Autor Thema: Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)  (Gelesen 125364 mal)

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #255 am: 06 Dezember, 2009, 01:47 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Die Stinkstiefel rausgestellt (DE-Variante), die Stinkesocken in den Kamin gehängt (US-Version)? Nikolaus kann gleich kommen, wenn zeitgleich diese Zeilen im Internet auftauchen. Wir werden ihn angemessen feiern, ja seine ganze Angemessenheit noch einmal gründlich durchrechnen. Für andere Menschen in anderen Ländern hat es von oben herab nicht Geschenke geregnet: "Wie viel leichter scheint es jetzt, sich ein Urteil über diese Frage der Angemessenheit zu bilden aus der Distanz mit auch für mich zahlreichen neuen Dokumenten mit neuen Bewertungen, die ich am 6. November dieses Jahres noch nicht hatte. Aus heutiger, objektiver Sicht im Lichte aller auch mir damals vorenthaltener Dokumente ist der Angriff  militärisch nicht angemessen gewesen." Geht es noch verschwurbelter, Herr zu Guttenberg? Da hat jemand nicht richtig gemessen, hat nur geschätzt, hatte die Informationen falsch zusammengeführt und einen regelwidrigen Angriff befohlen, bei dem mehr als hundert Zivilisten getötet wurden. Zu den eindeutigen Regeln der ISAF gehört der direkte Feindkontakt, der einem befohlenen Luftangriff vorausgehen muss. Den hat es bei den im Schlamm festsitzenden Tankern nicht gegeben. Das deutsche Lager lag gemessene sieben Kilometer entfernt.

*** Insgesamt bietet sich – ohne die zahlreichen neuen Dokumente unseres Kriegsministers zu kennen – ein Bild, bei dem die tolle vernetzte Operationsführung nach dem Vorbild vernetzter Unternehmen nicht besonders gut abschneidet. Diese NetOpFü, wie das System bei uns korrekt in Milisprech bezeichnet wird, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als PuBuFa, als Push-Button-Fantasy, eine amerikanische Bezeichnung für den Drohnenkrieg in Afghanistan. Dass im besonderen Fall der Tanklaster Menschen in den Fluggeräten saßen, ist eine ironische Pointe, denn diese dachten nach und fragten, ob nicht ein paar Tiefflüge reichen würden. Negativ, so lautete die Antwort auf die Frage. Sie hat ihre innere Logik: Es ist immer negativ, wenn Soldaten mit dem Nachdenken anfangen. Menschen haben chaotische Schnittstellen, angemessen kann nur das Informationsnetz reagieren.

*** In dieser Woche, in der zu Guttenberg Schachtelsätze über den Afghanistan-Konflikt abwarf, sprachen sich die Volksvertreter für eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats aus, ohne auf das Volk zu hören. Um es mit einem abgehalfterten Politiker zu sagen: Am Hindukusch wird der AVZ verteidigt und sonst nichts. In dieser Woche lud der Rüstungskonzern EADS Journalisten aus ganz Europa nach Unterschleißheim zu seinem Technology Day ein. Sie erfuhren, welche Wunderdinge Talarion leisten kann, die Europadrohne, die nach ihrem Erstflug 2014 die US-amerikanischen Predatoren ablösen soll. Von denen sind 31 Stück Bundeswehrflieger ständig in Afghanistan im SaATEG-Einsatz. Das ist Milisprech und steht für "System für die abbildende Aufklärung in der Tiefe des Einsatzraumes". Eifrig notierten sich die Journalisten, dass der Flieger mit dem Namen der Fußlatschen vom Götterboten Hermes 10.000 Arbeitsplätze garantiert, davon 3500 in Deutschland. Ahs und Ohs gab es, als die Schar der Interessierten ins NetCOS geführt wurde, das größte, weltumspannende Designzentrum für "Network Centric Operations Solutions". Jede netzwerkzentrierte Kampfhandlung kann über drei Steuerzentren in Deutschland, Frankreich und Großbritannien nachgestellt oder vorab in einer Simulation durchgerechnet werden – nur ausgerechnet die Sache in Kundus nicht: Die "sensorischen Grundeinheiten", auch Infanterist der Zukunft genannt, waren mit ihren hyperintelligenten PDAs ja nicht vor Ort, nicht mal ne einfache Messdrohne rommelte durch das Gelände. Doch wunderbar, wie all die Laptops im NetCOS über APIs miteinander kommunizierten und eine hochpräzise Informationsverdichtung bis zur FAUSt betrieben. Das ist Milisprech für "Führungsaustattung taktisch", komplett mit Großbildschirm, GPS und Satellitentelefon. Nun fehlt nur noch die Information, wofür "ANGEMESSEN" eigentlich ausgeschrieben steht. Am Ende ist angemessen der IKS-Haken der NetOpFüGu.

