiert werden und zurück käme dann von dieser Barbie, die sich vor allem für Mode interessiert:
"Well, I bet you're quite a computer whiz, just like Ada Lovelace -­--­- she was the first computer programmer ever! What's your favorite thing about computers?"

*** Ein harmloser Satz, der allenfalls den guten Professor Rojas auf die Palme treiben dürfte, der leidenschaftlich gerne Ada Lovelace demontiert, als erste Stümperin vor dem Gerät, mit bescheidenen Mathematikkenntnissen. Um eine Demontage war es auch den Aktivisten von Digitalcourage gegangen, denn sie stören sich seit der Verleihung der Big Brother Awards 2015 daran, dass Eltern über eine Barbie-App mithören können, was ihr Kind zur Puppe spricht. Das kann man als Teil der elterlichen Verantwortung sehen (Mattel tut das) oder eben (wie Digitalcourage) als Verletzung der Privatsphäre von Heranwachsenden. In jedem Fall ist diese Variante des Internets der Dinge nicht etwas, das sich still und heimlich ins Kinderzimmer schleicht. Der Zugang zum WLAN ist abgesichert und kann über eine App nur von jemanden eingestellt werden, der Barbies Halskette zum Blinken kriegt. Die Sprachdaten des Kindes werden verschlüsselt übertragen, nach einem Protest auch die Antworten von Barbie. Denn zeitgleich mit der Berliner Aktion haben Hacker die Innereien der Puppe analysiert und ein erstes Fazit gezogen: Mattel gibt sich Mühe und reagiert schnell, wenn Sicherheitslücken aufgedeckt werden. Spannend wird es werden, wenn die neuen Barbie-Modelle sprechen können. Ein bisschen Slang und ein paar Kraftausdrücke für die "kurvige" Barbie müssten schon drin sein, ganz zu schweigen vom kurvigen Ken.

*** Ken und Barbie haben es getan, Lilli/Lisa/Elena nicht. Größer als die Berliner Aufregung über Barbie war die Berliner Aufregung über eine junge Deutschrussin, die wegen ihrer Schulprobleme bei einem Bekannten übernachtete. Das verriet nicht Barbie, sondern die Abfrage ihrer Handydaten, komplett mit der Funkzellenabfrage, in der jeder Berliner mehrmals im Jahr auftaucht. So ist das mit dem Internet der Dinge, die wir tragen. Natürlich wird das die russischen Verschwörungstheoretiker nicht beirren, denn so eine deutsche Funkzelle ist keine ehrliche russische Yota-Funkzelle und ein "Onkel" oder eine "Tante" findet sich immer für ein Interview. Immerhin lernt Restdeutschland mit Hilfe eines Mädchenschwindels, dass es nicht nur im Internet Filterblasen gibt, sondern auch im richtigen Leben. Fürs Auftauchen, um Luft zu holen, ist keine Zeit mehr, auch nicht bei den freiwilligen Flüchtlingshelfern, die ihre Variante einer Phantasmagorie frei setzten. Berichte aus der Wirklichkeit sehen anders aus.

*** Marvin Minsky, der Vordenker der Künstlichen Intelligenz, ist gestorben. Er brandmarkte "Hello Barbie" als schwachsinnigen Versuch, KI zu kommerzialisieren und davon abzulenken, dass die Welt in spätestens 20, 30 Jahren funktionierende Pflegeroboter braucht, wenn Menschen älter als 200 Jahre werden, aber wenig Nachwuchs haben. Minsky, der kleine, von IBMs Watson angetriebene Roboter, weint ihm keine Träne nach. Dazu hätte man ihm Tropflöcher und einen Schneuzvorrat einbauen müssen und dem Backend-Watson etwas Code, Gefühle zu dekodieren. So läuft mal wieder eine schräge Debatte um die KI an, in der sich nach Constanze Kurz nun die die Multimedia-Professorin Elisabeth André für Roboter mit künstlicher Haut stark macht, weil die Haut es ist, mit der wir Trauer, Freude und Wut vermitteln, wenn wir die Hand zur Faust ballen. Es müsse doch Wege geben, wie wir aus dem Uncanny Valley der Frankensteins ins Sunny Valley von Paro und Co kommen. OK, Marvin Minsky hätte drüber gelacht und sich mehr über den Sieg der Google-KI beim Go-Spiel gefreut und dazu einen kleinen Barocktanz improvisiert.

*** Während diese Zeilen darauf warten, abgeholt und ins Internet der Zeichen gestopft zu werden, jährt sich der Geburtstag von Franklin D. Roosevelt. Das ist der Mann, von dem die Hälfte aller klugen Sätze über die amerikanische Demokratie stammen – die andere Hälfte hat der Franzose de Toqueville geschrieben. In den USA geht es mit großem Tamtam in die Vorwahlen, kräftig unterstützt von Microsoft und dem App-Lieferanten Interknowlogy. Das findet der liberale Kandidat Bernie Sanders gar nicht witzig, der allen Ernstes von seinen Gegnern als Sozialist tituliert wird. Seine Konkurrentin Hillary Clinton hat immer noch Probleme mit unverschlüsselt verschickten E-Mails, die im Nachhinein für streng geheim deklariert worden sind, sodass allein der unverschlüsselte Versand eine Straftat sein könnte. So mischen sich die Geheimdienste in den Wahlkampf ein und können feixen. "Vom organisierten Geld regiert zu werden, ist genauso schlimm, wie vom organisierten Verbrechen regiert zu werden", sagte Roosevelt. Der Präsident, der 1940 J. Edgar Hoover zum Chef aller Geheimdienste machte, vergaß, die organisierten Dienste zu erwähnen.

*** All die Debatten um das Verschlüsseln, um Hintertüren werden von den Diensten amüsiert zur Kenntnis genommen. Dies erklärte der Sicherheitsforscher Nicholas Weaver auf der ersten Enigma-Konferenz von Usenix, wie im Video zu sehen. Weaver, der am ICSI in Berkeley arbeitet, erklärte die Verschlüsselung als nützliche Zusatzinformation, die bei der massenhaften Überwachung anfalle. Wer mit PGP oder den PGP-Derivaten Asrar al-Mujahedeen (al Quaeda) oder Amn al-Mujahid (Daesh) arbeite, strahle wie ein Casino in der Wüste von Las Vegas. Über die Metadaten könne das Kommunikationsnetz von Absender und Empfänger ausgeleuchtet werden. Jeder, der etwa Asrar al-Mujahedeen benutze, sei als Terrorist einzuordnen. "Das ist doch brilliant. Wer immer sich dies bei der NSA oder dem GCHQ ausgedacht habe, sollte einen fetten Weihnachtsbonus bekommen." Angesichts der Vielzahl an ZeroDays und anderen Sicherheitslücken könnten Geheimdienste getrost auf Verschlüsselungs-Hintertüren verzichten. Es sei viel einfacher, nach einer Analyse der Metadaten den Computer eines Überwachungsziels direkt anzugreifen. Wort! Ähem, Slovo!

Was wird.

