Autor Thema: Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)  (Gelesen 125478 mal)

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #315 am: 05 Dezember, 2010, 03:05 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Information wants to be free and Code wants to be wrong." Das ist kein Witz, sondern die Passphrase zum Verständnis unseres Alltags. Inmitten von schrottreif designter Elektronik und miserabel programmierter Software lebt es sich blendend, weil es immer etwas zu berichten gibt. Meistens bleibt es ja bei einem harmlosen "Information wants to be free", obwohl Stewart Brand den Satz auf einer der ersten Hackerkonferenzen in einen wichtigen Kontext stellte:

"On the one hand information wants to be expensive, because it's so valuable. The right information in the right place just changes your life. On the other hand, information wants to be free, because the cost of getting it out is getting lower and lower all the time. So you have these two fighting against each other."

Ohne teure, abgeschottete Information kann es keine freie Information geben, ohne Computer für alle auch nicht. In den USA eröffnet das Computer History Museum bald seine Ausstellung unter dem nachdenklich stimmenden Slogan "Revolution: The First 2000 Years of Computing": Nochmal 2000 Jahre werden wir nicht haben, den Murks zu korrigieren. Denn die Entwicklung hat nicht mit IBM begonnen und endete nicht mit der M9, die in dieser Woche gefeiert wurden. Wer, wenn nicht Steve Wozniak mit seinem großen Ego, kann die Fehlentwicklung auf den Punkt bringen:

"I didn't design this computer to make a lot of money and start a company. I wanted to accelerate the world advancement in the social revolution."

*** Nun hat der Stresstest in der schönen heilen Welt der Wissensarbeiter begonnen. Wikileaks hat nach Kriegsvideos und Kriegsberichten damit begonnen, Informationen zu veröffentlichen, die niemals frei sein wollten. Informationen, die bestätigen, was wir aus ungezählten Romanen gelernt haben: dass Politiker lügen, dass stolze Bayern unberechenbare Querköpfe sind und dass Militär und Diplomatenkorps Teil ein und derselben Kriegsmaschinerie sind.

*** Sofort wurde die Maschinerie aktiv, wurde in den USA das Verbot für Regierungsangestellte und Vertragsnehmer erlassen, Wikileaks aufzusuchen. Denn in der Logik der Macht sind diese Informationen nach wie vor als Geheim klassifiziert. Nur die entsprechend geprüften Geheimnisträger können sich frei im Internet bewegen. Auf Wikileaks hat Amazon reagiert und kurzerhand alles Gerede von den Segnungen des Cloud Computing als Unfug enttarnt. Wer jetzt nicht Zweifel an der Cloud hat, hat keinen Verstand mehr, dem er sich bedienen kann, um die Marktinteressen der Cloudanbieter zu analysieren. Nach Amzon zog EveryDNS den Stöpsel, danach PayPal. Alle drei fanden flugs passende Passagen in ihren Geschäftsbedingungen, damit der Infrastruktur-Krieg mit einem legalen Mäntelchen drapiert werden konnte. So enthüllt der Stresstest, dass "Terms of Service" im Informationskrieg immer auch "Terms of War" sind.

*** Informationen wollen frei sein und frei gesetzte Informationen lassen sich nicht wieder einfangen. Ebenso verdächtig wie die unsäglichen amerikanischen Appelle, Wikileaks plattzumachen, ist das Gejammer der Wikileaks-Aktivisten über ihre hier und da abgedrehte Web-Präsenz. Als ob es keine Angebote wie Cablesearch oder Statelogs geben würde, die bestens die Korruption in Afghanistan und andere Dinge dokumentieren. Sie erfüllen bestens die wahnwitzigen Vorstellungen einer Hacker-Ethik, der Datenfreiheit über alles geht. Gäbe es wirklich diese Hacker-Ethik, dann müssten die US-Depeschen unredigiert im Netz zu finden sein, dann wären die Wikileaks-Aktivisten Feiglinge und all jene, die den "Gegenverschwörer" Assange unterstützten, mindestens Idioten, die nicht merken, dass die von Wikileaks "geschwärzten" Namen für eine kleine Erpressung gut sind. Abseits der gedankenlos beschworenen Hacker-Ethik sollte man sich einmal Gedanken darüber machen, ob es teils verschlüsselte Dokumente geben kann. Vielleicht hört dann auch der Unsinn auf, Wikileaks als die gefährlichste Website der Welt zu bezeichnen und Hacker als kleine Götter mit einem sozialen Hau zu porträtieren.

*** Im Informationskrieg ist nicht so sehr die Rolle der amerikanischen Außenministerin erstaunlich, sondern die lahme Reaktion von Präsident Obama. Der, in seinem Wahlkampf mit Abstand der weltbeste Blackberry-Benutzer, hat gegenüber seinen eigenen Informationsbeschaffern den Krieg verloren, als er seinen Blackberry unter die Aufsicht von Spion&Spion stellte. Im Sinne der Leakonomy und dem Gedröhn ist Obama eine lahme Ente, die 90 Milliarden Dollar für einen Geheimdienst ausgibt, der sich im Falle der chinesischen Kampfjets genauso schwer geirrt hat wie offenbar bei den Urananreicherungsanlagen von Nordkorea, was die US-Depeschen belegen sollen. So kommt zu den üblichen Verdächtigen, zu Israel und den USA nun ausgerechnet China auf die Liste möglicher Stuxnet-Produzenten. Sehen wir die Morgenröte eines neuen Krieges, der nicht gerechtfertigt zu werden braucht? Das Aurora-Experiment lässt grüßen.

Was wird.

Zarte Morgenröte über Dresden, wo dieser Tage ein Teil der deutschen Regierung die IT-Industrie umgarnt und umgekehrt. Der 5. nationale IT-Gipfel tagt und diskutiert hübsche Sachen wie "Cool Silicon" und Vertrauen im Internet. Man guckt vom Bitkom prämierte Filme zur digitalen Identität 2020, wenn Schule einfach nur geil ist und man verabschiedet ein neues Strategiepapier Deutschland Digital 2015. Während an der Elbe noch aufgebaut wird, spülen sie schon im IT-Gipfelblog die Reste-Interviews hinunter. Am Dienstag sollen dort die 20 besten Blogger Deutschlands gleichzeitig vom Gipfel berichten. Gleich nach dem Abstieg aus diesen schwindelnden Höhen, beginnt das besinnungslose Weihnachten: Jeder siebte Deutsche will für das Fest Spiele-Software kaufen. Vorbei die Zeiten, in denen liebevoll mit Lego seziert wurde oder die Eisenbahn durchs Wohnzimmer fuhr. Nun muss Junior Trainz ran und World Of Warcraft.

Große Aufregung in der Blogosphäre über den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag für 2011, nach dem Web-Angebote mit einer vermeintlich freiwilligen Alterskennzeichnung versehen werden sollen. Kinder von 6 bis 80 Jahren kann man auch mit einem ordentlichen deutschen Schachtelsatz vom WWWW abhalten. Gott ist tot, schrieb Kant aus Kinderschutzgründen und um seinen Diener Lampe nicht zu verdrießen, so:

"Wenn der Weltbau mit aller Ordnung und Schönheit nur eine Wirkung der ihren allgemeinen Bewegungsgesetzen überlassenen Materie ist, wenn die blinde Mechanik der Naturkräfte sich aus dem Chaos so herrlich zu entwickeln weiß und zu solcher Vollkommenheit von selber gelangt: so ist der Beweis des göttlichen Urhebers, den man aus dem Anblicke der Schönheit des Weltgebäudes zieht, völlig entkräftet, die Natur ist sich selbst genugsam, die göttliche Regierung ist unnöthig, Epikur lebt mitten im Christenthume wieder auf, und eine unheilige Weltweisheit tritt den Glauben unter die Füße, welcher ihr ein helles Licht darreicht, sie zu erleuchten."

Nun bringt es der Kunstweltbau mit sich, dass nächste Woche der Kataklysmus beginnt. Wenn der Nikolaus mit seinen verdächtigem Sack verschwunden ist, geht es zu Mitternacht los mit dem Plattmachen von Dungeons. Mit dem neuen Abenteuer wird der Jugendschutz ad absurdum geführt, weil das Spielprogramm mit einem Subprogramm zur Förderung der Onlinesucht ausgebaut wurde. Erstmals gibt es Dinge, die man nur durch den Aufstieg in einer Gilde bekommen kann. Also muss man viel spielen und dem sozialen Druck in einer Gilde begegnen, weil man die Gilde selbst durch fehlende Online-Zeit sonst am Erreichen der Prämien behindert. Mit der alles zerstörenden Katastophe bekommt die Debatte um Online-Sucht von Kindern neuen Stoff, der das Gerede vom Jugendmedienschutz entlarvt. "Man weiß über die menschliche Natur nur das eine mit Sicherheit, dass sie sich verändert", meinte schon der große Oscar Wilde, und strafte damit all das Gerede von der Unmöglichkeit des menschlichen Denkens in der digitalen Welt Lügen, bevor es überhaupt aufkam.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #316 am: 12 Dezember, 2010, 00:03 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wikileaks und kein Ende. Passenderweise könnte neben dem neuen Channel Mac & I locker ein Leakkanal auf Sendung gehen, mit einer Klatschspalte über Assange und die Frauen. Es gibt genug zu berichten, denn mit Wikileaks verwirbeln sich die Fronten gehörig. "Die US-Politik ist ab sofort in ihrer Forderung nach totaler Freizügigkeit im World Wide Web unglaubwürdig." Das schreibt der Behörden Spiegel, ein konservatives Blatt für den öffentlichen Dienst in seiner aktuellen Ausgabe in einem Leitartikel, der auch die Illusionen des Cloud Computing nach dem "digitalen Gehorsam" von Amazon beerdigt und eine nationale Private Cloud fordert. Auf der anderen Seite die ergraute, grünkonservative tageszeitung, die in tiefe Depression versinkt und das unter dem Titel "The revolution will not be downloaded" verkündet.

*** Gegen diese einfach gestrickten Ansichten ist es vielleicht ganz nützlich, einen nostalgischen Blick zurück in die "Jugendjahre der Netzkritik" zu werfen und das nicht nur, weil der deutsche Arm passend zum Packetbombenfest einen ganz wunderbaren Essay-Band kritischer Gedanken zum Web 1.0 herausgebracht hat. Erinnert sei daran, dass von dieser Seite aus zunächst in zehn, später in 12 Thesen die erste fundierte Kritik an Wikileaks formuliert wurde, noch vor dem Ausstieg einiger Aktivisten. Auf diese Thesen gibt es nach den Erfahrungen dieser Woche sechs Anti-Thesen, die bei näherem Hinsehen eher eine Ergänzung sind. Wo sich gerade der Rauch der Low Orbit Ion Cannons langsam verzieht und die Attacken gegen Mastercard, Visa und andere vermeintliche Gegner von Wikileaks eingestellt sind, stellt sich die Frage, ob hier wirklich überwiegend Skript-Kiddies am Werk sind. Kann es denn sein, um mit These 5 zu beginnen, dass ein neuer Sozialisationstyp die Szene betritt, die Werkzeuge virtuos bedient und dabei – anders als Skript-Kiddies und die echten Hacker um 2600 – ein politisches Bewusstsein hat? Oder passt zum blauen Auge, das "Anonymous" den Web-Präsenzen der "Verräter" verpasste, eine große Portion Blauäugigkeit, dies als zivilen Widerstand einzuordnen?

*** Die Gegenthesen erwähnen Hakim Bey und den ontologischen Anarchismus seiner temporären autonomen Zonen irgendwo in der Nähe von Croatanischen Paradiesen. Vielleicht muss man nicht unbedingt in dieser Guerilla-Romantik versacken, aber wenn dieser Rückblick in die Anfänge von 1.0 reicht, dann muss noch einmal das crypto-anarchistische Manifest des Cyphernomicon ausgepackt werden, meinetwegen auch das romantische "Holocaust Education and Avoidance Pod" (HEAP) im Cryptonomicon von Neal Stephenson. Der empfindlichste Punkt, an dem Wikileaks bisher getroffen wurde, war die Möglichkeit, über PayPal das Projekt mit Spenden zu unterstützen. Mittlerweile sorgt ein wackerer Schweizer dafür, dass Gelder fließen, aber ein weltweit von allen Banken durchgehaltenes Wikileaks-Embargo ist in seiner schlicht kapitalistischen Grausamkeit nicht vom Tisch: Immerhin hat Julian Assange angekündigt, dass als nächstes die Machenschaften einer US-Großbank enttarnt werden sollen.

*** Wirklich anonymes, niemals nachverfolgbares digitales Geld, das sicher verschlüsselt flottieren kann, ist die erste Voraussetzung für ein anonymes System, das "die Wahrheit" ungeschminkt veröffentlicht, heißt es im Cyphernomicom gleich mehrfach. David Chaum, der Erfinder dieser Form von Digital Cash, wird als Garant der Crypto-Anarchie bezeichnet. Schließlich konzipierte Chaum neben dem anonymen Geld ein System von Remailern, über die das Geld, aber auch vertrauliche Nachrichten einer verschworenen Gemeinschaft fließen sollte. Bekanntlich gehörte seine Firma Digicash zu den Startups, das früh die Segel streichen musste. Es gibt die Lesart vom Digicrash und einem misstrauischen Chaum, der die hoffenden Hacker bitter enttäuschte. Die andere Variante besagt, dass Chaum an den Ansprüchen der Deutschen Bank scheiterte, eine Hintertür in sein System einzubauen, dass die Prüfung auf Geldwäscheverdacht hin ermöglichen sollte. Die verschlüsselte Mailingliste der Cypherpunker und die Absicht, Digital Cash mit dem Free Speech Amendment und Free Speech mit dem Hinweis auf Digital Cash zu schützen, krepierte ... und inspirierte die nächste Generation um Julian Assange. Die Ideen von Chaum finden sich in der Hackerfibel Underground, die von der iX gelobt wurde.

*** Nun sitzt Assange in Haft im echten Frontline Club von England, in dem Gefängnis, das schon Oscar Wilde begrüßen konnte. Seine Auslieferung ist ein Fall für juristische Halsspaltereien zum europäischen Haftbefehl. Die USA versuchen bei dieser Auslieferung eine aparten Angriff aus der Mitte, die stinkt wie Surströmming. Aus dem Vorwurf der minder schweren Vergewaltigung durch einen ungeschützten Geschlechtsverkehr ist mittlerweile eine Vergewaltigung im Schlaf geworden. Getreu den seit Immanuel Goldstein bekannten Prinzip hat der nächste Blitzableiter seinen Dienst angetreten. Gewöhnen wir uns an den Namen Kristinn Hrafnsson, ohne seine Kondome zu zählen.

*** Den bemerkenswertesten Satz zu Wikileaks hat in dieser Woche ein deutscher Minister gesprochen, zuerst in einer Gipfelrede, dann auf der anschließenden Pressekonferenz, als er versuchte, seine Ansicht über Wikileaks und diesem USA-DDR-Vergleich zu entschärfen:

"Also um das ganz klar zu stellen, es handelt sich um Sammeln von Informationen, und es ist immer ein Unterschied, ob das bei einer demokratisch kontrollierten, gewählten Regierung geschieht oder bei einer Diktatur. Insofern ist das in dem Punkt nicht vergleichbar, aber bei mir löst das Unbehagen aus, wenn man so viel sammelt dabei. Das wollte ich damit ausdrücken. Vielleicht ist der Vergleich etwas überpointiert und kann, wenn man ihn nicht richtig wertet, missverstanden werden."

OK, ein Brüderle ist kein Baum von der Deutschen Grundrechtsrettungsgesellschaft, sondern eher ein schwäbisches Obstgewächs, das mal hier, mal dorthin wächst. Aber Minister Brüderle ist Mitglied der FDP, einer Partei, die ausweislich der von Wikileaks veröffentlichten US-Depeschen einen Maulwurf, ähem, ein Robbenbaby direkt im Büro von FDP-Chef Westerwelle hatte. Die FDP ist außerdem eine der letzten Bastionen, die bei der Vorratsdatenspeicherung skeptisch ist, Wikileaks nüchterner beurteilt und keine Bundessuperpolizei will. Sie ist andererseits die Partei, die nach einem Koalitionsvertrag die elektronische Gesundheitskarte einer kritischen Prüfung unterziehen wollte und selbige nun ohne Prüfung mit Zwang einführen will. Wo ist der nächste Maulwurf, das Robbenbaby oder das Singvögelchen, dass uns über das Gesundheitsrisiko aufklärt, dass diese Partei eingeht? OK, wir sind hier nicht in Nigeria, aber die Frage bleibt im Raum.

*** Ach, der IT-Gipfel. Zu seinen Kuriositäten gehörte es, dass ein Login auf staatliche estnische Web-Angebote mit dem neuen Personalausweis gezeigt wurde, der nahezu nicht lieferbar ist. Oder der dann, wenn er kommt, offenbar Chips enthält, die nicht ausgelesen werden können und daher als "leer" bezeichnet werden. Noch seltsamer ist die Geschichte mit der entdeckten Sicherheitslücke, die vom Projektleiter als inszenierte Sache dargestellt wurde. Nur mal so: Die Sicherheitslücke steckte in der Update-Funktion der "AusweisApp". Diese Update-Funktion war in den Anwendungstests des kommenden Ausweises überhaupt nicht enthalten und wurde erst am 1.11. freigeschaltet. Inzwischen sind in dieser Woche dank einer Zeitung der Konkurrenz die berühmt-berüchtigten Basisleser im Computervolk verteilt worden. Wer will, kann sich mit einem lustigenHacker-Video die Zeit vertreiben, bis Anfang Januar die wichtige AusweisApp freigeschaltet wird, ohne die absolut nichts geht. Danach kommt übrigens im nächsten Jahr, ebenfalls von der Bundesdruckerei produziert, der elektronische Aufenthaltstitel (EAT). Er ähnelt optisch sehr dem schicken Personalausweis-Kärtchen und kann auch "eID". Doch der Fingerabdruck, der bei deutschen Ausweisen optional ist, wird beim EAT zur Pflicht. Irgendwie muss man die doch ordentlich unterscheiden können, diese Ausländer.

Was wird.