*** Wo bleibt das Positive? Es kommt, ganz bescheiden, mit einem Begräbnis: Poblador, compañero poblador war ein Lied, das Europäer im Protest sangen, als das Experiment von Salvador Allende gemeuchelt wurde, komplett mit dem sozialistischen Internet. Heute erweist Chile seinem großen Sänger nach 36 Jahren die Ehre und nimmt Abschied von Victor Jara, der das Menschenrecht in Frieden zu leben verteidigte.  Natürlich bin ich hier parteiisch, als Vater von Kindern, die ihren Lebensweg in Südamerika fortsetzen wollen und zitiere hier einen anderen Musiker, Gilberto Gil: "In Ländern wie Kolumbien, Peru oder Brasilien gibt es ein großes Völkergemisch. Die lokalen Indianer, die Afrikaner, die Europäer, die Asiaten, alle kommen beim Aufbau Amerikas zusammen. Hier entsteht eine Weltneuheit, Lateinamerika ist dafür das Versuchslabor par excellence." Das hätte auch dem alten Grantler Alfred Hrdlicka gefallen, der immer für ein "politisches Beben im uralten Stein" gut war und so manchen Bürger verschreckte, nicht nur mit seinem Gedenkrelief "Der Tod des Demonstranten" oder dem "Mahnmal gegen Krieg und Faschismus". Nun grantelt er nicht mehr, die Beben, die er auslöste, werden wir vermissen.

Was wird.

Nach Nikolaus geht es auf die Geschenke-Jagd. Die Zeitungen sind voll mit langweiligen Empfehlungen ihrer Mitarbeiter für Bücher und Musik, ein hemmungsloser Schweifvergleich, bei dem der Weihnachtsmann lächelt. Wie wäre es mit einem schicken Badge aus Bielefeld und einem Fummel von Gerry Weber? Zum großen Geschäft beginnt die Marke aus der Nähe von Bielefeld damit, RFID-Chips in die Kleidung einzunähen, um die armen Mitarbeiter von "zeitintensiven Zählungen" zu befreien, ganz zu schweigen von der "integrierten Warensicherungsfunktion auf dem eingenähten Chip". Diese Handarbeit an der Kasse, den Tag zu suchen und abzufummeln, ist unter der Würde der Kartenlesegerätpräsentiererin. Wer sich nicht von Weber oder dem Christkindl veralbern lassen will, sei an Fairtracing verwiesen, das zeigt, wie IT auch in der Gegenrichtung arbeiten kann. Durchsichtige Kleidung ist gefragt.

Halt, vor dem großen Kaufrausch kommt die neue deutsche Nüchternheit. Der 4. IT-Gipfel tagt in Stuttgart. Die einstmals von Angela Merkel initiierte Veranstaltung wird seit Tagen von der deutschen Elite-Schmiede für IT-Ingenieure, vom Hasso-Plattner-Institut in einem Blog begleitet. In Stuttgart gibt es eine Arbeitsgruppe "Sicherheit und Vertrauen", doch zum 4. Mal schafften es die Gipfelstürmer nicht, einen Datenschützer einzuladen. Denn da oben, auf dem Gipfel, geht es um Leuchtturm-Technologien erster Güte. Erinnert sei an die elektronische Gesundheitskarte, die mittlerweile nur ein bleiches Gerippe ist. Weil Gerippe per default nicht mehr abspecken können, geht es dem Umfeld ans Fleisch: Der sogenannte Konnektor wird abgeschafft wie das gesamte Sicherheits-Blabla, wenn die Kassenärzliche Bundesvereinigung schreibt:  "Die Online-Anbindung der Praxen kann eventuell auch ausschließlich über die Kartenlesegeräte erfolgen, ähnlich wie bei den EC-Kartenterminals." Da fällt er, der stolze Leuchtturm und die bestmögliche Datensicherheit des Patienten. Die kümmerlichen Reste wird der Esel Bitkom fressen und verdauen. Über 300 Millionen hat die deute IT-Industrie nach Angabe des Esels in die Karte gesteckt. Heraus kommt ein System, das Name, Anschrift und Zuzahlungsstatus des Versicherten überprüft.

Ähnlich schnittig ist es um den 450726:Klima-Gipfel bestellt, wo das "Treibhausgas" so lieblich suggeriert, ein Staat müsste nur sein "Haus" in Ordnung halten und schon wird alles gut. Tatsächlich interessiert es Staatslenker einen nassen Kehricht, wenn pazifische Archipel absaufen, Bangla Desh verschwindet und weite Teile der norddeutschen Tiefebene rund um die Insel Bungsberg ein Paddel-Paradies für bayerisch-schwäbische Touristen werden. Was ist die "grote Mandränke" schon gegen den geheimen Plan, der Flut von 2012 das Wasser abzugraben, in dem der Wasserspiegel um magische 7 Meter steigt? Wunderbar passt in die aufgeregten Debatten um die geklauten Klima-Mails der wichtigsten Forscher auf diesem Gebiet eigentlich der Satz von Fefe: "Wenn Rush Limbaugh auf deiner Seite ist, dann bist du auf der falschen Seite."