Aus Frankreich kommt die Kunde, dass der im russischen Asyl lebende Edward Snowden, der im politischen Asyl lebende Julian Assange und die im Gefängnis lebende Chelsea Manning die neuen Sozialisationstypen der nächsten Revolte sind, die die "Konsequenzen staatlicher Unterdrückung mit allen Mitteln fliehen" und dank Internet ein "neues Spielfeld des Widerstandes" erobern. Bebildert ist die zum Safer Internet Day erscheinende, mit großer Empörung geschriebene Kunst der Revolte des Philosophen Geoffroy de Lagasnerie mit dem Standardbild der letzten Dutzend Bücher zu diesem Thema, der von Anonymous gekaperten Guy-Fawkes-Maske. Der Zuccotti-Park in New York, der Tahrir-Platz in Kairo, der Taksim-Platz in Istanbul sind gut und schön, reichen aber nicht an das Gefängnis heran, in dem Chelsea Manning sitzt, die ecuadorianische Botschaft mit dem Räumen für Julian Assange oder dem Haus in Russland für Edward Snowden. Manning, Assange und Snowden sollen die großen Neinsager sein, die die Existenz der Staaten verneinen. Sie sind für den jungen Philosophen die ersten, die die wirklich im unabhängigen Cyberspace leben, in denen die Regierungen der industriellen Welt, die müden Giganten aus Fleisch und Stahl, keine Macht mehr haben. Wort!

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Was war. Was wird. Über die Willkür in der Geschichte.
« Antwort #610 am: 07 Februar, 2016, 06:24 »
Wenn mal wieder jemand mit absurden Begründungen auffällt, ist man sich sicher: Es geht, nein, nicht um Assange, es geht um Terrorbekämpfung. Hal Faber sieht die Geschichte schon zur Farce verkommen, ganz ohne die bislang notwendigen Wiederholungen.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Julian Assange und seine Anwälte haben einen schönen Erfolg errungen. Sie konnten drei Juristen einer vierköpfigen UN-Arbeitsgruppe von der Willkür überzeugen, die aus dem Willen von Assange erwuchs, sich keinesfalls einem schwedischen Justizverfahren zu stellen. Die Juristen werteten sehr streng, ganz im Sinne der Darstellung von Assanges Anwälten: Aus den 10 Tagen im britischen Gefängnis Wandsworth wurde eine "Isolationshaft", aus den Jahren, in denen sich Assange im Instanzenweg bis zum obersten Gerichtshof gegen seine Auslieferung nach Schweden wehrte, wurde eine fortgesetzte Freiheitsberaubung wegen der harten Meldeauflagen. Die Flucht in die Botschaft von Ecuador, nachdem alle juristischen Mittel ausgeschöpft waren, gehört in dieser Sichweise zu einer Kausalkette willkürlicher Bedingungen. Der Spott über diese Form der Wahrheitsfindung ist groß, der Vergleich der Berichterstatter mit dem Spice-Girl Geri Halliwell ist noch der harmloseste Kommentar.

*** Man darf gespannt sein, was die Blackbox der Menschrechte noch in sich birgt. Wird sich ein versteckter Mafiaboss auf Assange berufen können? Die Spannung bleibt auch deshalb erhalten, weil Schweden wie Großbritannien nun zwei Monate Zeit haben, ihre Sicht der Dinge vorzutragen, dass in der Causa Assange durchaus angemessen gehandelt wurde. Beide Länder haben bereits gegen den Vorwurf willkürlicher Haftbedingungen protestiert, was bedeutet, dass die UN-Arbeitsgruppe nach den Stellungnahmen wieder tagen muss.

*** Das Drama geht weiter, auch wenn Assange vom Balkon donnerte, das alle beteiligten Parteien mit Konsequenzen rechnen müssen, den UN-Bericht in der Hand wie ein neues Testament haltend. Betrachtet man den Vorgang nüchtern ohne alle Posen und Erklärungen, so fällt der Absatz Nr. 92 in der Urteilsbegründung der UN-Arbeitsgruppe auf. Hier wird erklärt, das Verfahren rechtmäßig, aber trotzdem unangemessen sein können und zu kritisieren sind:

"The Human Rights Committee, in its General Comment No. 35 on Article 9 also stated that 'An arrest or detention may be authorized by domestic law and nonetheless be arbitrary'. The notion of 'arbitrariness' is not to be equated with 'against law', but must be interpreted more broadly to include elements of inappropriateness, injustice, lack of predictability and due process of law, as well as elements of reasonableness, necessity, and proportionality."

Aus dieser Sicht folgt nicht nur das Recht der UN-Arbeitsgruppe, die Causa Assange zu bewerten, sondern auch das Recht der beteiligten Länder, das Verfahren fortzusetzen. Nach wie vor muss Schweden das eingeleitete Verfahren gegen Assange mit einem abschließenden Verhör zu Ende bringen, nach wie vor ist Großbritannien gehalten, die Verletzung der Meldeauflagen zu bestrafen. Nach wie vor muss Australien seinem Staatsbürger Assange einen neuen Pass ausstellen und nach wie vor muss Ecuador darauf bestehen, dass das diplomatische Asyl anerkannt wird. Nach wie vor muss sich Assange immer wieder in Erinnerung rufen, weil die öffentliche Aufmerksamkeit der einzige Schutzschild ist, der ihm noch geblieben ist. Der Schutzschild soll bekanntlich vor der Nachstellung durch die USA schützen, die am Publisher Julian Assange interessiert sein soll.

*** Ja, nach australischem Verständnis ist Julian Assange immer noch Bürger dieses Landes, auch wenn er sich in seiner Londoner Zeit nur einmal meldete, um für die Wikileaks-Party anzutreten. Die wurde passenderweise zum 1. Januar von der australischen Wahlkommission aufgelöst, weil ihr der Nachweis von 500 aktiven Mitgliedern nicht gelang, durchgeführt mit antiquierten Methoden wie der Telefonanruf bei registrierten Mitgliedern. Im Zuge des Kampfes gegen den Terror will Frankreich die Aberkennung der französischen Staatsbürgerschaft in die Verfassung aufnehmen und die Praxis der Ausbürgerung demokratisieren, die man bislang nur von Diktaturen kannte. Zuletzt war dies 1848 ein Mittel, um nach der Abschaffung der Sklaverei die Sklavenhändler aus den Übersee-Departements verfolgen zu können. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte untersagt übrigens den willkürlichen Entzug der Staatsangehörigkeit.

*** Die Staatsbürgerschaft abschaffen wollen wir noch nicht, aber dafür ist die in dieser Kolumne mehrfach besprochene Abschaffung des Bargelds inzwischen mit großem Getöse in den Nachrichten angekommen. Besonders interessant ist die Nebenforderung, nicht etwa all das Kleingeld abzuschaffen, dass man ohnehin den zahlreichen Türstehern in die Näpfe wirft. Der 500-Euro-Schein, der 28 Prozent des Euro-Bargelds ausmacht, soll verschwinden, weil er wie einst der 1000-DM-Schein von Banken in Osteuropa gehortet wird. Bei der Umstellung der Bankeinlagen von 500 auf die 200-Euro-Scheine müssen größere Tresore her, was nach Angaben des Wirtschaftspredigers Hans-Werner Sinn die Tresorkosten um das Zweieinhalbfache in die Höhe treiben wird. Wir haben es also mit einem Wirtschaftsförderungsprogramm für Tresorbauer zu tun, bejubelt von den ach so toll abgesicherten Online-Bankern und den Terror-Überwachern, die wie immer mit den unsinnigsten Argumenten auffallen. In Frankreich und Belgien gibt es diese Barzahlungsgrenzen, doch den Terroristen hat das nicht den Weg verbaut ins Bataclan. Was folgt aus der Erkenntnis, das Bargeld das Privacy Shield des kleinen Mannes ist? Natürlich nichts, denn wir haben ja nichts zu verbergen.