Doch halt! Vor diesem Datum startet noch manch andere Kuriositäten-Show. Unter anderem ein Prozess vor dem Landgericht Köln, in dem die De-Mail-Fraktion die Deutsche Post verklagt, weil diese ihren Postident-Service für De-Mail-Kunden sperrt, um ihren eigenen E-Postbrief zu schützen. Auch dieser Streit wurde auf dem IT-Gipfel in Dresden diskutiert, mit amüsierten Kommentaren auch zum zügigen Abschluss. Dass beide Ansätze Kokolores sind, wissen halt die Menschen, die mit IT-gesteuerten Prozessketten vertraut sind. Der erste Bürger, der gegen einen mit De-Mail oder e-Post zugestellten Gebührenbescheid einen Einspruch einlegt, der der Schriftform bedarf, wird merken, wohin der Hase humpelt.

Noch vor dem Showdown im Cologne-Corral ist Wikileaks wieder auf der Agenda. Am Montag geht Openleaks an den Start. Man darf gespannt sein, ob es anders gehen kann als mit der großen Wikileaks-Show. In einem sehr wichtigen Punkt hat Daniel Domscheit-Berg allerdings recht: Die Entscheidung von Wikileaks, die US-Depeschen tröpfchenweise den "bevorzugten Medienpartnern" zukommen zu lassen, widerspricht klar den Prinzipien von Wikileaks. Das zeigen schon die Fälle, in denen verschiedene Fakes die Runde machen. In diesem Sinne gröhlt der Weihnachtsmann Schafft zwei, drei, viele Vietnam!. Oder, um das mal vom Kopf auf die Füße zu stellen: "The revolution will not be televised, the revolution will be live ...".

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #317 am: 19 Dezember, 2010, 08:19 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ach, ein bisschen Sambaria hilft, beim elenden Weihnachtsgetümmel in der Innenstadt die Laune zu heben. Und weckt die Hoffnung, dass tatsächlich irgendwann mal wieder Sommer wird. Derweil funkelt er immer noch prächtig, der Schnee auf der norddeutschen Tiefebene. Sauber sieht sie aus. Selbst der Gestank aus den Mastställen ist in der hyperboreischen Kälte erträglich geworden – oder ist dies eine Illusion wie die Rede von der sauberen Landwirtschaft und von der sauberen Landwirtschaftsministerin der Tiefebene, die nach einem Petaleak als Lobbyistin der Billigfleischindustrie gehen musste? Still schaufeln die Wutbürger an ihren Schneehaufen, nur selten ist ein Schneemerkel zu sehen, als Erinnerung an den Krieg in Afghanistan. It's a war, right. Dort werden unsere Handelswege durch den Hindukusch verteidigt, von dort kommt angeblich die Losung Klappe halten, Gehirn ausschalten. Keine Fragen stellen, warum nach acht Jahren die Mehrheit der Deutschen diesen Unsinn satt hat. Klappe halten und einfach mal die US-Depeschen über Afghanistan lesen, die Wikileaks veröffentlicht hat. Im Gegensatz zu dem, was die uniformierten Vögel zwitschern, sind die Amerikaner selbst abseits aller Leaks erstaunlich offen über die Situation, wenn sie mit Bloggern sprechen.

*** Wutbürger statt Hamburger, Mark Zuckerberg statt Julian Assange, der Deutschland-Import Sandra Bullock statt Kate Middleton: Das Jahr geht zu Ende, die Riten setzen ein, Updates für Tubewürger inklusive. Über Zuckerberg und Assange haben Heise-Forumsleser alles gesagt, bleibt nur eine Ehrung nachzutragen, die das dank Wikileaks so schwer gebeutelte US-Außenministerium der Firma des Jahres um den Hals hängt. Dass Hilary Clinton ausgerechnet Cisco auszeichnet und davon schwärmt, wie diese Firma demokratische Werte in der Welt verbreitet, ist ein kleiner Lacher wert, in Anbetracht des kleinen Leaks zum großen goldenen Schild. Der nächste Preis geht bestimmt an BP für die tröpfchenweise Ausbreitung öliger Werte oder an Blackwater für die Vermittlung ethischer Standards im Irak unter besonderer Berücksichtigung des Schnellfeuers.

*** Und bei uns? Wie wäre es mit dem European Newspaper Award, der für diese Infografik (PDF-Datei) aus dem Ruhrgebiet an den Bauer-Konzern vergeben wurde, mit einem Blick auf ein unscheinbares Kästchen links unten? Die Volten der blondgelockten Politik beim Streit um die Hartz IV-Reform müssten eigentlich die zu Wutbürgern machen, für die die Reform durch das Verfassungsgericht verordnet war. 2,3 Millionen Kinder auf die Barrikaden, denn was abseits der Politik mit Gutscheinen und Bildungschips gebastelt wird, wird von der Realität locker überholt. So hat am diesem Wochenende der Zahlungslauf der Arbeitsagentur für das neue Jahr begonnen, in dem sich zunächst nichts ändern wird für die Förderbürger und die Forderbürgerkinder und die organisierte Nachhilfe. Das Schulessen ist vorerst gestrichen. Sind so kleine Hände, sollen sie halt popeln.

*** Dann war da noch ein neuer Jugendmedienschutz, der zum neuen Jahr greifen sollte. Nur ein sauberes Deutschland ist bekanntlich ein gutes Deutschland. Nur 4chanfrei geförderte deutsche Kinder haben eine Chance, ihre deutsche Sexualität unbelastet zu entdecken. Erinnert sei an das Schmutz- und Schundgesetz, das vor genau 84 Jahren am 18.12.1926 eingeführt wurde, die Schundliteratur einzudämmen. Ja, Schundliteratur, all die Abenteuer- und Groschenhefte, die lange vor den MMORPG dann nachgespielt wurden. Im Jahre 1912 klingt das nicht sehr viel anders als beim Gerede über die Ego-Shooter anno 2010: "Neuerdings hat sich wieder mehrfach gezeigt, daß durch die Abenteurer-, Gauner- und Schmutzgeschichten, wie sie namentlich auch in einzelnen illustrierten Zeitschriften verbreitet werden, die Phantasie verdorben und das sittliche Empfinden und Wollen derart verwirrt worden ist, daß sich die jugendlichen Leser zu schlechten und selbst gerichtlich strafbaren Handlungen haben hinreißen lassen." Ab 1926 wurde der Schund von zwei Schundprüfkammer gesichtet und weiter gelesen. Wie Tucholsky richtig erkannte, entstand eine Spielwiese der Verstopften und Verdrückten, "ein einziger Schrei der Denunziation".

*** Das Schund-Gesetz galt bis 1935, dann wurde es aufgehoben: "Mit der Errichtung der so genannten Reichsschrifttumskammer in der Zeit des Nationalsozialismus verfügten die Machthaber über eine wirksame Institution zur Kontrolle des in Deutschland veröffentlichten Schrifttums. Für eine besondere Indizierung jugendgefährdender Werke bestand keine Notwendigkeit mehr." Der Umbau vom Internet zum Volksnetz für Deutsche mit Webtumskammer für die Schundzensur muss nun im "Diskurs mit der Netzgemeinde" neu ausgehandelt werden. Ich würde schon das Wort "Netzgemeinde" mit einer Jugendsperre nicht unter 80 Jahren belegen wollen. Wer da nicht mitmacht, wer Feindsender hört, weil er nicht die Klappe halten will, sondern Informationen braucht, dem wird im Namen eines albernen Jugendschutzes gedroht: "Basierend auf den derzeitigen rechtlichen Grundlagen werden die Jugendschutzbehörden Sperrverfügungen erlassen", tönt Kurt Beck. Beck und Bild haben mehr gemein als Namen mit vier Buchstaben. Wenn dann noch aus der geplanten regulierten Selbsregulierung des Jugendmedienschutzstaatsvertrag eine "koregulierte Selbstregulierung" wird, bleibt die Erkenntniss, dass eine Pfälzer Leberwurst lecker und grau ist, während ein Pfälzer Ministerpräsident als beleidigte Leberwurst beides nicht ist. Eine innere Sperrverfügung hat hier etwas gelöscht.

*** Ach ja, Schmutz und Schund raus aus dem Netz, ja, alles nur zu unserem Besten, niemand hat die Absicht, eine Mauer ... äh, Zensur zu üben. Meines Wissens gehört Jean Genet allerdings in einigen Schulen zu der Literatur, die auch im Unterricht behandelt wird. Im Internet allerdings dürfte er eigentlich für die meisten Schüler nicht nachzulesen sein, nimmt man auch den bereits gültigen Jugendmedienschutzstaatsvertrag ernst, der nach gescheiterter Novellierung gültig bleibt. Die Schriften und Filme Jean Genets, der heute vor 100 Jahren geboren wurde, nur für diejenigen aus der ominösen Netzgemeinde, die mindestens und nachgewiesenermaßen 18 Jahre alt sind. Oder aber die Schriften und Filme Jean Genets, den Sartre als "Saint Genet, Komödiant und Märtyrer" charekterisierte, erst ab 22 Uhr online. Kein chant d'amour für Jugendliche in dieser Republik. Die müssen alle um 21 Uhr ins Bett. Alleine.

*** Auf ein Neues! Wenn schundliterarisch gesprochen die Regulatoren von Arkansas ähem Steinfeldbach wieder reiten und den "Diskurs mit der Netzgemeinde" von ihren Rössern bestreiten, wird ein neuer Bekannter dabeisein. Unser toller Personalausweis mit seiner datensparsamen Altersverifikation wird brave, familienbewusst surfende Kinder schon davon abhalten, Schund und Sexseiten zu besuchen. Notfalls bilden Fremdsprachenkenntnisse die nötige Barriere vor Schundgeschichten über Sex im Halbschlaf, nach dem Brötchenholen beim Wutbäcker. Wenn dann Zappa & Beefheart The Torture Never Stops spielen, kann man sich beruhigt zurücklegen. Oder traurig. Der Käptn hat die Brücke verlassen, seine Odyssee geht anderswo weiter. Von dem Bisschen, was in meinem Land verfügbar ist: Electricity. Nein, es geht nicht um Laptop-abhängige Infojunkies, die eine Dose für ihren Schuss suchen: "High voltage man kisses night to bring the light to those who need to hide their shadow deed ..."

Was wird.

Oje. Das Lametta-WWWW naht. Für alle Menschen, die nicht diverse höhere Wesen verehren, bricht eine schwere Zeit an. Der Rest übt sich in Last-Minute-Einkäufen. Besonders gute Schnäppchen heißen dann "göttliche Fügung". Eine solche ist der Weihnachtsbaum, eigentlich der Baum des Paradieses, an dem Paradeiser hängen sollten. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser an diese kleine Petitesse vom Sparen in der Informationskultur. Leider ist das optimistisch angegangene Insolvenzverfahren daneben gegangen. Am kommenden Dienstag geht es beim Amtsgericht Frankfurt in die letzte Runde. Die Hinterlassenschaft des einmaligen Informationssystems, in das die Bildungsrepublik Deutschland 40 Millionen Euro gesteckt hat, wird versteigert. Es gibt ein Gebot der Mitarbeitergruppe, die eine Genossenschaft gebildet hat und das System weiterführen will. Für 1 Euro. Dagegen steht ein Gebot der VUB Printmedia, die ausschließlich an der Datenbank für den internen Gebrauch interessiert ist: 10.000 Euro. Die Moritat von der Geschichte ist im Zirkus Zuckerberg zu lesen. Wie war das noch mit den "fundierten Informationen für alle Lernenden"? Auf dem rund 300.000 Euro teuren IT-Gipfel in Dresden wurde der Informationsstandort Deutschland bejubelt, in Frankfurt wird er abgewürgt. In leichter Abwandlung von Harry Rohwohlt schließe ich mit einem Feiertagsgedicht als besonders hübsches Last Minute-Angebot.

Lieber Gott,
Du bist der Boss, Amen.
Deine deutschen Esel.

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« Antwort #318 am: 26 Dezember, 2010, 00:11 »
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Was war.

*** Mitten im schönsten Festtagstrubel, wenn niemand einen Pfifferling auf IT-Nachrichten spendiert, einen Wochenrückblick zu schreiben, ist harte Fron. Es gibt ja nicht allzuviele Experten für IT-Sicherheit, die am 24.12. arbeiten und zum Beispiel einen gepfefferten Brief schreiben. Vielleicht hilft zur Einstimmung ein Weinachtslied von der Sorte, die laufend im Äther dudeln. Jingle Bells war das erste Lied, das von draußen im All zur Erde gesendet wurde. Da die Originalfassung IT-mäßig wenig aufregend ist, starte ich lieber mit dem Lied Nr. 74 aus dem offiziellen IBM Songbook. Zur Melodie von Jingle Bells stimmen wir ein:

I. B. M., Happy men, smiling all the way.
Oh what fun it is to sell our products night and day.
I. B. M., Watson men, partners of T. J.
In his service to mankind – that’s why we are so gay.

I. B. M., Watson men, International line:
Proud T. M. – Dayton Scale – and I. T. R. so fine
I. B. M. goods and men, leaders all the time.
Saving money, time and men, in every land and clime.

*** Mit gay sind wir, huschehusch, weg vom fetten Weihnachtsbraten und bei der epochalen Entscheidung der USA angelangt, eine idiotische Richtlinie der Armee zur Behandlung von Homosexuellen aufzuheben. In den Vereinigten Staaten sitzt bekanntlich ein schwuler Soldat namens Bradley Manning im Gefängnis, der verdächtigt wird, diverse Geheimdokumente an Wikileaks gemailt zu haben. Manning sitzt in verschärfter Einzelhaft. Seine Haftbedingungen sollen jetzt von den Vereinten Nationen überprüft werden. Ein Weihnachtsständchen für Manning ist fällig:

On the first day of Xmas, WikiLeaks gave to me:
A [redacted] in a [redacted] tree.

On the second day of Xmas, WikiLeaks gave to me:
Two maids a-suing
and
A [redacted] in a [redacted] tree.

On the third day of Xmas, WikiLeaks gave to me:
Three Gitmo manuals
Two maids a-suing
and a [redacted] in a [redacted] tree.

*** Usw., usf., usa. Natürlich hat gay in Verbindung mit Happy IBM men eine andere Bedeutung, zumal vom Dienst an der Menschheit die Rede ist. Bei Diensten dieses Kalibers ist die sexuellen Orientierung zweitrangig. Das bringt uns zum IBM-Ingenieur Lou Sedaris, dessen Sohn David heute Geburtstag hat, den er wohl mit seinem Lebensgefährten Hugh Hamrick feiern wird. David wurde schlagartig mit einer Weihnachstgeschichte berühmt, die er im Radio vorlesen konnte. Seine Santaland Diaries, die Einsichten in den US-Lifestyle als grünes Elfenkind im Kaufhaus Macys können auch online gehört werden. Besonders eindrücklich das Haus des Weihnachtsmannes, in dem die Kinder dem Weihnachtsmann auf den Schoß gesetzt werden und ihre Wünsche vor der Videokamera aufsagen müssen. Oder eben das, was sich die Eltern wünschen, dass sich die Kinder wünschen sollen.

"Ich wünsche mir . . . dass Prokton und . . . Gamble . . . Gamble mit . . . mit den Tierversuchen aufhören." Die Mutter sagte: "Procter, Jason, Procter and Gamble heißt das. Und was machen sie mit den Tieren? Foltern sie die Tiere, Jason? Ist es das, was sie mit den Tieren machen?"

Kinder, die ihr demonstratives Gutmenschentum nicht ordentlich aufsagen können, bekommen von den entnervten Eltern eine Tracht Prügel angedroht und der Pausenelf Sedaris muss mit seinen Witzen die Stimmung retten. Oder er muss verirrten Ausländern, die verwirrt dem Weihnachtsmann die Hand schütteln, zum Ausgang bringen. "Ich gehe gut heute", stammeln sie.

*** "Gehn wir gut heute? Weihnachtlich glänzet das Heiseforum, die Weihnachtsgeschichte ist modern interpretiert, das Christkindlein friedlich im Melderegister abgelegt, gewickelt in die Babyerstausstattung, ein Wunder des Target-Marketings. Für die Leser, die es mehr mit dem Weihnachtsmann haben, kommt die moderne Variante natürlich von Happy IBM:

Niemand weiß, wie alt der Weihnachtsmann genau ist. Anzunehmen ist allerdings, dass er sogar älter ist als die IBM. So musste er früher wahrscheinlich Lochkarten benutzen, um die Wünsche der Kinder und Erwachsenen zu Weihnachten festhalten und organisieren zu können. Heute ist der Weihnachtsmann etwas moderner. Selbst wenn jemand im Weihnachtsstress vergisst, seinen Wunschzettel abzuschicken, so hat der Weihnachtsmann immer noch SPSS zur Verfügung, um aus Millionen von Daten zu ermitteln, was sich eine Person eventuell wünschen könnte. Sind alle Daten und Wünsche gesammelt, können sie mittels IBM Business Analytics Software Tools analysiert und zu einem Masterwunschzettel aufbereitet werden. So startet der Weihnachtsmann also bestens vorbereitet in die Weihnachtszeit und vergisst kein Geschenk mehr.

*** Die letzte derartige Weihnachtsgeschichte von IBM wurde übrigens im Jahre 2000 verschickt und lobte OS/2, dessen Entwicklung genau ein Jahr später eingestellt wurde. Heute gibt sich IBM moderner, selbst Wikileaks wird erwähnt, mittlerweile ein Standard der Public Relations und aller sonstigen Weihnachtsleaks. Ganz anders als dieser satirische Kommentar über den schlimmsten Fehler eines IBM-Programmierers geht die Geschichte vom Weihnachtsmann wunderbar entspannt weiter, anders auch als die Lotus-Kommentare in Vowes magischem Zirkus.

Natürlich hat der Weihnachtsmann auch kleine Helfer, die Geschenke besorgen und ihn bei der Logistik unterstützen. Damit die Kommunikation untereinander einfacher wird und jeder weiß was zu tun ist, legte der Weihnachtsmann sicherlich schon im Herbst eine Activity bei Lotus Connections an und hält seitdem regelmäßige Meetings mit allen zuständigen Helferlein auf der ganzen Welt über Lotus Live in der Wolke. Denn auch der Weihnachtsmann von heute ist schon in einer Public Cloud. Damit auch im letzten Moment nichts schief gehen kann, wird der Weihnachtsmann durch mobile Lösungen auf seinem Handy unterstützt. Denn sollte er noch einen Weihnachtswunsch per Mail erhalten, kann er diesen ad hoc bearbeiten und schnell noch etwas über das Internet bestellen. Damit ihm nicht das passiert, wie dem Weihnachtsmann in der Skizze, und die geheimen Wünsche nicht irgendwann auf Wikileaks veröffentlicht sind, werden die Daten natürlich sicher auf einer IBM Speicherlösung archiviert .