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #256 am: 13 Dezember, 2009, 00:15 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Das Internet – unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2009. Dies sind die Abenteuer der Wochenschau aus der norddeutschen Tiefebene, die seit 10 Jahren unterwegs ist, um neue virtuelle Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen in Digitalien. Sie dringt in Gedanken vor, die nie ein Mensch zuvor gedacht hat." Wenn ich jetzt noch so viele Leser haben könnte wie Zuschauer der Erzählung von der fliegenden Suppenschüssel, dann könnte ich von den Honoraren ein Flügchen auf der VSS Enterprise buchen und in Schwerelosigkeit kotzen. Dazu reicht der Unsinn, der in dieser Woche so verbreitet wurde.

*** Bekanntlich ist das Internet viel älter als seine brabbelnden und twitternden Bewohner heute denken und wurde schon von Johann Gottfried Herder benutzt. Und zu der guten alten Zeit, als die von Barcamp zu Politcamp zu Buzzcamp Reisenden noch Tweets in Windeln machten, brachte eine andere deutsche Geistesgröße das Internet auf den Punkt. Die Antwort von Helmut Kohl auf die Frage nach den Datenautobahnen zeigt, wie vorausschauend doch deutsche Politiker doch sind. Sie haben Gedanken, die nie zuvor ein Mensch gedacht hat:
"Ja, da sind wir ja mitten in der Diskussion, das weiß ja hier kaum einer besser als Sie. Und Sie wissen auch, wie heftig umstritten das ist. Die Zukunft läuft in diese Richtung. Aber wir brauchen dafür Mehrheiten. Und wir sind ein föderal gegliedertes Land, und Autobahnen sind elementar auch – mit Recht – in der Oberhoheit der Länder. Der Zustand, den wir jetzt auf den Autobahnen haben, ist dergestalt, dass wir wissen, wann wir überhaupt nur noch von go und stop auf Autobahnen reden können."

*** So rasen sie dahin, die Gedanken. Nach den Politikern kommen die Journalisten, die Copycats des Weltgeistes. Wir schreiben tatsächlich das Jahr 2009 und treffen in einem Leitartikel zum IT-Gipfel dieser Tage, der Deutschland zum Kampf gegen das virtuelle Gekuschel mobilisieren will, die gute alte Datenautobahn wieder, wie sie vor 20 Jahren diskutiert wurde:
"Doch aus seiner Verantwortung für die Datenautobahn kann der Staat ebenso wenig entlassen werden wie aus seiner Überwachungspflicht für die echte Autobahn – gerade weil beide mitunter jetzt schon als rechtsfreie Räume wahrgenommen werden. Eine Strategie für das Netz – dafür ist es noch nicht zu spät."
Jaja, die Raser und die Digital Natives, das sind schon die Bösen schlechthin, meint der FAZ-Kommentator. Natürlich muss er den Zusammenhang zwischen Piratenpartei und Kinderpornographie erwähnen, furchtlos auf Abgründe zeigend, wie das nur ein journalistischer Sargnagel kann. Halt, die Klimaschändereien fehlen noch, werden aber sicher nachgetragen – ob man brettert oder surft, jedesmal vergreift man sich doch an unschuldiger Energie. Auf dem solchermaßen kommentierten IT-Gipfel beschäftigte sich auch unsere Bundeskanzlerin Merkel mit diesem Thema, wie in ihrer Rede zu lesen ist, wenn sie von einer zum Teil (also noch nicht ganz?) fast gespaltenen (nur ein bisschen gespaltenen?) Gesellschaft spricht:
" Ich habe mich eben gerade sozusagen als Immigrantin mit den Natives der digitalen Welt ablichten lassen, die natürlich ihren eigenen Stolz entwickelt haben. Ich habe gefragt: Wie wird man vom Immigranten zum Native? Es wurde gesagt, es sei so ein Gefühl, das man haben müsse. – Na ja, ich weiß nicht, ob das ausreicht. Aber ich bin optimistisch weggegangen, dass es doch keine Generation lang dauert." So klingt das halt bei den Digital Naives. Da mischen wir uns doch lieber unter die Digital Aborigines.