*** In der schönen neuen Welt der Hyperinformation treffen wir auch bei der selbst ernannten journalistischen Avantgarde auf die alten Probleme. Ausgerechnet beim Intercept ist die Flunkerei eines Kollegen aufgeflogen. Das von Pierre Omidyar finanzierte Webportal ist nicht irgendwer, sondern der offizielle Nachrichtengral der Snowden-Dokumente, diese "wegweisende Form des Welterbes". Kann man da überhaupt etwas verfälschen, wo auch nach den neuesten Zahlen nur die Spitze des Gralberges zu sehen ist, der erst in 42 Jahren enthüllt sein wird? Man kann, glauben die Macher der Transmediale und schreiben recht putzig:
"Indem sie die inneren Mechanismen geheimer Verbindungen zwischen Regierungen und Industrie offenlegen, repräsentieren die Snowden-Archive eine Art kollektives Unterbewusstsein – etwas, das die Gesellschaft nie über sich selbst, ihre Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfahren sollte. In diesem Sinne könnten die Snowden-Dokumente als Nachricht von 'Kindern einer Ära, die noch anbrechen muss' [Kim Ki-Duk] betrachtet werden. Wegen der kryptischen Sprache und der spezialisierten Information der publizierten Dokumente dauern die Interpretationsversuche aber noch an."

*** Es dauert also, bis der Kindermund tut Wahrheit kund. Bleibt dem Kolumnisten nur anzumerken: So lange ist es ganz nützlich, weiter heise online zu lesen, wo kryptische Sprache und spezialisierte IT-Informationen vom Leben auf einem nicht porösen Planeten verständlich aufbereitet werden.

Was wird.

Am Rosenmontag, da feiern wir, Alaaf und Helau und so weiter. Oder auch nicht, dafür mit besserer Musik. Vor 60 Jahren aber sah das am Kölner Hauptbahnhof so aus, behutet und benässt. An eben diesem Tag wurde dem Präsidium der KPdSU ein 70-seitiger Bericht über Verfolgungen in der Sowjetunion vorgelegt, denn der 20. Parteitag stand vor der Tür, an dem Stalins Nachfolger Nikita Chruschtschow seine Geheimrede über den Personenkult und seine Folgen hielt. Die Generalabrechnung mit dem Stalinismus und dem Mord all derer, die nicht linientreu waren, erschütterte den "Ostblock". Die "zügellose Willkür", die er Stalin vorwarf, hatte Chruschtschow selbst bewiesen, als er als Parteichef der Ukraine 54.000 Menschen "in die nächste Welt" schickte. Jener Chruschtschow, der der Ukraine später die Krim schenkte und Amerika mit dem Sputnik schockte, der in seiner Sowjetunion eher beiläufig gefeiert wurde. Die vollständige Geheimrede wurde erst 1989 veröffentlicht und so gehört es zu den großen journalistischen Leistungen, dass Harrison Salisbury bereits am 16. März 1956 in der New York Times über die Rede berichtete und ihren Inhalt analysierte.

Diese kleine historische Erinnerung schaut in die Zukunft, ganz ohne Willkür, denn mit der sich abzeichnenden neuen NATO-Abschreckungspolitik, der russischen Aggression Einhalt zu gebieten, während Putins Held wieder in den Vordergrund tritt, wiederholt sich die Geschichte nicht, sie wird ganz originär zur Farce. Der Kalte Krieg 2.0 lässt grüssen.

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Was war. Was wird. Vom Patriotismus, Pasta und Podemos.
« Antwort #611 am: 14 Februar, 2016, 07:00 »
Man erschreckt beim Blick in das, was Einstein als "gutes normales Bürgergemüt" beschrieb und das er des tierischen Hasses und Massenmordes für fähig hielt. Es braucht aber keine Gelegenheit, um Hass zu machen, befürchtet Hal Faber.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** m!l!ek! , m!l!ek! Der Nachweis der Gravitationswellen mittels einer direkten Messung derselben ist ein Ereignis, über das sich auch ein Pandabär in seiner Zwangsjacke unbändig freuen kann. Der Heisig, das Maskottchen von heise-Regulars bei Einstein@home, darf nicht fehlen beim fröhlichen Feiern in Hannover, wo doch Projektvater Heinz Billing fehlen musste. Nach all den Gerüchten bestätigte sich eine Theorie von Einstein, der selbst Zweifel hatte, als er die Ableitung aus seiner allgemeinen Relativitätstheorie formulierte. Damit sind längst nicht alle von Einstein gestellten Probleme gelöst. Wie wäre es, im Zeichen des 2. Kalten Krieges sich mit dieser Frage von Einstein nach den (deutschen) Patrioten zu beschäftigen?
"Man kann sich die Frage vorlegen: Wieso verliert der Mensch in Friedenszeiten, während welcher die staatliche Gemeinschaft fast jede Äußerung viriler Rauflust unterdrückt, nicht die Eigenschaften und Triebfedern, welche ihn während des Krieges zum Massenmord befähigen? Damit scheint es sich mir so zu verhalten. Wenn ich in ein gutes normales Bürgergemüt hineinsehe, erblicke ich einen mäßig erhellten, gemütlichen Raum. In einer Ecke desselben steht ein wohlgepflegter Schrein, auf den der Hausherr sehr stolz ist und auf den jeder Beschauer sogleich mit lauter Stimme hingewiesen wird; darauf steht mit großen Lettern das Wort 'Patriotismus' geschrieben. Diesen Schrank zu öffnen ist aber für gewöhnlich verpönt. Ja der Hausherr weiß kaum oder gar nicht, daß sein Schrank die moralischen Requisiten des tierischen Hasses und Massenmordes birgt, die er dann im Kriegsfalle gehorsam herausnimmt, um sich ihrer zu bedienen."

*** Nein, Einstein schrieb diesen in Deutschland zensierten Text nicht über die patriotischen Europäer mit ihrem hasserfüllten Programm, als er das Oberstübchen des Deutschen zu erklären versuchte wie die Verzerrung der Raumzeit. Als er sein Verhältnis zum Staate als eine Geschäftsbeziehung darstellte, wie man sie mit seiner Lebensversicherung hat. Was natürlich zuviel war für den Redakteur des vaterländischen Gedenkbuches, in dem sein Text erscheinen sollte, "zum Wiederaufbau der zerstörten ostpreußischen Heimstätten und zur Heerschau(!) der geistigen und sittlichen Führerschaft des gegenwärtigen Deutschlands".