*** Sind die Daten beim Weihnachtsmann wirklich sicher? Na klar, werden die einen sagen: Was am Nordpol oder in Himmelsthür gespeichert ist, ist erst einmal ganz weit weg. Nein, das Netz ist global, so die Antwort der Datenschutzskeptiker. Sie verweisen darauf, dass Weihnachten ein Fest des Schenkens ist, bei dem vor allem Konsumentendaten gesammelt und verschenkt werden. In dieser Hinsicht ist die Datenschutzerklärung des Weihnachtsmanns alles andere als beruhigend, selbst wenn Wikileaks nur am Schornstein-Rande erwähnt wird. Diesem Typen sollte man nicht trauen.

Was wird.

Trauen wir gut heute? Wird die modernisierte Weihnachtsgeschichte der deutschen Statistiker zur Standard-Erzählung am brennenden Weihnachtsbaum? Wer braucht schon Ochs und Esel, die Krippe und die Zusammenrottung der Könige, wenn Zahlen sprechen können? Wie war das noch mit Goebbels, der Churchill unterstellte, nur der Statistik zu trauen, die man selbst gefälscht hat? Fragen, nichts als Fragen. Das nächste WWWW bringt die passenden Antworten mit den Statistiken von heise online, denn diesmal ist es gleichzeitig das traditionelle Jahresend-WWWW der harten Fakten. Da wird nicht lange gefragt, ob es Geheimnisse geben muss, da kommen Zahlen auf den Tisch, ganz ohne Hilfe von Wikileaks.

Schauen wir gut heute? Es gibt auch andere Nabelschauen. Erinnert sei an den Chaos Computer Club und seinen 27. Friedenskongress mit Themen wie Zensursula und Censilia. Die kleine Zubringerrakete ist schon vor dem Gebäude gelandet, in dem am 16. Februar 2011 Cecilia Malmström über das Internet und die innere Sicherheit Europas sprechen wird. Das ist auf dem europäischen Polizeikongress im nächsten Jahr, und das ist ja doch noch weit, weit weg. Bis dahin ist die Gans ganz verdaut. Bauchgrimmen hat bis jetzt nur einer: Jörg Ziercke ist derzeit der Chef des Bundeskriminalamtes, einer Behörde, die auf ihrer Homepage (Risiken und Nebenspeicherwirkungen bei Besuch des Links) gezwungen wurde, einen Link auf den Kommissionsbericht Evaluierung Sicherheitsbehörden des Innenministeriums zu setzen. Ziercke möchte sein Kompetenzteam behalten, während sein Innenminister de Maizière eine Mammutbehörde aus BKA und Bundespolizei bauen will, komplett mit einem "Generaldirektor öffentliche Sicherheit" als Vorgesetzten von Ziercke. Was doch ein schönerer Titel ist als "leitender Weihnachtsmann."

Quelle : www.heise.de

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Was war. Was wird. Die Jahresanfang-Edition
« Antwort #319 am: 02 Januar, 2011, 00:15 »
Was war.

*** Die Zeit ist aus den Fugen,
verfluchte Schicksalstücken,
dass ich geboren ward,
um sie zurechtzurücken.

Was der größte Barde aller Menschenszeiten seinem Hamlet in den Mund legte, trifft auf diese Wochenschau zu. Sie erscheint zur Unzeit, wenn das neue Jahr bräsig in den Betten liegt, wenn kein Schwein die Gans beim Kopfstand bewundert und wenn sich wirklich niemand für die Zugriffszahlen auf heise online interessiert. Traditionell gehört der Blick auf die Statistiken zur Jahresend-Edition des WWWW, die dank der Fugung und Faltung der Zeit eine Jahresanfangsausgabe geworden ist. Während die ersten Tankstellen E10 ausschenken, die "Luftverkehrsabgabe" wirksam wird und nach ELENA das niedliche Schwesterchen ELStAM in den Windeln kräht, schweift der Blick zurück auf die Schicksalstücken des Jahres 2010.

*** Memento moriendum esse: Gleich zweimal dachten die Hacker beim Jahrestreffen des Chaos Computer Clubs an den Datenschützer Andreas Pfitzmann, beim Jahresrückblick wie bei der Vorschau auf die Sicherheitsalpträume des kommenden Jahres. Andreas Pfitzmann war es, der in seinem eindrucksvollen Plädoyer vor dem Bundesverfassungsgericht zum Stand der Überwachung die Richter darauf aufmerksam machte, dass wir gespeicherte Computerdaten nicht nur im Notebook oder im Smartphone in der Brusttasche mit uns tragen, sondern die Daten im Körper sind, in Herzschrittmachern und Hörhilfen, in Erinnerungs- und Denkhilfen. Die Freiheit und Unbeobachtbarkeit des Denkens ist so in Gefahr, zerstört zu werden:

Hierbei bitte ich, die Implantierung bzw. Implantierbarkeit von Rechnern als Sinnbild zu verstehen. Ich verwende es, weil es aus medizinischen Gründen bei vielerlei Gebrechen oder Behinderungen (wenn nicht darüber hinaus) künftig realisiert wird, und weil es auch für mit Informations- und Kommunikationstechnik bislang wenig Vertraute verdeutlicht, welch enge, symbiotische Verbindung zwischen unserem Gehirn und Sein künftig mit persönlichsten Rechnern bestehen wird. Wir werden in diese Rechner zunehmend verloren gegangene Fähigkeiten auslagern, um sie so wiederzugewinnen. Wir werden an sie persönlichste Denk- und Merkfunktionen delegieren, um uns zu entlasten (Bsp. Simulation von gedachten Welten zur Exploration der Auswirkungen von Änderungen in den Annahmen). Persönlichste Rechner einer wie auch immer gearteten Durchsuchung zu unterwerfen, bedeutet eine sukzessive Einschränkung und schließlich Auflösung dessen, was wir als Grundwert des Schutzes der Person, ihrer Autonomie, Freiheit und Würde kennen.

Pfitzmann verstarb im Alter von 52 Jahren und hatte nicht die Chance eines Maurice Wilkes, sein Lebenswerk zu vollenden und ein bemerkenswertes Jubiläum selbst zu kommentieren. Memento mori: 2010 starben viele große Geister, die auf ihre Weise den Computer als Aufregung wie als Anregung verstanden. Erinnerst sei an Theo Lutz und an Ed Roberts, den Förderer von Bill Gates, an Martin Gardner, Benoît Mandelbrot und an majo, der bis zum Schluss Optimist war.

*** Ich spiele keine Rolle mehr. Meine Worte haben mir nichts mehr zu sagen. Meine Gedanken saugen den Bildern das Blut aus. Mein Drama findet nicht mehr statt. Hinter mir wird die Dekoration aufgebaut. Von Leuten, die mein Drama nicht interessiert, für Leute, die es nichts angeht. Mich interessiert es auch nicht mehr. Ich spiele nicht mehr mit.

Was Heiner Müller in der Hamletmaschine aufgeschrieben hat, mag sich von Gravenreuth gedacht haben, als er seinem Leben ein Ende setzte. Es ist kein Geheimnis – und ich habe es hier aufgeschrieben – dass von Gravenreuth vor Gericht in der Frage siegte, ob das WWWW auf ein waffenstarrendes Foto von ihm im Kampfanzug verlinken darf. Ich durfte es nicht, das Gericht bewertete diesen Link auf sein öffentlich abrufbares Foto als Verletzung des Persönlichkeitsrechtes. Von Gravenreuth erschoss sich und sorgte damit für einen bisher noch nie erlebten Run auf heise online. Mit 2.463.634 Abrufen ist die Meldung von seinem Tod der absolute Zugriffsrekord seit Bestehen von heise online. Auf Platz 2 der Alltime-Superstarliste liegt mit 2.095.596 Zugriffen die Meldung über eine Niederlage des Rechtsanwaltes, die in letzter Konsequenz zum Suizid führte. Es liegt ein satanisches Lachen über diesen Zahlen und es kommt von weit her.

*** Die Top-Meldung des Jahres 2010 im Bereich der IT besorgte Apple mit iPhone 4 und 1.181.585 Zugriffen. Addiert man jedoch die Meldungen zu einem einzigen Thema, dann ist Julian Assange von Wikileaks der eindeutige Sieger. Die verschiedenen Nachrichten vom Hin und Her in Schweden wurden 2.756.123 mal abgerufen. In dieser Zahl sind nicht die Coups von Wikileaks enthalten, die es allesamt unter die Top 100 des Newstickers schafften. Auf Platz drei der Topmeldungen schaffte es zum Jahresanfang eine Meldung über den Online-Zwang für Offline-Spieler mit 1.015.515 Zugriffen, auf Platz vier kletterte zum Jahresende eine Meldung über Blogs, die aufgrund des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages den/das Blog schließen wollen mit 999.083 Zählern.

*** Addiert man wiederum thematisch eng zusammenhängende Meldungen, so ergibt sich folgendes Bild der verehrten Heise-Leserschaft im IT-Bereich: Die neuen Rundfunkgebühren waren das Top-Thema Nr. 1 des Jahres 2010, gefolgt von der Debatte über Sperren für Kinderpornografie und der Niederlage in Sachen Vorratsdatenspeicherung. Diese drei Themen dominieren mit großem Abstand die Zugriffsstatistiken. Nimmt man die jüngsten Debatten über Quick Freeze bzw. das Quick Freeze Plus des Bundesdatenschützers sowie die Debatte zwischen Bundesinnenminister und Bundesjustizministerin hinzu und klatscht die diversen Zierckelschlüsse zum Thema als Sahnehäubchen obenauf, so steht der Themenkomplex Vorratsdatenspeicherung als unanfechtbarer Sieger des Jahres 2010 da. Dabei ist die Indizienkette drückend genug, dass diese "Vorratsdatenspeicherung light" auch 2011 ein Superthema sein wird.

*** Eine kuriose Sammlung ergibt sich übrigens, wenn man die Highlights anderer Online-Angebote des Heise-Verlages hinzunimmt. Danach wäre der typische Heise-Besucher ein Unimog fahrender Mann, der sehr gerne über Sex redet und sich regelmäßig im Off Topic aufhält. Der einen Job in der IT hat oder Informatik studiert, der Linux nutzt und dabei mit seinem iPad spielt. Der ausgiebig über Assanges Sex in Schweden spekuliert, sich gerne über Rundfunkgebühren und die GEZ im Allgemeinen aufregt und als "Zweitmeinung" häufig Thesen zum Besten gibt, die er drüben bei Fefe gefunden hat.

Was wird.

Wir mästen alle andern Kreaturen,
um uns selbst zu mästen;
und uns selbst mästen wir für die Maden.
Der fette König und der magre Bettler sind nur verschiedne Gerichte;
zwei Schüsseln, aber für eine Tafel:
Das ist das Ende vom Liede.

Heute würde Isaac Asimov seinen Geburtstag feiern, der IT bekannt als Vater der Robotergesetze. Durch Unterschiede im gregorianischen und hebräischen Kalender ist sein Geburtstag nicht genau belegt und Asimov selbst hielt den 2. Januar für einen guten Tag, um ohne die üblichen guten Vorsätze zu feiern. "Die Sciene Fiction beschreibt das Unvermeidliche. Obwohl Probleme und Katastrophen unvermeidlich sind, sind Lösungen nicht unvermeidlich." Natürlich hat einer der produktivsten Buchautoren des letzten Jahrhunderts über unseren Leitstern Hamlet geschrieben und die Sache so kommentiert, dass Hamlet den Usurpator Claudius nicht einfach nur töten wollte, um seinen Vater zu rächen. Er wollte ihn stracks zu den Verdammten der Hölle schicken. Das Ende vom Liede? Von wegen. Für Asimov ein klarer Fall der Übermotivierung.

Das Jahr ist jung, die Prognosen ebenfalls. Mein Favorit ist die Vorhersage, dass Microsoft seit Windows 98 in seine Microsoft-Tastaturen einen Leser der User -Gedanken verbaut und die Gedanken seitdem systematisch auswertet. Der Geist in der Tastatur, das wäre eine Wendung, die Pfitzmann gefallen hätte, als Beispiel dafür, was der Bundestrojaner anrichten kann. Für 2010 versuchte einstmals der verstorbene Theo Lutz, eine Reihe von Prognosen aufzustellen. Er relativierte die Rolle der Künstlichen Intelligenz und lag damit richtig, er lobte den selbstverständlich gewordenen Datenschutz als Bürgerrecht und lag damit völlig daneben. 2010 ist ein Jahr geworden, in dem Politiker wie Polizisten unermüdlich daran arbeiteten, den Datenschutz auszuhöhlen, mit Argumenten, in denen spätestens im dritten Satz der Terror angeschlichen kam. Selbst die hochgelobte Reform des Beschäftigtendatenschutzes wurde geplättet und das direkte Verbot der Videoüberwachung zur Leistungskontrolle abgeschwächt. Ob Wikileaks oder ob in dem 2011 startenden Openleaks, der deutsche Whistleblower ist zuallererst der untertänige Arbeiter, der sich erst dann an die Datenschützer wenden darf, wenn eine Beschwerde beim Arbeitgeber folgenlos geblieben ist und nicht beachtet wird.

Das Jahr ist jung und doch gibt es bereits Meldungen genug, dass der Ticker weitertickern kann. Um 2 Uhr begann der Reigen mit einem Gruß des Bundesinnenministers, der es schaffte, Paralympics, das Unglück auf der Duisburger Loveparade, die Flut in Pakistan und die Warnung vor dem internationalen Terror in einem Text zu erwähnen, der mit dem Lob freiheitlicher Lebenskultur endet. Wir werden sehen, ob diese unsere FLK das Jahr 2011 überlebt oder nicht etwa unter besondere Beobachtung durch Leute wie "Simon Brenner" steht, die alles stasimäßig unterwandern, was irgendwie von mov wahlzettel, bubuerger abweicht. Zum eingangs erwähnten Jahrestreffen des CCC hat der Niederländer Rob Gongrijp eine Rede gehalten, die einen bemerkenswerten Passus über die deutschen Verhältnisse enthielt, der nicht sonderlich beruhigend klingt: "Wenn man Deutschland mit einem Bus vergleicht, dann ist es so, als wären die Richter aufgesprungen und hätten den Fahrer vom Sitz gezerrt, nur um auf die Bremse zu treten, ehe der Bus in den Abgrund rast." Wenn auch die mutigen Richter die Katastrophe verhindert haben, stellt sich die Frage, wer 2011 am Steuer sitzt. Politiker, die am Lenkrad drehen, ohne zu wissen, womit es eigentlich verbunden ist? In Kürze startet in München das Gegenstrück zu einem CCC-Kongress, die Digital Life Design, auf der die Aufreger des Web 2.0 verhandelt werden. Mit Randi Zuckerberg, die über die ISV (Initial Shaving Experience) des Facebook-Gatten berichtet. Der Auftrieb findet unter dem Motto "Update your Reality" statt. Ach bitte, wo geht es denn zu dieser Realität.

Statt des sonst üblichen Kolophons ein Lied, das Angela Merkel mitsummen mag. Der Traktor ist kaputt, der Bus ist auch kaputt, mit dem Ersatzteile geholt werden können, die letzte Scheune ist abgebrannt, aber hey: Shine on you, crazy diamond.

Der Rest ist Schweigen. Oder, mag man die Hoffnung nicht aufgeben: Versammeln wir uns Unter der großen Sonne, mit Liebe beladen.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #320 am: 09 Januar, 2011, 00:09 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Was braucht die Welt, um eine menschlichere Welt zu werden? Wie wäre es mit einem Bluetooth-Armband, das den aktuellen Stand des Kommunismus anzeigt, ergänzt um einen kleinen Dioxin-Sensor als Oral-Implantat? Das Ganze wird ausgeliefert mit einer App, die auf zwei Skalen den Fortschritt unserer Gesellschaft dokumentiert. Die eine zeigt, wie weit wir entfernt sind vom Sprung aus dem Reich der Notwendigkeit ins Reich der Freiheit. Die andere misst, ob wir uns nicht vorher so vergiftet haben, dass der Sprung ins Dreckswasser fällt, das überall abfließt. Mit ihren Überlegungen zu den Wegen zum Kommunismus hat die Linke Gesine Lötzsch ordentlich Schlamm aufgewühlt. Ja, dieser Kommunismus muss ein gar furchtbares Zeug sein, ein finsteres System, in dem die Züge schmutzig, überfüllt und unpünktlich sind, in dem im Fernsehen nur verknöcherte Alte talken. Im Horror enden eben die meisten messianischen und chiliastischen Ideologien.

*** Eigentlich schade, dass in der allgemeinen Aufregung die feine Ironie unbeachtet blieb, dass die selbsterklärte Nachfolgerin von Rosa Luxemburg zur Methode des hunt & try des Erzkapitalisten Edison extemporierte. Das ist weitab vom wissenschaftlichen Sozialismus und der kybernetisch gesteuerten kommunistischen Produktion, in der kein kapitalistischer Zwang herrscht, sondern das gesellschaftliche Pflichtbewusstsein jedes Menschen das nötige Industriefett liefert, damit alles wie geschmiert abläuft. Während die Linken zu Edison greifen, zeigte der Kapitalismus mal wieder seinen schönsten Achselschweiß: "Egal welche Hardware, Windows ist schon da", drohte Steve Ballmer seinen Zuhörern. Was für Microsoft eine Befreiung von der einengenden Intel-Plattform ist, klingt für andere wie eine Drohung.

*** Wenden wir uns daher dem real existierenden Kapitalismus zu in der besten aller Welten. 90 Millionen US-Dollar hat die Musikindustrie allein in Edisons Heimat für die Lobbyarbeit ausgegeben, mehr als die Filmindustrie und die Printbranche. Eine bemerkenswerte Summe vor einem bemerkenswerten Jubiläum: Heute vor 10 Jahren startete iTunes, was diesem Newsticker nur eine kleine Notiz wert war. Noch eine Audio-Playersoftware. Über 10 Milliarden Songs sind allerdings inzwischen über die von Apple gut zwei Jahre später mittels der Software hübsch eingerichteten digitalen Ladentheke verkauft worden. Und sechs Jahre später startete wiederum das iPhone, derweil Jobs sich über die Bedienkonzepte anderer Smartphone-Hersteller lustig machen konnte. Der Mann, in dessen Bibliothek alle englischen Monographien von Edison und Tesla stehen, zeigte dabei seine ausgesuchte kapitalistische Grausamkeit und schenkte uns das Unwort App. App oder Äpp wie veräppeln oder verkackeiern. Wer mag es ihm verdenken: der App-Store funzt, genau wie der iTunes Music Store.