*** Leider unterschlägt der Abdruck der Rede im Netz, was beim luftholenden Pausenzeichen gut zu hören war, das höhnische Gelächter des Publikums über diese Wahrnehmung dieser komischen Netz-Aborigines mit ihren seltsamen Kulten. Die ganze prächtige Inszenierung konnte nicht verbergen, dass diese neue Bundesregierung mit dem Internet nichts anfangen kann, nichts anfangen will und ihre IT-Souffleusen nur auf Förderknete scharf sind. Den Höhepunkt dieser Schleicherei lieferte natürlich Bitkom-Chef August-Wilhelm Scheer, als er unter Applaus darauf hinwies, dass Apples iPhone (wegen der MP3-Kompression) und Apples iTunes (wegen der benutzten SAP-Technologie) auf deutscher Wertarbeit beruhen. Was ist denn in die Wicken gegangen, dass keine deutsche Firma bei dieser brillanten Basis einen Verkaufsschlager wie das iPhone entwickelte? Das letzte Glanzstück war die Minidisk von Telefunken, die gegen die Compact Disc den Kürzeren zog.

*** Deutsche Gipfel! Schon etwas höher als Stuttgart liegt Kempten im Allgäu. Hier entwickelte der Mathematiker Rick Mabry auf seinen Wanderungen in den Bergen eine Lösung für ein altes IT-Problem, das jeder kennt, der Nächte vor dem Computer verbracht hat. Endlich ist der gerechte Weg gefunden, wie eine Pizza perfekt gerecht geteilt werden kann. Schweife ich vom Thema ab? Einen echten Berg muss jedenfalls diese E-Petition zur Abschaffung der E-Petitionen erklimmen, die als Reaktion auf all die Gipfeleien verstanden werden kann: Wenn niemand Einwände des Volkes gegen idiotische Netzmaßnahmen Ernst nimmt, ist es besser das E-System abzuwracken und die "Mittel zur Evaluierung wirksamerer direkter demokratischer Partizipationsmöglichkeiten der BürgerInnen der Bundesrepublik in Zeiten der 'Digitalen Revolution'" zu verwenden. Alles andere ist Taschenspielerei wie das Märchen vom deutschen iPhone.

*** Deutsche Berge! Wobei man besser nicht an Bungsberg und Zugspitze, an den Hitler-Berg oder den Nacktarsch denken sollte. Der deutsche Schuldenberg ist da einfach imposanter, auch deshalb, weil er mit debilen Wahlgeschenken schneller wächst als so ein Alpenhaufen mit 1 cm pro Jahr. Denken wir nur an die Mahnung unseres Finanzministers Schäuble im Gespräch mit Cicero an das Volk, doch bitte ein gesamtgesellschaftliches "Gerechtigkeitsempfinden" zu entwickeln. Wie das geht, demonstriert der Zeitungsverleger Alfred Neven DuMont, der in einem seiner Blätter die Befreiung der Presse von superungerechten sieben Prozent Steuern fordert: Denn wie man sich bettet, so liest man, es wird einem gar nichts geschenkt. Das wusste schon der olle Brecht.

*** Deutsche Denker! In diesen gesamtschuldnerischen Tagen der Gerechten mit Empfindungen gibt es einen großen Verlust zu beklagen. Jörg Huffschmid ist gestorben, einer der Ökonomen, der frühzeitig die Globalisierungskritik wissenschaftlich untermauerte und auf seine Weise ein Gründervater von Attac wurde. Eine Sammlung von Nachrufen gibt's zu lesen, doch wer wirklich seine Wirkung erfassen will, braucht nur einen Blick in die zeitgenössische Wirtschaftspresse werfen, die ungeniert jeden wirtschaftspolitischen Unsinn abnickt, den die Regierung der festen Hand verzapft. Was hat diese wirtschaftskundige Presse gelacht und gelästert, als Huffschmid im Jahre 1997 eine Regulierung der Finazmärkte forderte.

Was wird.

Deutsche Gerichte! Zu den Überraschungen dieser Woche muss man den Auftritt von Innenminister Thomas de Maizière auf dem IT-Gipfel zählen. Er gab sich nachdenklich, so nachdenklich, dass er eigentlich mehr laut in die Mikrofone dachte. Das war wohl der Anfang eines neuen herrschaftsfreien Dialoges, der zwischen Staat und Bürger geführt werden sollte, nach einer Zeit, in der der Staat einen Generalverdacht gegen jeden einzelnen Bürger aussprechen musste.

Das klang sehr ermutigend, wäre da nicht doch der Staat in Gestalt desselben Innenministers, der über die richtigen Worte befindet, in denen der Dialog geführt werden muss. "Vorratsdatenspeicherung", so kanzelte de Maizière, sei ein vollkommen falsches Wort, ein Kampfbegriff verschrobener Aktivisten. Das Beispiel, das er spontan fand, ist bemerkenswert. In unserem Staate legt der Handwerker seine Rechnungen langfristig ab, ebenso der Kunde des Handwerkers. Das alles wegen der Garantie. So eine gilt gemeinhin nur für die Funktionsfähigkeit von Konsumgütern, doch hey, die Demokratiefähigkeit von Mitbürgern kann locker ebenso gemeint sein. Was ist schon Schlechtes daran, diese Verbindungsdaten länger zu speichern, mit denen garantiert erkannt wird, wer jederzeit auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht?