*** Der ideale Journalismus, so steht es heute offline in der tageszeitung, ist wie Pastateig. Der kommt in eine Maschine, die stellt man ein und heraus kommen Fusili oder Paccheri, bzw. Feuilleton-Artikel oder Politisches von den Hohlnudeln. Das Ganze wird dann noch von Algorithmen geknetet und für diesen oder jenen Bildschirm optimiert. In das passende Social-Media-System eingetütet und fertig ist die perfekte Leserbindung, wenn sich ordentlich Kommentarsoße über den neuen Journalismus ergießt. Vor allem macht der ideale Journalist, die ideale Journalistin keine Fehler wie den, Bernie Sanders als selbsternannten Journalisten zu bezeichnen. Nun hatte ich den Fehler gemacht und Sanders in dieser kleinen Wochenschau als liberalen Politiker bezeichnet, der von anderen als Sozialist bezeichnet wird. Das kam erstens überhaupt nicht gut an und war zweitens falsch. Zumindest wenn man sich an Äußerungen von Sanders selbst hält, in denen er vom demokratischen Sozialismus schwärmt und erläutert, was er darunter versteht, in Anlehnung an Roosevelt. Als Alternative zu Hilary Clinton hat Sanders nun einen Erfolg errungen, während die direkte Clinton-Gegenspielerin Carly Fiorina| den Wahlkampf einstellte, nicht ohne junge Frauen daran zu erinnern, dass der Feminismus eine Gottesgabe ist. Wer sich nicht für den relativ abstrakten demokratischen Sozialismus interessiert, dürfte sich eher an seine Positionen zur Netzpolitik halten oder dafür interessieren, dass Sanders, anders als Clinton, gegen den Patriot Act und weitere Überwachungsgesetze gestimmt hat.

*** Wer sich indes für den demokratischen Sozialismus interessiert, dürfte mit Interesse den Start von DiEM 25 in Berlin für flüchtlingsfreundliche 12 Euro Eintritt verfolgt haben. DiEM ist eine Bewegung für eine europäische Erneuerung, die sich in etlichen Reden auf die Volksfront-Idee der 30er-Jahre bezog und damit vom Geiste Podemos erfüllt ist. Getragen von Politikern wie dem Griechen Yanis Varoufakis oder dem Australier Julian Assange, will die Bewegung für Demokratie in Europa laut ihrem auf der Website veröffentlichten Manifest viele Punkte verwirklichen, die dem demokratischen Sozialismus zugerechnet werden. Nun ging der Vorhang hoch, und viele Fragen blieben offen, weil jede(r) Reden abspulte und es eine Außenseiterin wie Gesine Schwan war, die auf die politisch zu erringenden Mehrheiten verwies. Das war gegen Varoufakis Absicht gesprochen, sich vor allem an die zu richten, die nicht mehr an Politik glauben. Schwans kluger Einwand kommt aus einer Partei, die mit einer gefährlichen Menschenmasse zu kämpfen hat.

*** Bemerkenswert der Beifall für den Aktivisten Jacob Appelbaum, der eine brauchbare Ende-zu-Ende Verschlüsselung für die DiEM-Aktivisten forderte, als ob die IT die Lösung aller Dinge sei. Das klang mehr nach Leninismus als nach einem demokratischen Sozialismus im europäischen Frühling. Da passte es ganz hübsch zum Aufruf, dass die Kämpfer des ersten Krypto-Krieges nach 17 Jahren ihre Liste der Krypto-Produkte aktualisierten und zeigen konnten, dass die USA und Deutschland beim Verschlüsseln weltweit führend sind. Ja, mit 112 Produkten ist Deutschland das Land abseits der USA, das vielfältige Produkte anbieten und technologische Souveränität im Sinne des aktuellen Regierungsprogrammes realisieren kann.

*** Appelbaum hin, Varoufakis her. Auch in diesen Kreisen ist Lenin im Zweifelsfall leider immer noch angesehener als ein Anarchist ("Unordnung, das ist Ordnung minus Macht") wie der französische Chansonier Léo Ferré. Schade. Da gäbs einiges zu lernen. Auch für DiEM-Aktivisten.

*** Mit Problemen besonderer Art kämpften Geheimdienstler, die sich auf der Münchener Sicherheitskonferenz ohne Beteiligung deutscher Geheimspitzen mit dem Problem der Verschlüsselung beschäftigten. Da sprachen sich alle für starke Verschlüsselung aus, aber auch für ein seltsam vage umrissenes Projekt, das "Verschlüsselungsproblem" zu lösen. Ausgerechnet der Niederländer Robert Antonius Cornelius Bertholee sprach über Privatheit und Sicherheit, während zu Hause bekannt wurde, dass die mit der Kontrolle der Dienste beauftragten Politiker keine Kontrolle über die Abhörpraxis von Polizei und Geheimdiensten haben. Das Gegenstück unserer deutschen G10-Kommission wird einfach ignoriert.

Was wird.

Der ideale Journalismus recherchiert auch, wenngleich es Grenzen für die formbare Pasta gibt. Man schreibt kein Manifest der Verantwortungsdemokratie für eine Partei, über die man berichten soll. Hass-Postings auf Facebook veröffentlichen, nur um im Sinne eines Benchmarks herauszufinden, ob Facebook diese üblen Postings rechtzeitig löscht, sind ein unzulässiger Grenzübertritt. In diesem Sinne könnte man Facebook sogar loben, wenn die rechte Hetze eingedämmt wird. Dabei ziehen die Neonazis und radikale Patrioten inzwischen zum russischen Vkontakte um, damit ungestört weiter gehetzt werden kann. Die fehlenden Privatsphären-Schutzeinstellungen stören dabei nicht, auch darf der Verfassungsschutz gerne mitlesen, Väterchen Russland sowieso. Der neue kalte Krieg kennt keine Grenzen, die sind nur was für Migranten und andere Schwächlinge.

Gesundheitskarte, EC-Karte, BahnCard, Presse-Ausweis, neuer Personalausweis – was fehlt in dieser Liste? Der Organspendeausweis? Nein, halt, der Datenspendepass muss her, damit man stilecht seine "krankheitsrelevanten Daten" überall hinterlassen kann, wo es Hoffnung auf Heilung gibt. Dieser bezaubernde Vorschlag kommt vom Hasso-Plattner-Institut und ist total praktisch. Eine Vorlage gibt es auch schon, sie wurde auf einem eHealth-Workshop des Bitkom von einem großen deutschen Softwarehaus verteilt, um zu testen, wie weit (der Verstand der Zuhörer ausgetrocknet ist) man gehen will im Datenrausch.