*** Bekanntlich gibt es nicht nur Wege zum Kommunismus, sondern auch die Wege zur Hölle, die mit guten Vorsätzen gepflastert sind. In der Hölle schmoren, dieses Schicksal würde die Mehrheit der US-Amerikaner dem Australier Julian Assange gönnen, der nach den US-Depeschen erklärtermaßen die US-Banken im Wikileaks-Visier hat. Beim Geld hört der Spaß auf, wie das Auskunftsersuchen zeigt, das Twitter öffentlich gemacht hat. Ich unterlasse die Spekulationen, was andere Firmen wie Facebook oder Skype erhalten haben und nicht veröffentlichen. Ich verweise stattdessen auf einen Artikel, der ein Portrait von Assange liefert, dem Mann, der nach eigener Aussage ein Buch schreibt, hinter dem sich eine ganze Generation zum Protest gegen die Regierungen versammeln soll. Ein eigens angeheuertes PR-Team soll die frohe Kunde verbreiten. Wie hieß es noch in Underground, dem ersten Buch, an dem Assange mitschrieb: "Nach einer öffentlichen Konfrontation mit dem viktorianischen Premier Jeff Kennett gründete Mendax mit zwei anderen eine Bürgerrechtsorganisation, die die Korruption in der Regierung bekämpfen sollte." Mendax war der Hacker-Name von Assange. Der Rest ist eine Frage der Schlaglöcher und der Kunst, ein Motorrad zu warten.

Was wird.

Das Jahr ist jung, die Perspektiven rosig wie ein frisch geschlagener Hintern eines Neugeborenen. Die Feierzeit ist vorüber, das Dreikönigstreffen hat die Erde nicht aus ihrer Bahn westergewellt und alle möglichen Wege zum Kommunismus sind aufgetaut: Wir haben die astrologisch höchst interessante Konstellation, dass das Internationale Jahr des Waldes auch ein Superwahljahr ist, in dem deutsche Politiker deutsche Eichen simulieren und besonders prinzipienfest auftreten. Sinnigerweise ist das Internationale Jahr des Waldes bei uns gleichzeitig das Jahr der Gesundheitsforschung. Auf diese Konstellation kann eigentlich nur ein Lesebefehl folgen: Stationäre Aufnahme lesen! Hegels Eule der Minerva hackt in der Leber der Mediziner, um es metaphorisch zu sagen. Am Ende des neuen Jahres, das ist meine einzige Prognose für 2011, wird es wunderbare Rechnungen darüber geben, wie eigentlich 10 Prozent ausgegebene Gesundheitskarten zu definieren sind.

Nun richtet sich der Blick auf die Woche, in der der Betrieb wieder Fahrt aufnimmt. In Berlin startet die Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" mit neuem Elan und beschäftigt sich mit den Fragen zum Datenschutz und zu den Persönlichkeitsrechten. Parallel dazu marschiert das Ministerium für dioxinfreie Ernährung, industrielle Landwirtschaft und verbraucherschutzfreie Räume vor und stellt am 11.1.11 auf der Dialogveranstaltung Verbraucher im Netz den "digitalen Radiergummi" vor. Ein Blick auf dieses rückstandsfrei gewonnene Produkt deutscher kryptografischer Spitzenforschung lohnt sich, nicht nur wegen der schwer symbolischen Pusteblume, die vielleicht an die Experimente zum Pflanzengummi in Auschwitz erinnern soll. Es gibt Ansichten, dass die gesamte Technik nichts anderes will, als ein Spionagepixel zu installieren. Andere wundern sich, warum man nicht eigene, vertrauenswürdige Server für seine Dateien nimmt und die bösen Suchmaschinen per robots.txt aushebelt. An dieser Stelle müsste der Link zum kriminalistischen Institut des Bundeskriminalamtes gehen. Die Profis können alles restaurieren, was ab 1830-1850 mit dem Radiergummi "gelöscht" wurde. Davor ist es eine Frage der Papierqualität. Was den digitalen Radiergummi anbelangt, müsste es um eine ähnliche Qualität gehen: In einem System, in dem ausnahmslos alle Computer dem Prinzip des Trusted Computing unterworfen sind, könnten Access Control Lists das Problem wunderbar einfach lösen. Aber wer will dieses System?

Die Frage nach dem richtigen Papier führt zu der Frage, was denn eigentlich die Firma SCO auf dem Papier wert ist. Zum 5. Oktober 2010 wollte SCO ihre Unix-Sparte an den Meistbietenden versteigern. Dummerweise fand sich kein einziger Bieter, der Interesse an dieser Auktion hatte. Nun startet am 14.1. die zweite Runde der Auktion, diesmal mit einem attraktiven Mindestgebot von schlappen 100.000 US-Dollar statt der 2 Millionen, auf die die diversen Unix-Reste noch im Oktober taxiert wurden. In diesem Preis nicht inbegriffen sind die "Litigation Rights", die Klagen gegen Novell, Red Hat, IBM und viele, viele andere, die angeblich Milliarden bringen sollen. Wobei die "Rechte" nur in der Fantasie des tapferen schwarzen Ritters existieren. OK, das mag ein billiger Scherz sein, Etwas ernster ist schon die Frage der großartigen Pamela Jones, die über das Weihnachtsfest hinweg darüber nachdachte, ob sich das Engagement überhaupt lohnt, wenn eine Firma wie Novell die Reste Microsoft zum Fraß vorwirft.

Auf SCO folgt, harharhar, die Wikipedia. Die Trainings-Schreibanstalt für angehende Wissenschaftler ging kurz nach iTunes an den Start und feiert am 15. Januar einen überaus relevanten 10. Geburtstag, in Deutschland natürlich mit Stammtischen, an denen die Torte des Grauens verzehrt wird. Gelahrte Geister stimmen darin überein, dass Wikipedia das aktuelle Weltwissen abbildet, gehäckselt und gestückselt durch Ockhams scharfes Relevanzmesser. Ganz passend für dieses unsere Land startet in Frankfurt oderseitig Wiki-Watch, als "das Transparenz-Tool zur Analyse von Wikipedia" angekündigt, ein scharfes Schwert, vor dem schwarze Ritter klaglos kapitulieren. Wiki-Watch kämpft gegen das "gesellschaftlich unbefriedigende Wissen" über Wikipedia und will der Oswald Kolle der Relevanz-Diskussion sein, mythenzerschmetternd den wegbeißernden Killer-Kaninchen an Platons Höhle den Kampf ansagen. Jubelperser sind anscheinend nur in Hedwig-Holzbein willkommen und so freue ich mich mit diesen. Das WWWW ist etwas älter, doch hat es ungemein davon profitiert, mal eben auf Dropull oder auf Superkalifragilistischexpiallegetisch verlinken zu können. Because we can. Was bleibt? Musik!

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #321 am: 16 Januar, 2011, 00:06 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Die Wege zum Kommunismus, die ich seit vergangener Woche betrachte, sind außerordentlich verzwickt. Ausgerechnet die taz druckte diese verzwickte Grafik ab, die ganz nebenbei entlarvte, wie die komischen Wege von der "Autorin" in den Text geschmuggelt wurde. Eine Petitesse? Eher nicht, wie die Wege zur Demokratie zeigen, auf denen sich Tunesien befindet. In zahllosen Zeitungsartikeln wurde das korrupte System der Familienclans Ben Ali und Trabelsi beschrieben, besonders ausführlich in der Le Monde diplomatique, die auch als taz-Beilage erscheint. Aber nein, nun soll es mal wieder wunderbarerweise eine von Wikileaks veröffentlichte US-Depesche sein, die den Umsturz auslöste. Und natürlich Twitter, die Lieblingslektüre aller Leit-Lemminge. Die simple Sicht der Dinge, das unkritische Lob für Web-Werkzeuge, könnte man als Doof 2.0 abhaken (zumal kluge Köpfe schon weit differenzierter analysierten), wenn es nicht so ernst wäre. Denn die "Beweise" wie dieser Tweet von Sarah Palin im Verein mit einer Fadenkreuz-verzierten Landkarte reichen dann plötzlich aus, eine Politikerin als "Mörderin" zu bezeichnen. Die Abbildung des vergifteten politischen Diskurses im Internet mit dem Amoklauf zu verbinden, muss sich nicht einmal darum scheren, ob der Mörder überhaupt im Netz surfte. Widdewitt, ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt, singt Pipilotta Digitalia Langstrumpf und die Follower der simplen Denke nehmen täglich zu.

*** Einer der Wege zum Kommunismus endete in der DDR unplanmäßig vor einer Mauer, die das Volk überwand, ganz ohne Twitter. In dieser Woche endete in Berlin die Ausstellung Weltwissen, die in ihrem "Computerraum" neben dem obligaten Zuse-Zierrat ein Stückchen vom Computernetz der DDR zeigte: Wer Kommunismus stante pede will, muss auch Kybernetik buchstabieren können. Ohne eine ausgefeilte Echtzeitkoppelung von Messergebnissen aus der Landwirtschaft und der Produktion ist eine Planwirtschaft unmöglich, weil sie mit fiktiven Zahlen und falschen Planvorgaben arbeitet. Wer lernen möchte, worum es ging, sollte sich den langen Eintrag "Kybernetik" im Philosophischen Wörterbuch der DDR zu Gemüte führen, den der führende DDR-Kybernetiker Georg Klaus verfasste. Der Mann, der öffentlich verkündete, dass mit der Kybernetik sich jeder Wahlbetrug beweisen lasse, wird in der ach so gefeierten Wikipedia als Philosoph und Schachspieler vorgestellt: Die neutrale Sicht der Dinge kastriert die Geschichte.

*** Neben Georg Klaus war es der britische Kybernetiker Stafford Beer, der in der Rechentechnik einen wunderbaren Weg zum Kommunismus sah. Für die sozialistische Regierung Chiles entwickelte er das Cybersyn-Netzwerk und die Steuersoftware Cyberstride. Dank der Kybernetik sollte sich der sozialistische Staat als Maschine inmitten der unwirtlichen kapitalistischen Umwelt dadurch bewahren, dass er effektiver als jede andere Maschine die Ökonomie steuert. Nach dem Putsch von General Pinochet viel das Cybersyn-Netzwerk in die Hände des Militärs. Die Häscher nutzten es zur Fahndung nach Anhängern der demokratisch gewählten Regierung. In Deutschland beschäftigte sich ein Text der Roten Armee Fraktion mit dieser Lage:

"in den zusammenhang gehört natürlich die von der legalen linken überhaupt nicht begriffene tatsache ihrer bereits vollstreckten internierung im computer des bka, ihrer selbst samt bekannten- und freundeskreis, wobei schon klar ist: wenn das bka 394 waffensammler in einer koordinierten aktion schnappen kann, kann es natürlich auch die gesamte *legale* linke in *einer* aktion in die stadien abtransportieren."

In dieser Sichtweise war jedes Terminal genauso gefährlich wie ein "bulle", die "Kämpfer" werden angewiesen, wo immer es geht, die Verbindungen zu kappen, auf Schächte zu achten, in denen Kabel liegen, die durchgeschnitten werden müssen. Der Kampf gegen das Schweinesystem ist der Kampf gegen seine Leitungen. Ich erwähne das in dieser kleinen Wochenschau, damit die Absurdität klar wird, wenn unsere Nachbarn Zeitungsartikel veröffentlichen, in denen dem Chaos Computer Club Kontakte mit der RAF nachgesagt werden. Die gezielte Verunglimpfung allein mit einem Logo zu erklären, greift viel zu kurz. Erst lange nach der Gründung des Clubs, der dieses Jahr auch einen ehrenwerten Geburtstag feiern kann, beschäftigten sich die Ausläufer der RAF mit der Computertechnik, wenn nach viel Geschimpfe über Kapitalismus und den Chaos Computer Club gleichermaßen zum Schluss der Cyberweg zum Kommunismus propagiert wird:

"Mit dieses Form des Politikmachens ist ein neuer Typus der Guerilla durch den virtuellen Raum entstanden: die Cyber-Guerilla. In diesem Sinne wären die Zapatisten so etwas wie ein modernes politisches Virus, das durch den virtuellen Raum geistert und in die Köpfe von Männern und Frauen eindringt. Deshalb kann mit den Worten frei nach Marx geschlossen werden: Ein Gespenst geht um im virtuellen Raum, das Gespenst des Kommunismus."

*** Ob die Verfasser dieser Schriften wirklich Revolutionäre sind, überlasse ich dem Urteil der Wochenschau-Leser. Wie wäre es mit anderen Revolutionären? Mit Revolution: The First 2000 Years of Computing wurde in dieser Woche die Version 2.0 des wichtigsten Computermuseums der USA im Beisein von Steve Wozniak und Al Acorn eröffnet. Eine erster kleiner Rundgang der verschlungenen Wege dieser Revolution am Eröffnungstag ist amüsant, wenn eine weißhaarige Großmutter erzählt, wie sie einen Kryptocomputer bei der NSA programmierte oder besagter Al Acorn sein Pong erklärt. Pong? Pong kann natürlich bald in Berlin bestaunt werden, ganz ohne revolutionäres Drumherum, in der Karl-Marx-Allee.

*** Mit einer Ausnahme, als im Protest gegen ein schädliches Gerichtsurteil eine linkfreie Wochenschau erschien, lebt dieser kleine Rückblick von Verlinkungen. Viele Links gehen auf die Meldungen von heise online, die tagtäglich die Wege durch den Kapitalismus dokumentieren, doch gleich danach kommt die Wikipedia, nicht immer die beste Quelle, doch hinreichend gut für einen ersten Überblick, wenn nicht gerade ein Nachruf, eine Preisverleihung oder eine Beförderung ansteht: Der Tod von Maurice Jarre hat Journalisten gelehrt, in solchen Schnellschuss-Situationen die Hände von der Netz-Enzyklopädie zu lassen, weil Trolle nun einmal schneller sind. Mit der hübsch gewachsenen Wikipedia erinnern wir uns auch an die Nupedia, eine der größten nicht mehr funktionierenden Websites. Nupedia startete im März 2000 mit 115 kommissionierten Artikeln, die von ausgewiesenen Fachleuten geschrieben wurden. Nur zwei Artikel überlebten die lähmende Relevanzdiskussion des peer review von 80 Wissenschaftlern und konnten im November 2000 online gehen. Einer beschäftigte sich mit klassischer Musik, der andere mit der atonalen Musik von Arnold Schönberg. Mit der Wikipedia wurde das anders. Und für alle, die glauben, dass 2001 eine heile Welt war, habe ich einen Link auf diese kleine zeitgenössische Karte der Krisenherde in der Welt. Sie entstand vor 10 Jahren und bekam nach 9/11 ein kleines Update.

Was wird.


Solange nicht klar ist, welche Wege zum Kommunismus führen, muss man sich ja nicht gleich wie ein Derwisch in Manhattan aufführen. Auch wenn, immerhin, Fazil Say, dessen Musik nicht immer derwischhaftig ist, aber immer etwas Ekstatisches hat, ja selbst dafür bekannt ist, sich manchmal mit allem anzulegen, was ihm so in den Weg kommt. Aber ich schweife ab. Jedenfalls, was die Wege zu was auch immer angeht: Ich empfehle vielmehr für die anstehende Wochen die Wege nach Berlin und München. In Berlin findet die Omnicard statt, ihrer eigenen Beschreibung nach der ultimative Kongress der Kartencommunity. Drei Tage lang feiert diese Community die wundersamen Möglichkeiten der elektronischen Identifikation und fragt sich, wie es weitergeht mit dem neuen Personalausweis. Das fragen sich derzeit auch die Inhaber des neuen Ausweises, der derzeit noch ausgesprochen wenig kann. Die Keynote der Omnicard liefert die Mensch-Maschine Sascha Lobo ab, es wird wohl ein Vortrag werden, wie man mit seiner wichtigsten Karte im Kapitalismus kuscheln kann, wenn die queryologische Zukunft des Religionsstifters Edgar Codd anbricht. Die erste Frage in dieser Zukunft: Von wem stammt das bescheuerte Gerücht, dass sich das Internet schneller als andere Medien verbreitet?

Die Alternative zu Berlin ist immer München. Wer von Rot, Gelb, Grün, von Schwarz und Bleich die Nase voll hat, kann immer noch mit der CSU und Seehofer rechnen, der auf einem Kongress der Netzpolitik erzählt, wie "Mein Internet" aussieht. Mit dem Kongress will die Partei die Netzhoheit über den eBiertischen gewinnen. Zur Rolle des Juristen Dirk Heckmann wird es wohl gehören, die Versammlung darüber aufzuklären, dass das Zugangserschwernisgesetz eine Fehlkonstruktion ist und die Websperren nicht der Verfassung entsprechen. Vielleicht schafft die CSU aus netzpolitischer Sicht ein Update der Reality, um ein anderes Münchener Motto von einem Kongress aufzugreifen, auf dem Stephanie zu Guttenberg und die Somaly Mum Foundation gegen Sklaverei und Kinderausbeutung antreten – gegen die Websperren realistisch gesehen vollkommen sinnlos sind.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #322 am: 23 Januar, 2011, 06:01 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Seit Tagen berichtet selbst die tageszeitung vom Dschungelcamp. Nass ist es und selbst die roten Unterhosen vom Rainer sind nass. Schrecklich. Der arme Rainer, der jetzt mal Scheiße fressen muss und die Leser, die täglich Scheiße lesen müssen, bringen mich darauf, die Wochenschau über das Thema schlechthin zu schreiben. Was den Fernsehheloten das Camp ist, ist der IT-Branche die Geschichte mit Stuxnet. "Stuxnet ist nicht mehr gefährlich", heißt es in der Januar-Ausgabe des Behördenspiegels schon in der Überschrift, auf die ein ebenso beruhigender Untertitel folgt: "Hochwertige Abwehrmaßnahmen verstärken die Sicherheit". Der ach so gefürchtete Wurm nichts weiter als ein Papierwurm? Angeblich ist Stuxnet gar kein Meisterstück, glaubt man den Fachleuten. Sie kritisieren bei dem mehrere Jahre lang nicht entdeckten Wurm, dass er sich nicht gut genug versteckt hat. Lustige Logik.