"Wer nichts zu verbergen hat", sollte sich dennoch den kommenden Dienstag notieren, an dem in Karlsruhe die mündliche Verhandlung zur Sammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung beginnt. Damit bin ich wieder bei der "fast gespaltenen Gesellschaft" unserer Bundeskanzlerin. Denn mittendrin, im besagten Spalt, da sitzt ihre Kollegin, die Beschwerdeführerin Leutheusser-Schnarrenberger. Wie war das noch in Mahagonny, Surabaya-Johnny? Denn wie man sich bettet, so liegt man, es deckt einen da keiner zu. Und wenn einer tritt? Wer ist es?

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #257 am: 20 Dezember, 2009, 00:06 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Bumm-bumm-wamm, bumm-bumm-wamm. Bumm-bumm-wamm, bumm-bumm-wamm!" Ich könnte seitenlang so weitermachen. We will, we will rock you, bumm-bumm-wamm, bumm-bumm-wamm.  Das ist so wunderbar weihnachtlich, da danke ich glatt, bumm, Logitech für die Vorlage, obwohl eigentlich eine Mail mit bumm-bumm-wamm im Betreff in den bumm-spül-gurgel Orkus rauscht. Bumm-bumm-wamm, LAUTER! Erzählt nicht diese Kadenz von der ganzen Schönheit der Rockmusik in der Spanne zwischen La La La und Da Da Da? Fehlt nur noch das Kommando Pimperle mit seinem Balla, Balla und schon sind wir mitten im größten Weihnachts-Balla-Balla getröstet, während in der Badewanne der Festwein aus Mörfelden-Waldorf schwappt: Danke, SAP! Awob BopaLooBop ALopbamBoom, wir lassen es krachen, wie Kakerlachen in der Glühweinkotze.

*** "Pi Pa Pippi Pi" ich hoffe, dass dies die bumm-bumm-wamm-technisch korrekte Wiedergabe von "We are family" ist. Niemand Geringeres als unsere schöne Bundesdruckerei, die seit diesem Jahr wirklich uns allen wieder gehört, hat sich den Slogan gesichert und wirbt mit einer "We are family"-Family. Eine Familie und eine Volksdruckerei, wie hübsch, so lebt man doch gerne zusammen. Wobei das Ganze eine tiefere Dimensionen hat, wenn man die neue Besetzung an den Druckstöcken betrachtet. Da taucht August Hanning, der von de Maizière geschasste Innensekretär im Aufsichtsrat auf, neben dem ehemaligen Bitkom-Cheffe Willi Berchtold. Einen Schily machen, nennt man diese Übung wohl, aber wer wird schon nachtragend sein, wenn es heißt, komplett mit dem richtigen Fähnchen We are family. Wer besonders hip ist, tanzt in den neuen, von unserer Druckerei ausgestatteten Erfassungsspuren natürlich, bumms, bumms, bumms, den Mussolini der Deutsch-Amerikanischen Freundschaft und freut sich auf den neuen, nunmehr finalen elektronischen Personalausweis.

*** Ping. Ping. Ping (was für eine schöne Machine qui fait ping). Die erste angetretene Volks-Million bekommt zum Ausweis ein Lesegerät und ein Starterkit vom Bundessicherheitsinformationsamt geschenkt, weil eine Erfolgsgeschichte geschrieben wird: Ein Volk, eine Druckerei, ein Internet. Wer will sich da noch daran erinnern, wie vor 130 Jahren diese Druckerei gegründet wurde, gegen den erbitterten Widerstand des Druckereiverbandes und der Sozialdemokraten, weil Geld nun einmal unabhängig von Streiks und Arbeitskämpfen produziert werden muss. "Die Gründung der Reichsdruckerei wird das Ende des Buchs einläuten", verkündete damals Eduard Brockhaus, ganz im Stil der heutigen Verleger, die vom urbösen Google und gemeinen Content-Dieben bedrängt werden. Aber zum Glück ist das Internet ja ein unendlicher Gebührenraum, wie die Politik erkannt hat. In so einem Raum findet sich immer eine Leistungsschutzabgabe für ehrenwerte Verleger.

*** Übrigens klagen nicht nur die deutschen Verleger, auch die Alphablogger sehen ihr Geschäft bedroht. Man lese nur die Klage von Michael Arrington über Fast Food Content, produziert von Content-Farmen wie Demand Media. So schlecht, wie die automatisierten Texte sind, so sind die meisten Blogs, da gibt es keinen Unterschied mehr, befindet Arrington, an dieser Stelle zum Jahresanfang als ausgebrannter Blogger bezeichnet und zusammen mit Robert Basic erwähnt. Der verkauft schon wieder etwas, seinen Twitterhaufen von Followers. "Social-Media-Nutte" oder begnadeter Marketier? Ist Letzteres richtig, dürfen wir noch auf den Verkauf der DNA von Basic und Arrington warten. Die haben Drive, ey, Dum derra dum dum diddy diddy dah dah.