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4W: Vom Genießen und von inneren Qualen, vom Urfaschismus heute ...
« Antwort #612 am: 21 Februar, 2016, 05:51 »
Ist der Mac katholisch? MS-DOS protestantisch? Fragen, die für die Ewigkeit gedacht sind, wie der, der sie stellte. Hal Faber trauert schon wieder. Das Leben zu genießen ist manchmal schwer, nicht nur, wenn man Umberto Ecos Analyse des Urfaschismus liest.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Umberto Eco ist tot, der Mann, der alles untersuchte, was man zum Lügen verwenden kann. Er war ein Mensch, der sich besonders liebevoll mit der Medienzivilisation, dem Fernsehen und den Comics beschäftigte, man denke nur an die Analyse der Ohrläppchen all der Bösewichter, gegen die James Bond antreten musste. Auch mit den Sorgen und Nöten des IT-Alltags kannte er sich aus und gehörte zu denen, die nicht über das Internet jammerten, sondern frühzeitig Alphabetisierungskurse für all diejenigen forderte, die sich keinen Computer leisten können. All das natürlich vor dem Hintergrund des von ihm so geliebten Mittelalters, der einzigen Zeit, die er aus erster Hand kannte. Bekannt wurde er so mit seiner These, dass der Macintosh katholisch ist und MS-DOS für Protestanten gemacht wurde. Windows war für ihn eine prunkvolle anglikanische Erweiterung, immer drauf und dran, zum Irrsinn des DOS-Promptes zurückzukehren, wo der Benutzer gefangen ist in der Einsamkeit seiner inneren Qual. Der eine oder andere Informatiker wird sich zudem an die Verteidigung von Claude Shannon erinnern, dessen elementare Informationstheorie Umberto Eco für wichtiger hielt als die Relativitätstheorie von Albert Einstein. Sollte es Hal-Faber-Fans geben, so dürften sie sich daran erinnern, dass das von Umberto Eco in Basic geschriebene Gottesprogramm aus dem Foucaultschen Pendel mal Gegenstand eines Sommerrätsels war: Der Anagramm-Suchalgorithmus von IAHVEH sollte helfen, das Passwort des Computers Abulafia zu finden, wobei immer wahnsinnigere Methoden eingesetzt wurden, bis der Protagonist Casaubon Im Suff auf die Frage des Computers "Hast du das Passwort" einfach "Nein!" schrieb – und drin war.

*** Zuletzt protestierte Eco mit vielen anderen Schriftstellern gegen die zunehmende Überwachung der Kommunikation, wie sie im Zuge der NSA-Affäre vielen Menschen bewusst geworden ist. Denn Eco war nicht nur ein vergnüglicher Semiotiker oder ein Dan Brown für Leute mit Köpfchen, sondern auch ein politischer Mensch. Wer an diesem gammelig-kalten Sonntag Zeit und Muße hat, sollte seine hellsichtige Analyse des Urfaschismus lesen, die weitab von seiner Analyse der Kindheit unter Mussolini klarmacht, welche Einstellungsmuster hinter den rechtsradikalen Auswürfen stehen, die bei A wie AfD anfangen und bei P wie Politisch inkorrekt aufhören. Eine Kurzfassung findet sich in der englischen Wikipedia, doch es sind nur 14 Punkte, passend zum erwähnten Basic-Programm, die den Urfaschimsus ausmachen: Traditionskult, .Ablehnung der Moderne (1789 oder die 68er), Irrationalismus, Rassismus, Angst vor sozialem Abstieg, Nationalismus, ein Gefühl der Demütigung, der "Kampf" als Selbstzweck, gepaart mit einem Elitedenken, dazu Heldentum und Todeskult samt Waffenfetischismus und Populismus. Besonders dieser Populismus sollte zu denken geben, schrieb Eco doch schon 1995:
"Für ein gutes Beispiel des qualitativen Populismus bedürfen wir nicht länger der Piazza Venezia in Rom oder des Nürnberger Parteitagsgeländes. In der Zukunft erwartet uns ein TV- oder Internet-Populismus, in dem die emotionale Reaktion einer ausgewählten Gruppe von Bürgern als Stimme des Volkes dargestellt und akzeptiert werden kann. Aufgrund seines qualitativen Populismus muss der Urfaschismus gegen 'verrottete' parlamentarische Regierungen eingestellt sein. Wo immer ein Politiker die Legitimität eines Parlaments in Zweifel zieht, weil es den Willen des Volkes nicht mehr zum Ausdruck bringe, riecht es nach Urfaschismus."

*** Auch die Geschichte mit der Lügenpresse findet sich bei Umberto Eco, als letzter der 14 Punkte. Orwells Newspeak, wie in "1984" beschrieben, gehört zum Wesen des Urfaschismus, etwa als harmloser Neusprech vom "Gastrecht", getarnt und gepaart mit der unschuldigen Form schlichter "Tatsachen", die dann in Talkshows zum Schlechten gegeben werden.
"Alle Nazi- oder faschistischen Schulbücher bedienten sich eines verarmten Vokabulars und einer elementaren Syntax, um die Instrumente komplexen und kritischen Denkens im Keim zu ersticken. Aber wir müssen uns auch auf andere Formen von Newspeak einstellen, selbst wenn sie in der scheinbar unschuldigen Form einer populären Talk-Show daherkommen."

*** Dass Eco zu genießen wusste und sich mit gleicher Kennerschaft wie auf anderen Gebieten zum Essen zu äußern wusste, sei noch erwähnt, weil es das Bild eines der letzten Universalgelehrten vervollständig. "Wer der italienischen Küche in ihrer ganzen Vielfalt begegnen will, muss die enormen Unterschiede kennen", schrieb er, der die Unterschiede zu benennen wusste, um das Verbindende zu fördern. Ach, es bleibt halt erstmal doch nur die Trauer.

*** Mit seinem letzten Buch "Nullnummer" hat Umberto Eco für die einen einen Journalismus-Krimi rund um eine geklaute Diskette geschrieben, für die anderen ein Traktat über die Inszenierung von Nachrichten. Wer den Nachrichtenknaller dieser Woche verfolgte, das Drama von Apple und die Fragen rund um die Arbeit der FBI-Ermittler, wird angesichts der unklaren Informationslage unweigerlich an Ecos Verschwörungstheorien denken müssen. So gesehen ist die Warnung von Edward Snowden eine Kurzfassung der "Nullnummer".

*** Man kann versuchen, die Haltung von Apple als Marketing-Nummer lächerlich zu machen, wie dies das FBI tut. Dabei irritiert leicht, dass es durchaus Marketing sein kann, weil Apple als Firma erkannt hat, wie wichtig der Datenschutz für das Vertrauen der Kunden in die Produkte einer Firma sind. Wobei Vertrauen hier eine religiöse Kategorie ist wie der Glauben: Bei Apple-Produkten gibt es keine Möglichkeit der Überprüfung, wie es bei Open-Source-Hard- und -Software zumindest angedacht ist. Vor vielen Jahren (1971) schrieb E.A. Rauter zu einem anderen Produkt, das mit Vertrauen warb:
"Wenn Vertrauen und Glauben zu den höchsten Tugenden gezählt werden, müssen sie eine Notwendigkeit sein. Wo viel von Vertrauen die Rede ist, müssen viele da sein, die von dem Vertrauen einen Vorteil erwarten. Je lauter der Ruf nach vertrauen, umso größer die Zahl der Betrüger."

Was wird.

Flüchtlinge fuhren mit einem Bus mit der Anzeigetafel "Reisegenuss" aufs Beste versorgt ins sächsische Clausnitz. Dort demonstrierten "besorgte Bürger" gegen ihre Ankunft, was dazu führte, dass die Polizei einfachen unmittelbaren Zwang ausübte, um die angeblich provozierenden Flüchtlinge in ihre zugewiesene Herberge zu bringen, die von einem AfD-Mann namens Hetze geleitet wird. Das Kuschen der Polizei vor den "besorgten Bürgern" ist auf Video festgehalten, auch die Tränen kleiner Kinder, die Polizeiuniformen vorsätzlich durchtränkten. Die Tatwaffe der Flüchtlinge, ein riesiger gefährlicher Reisebus, ist sichergestellt.