*** Stuxnet hat also mehrere Komponenten, wie nett. Auf die wichtigste Komponente weist Frank Rieger, der Sprecher des Chaos Computer Clubs in seinem Artikel für die Frankfurter Allgemeine Zeitung hin: "Was aber passiert, wenn in wenigen Jahren das digitale Schlachtfeld um immer mehr Angriffsspieler erweitert wird, wenn durch fortschreitende Bildung und Digitalisierung immer mehr Länder sich die entsprechenden Forschungs- und Ausbildungszentren für eine elektronische Kriegerkaste leisten können?" Fragen wir uns einmal, woher die elektronische Kriegerkaste kommen wird. In den Wanten der Gorch Fock werden sie sicher nicht geschult werden, diese Netzkrieger. Und einfach eine Kohorte Programmierer zum Cyber-Hacken zu verpflichten, wie dies Estland machen will, dürfte auch nicht so einfach sein.

*** Aber es gibt Vorbilder, zumindest was die elektronischen Verteidiger anbelangt: Um ihr schönes Amerika zu schützen, gründeten nach den Netzangriffen auf Georgien und der Attacke auf das Pentagon 20 Hacker das Opensource-Projekt Grey Goose (PDF-Datei). Die Finanzierung übernahm die Firma Palantir Technologies, Lieferant von Analyse-Software für die Homeland Security, die auch bei uns zum Einsatz kommt.

*** Neben den Verteidigern kommen auch die Angreifer aus den Reihen der Hacker. Erinnert sei an die Legion of Underground, die im Dezember 1998 China und dem Irak den Cyberkrieg erklärte. Die kampfbereite Hackertruppe wurde von Mithackern der Gruppen 2600, L0pht, oder Cult of the Dead Cow zurückgepfiffen. Mit dabei auch der Chaos Computer Club und der erwähnte Club-Sprecher, der sich in dem bemerkenswerten Protestaufruf vor allem darüber sorgte, dass Hacker in totalitären Staaten als Cyberterroristen in die Gefängnisse wandern könnten. Die Legion of Underground kapitulierte vor dem geballten Unmut der Community.

*** Wer will, kann in der Geschichte noch weiter zurückgehen. In dieser Woche erschien eine Studie der OECD, die ganz im Stil des Behördenspiegels einen Cyberwar für unwahrscheinlich hält. Ein Blick in diese Studie (PDF-Datei) enthüllt lustige Sachen: "It is unlikely that there will ever be a true cyberwar. The reasons are: many critical computer systems are protected against known exploits and malware so that designers of new cyberweapons have to identify new weaknesses and exploits." Weil unsere Systeme geschützt sind, sind wir sicher, weil wir sicher sind, kann kein Cyberkrieg kommen, so die fromme Denke der Autoren. Noch lustiger ist die Erwähnung des ersten Virus, der dem Cyberwar zugerechnet wird. Denn die Beschreibung WANK, dieser 1989 ausgebrochenen "Worms Against Nuclear Killers" verdanken wir einem Mann, der derzeit der bekannteste Hacker der Welt ist. Julian Assange, von dem das WANK-Kapitel im Buch Underground stammt, der Auslöser einer großen Debatte über Sex und Gewalt in Schweden.

*** 25 Jahre alt ist er, der PC-Virus, die Computerviren sind gar noch älter. Man erinnere sich an die Arbeiten über selbstreproduzierende Programme von Veith Risak, die Anfang der 70er auf Siemens-Rechnern liefen. In dieser kleinen Wochenschau muss jedoch auf den Studenten Fred Cohen verwiesen werden, der 1983 erstmals den Begriff Computervirus verwendete und einen solchen auch programmierte. Heute gehört Fred Cohen zu den Theoretikern des Cyberwars, den er freilich korrekter als "Information Warfare" bezeichnet. Sein Buch "World War 3: We are losing it and most of us didn't even know we were fighting in it" geht davon aus, dass längst der Information Wardfare ausgebrochen ist. Ähnlich wie Franklin Spinney (PDF-Datei) setzt Cohen den Beginn des neuen Krieges vor dem 11. September 2001 an und ruft die US-amerikanischen Hacker auf, ihr Land zu verteidigen. Sein Mitarbeiter Chet Uber gründete später das seltsame Project Vigilant, in dem sich nach dieser Timeline zufolge der Soldat Bradley Manning verfangen sollte. Manning wurde in dieser Woche von Ärzten als selbstmordgefährdet eingestuft und wird nun rund um die Uhr überwacht.

*** Ja, der Cyber, Cyber, Cyberwar ist ein lustiges und lukratives Geschäft. Zwischen den guten weißen Hackern und den pöhsen schwarzen Crackern haben die grauen Hacker Stellung bezogen. Sie brechen in Systeme ein, sie suchen Sicherheitslücken und murmeln unaufhörlich von der tollen Ethik und den guten Vorsätzen, sie künden selbstverliebt von der eigenen Korrektheit wie Journalisten, die sich selbst als Richter verstehen und kokett von der Bestrafung der Kollegen schwadronieren. Dabei sind graue Hacker keineswegs Herren mit grauen Haaren. Noch konnte eine Abordnung der Bundeswehr vor den Türen des Chaos Computer Club einfach weggeschickt werden, als sie mit den anwesenden Hackern über Cyberwar diskutieren wollte. Bald wird die Rekrutierung schärfer werden und den Club zu einer Stellungnahme zwingen, wie er denn zu "nationalen Sachen" steht. Beschränken wir uns daher auf die aktuellen Verlustmeldungen, etwa beim Satellitenbauer OHB, wo auf SAR-Lupe das Nachfolgesystem SARah in den Startlöchern wartet.

*** Die Frage, was Hacker für ihr Vaterland tun können, erreicht das Webvolk längst nicht mehr. Wenn eine zugegeben nette Rezension eines Billiggerätes bei Spreeblick schon als Hack gefeiert wird, scheint die Schlacht um die Köpfe schon verloren zu sein: Das bisschen Antesten können auch die übelsten Apple-Fanboys und iPad-Versteher schreiben, wenn sie gerade keinen Bewunderungsschleim produzieren. Hacken geht anders, wie die Fortsetzungsgeschichte vom Nettoputer zeigt, die wesentlich lustiger ist. Mittlerweile läuft ein abgespecktes Linux samt Firefox auf dem Gerät, während sich der Hacker zeltend in den Schnee verkrümelt beim bayerischen Burning Man Festival.

Was wird.

Bayern, Bayern, da war doch was? Heute beginnt, komplett mit einer Vorführung des neuen Tron-Films, die Digital Lifestyle-Konferenz in München. Zu den Star-Gästen gehören der Cloud-Poet Hans Magnus Enzensberger. Seine Theorie der Medien war dafür verantwortlich, dass ein bis dato rechtschaffener Student in Marburg sein Studium abbrach und Vollzeithacker wurde. Heute sammelt eine Stiftung in seinem Namen Gelder für Hacker-Projekte ein, auch für Wikileaks. Eine derart dezidiert politische Stiftung ist von Eric Schmidt nicht zu erwarten: Der Konflikt bei Google eskalierte ausgerechnet über dem Firmenmotto Nichtsbösestun und dem Engagement in China. Böses tun, warum nicht, wenn der Markt ruft?

Eric Schmidt ist der Star beim Münchener DLD, nicht Frau zu Guttenberg. "Update your Reality", so das Münchener Motto, bevor der Zirkus nach Davos abhubschraubt. Dort diskutiert man weiter auf dem WEF: "Building a response to the new Reality." Diese komische Realität ist auch nicht mehr das, was sie früher einmal war. Tunesien? In Libyen und Algerien brodelt es auch ganz uncybergemäß. Da ist es schon besser, sich an den guten alten Cyberwar festzuhalten, wie dies die Türkei demonstriert mit Kampfübungen gegen Cyberangriffe. Wie heißt es noch so schön beim CCC-Sprecher: "Angriff ist besser als Verteidigung". Schlagen wir zu, es ist ja nur digital.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #323 am: 30 Januar, 2011, 00:07 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Was die eine Enzyklopädie Alexander Spoerl zuschreibt, die andere auf Wilhelm Busch zurückführt, ist drittens wieder einmal passiert. Da sollte doch die ganze furchtbar dunkle Unterseite des Internet im Fernsehen angeleuchtet werden, da sollte gezeigt werden, wie Online-Täter mit vielen Stuxnetten die freiheitlich-demokratische Grundordnung bedrohen, doch was dann kam, war die bekannte Mashup-Vorlage für zahllose Downfall-Parodien. War etwa das Internet in Deutschland abgeschaltet und konnte darum nicht angeleuchtet werden? Nix da, der Tod vom Marlboro-Man Eichinger war der Auslöser.

*** Es starben noch andere. Der unter Außenminister Joschka Fischer ausgebürgerte Deutschjamaikaner Peter Paul Zahl wurde 66. Zum Abschied kassierte er halbgare Nachrufe im Feuilleton. Besonders gelungen die Zusammenfassung in der Bildzeile der Zeit: "Der Schriftsteller Peter-Paul Zahl war Passfälscher, hatte Verbindungen zur terroristischen 'Bewegung 2. Juni' und saß wegen einer Schießerei mit Polizisten im Gefängnis." So schnurrt ein Leben auf eine durch und durch kriminelle Laufbahn zusammen. Wie war das noch?

am 24. mai 1974
verurteilte mich
das volk
– drei richter
und sechs geschworene –
zu vier jahren freiheitsentzug
am 12. märz 1976 verurteilte mich
in gleicher sache
das volk
– drei richter und zwei geschworene –
zu fünfzehn jahren freiheitsentzug
ich meine
das sollen die völker
unter sich ausmachen
und mich da rauslassen
Peter-Paul Zahl

*** Auch der Journalist und Futurologe Daniel Bell ist gestorben. Er war in den 60er Jahren Leiter der berühmten "Commission for the year 2000" der American Academy of Arts and Sciences und prognostizierte relativ genau, was mit den Computern in der "nachindustriellen Gesellschaft" passieren wird. Für die Kommission schrieb er 1967: "We will probably see a national information-computer-utility system, with tens of thousands of terminals in homes and offices providing library and information services, retail ordering and billing services, and the like." Seine Beobachtungen zu den kulturellen Widersprüchen des Kapitalismus führen direkt zur Aufmerksamkeitsökonomie, die heute im Internet gepredigt wird. Seine Annahme, dass eine technische Klasse von Wissensarbeitern entsteht, denen die klassischen demokratischen Werte fremd sind, wird zumindest in Deutschland mit dem aktuellem Wort von den "Postprivacyspacken" hoch gehalten.

*** Wie viele Tote es in Ägypten bisher gegeben hat, ist derzeit nicht genau bekannt. Die große totale Internet-Sperre ist zwar nicht lückenlos, doch zuverlässige Informationen sind noch Mangelware. Ein Regime bricht dort zusammen, das sich technisch auf der sicheren Seite sah. Gegen den historisch einmaligen Abschaltungsversuch protestierte die Internet Society, während eine zusammengerufene Runde von Internetunternehmern beim Weltwirtschaftsforum im schnuckeligen Davos sich bislang nicht auf eine Protestnote einigen konnte, weil so das Alles wird Gut-Gefühl von Googles "Außenminister" Eric Schmidt beschädigt werden könnte. Auf dem Zauberberg in Absurdistan lautet das Motto der CEO-Sause übrigens: "Building a response to the new Reality". So demontiert sich, was eine Schraube locker hat. Ganz nebenbei zeigt der Versuch, den großen Internetschalter umzulegen, die groteske Überschätzung des Internet, meint Evgeny Morozov. Der hat darüber ein neues Buch, "The Net Delusion" geschrieben. In Europa erscheint es mit dem Untertitel "How not to Liberate the World". In den USA heißt es hingegen "The dark side of Internet Freedom": Manchmal sind es kleine Sprachschalter, die den Unterschied ausmachen.

*** Wenn die Regierung das Internet abschaltet, ist es dann Zeit, die Regierung abzuschalten? Gibt es ein Menschenrecht auf IP-Connectivity? Beim Münchener WarmUp für Davos, diesem Digital Life Design entzückte Eric Schmidt die Zuhörer mit der unverbindlichen Erwähnung von Tunesien, von Ushahidi im Kontext des immer wieder liebenswerten unbösen Google, das bei jedem gespeicherten Bit um Erlaubnis fragt. Euphorisch wurde die Stimmung, als Schmidt sich zu der Aussage verstieg, dass mit neuen, superschnellen Netzen wie LTE und fix rechnenden Mobilgeräten sich so etwas wie eine "Augmented Humanity" einstellt, so frei nach Schnauze von Ernst Bloch interpretiert: "Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Aber ich habe mein Klugfon. Schick!" Für die bemerkenswerte Leistung, Humanität an ein Gerät und nicht an die Condition Humaine, die Lebenswirklichkeit zu binden, wird Schmidt sicher noch einen Ehrenpreis bekommen. Das in München unter der Hand gezeigte Google-Tablet hatte in Davos dann seine Premiere und holla, holla, die Bild kann nun in allen Sprachen gelesen werden! Schick! Kai Dieckmann macht dazu Mala-Mala.

*** Auf dem WarmUp stieg die schauspielernde Gastgeberin in eine Inszenierung der besonderen Art, derweil ihr Göttergatte seine Wunderkammer öffnete und allen Ernstes Googles Page Rank mit der Kunst der Fuge von Bach verglich. Interpretieren lässt sich das nur als Aufruf zu einem gesunden Atheismus: Wenn es einen gerechten Gott, Jahwe, Allah oder Ellen Mustermann geben täte, so würden längst Blitz und Donner wüten für diesen Frevel. Nix da, friedlich war's auf einer Konferenz, die im Mai 2000 als Cool people in the hot desert startete. Leider, leider bliebt es in der heißen Wüste nicht friedlich wegen der Infitada, deshalb trug bereits die Fortsetzung den Cyberwar im Titel. Bereits bei den Cool People knirschte es anno 2000 heftig im Gebälk: Die von ultra-orthodoxen Juden geleitete Firma WizApp wollte nicht erscheinen, die palästinensiche Hi-Tek-Engineering aus Ramallah durfte nicht. In dieser Woche veröffentlichte ausgerechnet Al Jazeera Dokumente über die Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern. Von dem im Jahre 2000 groß angekündigten Peace Technology Fund sind auch nur noch Ruinen erhalten. Und die Leiter der armenischen Christen an der Grabeskirche steht auch noch angelehnt vor den zerstörten Fenstern der Grabeskirche und verwittert. Welt, wo ist dein Fortschritt?

Was wird.

Auf den Fortschritt hat bekanntermaßen Wikileaks ein Copyright. Oder eben Openleaks, die Ausgründung. Oder eben diese Erzählung oder diese oder eben diese vom Staatsfeind Wikileaks. Weitere Bücher sind angekündigt. Im Februar gibt es eine deutsche Schilderung über die gefährlichste Website der Welt, einen Monat später erscheint das Buch der Lichtgestalt Julian Assange, das derzeit in Fantasixillionen Exemplaren gedruckt wird.

Wo bleibt das Positive? Gemach, gemach, der Igel ist nun einmal schneller als der Hase: Da wäre die tageszeitung zu nennen, die sich nach einem gräßlich verrunfallten Stück "Dschungelcamp-Reportage" bei ihren Abonnenten um jeden "Credit" gebracht hat, den "politischen Preis" zu bezahlen. Ab sofort ist sie ein ganz normales Nachrichtenmedium wie FAZ, FR, SZ und viele, viele andere, die man abonnieren kann oder ignorieren. Dazu startet The Daily auf dem iPad und signalisiert, dass es der Branche gut geht.

Recht heimlich, still und leise hat sich IBM herangeschlichen und in dieser Woche die Geburtstags-Website freigeschaltet, die darauf hinweist, dass ein Jubeljahr gefeiert wird. Zwar musste sich das deutsche Jubiläum dafür etwas verstecken, doch hey, wer geniale Ideen hat, darf feiern, wann er will.

Das gilt auch für Microsoft oder Google, deren 100-Jahr-Feier diese Kolumne nicht mehr erleben wird. Darum endet die kleine Wochenschau mit Peter-Paul Zahl und einem altägyptischen Hinweis.

man muss sie gesehen haben
diese gesichter unter dem tschako
während der schläge

sag nicht: die schweine
sag: wer hat sie dazu gebracht

Und im Hintergrund fragt die Viererbande, wer Ich eigentlich ist, wenn alles von mir abhängt.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #324 am: 06 Februar, 2011, 00:05 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Alles bekommt ein Gesicht. "Der Durchbruch einer neuen Technologie der Informationsgesellschaft, Informationen waren schon Ende der 80er, Anfang der 90er klarer zu haben, und was wir jetzt in den letzten 10 Jahren mit dem Siegeszug des Internets erleben, das wird unsere Gesellschaft in einer Art und Weise verändern, wie wir es vielleicht alle nicht genau voraussehen. Twitter, Facebook, die sozialen Netzwerke, es kann sich in dieser Welt keiner mehr sozusagen so einfach, kann in dieser Welt so einfach jemand versteckt werden, sondern alles bekommt jetzt ein Gesicht." Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf der Münchener Sicherheitskonferenz etwas überraschend ein Bekenntnis zu den technischen Bedingungen der Freiheit abgelegt, das als 1:1-Abschrift der Audio-Datei diese Wochenschau einleiten muss. "Wir haben auch Vieles ermöglicht, was heute auf der Welt gang und gäbe ist. Und dass man Facebook und Twitter überall auf der Welt hat, dass es zunehmend schwer wird, das zu sperren, ob es in China ist, in Ägypten, in Tunesien oder sonstwo auf der Welt, das ist auch ein kleines Bisschen unser Verdienst."

*** Ach ja, manchmal ist man ja schon mit wenig zufrieden: "Es muss ja nicht immer die virtuosere Hälfte sein." Doch stopp, jetzt tue ich Gregg Allman unrecht, wenn ich die eigentlich lobend gemeinten Worte durch Vergleiche mit der deutschen Politik ins Gegenteil verkehre. Immer einen Schritt nach dem anderen, bis Du den Weg zurück in die große Show findest? Einigen Leuten kann man nicht genug wünschen, dass es klappt. Im Vergleich dazu haben viele andere nicht einmal die kleinste Schau in der Mehrzweckhalle von Hintertupfingen verdient.

*** Nun, auf welche Wege auch immer Allmans weitere Schritte führen mögen, zurück in die Niederungen: Hoffentlich erinnert sich die Politik an diese pathetischen Worte Merkels, wenn der Unsinn, einen Kill Switch auch in Deutschland zu ermöglichen, diskutiert wird. Wie die Zappelei in Österreich zeigt, sind es Politiker, nicht Techniker, die von Abschalt und Einschaltknopf-Phantasien geplagt sind. Ja, der Kill Switch zieht "Kreise": Ein Knopf für den Atomschlag, ein Ausschaltknopf für das Internet oder zumindest für den europäischen Teil, ein Notfallknopf für jugendliche Surfer: am Ende gilt für all diese Ansätze der berühmte Satz des Journalisten Henry Louis Mencken: "Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, klar und falsch ist."