*** Ritsche ratsche mit viel Tücke gabs in Auschwitz eine Lücke. Unbekannte demontierten den Schriftzug "Arbeit macht frei", der über diesem Konzentrationslager wie über den Lagern in Dachau, Sachsenhausen und Flossenburg angebracht war, angeblich in Erinnerung des antiken Erkenne dich selbst. Künstlerisch nicht so hochstehend wie das Readymade von Franz Ehrlich in Buchenwald, gehört die Inschrift zum Inventar der Versöhnung mit einer unverstandenen Geschichte. Wer die Kommentare in der Jungen Freiheit oder weiter rechts angesiedelten Publikationen zur "Frechheit" liest, dass Deutschland sich mit 60 Millionen Euro Stiftungsgeldern an einer Aktion gegen das Vergessen beteiligt, kann sich einen Reim machen.

*** Ein großes Lalula darf man jedenfalls über die seltsam bescheuerte Taktik der Linken dichten, einen der Ihren in die Kommission zu schicken, die unsere Geheimdienste kontrolliert – während gleichzeitig von den eigenen Abgeordneten 21 abwesend sind. So gibt es keine Kontrolle durch die Linken beim Verfassungsschutz, der bekanntlich die Linken observiert. Arithmetisch schwerst behindert präsentiert sich auf der anderen Seite auch ein Verteidigungsminister, der Probleme mit dem Wort "angemessen" hat: Wenn unter 147 oder 137 Toten (je nach Lesart) tatsächlich 90 Taliban waren, könnte man von einer angemessene Kampfhandlung sprechen. Wenn es neun Taliban waren, müsste man von einem Kriegsverbrechen reden. An dieser Stelle wäre ein Link auf lustige Abzählreime fällig, aber es gibt Grenzen. Eine von ihnen liegt mit den 36 im Krieg gefallenen Soldaten in der Erde.

*** Ein Rückzugsgefecht der besonderen Art fand in dieser Woche in Karlsruhe statt. Selbst das notorisch gerichtsfreundlich berichtende Zentralorgan der Altbaubewohner musste eine Art Reinfall melden. Die Vorratsdatenspeicherung, diese heiße Siliziumpuppe, der feuchte Traum aller datenspähenden Ermittler, wurde eher lustlos vor Gericht verteidigt: "Die Justizministerin erschien nicht, die Bundesregierung versteckte sich hinter einem jungen Professor." Dazu gab es Aussagen von Praktikern, wie die vom BKA-Chef Zierke, die Netzpolitik via Twitter protokollierte. Überzeugend war all diese Verteidung nicht. Spannend bleibt die Frage, ob das höchste deutsche Gericht entscheidet oder die Frage weiterschubst, weil europäische Interessen und Vorgaben im Spiel sind. Bis dahin sind alle so yeaah, Manana, Manana, pillipiditi.

Was wird.

Während sich die christliche Welt dem Fest der Liebe entgegensäuft, wird anderswo gearbeitet. Das gilt nicht nur für das WWWW, das sich am 2. Bratentag mal mit all den Vorhersagen beschäftigen will, die für 2009 getroffen wurden, angefangen mit der Vorhersage eines Musikkritikers, dass dieses 2009 das stärkste Jahr von Michael Jackson werden wird. Tatsächlich hat er es in die Hitlisten geschafft, aber von Stärke war eher nicht die Rede.

Gearbeitet wird auch noch beim BKA. Unermüdlich sind unsere Sicherheitsbehörden am Werk, immer getrieben von der Angst, nicht alles getan zu haben, um einen Anschlag zu verhindern. Am Montag wird das unermüdlich werkelnde BKA in Wiesbaden einen europäischen Bericht zur zivilen Sicherheitsforschung vorstellen, der die deutsche Innovationsplattform Sicherheit ergänzen soll. Auch dort hat sich etwas getan: Zu unserer aller Sicherheit sind die Erkenntnisse über unsere zivile Sicherheit ab sofort nicht öffentlich einsehbar, wegen der steigenden terroristischen Bedrohung. Bumm-bumm-wamm, wir sind loyal, aber dumm, bumm. So kommt ne Menge bei rum in Geh Eh erR , das wussten schon die Ärzte.

Allen frühzeitig gestressten Lesern wünsche ich gute bumm-bumm-wamm-Tage mit viel bumm-bumm-wamm, Lala und Balla, denn am Ende, oho, oho da geht es schnippel-schnappel, schnippel-zappel-di zu und alles, was bleibt, ist u-uh-uhu und ein letztes Schubidu.

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Offline ritschibie

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Re: Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #258 am: 20 Dezember, 2009, 09:21 »
Ich kann mich einfach nicht zurückhalten:

Hal, Du bist göttlich (keine Blasphemie ;))

und SiL, Du bist ein wahrer Freund, indem Du ihn uns auf dem Silbertablett servierst - Danke!
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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #259 am: 27 Dezember, 2009, 00:09 »
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Was war.