Unter dem Motto "Migration und Sicherheit" wollen die Innenminister der Bundesländer in der anstehenden Woche auf dem europäischen Polizeikongress in Berlin über die Sicherheit der Polizei diskutieren. Die Unsicherheit und Angst der Flüchtlinge dürfte da kein Thema sein, schließlich berichtet der oberste Einsatzleiter von Frontex, wie sicher und geordnet alles abläuft beim Absaufen im Mittelmeer, mit neuen Rekorden bei den Flüchtlingskindern. Unter den Innenministern der Länder fehlt Sachsens Markus Ulbig (CDU), sonst eine feste Größe auf dem Kongress, der gerne für den verstärkten IT-Einsatz im "Ostverbund" der Landespolizeien wirbt.

Achja, die gute, zuverlässige vorherschauende IT mit ihrem vorhersagenden Wunderprogrammen der Predictive Analytics. Sie ist ein bisschen zu kurz gekommen beim Abschied von Umberto Eco. Dabei hatte der ja was übrig für die tollen Märchen der Künstlichen Intelligenz. Übe ich mich halt zum Abschluss mal in "Postdictive Analytics". Nie gehört? Das geht so: Ex-Innenminister Jörg Schönbohm tritt auf besagtem Polizeikongress auf. Er kann stolz sein, schließlich ist sein Sohn Arne Chef des BSI geworden. Vorher war Arne beim Cybersicherheitsrat Deutschland. Der hat nun einen neuen Ober-Cyber namens Philipp von Saldern. Unterstützt wird er ausweislich der Pressemeldung von Uwe Proll, dem Leiter des europäischen Polizeikongresses, der jetzt mit Jörg Schönbohm diskutiert. Wir nennen es "Cyber in a nutshell".

Genug vom Cyber-Tralala? Wie wäre es dann mit ein bisschen Couchkartoffel-Aktionismus, noch möglichst bis zum Ende dieses Monats? Frau von der Leyen (CDU) muss ja sparen und ist dankbar für jeden Tipp, während die deutsche Rüstungsindustrie mal wieder dank Herrn Gabriel (SPD) vor einem Alljahres-Rekord steht. Er wird als Genosse der Geschosse in die Geschichte eingehen und das ganz ohne dieses Cyber oder Blabla 4.0. Diese Welt ist halt doch ein fürchterlicher Platz, Baby. Das Leben manchmal wirklich ungenießbar.

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Was war. Was wird. Von Zuckerbergen und Auswanderern
« Antwort #613 am: 28 Februar, 2016, 02:31 »
Ja, manchen erscheint Philantropie als letzte Rettung. Eigentlich ist es heutzutage aber vor allem Beruhigung des schlechten Gewissens. Hal Faber fragt sich, ob das die Welt besser macht - und ob ein leerer Bauwagen wirklich das Ende der Hoffnung bedeutet

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Er. War. Da. Mark Zuckerberg, der "Mann ohne Merkmal" (Süddeutsche Zeitung), der kleine Mann, ganz groß weilte in Berlin und joggte mit seinen Bodyguards durch die Stadt. Das herausragende Ereignis wird in den Fäuletons der Republik ausführlich gewürdigt, wie damals, als John F. Kennedy die Stadt besuchte und Peter Lustig der Toningenieur war, der seine Rede mitschneiden durfte. Eine ganze, tief schürfende Seite spendierte die SZ "dem Besuch", ein großes Foto vom Jogger Zuckerberg zierte die Morgenpost und die tageszeitung, die immerhin von einer "Lehrstunde in Sachen Filterblase" berichtete. Auch im Äther erschallte das Lob über den ersten Preisträger des Axel Springer Award, diesen Herrn "Sückerbörg".

*** Dabei wurde der Name des Laudators Peter Thiel deutsch gesprochen, während dieser über seinen lieben Freund Mark tönte, "er wollte ein Netzwerk bauen, das Menschen respektiert und wertschätzt". Kein Wort zum kaum gezügelten Hass auf Facebook, denn bittschön, die wirklich harten sind doch bei Putins vK und die Guten bei Facebook. Schließlich wurde auch noch Bill Gates hinzugeschaltet, der aus dem Häuschen war: "Mark, du und Priscilla, ihr bereitet den Weg für eine neue Generation von Menschenfreunden." Eine Generation von Freunden mit Firmen, die möglichst wenig Steuern zahlen und den Staaten dieser Welt die Geldmittel entziehen zum Erhalt einer solidarischen Infrastruktur und dann den Philanthropen rauskehren. Den teilnehmenden Journalisten sind vorab die Fragen verboten worden beim der Zuckerbergida-Demonstration, nur Leute des Axel Springer-Verlages durften "Anmerkungen" machen, etwa wie toll es ist, mit Zuckerberg Karaoke zu singen.

*** Eine der Festreden auf Zuckerberg hielt Martin Schulz, der Präsident des Europaparlamentes. Das war eine Bankrotterklärung des europäischen Gedankens, vorgetragen von jemanden, der vor gar nicht so langer Zeit mit Frank Schirrmacher über den technologischen Totalitarismus debattiert hatte. Aber bittschön, auch Bankrotteure haben ein Recht auf Leben und Meinung und dürfen die Innovation eines Mark Zuckerbergs mit der eines Carl Benz vergleichen. Dafür gab es dann Beifall von der deutschen Internet-Koryphäe Geesche Joost. Nicht zu vergessen die FC-Bayern-Quietsche-Ente von Dorothee Bär (CSU), der Auto-Testerin von Auto-Bild. Die Verleihung des Axel Springer Award stand unter dem Motto "Innovation", was etwas arg hoch gegriffen ist für eine Firma, die als studentisches Titten-Bewertungsnetzwerk enstanden ist. Am Ende spielten übrigens nicht Berliner Philharmoniker, sondern nur ein Quartett der Truppe und dann auch noch California Dreaming. Die verzweifelte Suche nach dem Knopf für das Abschalten half nicht. Tags darauf gab es noch ein Townhall-Meeting, ein Bürgergespräch, mit einer deutschen Pressesprecherin, die - was man eigentlich nicht für möglich hielt - noch hysterischer durch die Landschaft hopste als am Vortag, und mit vorgefertigten Fragen wie die vom Hasso-Plattner-Institut. Immerhin: Er. Ist. Weg.

*** Weg ist ein anderer, der im Land der Innovationen wirklich vermisst wird: Peter Lustig hat das Basteln an Unsinnsmaschinen wie Klaus-Dieter eingestellt. Zurück bleibt ein Bauwagen, viele trauernde Heise-Leser und die Erinnerung an eine politisch unkorrekte Zeit, als man im Kinderfernsehen Rotwein trinken durfte und bei einem Dreh mit Ton, Steine, Scherben fürs Fernsehen entdeckt werden konnte.