*** In Ägypten wurde bekanntlich versucht, das Internet und die Mobilfunknetze abzuschalten, um dem Protest eine Koordinationsmöglichkeit zu nehmen. Ganz gelang dies nicht. Länger als andere Provider blieb Noor aktiv, auch konnte via Satellit bei Thuraya weiter gesurft werden. Unter der Woche wurden die "Schalter" zwar wieder umgelegt, doch solange um die Macht gekämpft wird, ist der Zustand unbefriedigend, wie dies die Re-Build-Kampagne deutlich macht, komplett mit Überlegungen zur Zukunft. Lustig ist es dabei schon, wenn Infokrieger eine einzelne Firma wie Narus dafür verantwortlich machen, als Zaubermeister des Kill-Switches den dunklen Mächten zu dienen. Über die Software von Big Mother ist in diesem Newsticker oft berichtet worden, seitdem der Whistleblower Mark Klein aufdeckte, dass das Programm im Auftrag der NSA in zentralen Verteilern bei AT&T installiert war. Wie diese Weltkarte andeutet, ist die urböse, in Israel entwickelte Software auch in Deutschland im Einsatz. Unter den Partnerfirmen wird für Deutschland die mittlerweile wieder aufgelöste Gesellschaft für technische Sonderlösungen geführt, eine Ausgründung des Bundesnachrichtendienstes, wie dereinst über eines der ersten lustigen Wikileaks-Lecks bekannt wurde. Was die Beamten von BKA und BND wohl im Gemeinsamen Terror-Abwehrzentrum an Software einsetzen? Nur keine Aufregung bitte: In dieser Woche hat dort das große Verschnaufen eingesetzt, nachdem die Terroralarmbereitschaft in Deutschland heruntergefahren wurde.

*** Ja, alles bekommt ein Gesicht, nur die Journalisten nicht. Sie sind die letzten Ärsche, weil sie unzureichend aus Ägypten berichten. Besonders die öffentlich-rechtlichen mussten dieser Tage viel Kritik als Lamestream Media einstecken, weil sie nicht schnell einen "Brennpunkt" oder ein "Extra Spezial" schalteten wie damals bei Ballacks Knöchel oder dem aschewolkenden Vulkan. Da gibt es ein Remake der friedlichen Revolution von 1989 und wir bekommen keine Bilder? Doch die Sache mit der friedlichen Machtübernahme ist ein Trugschluss, der nur noch von den blödsinnigen Formulierungen über die Facebook-Revolution übertroffen wird. Wahlweise geht auch Twitter-Revolution durch, wie unsere Bundeskanzlerin in ihrer Rede angemerkelt hat. Wenigstens der Blogger/Journalist, der sich sonst als Apple-Fanboy wohlfühlt, kann diesen Unsinn dank eigener Beobachtungen korrigieren. Der Glaube an die Technik von Facebook und Twitter ist maßlos übersteigert und wird einen schweren Rückschlag erleiden, wenn das große Töten der Jungen beginnt. Bei uns wird wahrscheinlich der Überbringer der schlechten Nachricht gesteinigt, darum verlinkt dieser Verweis auf Gunnar Heinsohn in die wesentlich bessere Variante.

*** Paris Hilton ist in Deutschland, doch alles spricht nur über Cyberwar, fordert Abwehrkonzepte ein und nach dem GTAZ ein CyTAZ, komplett mit einer Musterungsbehörde für Hacker, die ihrem Land dienen wollen. Die blonde Bombe zieht derweil ihre Kreise. Prosecco aus der Dose klingt wie ein digitaler Molotowcocktail. In den USA wird die neueste Strategie im Cyberwar als Defense in Depth ausgerufen, nicht ohne herzergreifende Töne, dass jeder "Computer Professional" sein Land verteidigen muss. Der Hindukusch ist sowas von strucki, jetzt ist jeder Firewall das Schlachtfeld im kybernetischen Krieg. Schmettern die Trompeten, klirren die Fahnen? Nichts da, hier ertönt ein leises Farewell. Während mit großem Getöse hinter den Guttenbergen der 100. Geburtstag von US-Präsident Ronald Reagan begangen wird, haben wir Grund zum Erinnern an einen aufrechten Menschen, der Vorbild für viele Informatiker war: Im Alter von 58 Jahren starb vor anderthalb Monaten Gary Chapman, der Mitgründer der Computer Professionals for Social Responsibility. Er war der Informatiker, der den wissenschaftlichen Nachweis führte, dass Ronald Reagans "Star Wars" allein wegen der Komplexität der Software nicht funktionieren kann. Im Zeichen des völlig verkorksten FüInfoSys wäre eine Rede über Verantwortung und Informationstechnik eine zeitgemäße Aufgabe für den obersten Befehlshaber. Zu schade, dass man damit nicht bei einer Boulevardzeitung punkten kann.

Was wird.

Alles bekommt ein Gesicht, nur die Denunzianten und Intriganten, die Verfassungsschützer, die einen Rechtsanwalt 38 Jahre lang beobachteten, die bleiben anonym. Eifrig schützt der deutsche Staat seine Schergen und sperrt die Akten dieser Langzeitbeobachtung. So bleibt unbekannt, was dem Rechtsanwalt und Menschenrechtler Rolf Gössner eigentlich zur Last gelegt wurde. Gössner veröffentlichte im Jahre 1982 das Buch "Der Apparat. Ermittlungen in Sachen Polizei" über die Tendenzen, Polizeibefugnisse über ominöse Anforderungsstatistiken auszudehnen.

Schlimmer als ein seine Auftragsgrenzen überschreitender deutscher Polizist ist nur der deutsche Sprachpolizist, der Regeln exekutiert und nicht verstehen will, was für ein formfreudiges Gebilde die deutsche Sprache ist. Wo Sprachknete auf große Knete trifft, hört der Spaß auf und der Justiv fängt an. Das ist der Fall nach dem Akkusativ, erkennbar durch die Frage "wen/was verklage ich heute?". Schuldig ist in diesem Fall der Ba‘al Azabab aller Leistungsschutzrechtler, die Suchmaschine Google und ihre Unfähigkeit, in Text-Snippets (Satire) angemessen zu kennzeichnen. Für jemanden, der die deutsche Sprache schrebergartenvereinsmäßig kleinmäht, ist dies natürlich ein schwerer Affront, ähem, Tort – oder muss es Realinjurie heißen? Ist das nicht gehopfen wie gespringt? Aber nicht doch. Was hier zu sehen ist, was Google als Snippet angeboten hat, nennen die Juristen eine "verkürzte Inhaltswiedergabe", weil der Vermerk Satire fehlt und die Suchmaschine damit zum "Störer" wird. Alles bekommt ein Gesicht, auch unser neues Leistungsschutzrecht, das die Regierung Merkel auf Wunsch der Verleger einführt, auch wenn es noch so mickrig ausfällt.

Wenn diese Kolumne erschienen und längst am vergilben ist, startet in den USA der Superbowl. Spieltechnisch geht es um eine Pille, die hinter die feindlichen Linien gebracht werden oder über ein Tor gedroschen werden muss, das Numerobis entworfen haben könnte. Werbetechnisch geht es um viel mehr. Motorola antwortet auf das berühmteste Werbevideo der Welt mit einem eigenen Werbespot. Dieser erreicht nicht die bildsprachliche Wucht des Originals, das Ridley Scott inszenierte, doch die Nachricht ist dafür umso klarer: 2011 ist Apple der Big Brother und Freiheit beginnt mit einem M, einem X , einem WWWW, ach soll sich doch jeder seinen Buchstaben selbst aussuchen, ohne das Genick zu brechen!

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #325 am: 13 Februar, 2011, 07:38 »
Da ja hier sonst kaum wer was macht ... 

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wer hätte gedacht, dass Ägypten das Land ist, das dem Wort Zivilcourage neues Leben einhaucht? Wer hätte gedacht, dass nach der Bundeskanzlerin im letzten WWWW der Außenminister Westerwelle zitiert werden muss mit einem bombastischen Satz: "Wenn wir Glück haben, dann erleben wir jetzt die Globalisierung der Aufklärung, die Globalisierung der Werte, die Globalisierung der Menschenrechte." Mit Beginn der Freudenfeiern in Ägypten schickte ein britischer Twitterer die zigfach wiederholte Nachricht: "Don't Forget Wikileaks is the Cause for these Uprisings! Support #Wikileaks & #Assange." Die Annahme, dass Wikileaks mit den veröffentlichten US-Depeschen aus Ägypten der Grund für den Aufstand war, ist ähnlich abenteuerlich wie die amerikanische Annahme, dass die Massen Urgent Evoke, dem Revolutionsspiel der Weltbank, ihre Taktik-Schulung verdanken. Auch die anderen Annahmen von der Twitter-Revolution oder dem Facebook-Aufstand sind eindimensional; und dass alles der Sieg von Al Jazeera ist, sollte auch gleich mit auf den Kehricht der Monokausalitäten. Der größte und teuerste Geheimdienst der Welt blamierte sich mit seinen Einschätzungen zur Lage in Ägypten. Wenn wir Glück haben, ziehen die USA daraus Konsequenzen.

*** Übertreibungen gehören zum Geschäft von Wikileaks. Aus der Äußerung des schwedischen Premierministers Frederik Reinfeldt, dass die unabhängige, politisch nicht gelenkte schwedische Justiz einen Vergewaltigungsvorwurf gegen Wikileaks-Chef Julian Assange prüfe, destillierte Assanges Rechtsanwalt in einer Anhörung, dass Assange nun Schwedens "Staatsfeind Nr.1" sei. Es sei verantwortungslos, ihn in die vergiftete Atmosphäre Schwedens zu entlassen. Diese Übertreibung wurde noch durch die Volte getoppt, mit der ein ehemaliger schwedischer Staatsanwalt als Zeuge für Assange (!) aussagte, dass es kein Risiko einer Abschiebung in die USA gibt, wo Assange Straflager und Todesstrafe drohen würden. Wenn am 24. Februar die Entscheidung über die Auslieferung von Assange an Schweden fällt, werden seine Anwälte unverzüglich in die Berufung gehen. Der auf ihnen liegende Druck ist nicht mit der läppischen Missionarsstellung zu vergleichen, in der Assange nach Angaben seines Anwaltes zu verkehren pflegt.

*** Bleibt die Frage, warum Julian Assange am 27. September überhaupt Schweden verlassen hatte, obwohl sein schwedischer Anwalt Björn Hurtig seit dem 10. September wusste, dass die den Fall neu aufrollende Staatsanwältin Assange vernehmen lassen wollte. Zwar wurde verfügt, dass Assange Schweden verlassen durfte, doch die Ermittlungen liefen weiter, unter der Annahme, dass Assange am 6. Oktober bei einer Großkundgebung wie angekündigt auftreten würde. Nun ist "Inside Wikileaks" erschienen, das Buch des Assange-Partners Daniel Domscheit-Berg, der am 26. August von Assange in aller Selbstherrlichkeit "supendiert" wurde. In diesem unterhaltsamen Buch findet sich die interessante Passage, dass der zentrale Server von Wikileaks Anfang September seinen Geist aufgab und Domscheit-Berg als Verantwortlicher für die Backups von Wikileaks der einzige war, der das System retten konnte. Er fuhr am 14. September ins Ruhrgebiet und brachte "die gefährlichste Website der Welt" wieder in Gang.

*** Wie beschämend es für Assange gewesen sein muss, dass er mit seinem gesamten gespeicherten Mailverkehr von seinem ehemaligen Mitstreiter abhängig war, lässt sich an den üblen Beschimpfungen erkennen, die Wikileaks als Presse-Statement zur Person "Domschiet-Berg" veröffentlichte. Dass Julian Assange monatelang von einer Sprinterprämie lebte, die Domscheit-Berg bei EDS Rüsselsheim einsackte, ist dem Australier offenbar längst entfallen. Getoppt wird das ganze durch einen deutschen Juristen, der im Auftrag von Assange die "Datenbestände" vom offiziellen Backup-Beauftragten zurückholen soll und allen Ernstes von "Diebstahl" redet. Wahrscheinlich stellt sich der Jurist ein hübsches Regal vor, in dem die sequentiellen Backups ordentlich durchnummeriert auf Assange oder auf eine Hausdurchsuchung warten. Was Assange glaubte, als er am 27. September nach Berlin flog, um seinen Ex-Partner zu treffen, der gerade via Spiegel seinen Ausstieg öffentlich machte, wird das nächste Wikileaks-Buch zeigen, geschrieben von Julian Assange. Es soll nicht weniger als eine Generation einigen

*** "Inside Wikileaks" ist ein Schelmenroman und ein wunderbares Lehrstück über die Funktionsweise der Medien zugleich. Die idiotischen Meldungen zum Buch, die sich mit dem kastrierten Kater Schmitt, dem Essen von Leberkäse oder dem überzeugten Kindermacher vieler Klein-Julians in aller Welt beschäftigen, zeigen überdeutlich, dass am eigentlichen Wikileaks-System kein Interesse besteht. Die Überlegungen zum Leaken, zur Technik, die Openleaks einsetzen will, um nicht vom Größenwahn eines Einzigen abzuhängen, bleiben unbeachtet. Das Buch ist ein Schelmenroman in der Tradition von Tom Sawyer und Huckleberry Finn, von zwei Freunden, die unter Pseudonymen wie Jay Lim (Assange) und Thomas Bellmann (Domscheit-Berg) und vielen weiteren Namen dem ahnungslosen Außenstehenden eine große Organisation vorspielten. Die ein Mietauto voll mit teuren Server-Slides beladen und in einer Tour de Force in Westeuropa Wikileaks-Equipment bei diversen Hosting-Providern installieren, mit Wissen der Techniker und Admins, die diese Hardware-Halden bewachen und warten. Die immer wieder an den Busen der Mutter zurückkehrten, einem roten Gästesofa des Chaos Computer Clubs, um von dort zu neuen Taten aufzubrechen. Entsprechend liebevoll fällt der Tadel aus, gewürzt mit wichtigen Überlegungen zu dem Problem, dass Leaks erst dann einen Wert bekommen, wenn sie zurückgehalten werden.

*** Mitten im "mütterlichen" Sermon findet sich der Hinweis auf Firmen, die überlegen, wie Wikileaks (und demnächst Openleaks) zerstört werden können. Das Ganze im Auftrag der Bank of America, die offenbar keine Angst haben muss (weil Assange die Daten aus der Submission-Platform fehlen?). Interessant ist es allemal, wie die Experten für Counterinsurgency auf die Idee kommen, ausgerechnet einen Journalisten ins Visier zu nehmen. Nicht minder interessant ist es, dass dabei Software von Palantir Technologies zum Einsatz kommt, wie die Screenshots zeigen. Palantir bzw. Cap Gemini in Europa ist der Spezialist für Antiterror-Software, die auch von deutschen Behörden eingesetzt wird. Ein Blick auf das OSINT-Interface (siehe nebenstehendes Bild) ist da ganz aufschlussreich. Vor wenigen Wochen erwähnte ich das Project Grey Goose, das von eben jener Palantir finanziert wurde, die für die Bank of America arbeitet. Hier wurden national gesinnte US-Hacker für den Abwehrkampf im "Cyberwar" rekrutiert. Wer glaubt, dass so ein Vorgang in Deutschland nicht möglich ist, sollte sofort raus an die frische Luft und Gänseblümchen pflücken. Und wer keinen Bock auf den gräßlichen Schneeregen hat, kommt hier auf seine Kosten.

Was wird.

Dort, wo sonst ganz ohne rotes Sofa der Chaos Computer Club tagt, beginnt am Dienstag der Europäische Polizeikongress. Der weiter oben gezeigte Screenshot von Palantir stammt von dem Kongress im vergangenen Jahr. Diesmal dürfte EU-Kommissarin Cecilia Malmström aus Schweden der Star des Kongresses sein, die ganz im Sinne der Wikileaker über "Tools, Trust and Training" referiert, derweil aus Italien bereits Alarmgeschrei ertönt, was nun an Menschenmassen via Tunesien auf uns zurollt und -schippert. Wie ist es denn, von allen Frontex verlassen, wenn die von Westerwelle begeistert begrüßte Globalisierung der Menschenrechte einen Kollateralbonus produziert? Wie weiland 1989 wäre doch ein Begrüßungsgeld ganz praktisch, gezahlt aus den gesperrten Mubarak-Konten, auf denen Zigmilliarden liegen sollen. Gerade die IT bietet dafür aktuell ein schönes Beispiel: Wenn zwei Ertrinkende sich festhalten, überlebt keiner. Während diese Wochenschau auf einem dunklen Parkplatz in Hannover mittels USB-Stick übergeben wird (psst, psst), wird gerade versucht, Algerien vom Internet zu trennen. Jedes Byte beißt. Deutsche, zu den Pantoffeln!

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #326 am: 20 Februar, 2011, 07:00 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Nein, diese kleine Wochenschau beschäftigt sich nicht mit Julian Assange und seinen Wikileaks wie die letzte, dafür kritisierte Ausgabe. Nein, auch zum Dr. plag. zu Guttenberg von der achtbaren Universität Bayreuth findet sich nichts in diesem Rückblick. Seine endgültige Titelniederlegung am Grabmal des unbekannten Plagiaten ist erst für die kommende Woche vorgesehen. Scheiß auf den Doktortitel, der nichts anderes ist als ein knackiger Busen und eine Straffung des Popos, weiß ein fleißiger Briefschreiber von den Guten! zu berichten. Bemerkenswert an der ganzen Geschichte bleibt, wie präzise das GuttenPlag-Wiki arbeitet. Derzeit stammen 247 Seiten der Dissertation nachweisbar aus fremden Federn, eine beachtliche Quote vom 62,8%. Wer mitverfolgt, was dieses Wiki leistet, kann sich in Ansätzen vorstellen, was Wikileaks als aufklärerisches Wiki-Projekt erreichen könnte. So aber bleibt es vorerst bei der abgedrehten Einmann-Show eines angeblichen schwedischen Staatsfeindes, der sich für "untouchable" hält und zum Auslöser der maghrebinischen Revolution stilisiert.