*** Weihnachten ist die hohe Zeit des Werblödens, wo jegliche Niewolosigkeit noch locker unterboten und Wham gehört wird. Selbst das gelehrte Feuilleton ist dann schwer werstört . Die allgemeine Werblödung macht vor dem Kino nicht Halt, das beweist ein zu Weihnachten gestarteter Film über Albert Schweitzer, der die Bespitzelung durch die CIA (PDF-Datei) einfach ein paar Jährchen früher ansetzt, weil's so gleich viel spannender ist. Beim Werblöden ist Wahrheit nur hinderlich.

*** Das weihnachtlichen Werblöden unterscheidet sich vom alltäglichen Verblöden dadurch, dass der Wanst stets gut gefüllt ist und zur matten Hirntätigkeit eine gewisse Flatulenz hinzukommt. Das gilt auch für ein WWWW, das am Boxing Day gefüllt werden will. Dabei gibt es Inhalte genug, die selbst in diesen beschaulichen Tagen von der allgemeinen Verblödung künden. Man nehme nur die Ansichten eines Kulturstaatsministers, der sich als Lobbyist der Zeitungsverleger über Softwareprogramme äußern darf. Wie wäre es mit einem Kulturpolitiker, der glasklar fordert, dass die via GEZ finanzierten öffentlich-rechtlichen Anstalten dafür zu sorgen haben, dass ihre Inhalte ohne allen "Äpp"-Schwachsinn auf mobilen Terminals empfangen werden können? Andernfalls steht die ebenfalls vom Minister vertretene Argumentation rund um die Internet-Gebühr für digitale Dingsbumsdinger auf reichlich krummen Beinen. Dass die von den Verlegern geforderte Leistungsabgabe auch verkrüppelt ist, macht das Argument nicht besser.

*** Auf Netzpolitik ist als Reaktion auf den Weihnachtswunschzettel der Wunsch nach einem neuen Kulturstaatsminister zu lesen. Eigentlich keine schlechte Idee, nur bliebe wie Frage, welche neue Kultur ein Politiker wirklich vertreten kann. Wie wäre es mit einem Minister, der die richtige Konsequenz aus all den Smartphones, ihren "Äpps", den e-Books, Gadgets und den Chatrooms zieht und endlich den Unterricht im Schreiben abschafft? Wozu braucht man eigentlich noch die Handschrift, die uns ausbremst und uns von den digitalen Gerätschaften trennt? Die ganze Kleckskultur hat sich überlebt wie die Floppy. Richtig bedacht, könnte gleich die ganze Drillschule wegfallen, denn alles, was man im Leben braucht, wird im Kindergarten gelernt.

*** Die feine Analyse der Lektionen aus dem Kindergarten schrieb übrigens Robert Fulghum, einer der Lehrer von Bill Gates. Sein Schüler schenkte ihm später die erste Kopie der ersten Anwendung, die Microsoft vom Xerox-Projekt Bravo dank Charles Simonyi kopieren konnte. Fulghum benutzte damals WordPerfect, eine längst vergessene Software. Nun hat Microsoft ausgerechnet zum unheiligen Festivustag eine deftige Niederlage für ein "kleines, obskures Feature" (so der MS-Anwalt) kassiert. 290 Millionen Dollar Schadensersatz und eine Änderung in allen Word-Programmen, die ab 11.1.2010 verkauft werden, sind aus der Sicht von Microsoft vielleicht nicht der große Niederschlag, sondern ein kleiner Stich. Bemerkenswert bleibt, dass dieser Weltkonzern auch nach dem Jahr 2000, als die Entwicklung der inkriminierten Word-Version begann, keine Scheu hatte, ein kleines, obskures Feature mal eben zu klauen.

*** Zwischen den Jahren kommen nicht nur die besten Kulturideen, sondern es ist auch die Zeit, in der die Vorhersagen für das nächste Jahr nur so sprudeln, besonders in der IT-Branche, in der Weitsicht mit dem Spielchen "Wer kauft Wen" verwechselt wird. Ist die Prognose Oracle schluckt endlich Sun wirklich soo überraschend? Besser finde ich schon die Prognose, das Steve Ballmer Microsoft verlässt, wenn der große Rest einfach nur langweilig ist. Es erinnert an die Vorhersage für 2009, dass Apple einen Nachfolger für Steve Jobs vorstellen wird. Deutsche Varianten des Spielchens sind nicht besser, sondern nur noch allgemeiner gehalten, damit sich niemand beschwert. Dann schon lieber die Vorhersagen zur Wirtschaft, die der grantelnde Don aus dem Geflimmer des Tegernsees liest. Dem man zustimmen muss, wenn unter den Vorhersagen Mails auftauchen und behaupten, dass China das Schlachtfeld der zukunft für Smartphones sein wird. 11 Jahre Haft für einen Vertreter der Charta 08 zeigen, dass nach dem jämmerlichen Klimagipfel eine neue Eiszeit kommt.