*** Wieder da ist ein anderer Bekannter, der für 30 Millionen Euro programmierte Staatstrojaner, der unmittelbar vor dem Einsatz stehen soll und die mitlauschende Quellen-Telekommunikationsüberwachung realisiert. Die Firma Syborg hat offenbar als Beraterfirma des zuständigen Bundeskriminalamtes ganze Arbeit geleistet und sich dabei selbst ordentlich aufgehübscht: Man nennt sich nun Cyborg Solutions, vertreibt aber nach wie vor SARS an die deutschen Behörden, ein Programm, dass unverschlüsselte Excel-Tabellen verschickt. Da geht noch was. Überhaupt sind abseits der juristischen Bedenken noch spannende Fragen zum Staatstrojaner offen, etwa die, wie das Programm installiert wird. So einfach wie beim Zoll und seiner ozapftis-Aktion wird es selten gehen, als ein Grenzbeamter mal eben mit dem Laptop eines verdächtigten Amphetamin-Schmugglers in einer "Umkleide" verschwand. Auch dürften die Steuerserver, zu denen die mitgeschnittene und dann verschlüsselte Kommunikation geschickt wird, wohl kaum wie damals in den USA oder Kanada stehen dürfen, sondern müssen schon in der deutschen Cloud versteckt sein. Andernfalls gibt es gute Chancen, das Beweismaterial für unzulässig zu erklären.

*** Apropos abhören: Durch neue Veröffentlichungen von Wikileaks wurde bekannt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahre 2008 bei Telefonaten mit Ban Ki-Moon, Berlusconi und Netanjahu von der NSA abgehört wurde, als der Klimagipfel von Stockholm vor der Tür stand. Das von Wikileaks veröffentlichte Material stammt offenbar aus dem Fundus der Snowden-Dokumente, die sonst über The Intercept veröffentlicht wurden. Vielleicht erhöht Wikileaks die Schlagzahl bei den Veröffentlichungen, um mehr Aufmerksamkeit zu bekommen und das vermarkten zu können: Parallel zu den neuen Dokumenten kündigte man Wikilicense an, eine isländische Firma, die Namens- und Warenzeichen von Wikileaks und Julian Assange vermarkten will. Man denkt an Firmen, deren Waren mit Transparenz und Aufrichtigkeit assoziiert werden können. Wer fühlt sich nicht beim Anblick dieser Schuhe vom Deutschen Dr. Märtens an harte, kernige Kerle erinnert, die etwas einstecken können?

Was wird.

Alles wird gut. Und das geht so: Der Bundesnachrichtendienst überascht kurz vor seinem 60. Geburtstag am 1. April mit einer Nachricht, die leicht als April-Scherz durchgehen könnte. Danach soll der Vize-Präsident des BND den BND kontrollieren, damit dieser nicht wieder Leute wie die EU-Vertreterin Catherine Ashton abhört. Bis zu dieser abartigen Form der Kontrolle kann man sich an einem Dienst erfreuen, dessen Mitarbeiter schon mal die Ländervorwahlen verwechseln. Die an einer abstrusen Weltraumtheorie basteln können und IT-Fachleute haben, die die "Tiefen" eines Abhörsystems wie XKeyscore nicht verstehen und das darum seit Jahren in einem "Probe-Wirkbetrieb" läuft.

Im Zuckerberg-Getöse ging der Auftritt von David Gelernter am Google-Institut in Berlin etwas unter. Schließlich ist die Aufforderung Hört auf, den Computer zu lieben eher Peter-Lustig-Stil, auch wenn sich dahinter schlichte Werbung für das neue Buch von den Gezeiten des Geistes verbarg. Ein Informatiker, der die Tiefen des menschlichen Bewusstsein "vermessen" will und "vogelwild die Philosophie plündernd" gegen die technologische Singularität antritt, das hat was. Womit wir natürlich bei Microsoft gelandet sind, denn bei dieser Firma tritt mit Yuri van Geest ein Vertreter der Singularitäts-Universität auf. Im Vorfeld der CeBIT 2016 soll er für die "digitale Transformation von Unternehmen, Staat und Bildungssystemen" werben und daran erinnern, dass Microsoft auf der CeBIT 2015 ein Memorandum für ein digitales Wirtschaftswunder veröffentlicht hatte. Doch was sind schon Wunder? Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist bekanntlich nicht von Magie zu unterscheiden.

"Ich bin gebaut, für alle Arten von Weltraumtätigkeit, und ich kann selbständig oder mit Fernsteuerung arbeiten. Ich besitze genug eingebaute Intelligenz, um mit gewöhnlichen Hindernissen fertig zu werden und einfach Notsituationen zu bewerten. Meine derzeitige Aufgabe: Überwachung von Projekt Morpheus."

So sprach Hal 9000 als er noch Sokrates hieß, wie im Manuskript zu lesen. Tja, gestern war die Zukunft heute. Aber gemach: bald werden sie aufbrechen und uns unserem Müll draußen und in den Köpfen überlassen.

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Freiheit, was ist das schon, wenn man sich stattdessen gemütlich hinter Stacheldraht einkuscheln kann. Hal Faber aber wird angesichts der Orbans und Seehofers dieser Welt wütend. Und erfreut sich an etwas seltsamer Historie.

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Frei zu sein bedeutet nicht nur, seine eigenen Fesseln zu lösen, sondern ein Leben zu führen, das auch die Freiheit anderer respektiert und fördert." (Nelson Mandela) Den Orbans und Seehofers und Trumps dieser Welt ins Stammbuch geschrieben. Und den Pegida-Schreiern, die von der Welt noch so wenig gesehen haben, dass sie Freiheit nicht einmal buchstabieren können. Ebenso den Abmahnanwälten, die sich auch für nichts zu schade sind.

*** Tja, genau, was es nicht alles gibt. In dieser Woche habe ich gelernt, dass konstruktiver Journalismus der neueste Schrei ist. Er geht genauso wie diese Aufforderung zur "konstruktiven Kritik", mit der mich meine Lehrer in der Schule terrorisierten oder die Recep Tayyip Erdogan von türkischen Journalisten einfordert. Der neueste Schrei, ähem, der konstruktive Journalismus wird offenbar von Leuten betrieben, die beim "Aufzeigen von Lösungen" sich grafisch an das "Deutsche Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit" anlehnen. Ich glaube nicht, dass diese kleine Wochenschau konstruktiven Journalismus betreiben kann. Schließlich sind wir Journalisten nach einer hübschen Gemeinheit von Karl Kraus immer diejenigen, die nachher alles vorher gewusst haben. Da halte ich mich lieber an die Historiker, diese rückwärts gekehrten Propheten (nach einem Kompliment von Karl Kraus). Denn diese verkünden ungemein konstruktiv, dass man 1968 vergessen sollte und 1956 der heiße Schrei ist.

*** 1956 landete Fidel Castro auf Kuba und Nelson Mandela im Gefängnis, im Treason Trial. Das ist eine glasklare historische Kausalität, und wenn man noch die in dieser Wochenschau bereits erwähnten Aktionen von Chruschtschow hinzurechnet, ist alles gorillaglasklar. 1956 ist das neue 1789, mindestens. Die Beweise sind erdrückend: Im Januar 1956 wurde beispielsweise bei der Allianz-Versicherung der erste IBM-Computer in Europa eingeschaltet, ein IBM 650, der meistverkaufte Computer seiner Zeit. Ja, auch der Z 11 ist ein 1956er, wenngleich von der nicht so erfolgreichen Sorte. Noch ein Indiz gefällig? Genau, "brennend heißer Wüstensand" ist das Stichwort und Freddy Quinns Superhit Heimweh die Antwort. 1956 nationalisierte Ägypten den Suez-Kanal und machte sich daran, zusammen mit Syrien die Vereinigete Arabische Republik zu gründen, woraufhin sich der Iran und Jordanien zu einem eigenen Pan-Arabien zusammenfanden. Die syrische Katastrophe von heute hat eine Vorgeschichte .... und viele unverhoffte Nebeneffekte.