*** Viel interessanter ist es da, sich mit dem Cyberwar zu beschäftigen, der nach Aussagen des NSA-Kommandanten Keith Alexander unmittelbar bevorsteht. Auf der RSA-Konferenz zeichnete er ein düsteres Bild, bemängelte auch die Art und Weise, wie unordentlich dieser Krieg geführt wird. Nicht mal eine ordentliche Kriegserklärung ist Standard, ganz zu schweigen vom Digitalen Roten Kreuz, das in der Erweiterung der Genfer Convention vorgeschlagen wird. Fehlt die Kriegserklärung, bleibt eine feige Cyber-Attacke übrig, mit der sich die Innenminister herumschlagen müssen. Die reichen den Auftrag an ihre Polizeien weiter, die an Crimeleaks-Seiten basteln und darauf hoffen, dass der Hacker als Bürger mithilft, seinen Staat zu verteidigen. Dass ein hoher Polizeibeamter auf dem "europäischen" Polizeikongress über die Hacker-Ethik referiert und dabei auf den "deutschen Hacker-Club e.V." verweist, zeigt den blühenden Unsinn der Sehnsucht nach irgendeiner Art von Cyber-Ordnung. Was ist an der CCC-Aussage "nur bedingt einheitlich definiert" eigentlich so schwer zu verstehen? Es sei daran erinnert, dass dieses Gespinst einer Hacker-Ethik entwickelt wurde, als Menschen aus dem Umfeld des CCC sich beim KGB-Hack "unethisch" verhielten. Dass es eine andere Sicht der Dinge gibt, dass Ethik geschält, halbiert und bei Geschmack frittiert werden kann, wird gerne vergessen. Hacker können ohne Ethik leben und ohne den Imperativ, einen Staat zu verteidigen, der ihre Programmierwerkzeuge kriminalisiert hat, ganz ohne Cyberwar-Gemurmel.

*** Bekanntlich haben die bösen Buben von Anonymous die beiden Firmen HBGary und HBGary Federal nach allen Regeln der Hackerkunst zerlegt. Das wurde  gemeldet, doch sollte jeder, der von Cyberwar redet, auch die Erzählung lesen. Firmenchefs eines Spezialisten, der NSA und andere Geheimkramsläden beliefert, die überall das gleiche einfache Passwort benutzen, ein CMS mit SQL-Injection, die "Absicherung" mit MD5 und als Krönung "social Engineering" vom Feinsten, als Personation von Superhacker Greg Hoglund: als Drehbuch kann es dieser vollkommen unglaubwürdige Plot mit Swordfish aufnehmen, wo ein Hacker per Fellatio ein Passwort entschlüsselt. Die Krönung der Aktion ist natürlich die Flut von Dokumenten und E-Mails, besonders die Analysen dieser Firma, die für teures Geld an interessierte Dienste verkauft wurden. Wer will, kann diese Analysen bei Cryptome lesen, einer ganz unspektakulär funktionierenden öffentlichen Hacker-Bibliothek. Auch die Enttarnung von Anonymous findet sich dort: /b/ von 4chan.org und die Encyclopedia Dramatica sollen die Plätze sein, an denen sich die bösen Buben vor dem Chat-gesteuerten Angriff sammeln. Dieser Lulz soll passiert sein, nachdem die Firma wegen Lebensgefahr ihren Stand auf der RSA-Konferenz räumte.

*** Gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit gibt es keine App, so Hilary Clinton in ihrer neues Grundsatzrede zur Internetfreiheit. Sollte es aber doch einen Kill Switch geben, so will sie 25 Millionen Dollar für Programme ausgeben, die die Internetzensur unterlaufen. Mit dem ersten Anlauf namens Haystack hat man im letzten Jahr bereits 20 Millionen Dollar in den Sand gesetzt. Was die enorme Summe anbelangt, so steht uns Deutschen keine Kritik zu. Wir zahlen lieber in schwer kontrollierbare Demokratiefonds ein und schwärmen vom Bloggen und diesem Internetdings. Bleibt mir daher nur übrig, die ätzende amerikanische Kritik wiederzugeben: "WHAT? Dictators $10 billion, Democracy lovers $25 million, hypocrisy priceless." Dann wäre da noch Bahrein, dieses wunderschöne Land, bekanntlich ideal für eine Fußball-Weltmeisterschaft geeignet. Beschämend ist, dass der Österreicher Niki Lauda für seine einfachen Sätze ausgebuht wird: "Wenn Menschen für Demokratie kämpfen, kann man da nicht Formel 1 fahren. Das ist nicht vereinbar." Keine Klickstrecke für die schönsten Boxenluder der Formel 1. Und die IT-Branche? Scheich Achmed freut sich über die Gespräche mit Google, ein Rechenzentrum aufzubauen. Cisco ist auch schon da. Wem das alles zu schnell geht, wird lieber in den Demokratiebremsefonds einzahlen: Von China lernen heißt blockieren lernen.

*** Bekanntlich hat Watson die Quizshow Jeopardy! gewonnen und damit die Philoso-Viehtreiber schwer erschüttert, die dem um die Ecke denkenden Menschen eine besondere Qualität andichten, statt ihn in einem simplen Turing-Test als eine von vielen möglichen Maschinen zu sehen. Watson machte Fehler und soll dennoch eine große Zukunft in der Anamnese vor sich haben. Ich freue mich auf den Tag, wenn ich meinem Arztprogramm erzähle, wie schlapp und elend ich mich fühle, das prompt mit : "Was ist Toronto?" reagiert. Spaß! Spaß! Längst haben die Programmierer den Fehler gefunden: Gott sei Dank glauben sie nicht daran, dass Irren menschlich ist.. So kommen wir Stück für Stück der Singularität näher, dem Punkt, an dem wir Menschen als hübsch lastbare Esel und Eselinnen stehen bleiben und uns auszahlen lassen. Dass Watson mit "What is eminent domain?" (Was ist eine Enteignung?) Watson beim Wetten auf das Daily Double gewann, ist einer dieser Kellerwitze der Philosophie. Die Vorgabe war weise: "This two-word phrase means the power to take private property for public use as long as there is just compensation." Open Source und Open Knowledge, das freie Wissen für freie Maschinen, wir arbeiten dran.

Was wird.

Kokolores ist eine sprachliche Verballhornung des mittelalterlichen Mummenschanzes, wenn die Gaukler Einzug halten in die Stadt. Kokolores hoch drei spielte sich bekanntlich in der Bundespressekonferenz ab, komplett mit einer Auflistung der Karnevalstermine, die Angela Merkel hat. Die tollen Tage haben begonnen, da schadet es gewiss nicht, wenn unsere Kanzlerin zum Vergleich mit den eigenen Leuten "Jecken aus allen Ecken Deutschlands" empfängt. Kurz vor der CeBIT sollte man seinen Spaß haben, ehe es in die lustigste Stadt Deutschlands geht. Frau Merkel setzt noch eins drauf und begibt sich in die T-City Friedrichshafen zum T-City Tag, den sie mit Mister 1000 Volt Stefan Mappus und René Obermann nach Besuchen bei mit dem Verkauf von Anteilen bröckelnden "deutsch-französischen" Firma EADS und ZF Friedrichshafen begeht. Dann geht es im Kanzlerinnengalopp zur Familie Mustermann, die in der an einem Teich gelegenen T-City zünftig Bachmann heißt und in die Freuden des Smart Metering einführt. Die vernetzte Intelligenz ist etwas für die härtesten Jecken, denn das Ausweichen beim Stromverbrauch auf Nebenzeiten bedeutet, dass diese Nebenzeiten vorab definiert werden können und der smarte Zähler vom Verbraucher programmiert werden kann. Na, dann gaukle ich auch ein wenig und sage den Tag voraus, an dem der Staat im Kampf gegen den Terrorismus die Vorratsdatenspeicherung unserer Duschdaten als notwendig erachtet: ein erster April. Manchmal beglückt wirklich nur eines: Konzentration aufs Wesentliche.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #327 am: 27 Februar, 2011, 08:17 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Dort, in den dunklen Wäldern, wo fränkische Wettertannen wachsen, treiben sich unendlich viele Affen herum und tippen unendlich lange Texte aus dem grauen Internet ab. So entstand eine Doktorarbeit, die von den Herren von und zu Waldbesitzern eingereicht wurde und folgerichtig mit summa cum Laub bewertet wurde. Dass ganz gewöhnliche Affen zu dieser Leistung imstande waren und damit Watson ausstachen, die höchstentwickelte Intelligenz auf diesem unseren Planeten, war das Gesprächsthema dieser Woche. Nicht die so gezeigte Verachtung der Politik für die Wissenschaft ist überraschend. Wer die politischen Sonntagsreden mit dümmlichen zum Hightech-Standort als der besonderen Stärke von Deutschland, von "Exzellenz" und "Hochkarätigem" liest oder morgen abend auf der CeBIT wieder hört, kennt diese ganz spezielle Verachtung zur Genüge.

*** Auch die unfeine putschistische Art der Konservativen, sich brutalstmöglich über Recht und Gesetz zu stellen, überrascht nicht, gibt es doch eine langeTradition in Deutschland für diese Legitimitätspfeiferei. Was überrascht, ist die Tatsache, wie spät der akademische Lack vom adeligen Gelberg abgewaschen wurde. Als zu Guttenberg Platon auf Altgriechisch zu seiner Lektüre erklärte, glaubten viele dieser Inszenierung frei nach AC/DC. Jaja, Vorbilder braucht das Volk und der Adel hat seine eigenen:

"Die Haupttriebfeder seiner Handlungen war nicht der Wunsch, Gutes zu schaffen, sondern der Ehrgeiz, als Förderer populärer Bestrebungen bewundert zu werden und als großer Mann auf die Nachwelt zu kommen; der durchgehende Charakterzug seiner Maßregeln war eine nervöse Hast, die unaufhörlich von einer Aufgabe zur anderen eilte, sprunghaft und oft widerspruchsvoll, und dazu eine höchst gefährliche Sucht, alles selbst auszuführen." Ludwig Quidde, Caligula

*** Zweifelsohne wird der Tag kommen, an dem der helle Watson eine perfekt zusammenkopierte Dissertation mit dem Zusatzlob Summa cum Suma vorlegen wird, die von einer menschlich vergeisterten nicht zu unterscheiden ist. Und danach kommt sicher auch "Calculatio ergo sum", die erste eigenständige philosophische Dissertation einer Maschine nach der großen Singulartität. "Bruno, was ist Leben?", auch diese Frage von Hal wird dereinst an einem hübschen Turing-Tag von einer Maschine ausführlicher als mit 42 beantwortet werden, in natürlicher Sprache. Der Mensch, dieser ewige Verlierer, beim Schach, bei Jeopardy und beim Andocken von Raumstationen, wird schweigend danebenstehen und es in Ordnung finden, "arbeitslos zu sein und nicht gebraucht zu werden, weil man dann sein Lebenstempo selbst bestimmen kann".

*** Was das Lebenstempo anbelangt, so geht manchen Politikern vor lauter Tempo die Luft aus. Die Geschwindigkeit, mit der sie vor einem Cyberwar warnen, eine Cyber-Abwehrstrategie basteln und ein Cyber-Abwehrzentrum einrichten oder kritisieren, möchte man bei anderen Vorhaben sehen, wie dem Löschen von Cyber-Kinderpornographie im Netz. Immerhin wird die Cyber-Defense vom BSI angeführt und nicht von einem Verteidigungsministerium, das lebenstempomäßig vollauf damit beschäftigt ist, Fähigkeitslücken in seiner Notes-Installation zu definieren. Auch das Cyber-Abwehrzentrum wird Schwierigkeiten haben, den Begriff Cyberwar ordentlich zu definieren. Immerhin weigern sich die USA und Israel, ihren Stuxnet-Angriff gegen den Iran als solchen zu benennen. Gleiches gilt für die Welle der chinesischen Angriffe. Was McAfee den Angriff der Nachtdrachen (PDF-Datei) nennt, ist McAfees Wortwahl. Spannend wird es erst, wenn China die Nachtdrachen paradieren lässt und zu seinen Netzkämpfern steht. Dann wird man erst die Existenz von amerikanischen Programmierereinheiten vernehmen, die Ziegen in den Arsch schauen und hören, wie sich die entsprechende Cyber-Truppe beim BND nennt. Tutti Gutti? Als 1991 der Begriff Cyberwar auftauchte, war er noch sehr teleologisch besetzt in dem Sinne, dass er ein Kampf rivalisierender künstlicher Intelligenzen sein wird. Immerhin wurde inzwischen diese Ideologie verabschiedet, mit netten Maschinen wie Watson, der Jeopardy! spielt und nie niemals nicht wann auch immer militärisch eingesetzt wird, sondern stux nett bleibt.

*** Tunesien machte es wunderbar touristisch-kompatibel, Ägypten zeigte schon ein anderes Kaliber und kann derzeit noch nicht zu den Gewinnern gerechnet werden, doch in Libyen wird übel gemordet. Wer weit genug zurückschaut, wird Gründe finden. Die internationalen Reaktionen laufen auf eine Flugverbotszone hinaus. Anders als Ägypten wurde in Libyen die Kommunikation via Thuraya systematisch gestört. Auch das hat offenbar nichts genutzt, wenn diese Meldungen stimmen. Wie sieht eigentlich eine Bundesrepublik Deutschland voller Einwanderer aus, die aufsteigen wollen? Genau, wir brauchen helle Köpfe.

Was wird.

Pressebätsch, Partytickets, USB-Stickbeutelchen und bequemes Schuhwerk. Das war's schon, die CeBIT kann beginnen. Es wird eine Erholung sein, eine guttenbergfreie Zone zu betreten: 2009 war Deutschlands fähigster Plagiator in Hannover mit dabei und bestritt mit dem Filmschauspieler Arnold Schwarzenegger einen Breitbandgipfel. So hätten wir Zeit genung, ein bisschen mit Watson zu plauschen, von Schreibprogramm zu Schreibprogramm. Ansonsten wird gesoffen bis zum Abwinken, wie das so ist, wenn sprechende Cocktail-Shaker mit ihren Verbmobilen auf journalistische Flaschen treffen und Watson laufend mit "Was isn Toronto?" dazwischenquatscht. Anschließend ist Partytime, wenn die Gorillagläser in echter Echtzeit gefüllt und in einem Quantensprung ausgetrunken werden. Dazu hört man am besten den Falco-Kracher, der auf der ersten CeBIT vor 25 Jahren zu hören war, auf der Heinz Nixdorf nach einem Tänzchen (zu anderer Musik) tot umfiel. Am nächsten Tag wachen wir dann in der Steinzeit auf.

Steinzeit, Steinzeit, da war doch was? Richtig, am Montag kann als Jubiläum der 50. Geburtstag des Fernseh-Urteils gefeiert werden, als deutsche Gerichte das Adenauer-Fernsehen verhinderten. In der Steinzeit des Fernsehens wollte Bundeskanzler Adenauer, mit den kritischen Berichten des 1. Deutschen Fernsehens unzufrieden, die Freies Fernsehen Gesellschaft durchsetzen. Sehr nett die Idee des Bundeskanzlers, dass das Gegenfernsehen ein ordentlich gemischtes Programm senden wollte: der bekennende Jazz-Fan, Krimiautor und Sexologe Ernest Bornemann war als Programmdirektor einer Anstalt vorgesehen, in der auch die Veteranen des nationalsozialistischen Fernsehens untergebracht werden sollten. Glaubt man der englischsprachigen Wikipedia, so war es Adenauer höchstpersönlich, der den ehemaligen Kommunisten Bornemann zur Rückkehr nach Deutschland bewegte. Bornemann wollte Jazz-Sendungen und Literatur-Diskussionen produzieren, die Wissenschaft sollte Heinz Haber betreuen, als Volks-Aufklärer vom Dienst war Oswalt Kolle im Gespräch. Daneben sollten die Altnazis ihre heroischen Bergfilmchen mit ach so unpolitischen deutschen Burschen produzieren.

Aus alledem wurde nichts, denn das Gericht befand, dass der Bundeskanzler mit einem eigenen Programm seine Kompetenzen überzog und letztlich sogar die Verfassung anrempelte. Staatsfern und nicht durch Parteien kontrolliert sollte das Fernsehen sein. Mit dem Urteil wurde das Fernsehen aufgewertet: War früher von einem Medium der öffentlichen Meinungsbildung die Rede, wurde es vor 50 Jahren zum eminenten Faktor der Meinungsbildung. Diese Rolle des Fernsehens übernimmt gerade ein neueres Medium, das Internet. Auch hier wird mit neuen Sendeformen experimentiert, auch hier wird um den Informationsbegriff gerungen. Auch wenn wir gerade recht geekige Probleme haben, wie Open Data, Liverstreams und https: Wir sind ab sofort der 18. Sachverständige. Und bitte: Wer wird angesichts dieser Bilder mit einem gewissen Openleaks-Touch bezweifeln, dass sich eine andere Instanz installiert? "Wir sind das Volk" hat auch einmal recht überschau- und bespitzelbar angefangen.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #328 am: 06 März, 2011, 00:07 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Die CeBIT ist gerade vorüber, das blutrot des Heisetickers verblasst, ein paar tanzende W künden vom Alltag in den nebeligen kalten Ebenen, von wegen strahlendes Wetter. Am letzten Tag der Messe feierten einige Unentwegte, nein, nicht diesen bescheuerten Karneval, sondern das erste Treffen des Homebrew Computer Club vor 36 Jahren. Und sonst so? Die Türken sind abgereist und die Hyperboräer greifen in warmen Zimmern zu einem guten Buch und verschnaufen. Wie wäre es mit Tolstoi und Anna Karenina?

"Ich bin schwach, ich bin vernichtet, ich habe nichts vorausgesehen und begreife jetzt auch nichts", sagte er. "Mein Freund", wiederholte Kristina Schröderowa.

"Ich beklage nicht meinen Verlust, aber meine Stellung ist tief beschämend."

"Nicht Sie haben großmütig Verzeihung gewährt, sondern er, der in unserem Herzen wohnt", sagte die Gräfin mit einem Blick nach oben, "und darum können Sie keine Beschämung empfinden."

Guttemins Miene verdüsterte sich. "Man muß alle Einzelheiten kennen", sagte er mit seiner dünnen Stimme, "ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht, Gräfin, den ganzen Tag muß ich Anordnungen treffen über die Haushaltung, mich um die Dienerschaft, die Gouvernante, die Abrechnungen kümmern, es ist, als ob man auf kleinem Feuer langsam geröstet wird."