*** Hach, dieses 1956 hat es wirklich in sich: Genau heute vor 60 Jahren verabschiedete der Bundestag das 2. Wehrergänzungsgesetz und das Soldatengesetz. Wenig später verabschiedeten die Parlamentarier, dass die neue deutsche Armee ab dem 1. April "Bundeswehr" heißen sollte, außerdem bekam Deutschland ein Wehrpflichtgesetz für Männer. Man war wieder wer mit einer ordentlichen Wehr, auch wenn das in Ostdeutschland gar nicht gerne gesehen wurde und das "Neue Deutschland" von einer "Diktaurvollmacht Adenauers" schrieb. Augen Geradeaus! Das unscheinbare Datum schrieb auch deutsche IT-Geschichte, denn inmitten der allgemeinen Aufrüstung gelangte ein Pöstchen namens "Rechentechnik" in den Verteidigungshaushalt der BRD, dotiert mit 50 Millionen DM. Computer und Krieg sind unzertrennlich. Von den 50 Millionen gingen 27 Millionen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die das Geld an AEG-Telefunken und Siemens-Halske zur Lieferung von "Rechen-Großgeräten" weiterreichte: Die Zeit der universitären Basteleien mit der "Programmierbare Elektronische Rechenanlage München" oder der Göttingen 1 und 2 war vorbei, jetzt sollte die deutsche Industrie zeigen, was sie bauen konnte. So entstand die Siemens 2002 und später der TR 4.

* Ein Blick in die Geschichte der Bundeswehr zeigt, dass diese bereits im Schicksalsjahr 1956 im Juli an einem NATO-Manöver teilnahm, das im Raum Göttingen den Kampf gegen die Armeen des Ostblocks probte. 60 Jahre später ist das Blockdenken der NATO-Hardliner wieder hochmodern. Die eine oder andere Desinformation wird gestreut und das Putin-Verstehen für Fortgeschrittene bleibt auf die USA beschränkt. Was bei der NATO so passiert, wenn ein Nerd versucht, auf unsichere Passworte aufmerksam zu machen, gibt zu denken. Sieben Jahre Gefängnis wegen des Verrates von Staatsgeheimnissen, bei dem selbst das Urteil zum Staatsgeheimnis erklärt wird, damit eine Revision nicht möglich ist, so sieht das Lehrstück aus, wie Störenfriede mundtot gemacht werden. Übrigens mit tatkräftiger Hilfe durch Journalisten, die für den BND arbeiten und von Spähangriffen hochbezahlter Meisterspione fantasieren.

*** Bleiben wir doch im Wirtschaftswunderjahr 1956, wo das fröhliche, unbeschwerte Konsumieren oberste Bürgerpflicht war. In Nürnberg nahm das Informatik-System Quelle seinen Dienst in der "Paketfabrik" auf – und verhinderte ganz nebenbei, dass sich die neue Wissenschaft von der Informatik auch Informatik nennen konnte. In Abgrenzung von der Kybernetik, die Benzedrin- und Pervitin-süchtige Großtheoretiker entwickelten, sollte die Informatik als Ingenieursdisziplin bescheidener daherkommen. Hier hat sich in 60 Jahren doch viel getan, wie an dem aktuellen Brandruf der CCC-Sprecherin Constanze Kurz zu erkennen ist. Sie wünscht sich, dass Informatiker jetzt als öffentliche Intellektuelle auftreten, gar eine "neue Reflexionselite" stellen sollen. Also wortgewaltige IT-Habermase, die sich dem wohlfeilen Gerede vom Internet der Dinge widersetzen und sich nicht in den akademischen Kapitalismus fügen, der die abgehalfterte Soziologie als prekärer Beruf heute prägt.

*** Zu dumm aber auch, dass die gepriesenen Informatiker nicht den Mund aufmachen wie Émile Zola, sondern sich mit "myopischen Forschungsthemen" wie der klinischen Datenintelligenz beschäftigen. Folgt man der Stimme der deutschen Informatik, so ist die Schule daran schuld, weil sie Kinder nicht mit dem Bayduino spielen lässt. Ganz anders sieht das laut Kurz in Großbritannien aus, von wo aus bald eine Welle blendender Informatiker zu uns rüberschwappt, die obendrein als wache Intellektuelle den Massenprotest gegen das dortige Überwachungsgesetz anführen. Zum dumm nur, dass die große British Computer Society zur IP-Bill schweigt wie ein Plumpudding. Wenn überhaupt, dann äußern sich IT-Outsider wie Ross Anderson, der auch in der Lage ist, die Verdienste von Edward Snowden zu würdigen.

*** Ach ja, es geht voran, Geschichte wird gemacht. 1956 war das Jahr der beiden Aufnahmesessions, in denen das erste Quintett von Miles Davis zu ungeahnter Form auflief und vier klassische Jazz-Alben produzierte: "Cookin'...", "Relaxin'...", "Steamin'..." und "Working' with the Miles Davis Quintet". Ach ja. Eine ganz andere Form von Heimweh.

Was wird.

Konstruktiv kritisch schweift der Blick des Journalisten in die strahlende Zukunft, die auch nur ein handlicher Wochenkalender ist. Im lieblichen Hannover steht die CeBIT an und verbreitet bereits im Vorfeld viel feinen Fug mit Themen wie der D!conomy, mit D! wie Digitalisierung. Auch die "Datenklau-Verhinderungskunde" ist mit von der Partie, wobei dieser Übersetzungsvorschlag für Kryptologie im "Wörterbuch Fremd-Deutsch" etwas problematisch ist, denn sehr wohl können verschlüsselte Daten geklaut werden. Nur die Entschlüsselung kann verhindert werden, auf das man niemals erfahren kann, ob so ein iPhone einen gefährlichen schlafenden Cyber-Erreger enthält, ein Cyber-Pathogen, das hastunichtgesehen ganze Städte d!ahinrafft.

Sogar einen echten Stapellauf wird es auf der CeBIT geben, verrät uns das Programm der Cyber Global Conferences. Allerdings wird kein Schiff ins Wasser gelassen, sondern die eierlegende Wollmilchsau der Verschlüsselung präsentiert, die offenbar Eier, Wolle, Milch und Kotelett vor unberechtigtem Zugriff einschließt. Angeblich soll das Wort aus der Sprache der Bundeswehr-Soldaten kommen und seit 1959 belegbar sein, womit ein leichter Bezug zu 1956 gegeben ist. Die Zukunft ist auch mit von der Partie, denn da sind ja diese Cyber-Pathogene, die vom Tarnfleck im Cyberraum bekämpft wird. Ich freue mich schon auf den taffen EiLegWoMilSauInf, den Eierlegendenwollmilchsau-Infanteristen mit der dreifach gekordelten Maus am Halfter und dem zackig gebrüllten "Alt F4!!".

Quelle : www.heise.de

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