*** Ein kleines, feines Plagiat, das von den Fallen eines Summa-cum-laude-Lebens kündet, auf dass selbst die ach so alternative taz mit ihren Kräften am Ende ist. Wenn allerdings die üble Plagiatsgeschichte infamerweise mit dem Tod und der Verwundung von Soldaten vermischt wird, muss noch der größte Verehrer des Adels den mehrfachen Schwindel begreifen, den kein Hochstapler, sondern eine Art Zustapler da weiterhin ganz ungeniert betreibt. Auf kleinem Feuer langsam rösten, das wäre eine prima Alternative zu den Geschichten, die sich bereits mit dem Comeback des "politischen Talents" beschäftigen.

*** So war es eine CeBIT, auf der die angeschlagene Angela Merkel keine Fleißpünktchen fürs Technikgucken sammeln konnte, sondern viel telefonieren musste, weil ihre vordemokratische Idee mit den "zwei Körpern des oberfränkischen Barons" (Ernst Kantorowicz) bei aufgebrachten Wissenschaftlern nicht ankam. Es war eine CeBIT, auf der ein glücklich lächelnder Innenminister zur Bundeswehrreform abkommandiert wurde. Wünschen wir dem netzdialogisch aufgeschlossenen Herrn de Maizière, dass sein Marschbefehl sich anders angehört hat als der Werbemüll für Muttersöhnchen, den seine neue Truppe da für den Hörfunk produziert hat. Die Nachwuchswerbung erscheint mindestens genauso reformbedürftig.

*** Dass die CeBIT manchem vollkommen unspannend vorkam, hatte nicht nur mit dem politischen Verwerfungen zu tun. Das wichtigste Produkt, das neue iPad für die moderne Großmutter, wurde in Kalifornien präsentiert, dort wo laut David Gelernter die Technologiegötter in einem Tal leben. Es hatte auch mit den CeBIT-Managern zu tun, die das Thema Cloud Computing unter das Volk bringen wollten. Entsprechend dümmlich die Artikel über Supercomputer, die die Größe von Fußballfeldern haben sollen – wie wäre die Umrechnung in die 2568,65 km² Standardeinheit des Saarlandes? Unwidersprochen auch der von IBM behauptete Blödsinn, dass ein wirbelnder  Watson die gesamte Menschheit voranbringen wird. Wo es doch nur darum geht, mit der Smart Agenda den eigenen Profit ordentlich zu steigern, wie dies der achte IBM-Präsident in 100 Jahren IBM-Geschichte demonstriert.

*** Vielleicht sollte man bei diesem Supercomputerschmarrn in Anlehnung an Kantorowicz von den "zwei Körpern des Computers" sprechen und die Differenz zwischen der öffentlichen Funktion dieser Clouds und den Rechnern, die die Wolke bilden, näher beleuchten. Dann würde auch enttarnt, wenn Fernsehleute vom Tod des PC reden, wo bestimmte Realweltinkarnationen des Computers den Dodo machen. Der bereits erwähnte Artikel von David Gelernter "Unser neues Bauhaus", den die Frankfurter Allgemeine Zeitung zum Abschluss der CeBIT veröffentlicht, zeigt das Problem in einem grellen Licht. Es wird von Benutzeroberflächen geredet, wo wir Informationsoberflächen brauchen, es werden furchtbar programmierte und schwer zu bedienende MP3-Player gelobt, wo doch viel mehr möglich sein könnte. Statt all dem iconifizierten Müll der Schmalspur-Apps könnte ein an den Menschen im Bauhaus-Stil angepasstes Musiksystem Musik erlebbar machen. Kunst und Technik müssen eine neue Einheit eingehen. Doch welche Kunst, welche Musik ist hier gemeint?

"Musiktitel müssen zusammen mit elementaren Informationen über die Darbietenden und die Aufführung geladen werden. Es muss leicht möglich sein, die Noten herunterzuladen. Es muss leicht möglich sein, die Partitur mit Anmerkungen zu versehen und diese mit anderen Personen auszutauschen. Man muss verschiedene Aufführungen eines Stücks Satz für Satz bequem miteinander vergleichen und bei Bedarf zusätzliche Informationen aus der Cloud beziehen können. Man drückt einen Knopf, und solange man ihn drückt, strömen weitere Informationen herein - über die Instrumentierung, die Aufführungsgeschichte, das Leben des Komponisten. Natürlich sollte man den Player an ein größeres Audiosystem anschließen und dabei den Fernsehbildschirm als Display benutzen können.

Mit einem PC, wie er immer noch allzu röhrend neben oder auf vielen Tischen in Büros und Wohnungen steht, hat das allerdings wirklich nichts mehr zu tun. So erleben wir ihn, nicht nur durch das Aufkommen neuer Gerätschaften, hoffentlich wirklich, den Anfang vom Ende des PC. Das mag der gestandene Informatiker unserer Tage so unmöglich finden wie der Römer die Eroberung seiner Stadt durch die Vandalen. Oder der in Erinnerungen an die Liebe in den Zeiten des kalten Krieges Schwelgende das Ende des Mixtapes. Hilft aber alles nichts. Das Unbekannte ist der Feind des Gewohnten.

*** Es gibt noch eine andere Welt der Software. Weit abseits vom CeBIT-Trubel hat das Bundeskriminalamt seine Sirup-Studie veröffentlicht. Sirup (PDF-Datei) ist ein Akronym und steht für "Sicherheitsrisiken für Computeranwender im häuslichen Umfeld durch kindliche und jugendliche PC-Nutzer". Befragt wurden 1.171 rheinland-pfälzische Schüler und Schülerinnen der 7. bis 10. Klassen aus allen Schulformen darüber, wie sie Familien-PCs nutzen. Über die Hälfte (54%) hatten eigene Rechner, dennoch ging es darum, wie surfende Kinder die Familie in digitale Bedrohungslagen bringen. Wer den Aussagen "Ich weiß genau, wie ich an gefälschte Seriennummern für meine Software gelange" und "Ich habe mich schon einmal dabei erwischt, wie ich im Internet gezielt nach Seiten mit illegalen Inhalten gesucht habe" zustimmte, kam in die Risikogruppe "Besuch illegaler Seiten und Software-Piraterie", die in der Studie laufend auftaucht. Der Gimmick zum Schluss: Die Schüler, die technisch die besten Kenntnisse über Computersicherheit, Firewalls und obskure Dateianhänge hatten, besuchen am häufigsten illegale Seiten. Die Proto-Hacker lassen grüßen.

*** Nach diversen gescheiterten Anschlägen hat Deutschland in dieser Woche erstmals ein islamistisch motivierten Terroranschlag erlebt. Dass der "home-grown" Terrorist nicht schlimmer zuschlug, ist einer Ladehemmung der schlecht gewarteten Schusswaffe zu verdanken. Nun sind sie da, die Forderungen nach umfassender Vorratsdatenspeicherung und Verbot von Ego-Shootern, passend ergänzt durch Bestrebungen des neuen Innenministers, eine neue Vorratsdatenspeicherung einzuführen. Dass niemand auf den offenkundigen Widerspruch hinweist, dass ein selbstradikalisierter Einzeltäter nicht durch solche Datensammlungen entdeckt werden kann, wenn er gutnachbarschaftliche Beziehungen mit anderen potenziellen Tätern unterhält, verweist darauf, wie sich Überwacher und Belauscher insgeheim freuen können. Gekrönt wird das Ganze durch eine bornierte Ministermeinung darüber, wo der Islam hingehört. Dieser Sprengsatz ist gelegt.

Was wird.

Die CeBIT ist vorbei, der internationale Frauentag bald auch. So richtet sich der Blick auf den Welttag gegen Internetzensur, an dem die "Feinde des Internet" enttarnt werden und Preise für die weltbesten Netizen in Paris vergeben werden. Ein heißer Kandidat kommt aus Tunesien, doch leider wird man nicht die findigen Chinesen ehren können, die Lächeln als subversives Zeichen des Widerstandes besetzten. Nun wird vor Träumen gewarnt.

Wie sieht es bei uns mit den Träumen aus? Sie liegen nicht unter dem Pflaster, sondern in einer Enquête-Kommission namens Friede, Freude, Adhocracy. Was sie erreichen kann, ist unklar, die Mühen der Ebene sind groß. Das Gegenstück zu dieser neuen Beteiligungsplattform ist das Bürgerforum 2011, das von der Bertelsmann-Stiftung aufgesetzt wurde. Am nächsten Samstag eröffnet das Bürgerforum seinen Dialog mit einer Rede von Bundespräsident Christian Wulff, die von Naila aus in die 25 Städte und Landkreise übertragen wird, die partizipieren dürfen. Jeweils 400 Bürger sind nach dem Zufallsprinzip ausgewählt dabei und diskutieren die Frage: "Wie kann der Zusammenhalt der Gesellschaft gestärkt werden?" Gegenfrage: Fliegt denn etwas auseinander? Und warum wird in Naila diskutiert, der Stadt unseres neuen Innenministers? Kann das mal die Sendung mit der Maus klären?

Quelle : www.heise.de

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #329 am: 13 März, 2011, 07:14 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Smoke on the water, a fire in the sky ...." Nein, die Bilder und Berichte aus Japan sind ernst genug, die Späßchen zu unterlassen, die Menschenkette zwischen Neckarwestheim und Stuttgart erinnert an 1986. Derweil demonstriert die Bundesregierung mit modernster Technologie Borniertheit, wenn der Regierungssprecher twittert: "Umweltmin. Röttgen: praktisch ausgeschlossen, dass Deutschland von AKW-Lage in #Japan betroffen ist. Dennoch Sicherheitsanalyse auch bei uns" Denn praktisch ausgeschlossen ist gar nichts. "Jawohl wir wissen, dass wir auch ein Stück weit in Gottes Hand sind," erklärte die Chefin des Regierungssprechers, eine promovierte Physikerin und Spezialistin für Zerfallsreaktionen mit einfachem Bindungsbruch. Wie beim Tsunami 2004 und bei der Katastrophe in Haiti möchte ich alle Leser dieser kleinen Wochenschau aufrufen, zu helfen. Auch bei uns muss Atomschutt weggeräumt werden. Mag man sich auch lieber Absencen hingeben mögen.

*** Bei uns sind die Atomkraftwerke nicht besonders erdbebensicher, wie der IPPNW in einem Gutachten festgehalten hat. Dass ein Beben mit Stärke 5,3 vor dem Bau von Biblis zwischen Lorsch und Ludwigshafen gemessen wurde, ist längst vergessen. Und bitte, dass es Flieger wie den A380 gibt, der in ein Kraftwerk rauschen könnte, konnte man nicht beim Bau der Anlagen wissen. Außerdem: Was ist schon 4,4 in Hessen anders als ein schlichter Hickser? Tschernobyl, ach naja, das muss man einfach positiv sehen: Endlich bekamen die Sandkästen (zumindest dieser bundeswestdeutschen Republik) frischen, unkontaminierten Sand, selbst die sonst so verachteten alternativen Kinderläden wurden beglückt. Bleibt die Frage, ob die taz-Bezeichnung Dreckschweine nicht den durchaus reinlichen Tieren unrecht tut. Nun werden Erinnerungen daran wach, wie dank Tschernobyl die tageszeitung vor der Pleite gerettet wurde, weil sie als einzige täglich die Belastungswerte veröffentlichte. Was die Alternative anbelangt, so ist sie sicher nicht im Öl zu suchen, wie ein historisches Datum deutlich macht: Heute vor zwanzig Jahren zahlte Exxon 1 Milliarde Dollar wegen der Ferkeleien, die die Exxon Valdez angerichtet hatte, wobei über die restliche Beseitigung der unerwartet bis heute verbliebenen Ölreste weiterhin gestritten wird.

*** "Smoke on the water, a fire in the sky ..." Spanferkelglänzend nahm der doktorlose Allesüberflieger Karl Theodor zu Guttenberg unter Applaus am Großen Zapfenstreich teil, ein Ministerium zurücklassend, in dem wegen der Bundeswehrreform Feuer in der Hütte waberloht. Die in der letzten Wochenschau verlinkte Erklärung des Strahlemannes ist aus dem Netz verschwunden: Es geht voran. Nur bei den üblen Medien kann man noch nachlesen: "Ich war immer bereit, zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht." Als Plagiatsvorlage für diesen Satz hatte ich Tolstois Anna Karenina vorgeschlagen, was manchem Leser missfiel. Der Gegenvorschlag stammt aus Henry Millers "Wendekreis des Krebses":

Bisher versuchte ich meine kostbare Haut zu retten, versuchte ein paar Stück Fleisch, die meine Knochen umkleideten, durchzubringen. Damit bin ich fertig. Die Grenzen meiner Kräfte sind erreicht. Ich stehe mit dem Rücken zur Wand; ich kann nicht weiter zurückweichen. Geschichtlich gesehen bin ich tot. Wenn es etwas jenseits geht, muss ich zurückspringen. Ich habe Gott gefunden, aber er ist unzulänglich. Ich bin nur geistig tot. Körperlich bin ich lebendig. Moralisch bin ich frei. Die Welt, die ich verlassen habe, ist ein Zwinger. Die Dämmerung bricht an über einer neuen Welt, einer Dschungelwelt, in der die mageren Geister mit scharfen Klauen umherstreifen. Wenn ich eine Hyäne bin, so eine magere und hungrige: ich ziehe aus, um mich zu mästen ..."

*** Mastbetriebe der besonderen Art sind Firmen, die Unterdrückern die notwendige Spitzelsoftware liefern. Am Anfang der Woche wurde ein Fall aus Ägypten bekannt, in dem Indizien darauf hinweisen, dass die Spitzelsoftware deutsche Wurzeln haben könnte. Der Hinweis auf einschlägige Messen, den die Münchener Firmen Gamma und Elaman auf ihren Websites geben, lieferte einem Wiener Kollegen die Vorlage, sich die Präsentationen einmal genauer anzuschauen. Ganz köstlich ist die Werbung der deutschen Firma ATIS Uher für ihre Überwachungssuite Klarios: "Vertrauen ist gut, Klarios ist besser." Lizenzfrei von Lenin übernommen, der für ein pünktliches Erscheinen vor dem Jüngsten Gericht christlich in Sankt Petersburg begraben werden soll. Noch ergiebiger als die ägyptischen Stasi-Unterlagen sind indes die Dokumente, die im Zuge des HBgary-Hacks in vielfältiger Form auftauchen. Günstige Rootkits für Regierungsbehörden zum Preis von 60 bis 200.000 US-Dollar, hübsche Oberflächen für Windows-Versionen, die im Mittleren Osten und Asien verkauft werden sollten, mit eingebauten Hintertüren für US-Behörden. Ähnlich wie die vertrackte Beziehung zwischen Gamma und Elaman gibt es bei HBgary eine Firma Endgame Systems, die gegen den schnuckeligen Subskriptionspreis von 2,5 Millionen Dollar jährlich der NSA und CIA Zero Day Exploits (PDF-Datei) vermittelt und 25 Lücken pro Jahr versprechen konnte. Wir sehen, dass Cyberwar ein gut eingespielter, längst existierender Marktplatz ist, ein gut vernetztes Stu$net sozusagen.

*** Heute vor 159 Jahren erschien im New York Lantern eine Karikatur des Gesellschaftskritikers Frank Bellew. Sie zeigte erstmals den später sehr berühmten Uncle Sam in seinem Flaggenaufzug, der nichts tut, während der Brite John Bull seine Flotte aufrüstet. Berühmt wurde im 1. Weltkrieg das Plakat, das direkt von John Bull abgekupfert war. In dieser Woche hatte sich der ehemalige Soldat Brian Manning zu Wort gemeldet und berichtet, wie stolz er einstmals war, dass sein Sohn Bradley zu Uncle Sam gegangen ist. Was Bradley Manning davon hat, kann en detail nachgelesen werden. Er muss nackt strammstehen, die Hände auf dem Rücken, wenn die Zellen inspiziert werden. Wenn diese Aussage wirklich on the record gewesen ist, dann schaut die US-Regierung mit Abscheu zu. Die viehische Behandlung ist die Folge der Bemühungen eine direkte Verbindung zwischen Manning und Julian Assange nachzuweisen, um den Australier belangen zu können.

*** Dazu gehört auch eine Aktion gegen Wikileaks-Aktivisten und ihre Twitter-Konten, die nach einem Beschluss der Hilfsrichterin Twitter dazu verpflichten, den Ermittlern die Verbindungsdaten zu geben. Meinungsfreiheit und Vertraulichkeit, ach was: "Das Gericht geht insbesondere davon aus, dass IP-Anschriften von Kunden freiwillig herausgegeben werden und die Schutzzone der Privatsphäre verlassen. Die Twitter-AGB weisen darauf hin, dass diese Daten gespeichert werden: Der Staat greife folglich nicht auf Daten zu, die ein Kunde vertraulich behandelt wissen wolle." Die Interpretation von freiwillig verschickten IP-Daten dürfte noch für manchen juristischen Schachzug sorgen, man denke nur an die ach so völlig unerwartete Mitspeicherung von Forums-Zutritten in Frankreich: Auch der Zugang zu Twitter ist bekanntlich völlig freiwillig, nur der richtige Client ist künftig vorgeschrieben.

Was wird.

Heute wird ein mittelmäßig begabter SF-Autor 100 Jahre alt, dessen Geschichten-Zyklus über Xenu bekanntermaßen zur Gründung einer international einflussreichen Sekte führte. Der Autor hielt die Psychoanalyse und die Japaner mit ihrer "Babysprache" für die schlimmsten Bedrohungen seiner Gefolgschaft. In mehreren Passagen in den Schriften des Jubiliars findet sich der Wunsch, dass Japan ein Dutzend mehr Atombomben verdient hätte. Wie man den abgrundtiefen Hass und die Xenu-Theorie allen Ernstes als Religion verstehen soll, entzieht sich meines Verstandes. Die Scientologen werden ihr "Zeichen" feiern, auch wenn gerade kein Vulkan beteiligt war an dem Desaster.

Gegen diesen Blödsinn gilt, was ganz oben steht. Wir müssen uns helfen, uns allen helfen. An dieser Stelle hätte weiter oben ein längeres, trauriges Stück über den Tod von Olaf Boos stehen können, dem Netzaktivisten, der zu den Mitverfassern eines denkwürdigen Briefes an Karlsruhe zählt. Im Sinne von "blue", dem Japan-Fan und Mitglied der Deutsch-Japanischen Gesellschaft schließt diese Wochenschau mit ???

Quelle : www.heise.de

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