*** Heute ist der Geburtstag von Greg Mortenson. Sein Buch Stones into Schools ist die angeordnete Pflichtlektüre für alle höheren US-Dienstgrade vor ihrem Einsatz in Afghanistan. Das niemand das Pflichtbuch der US-Army zu lesen scheint, ist ein eigenes Drama der Literarisierung. Das Buch hilft ganz nebenbei, das Geschwafel deutscher Politiker über den humanhelferischen Einsatz der Bundeswehr zu durchschauen, die längst vom Kurs abgewichen ist. Greg Mortenson war auf der Liste der diesjährigen Kandidaten für den Friedensnobelpreis, den ein gewisser Barack Obama für seine 30.000 Mann mehr nach Afghanistan bekam. Wem Bücherlesen zu anstrengend ist: Hier gibt es eine Art weihnachtskompatible Kurzfassung des Geschehens vor Ort.

*** Zu den traurigen Jahrestagen gehört der Abschied von Vic Chesnutt, dem Sänger, der meistens über seine eigenen Depressionen sang, das aber "humorvoll", wie ein Scherzkeks in der Wikipedia geschrieben hat. Wahrscheinlich ist die Formel "verstarb an den Folgen eines Selbstmordversuches" auch so ein Witz, der irgendwo steckengeblieben ist.

Was wird.

Nach dem WWWW ist vor dem WWWW: Die Spezialausgabe zum Jahresende, unterfüttert mit aufregenden statistischen Zahlen, steht schon in den Startlöchern. Was gibt es schöneres als eine Statistik, die man selbst gefälscht hat? Hat Zensursula die Nachrichten aus der norddeutschen Tiefebene dominiert oder war nicht doch Windows 7 die wichtigere und interessantere Meldung? Und was ist das Gelächter über all die tollen Prognosen der Trendmützen verglichen mit der Freude über ein frisches neues Jahr? Überdies ist 2010 natürlich das Jahr, in dem die nordischen Orionen landen, die uns bekanntlich das Armageddon von 2012 bescheren sollen in der "Big Wegspüle".

Nicht zu vergessen ist 2010, lateinisch MMX, nerdianisch 7DA, natürlich das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen und der gute alte HAL 9000 noch einmal von Dr. Chandra angeworfen wird. Zusammen mit der Lichtgestalt Dave Bowman wird HAL "auf ewig" Seite an Seite mit Dave in einem Monolith schlafen und die Entwicklung der Europaner mit einem Energiefeld schützen.

Energie! Dieser schöne Gruß kommt nicht von ungefähr. Schließlich ist 2010 forschungsamtlich das Jahr der Energie, ausgerufen von Anette "Scotty" Schavan, orchestriert von Scholz & Friends. Schluss mit den dusseligen Jahren der Mathematik, Informatik und Physik, feiern wir die reine Energie, wie sie aus sauberen Atomkraftwerken kommt und uns alle auflädt. Freuen wir uns auf den e-Zoom, das zentrale Element der Energiekampagne, der die Energie erklärt, betextet von denselben  Menschen, die auch das Bundeswehr-Magazin füllen mit Hymnen auf einen Kampfkoloss, der mit seiner Energie gerne Brillen shreddern möchte. Den offiziellen Höhepunkt erreicht das neue Jahr im September, am Tag der Energie.

Die Nerds unter meinen Lesern werden sich andere Daten merken, weil 2010 nicht nur das Jahr der Energie sein wird, sondern auch als Zuse-Jahr deklariert ist. Und wo wir schon bei der Deklaration von Variablen sind, wie wäre es mit 2010 als Feierjahr der Weltprogrammierung, weil auch der Kybernetiker Max Bense vor 100 Jahren geboren wurde?  Mit dem großen Kritiker des Christentums findet das weihnachtliche WWWW seinen würdigen Abschluss: "Wo man sich für die Wahrheit totschlagen lassen darf, darf man auch für die Wahrheit foltern."

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Offline Jürgen

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Re: Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #260 am: 27 Dezember, 2009, 02:27 »
Zitat
Wie wäre es mit einem Kulturpolitiker, der glasklar fordert, dass die via GEZ finanzierten öffentlich-rechtlichen Anstalten dafür zu sorgen haben, dass ihre Inhalte ohne allen "Äpp"-Schwachsinn auf mobilen Terminals empfangen werden können? Andernfalls steht die ebenfalls vom Minister vertretene Argumentation rund um die Internet-Gebühr für digitale Dingsbumsdinger auf reichlich krummen Beinen. Dass die von den Verlegern geforderte Leistungsabgabe auch verkrüppelt ist, macht das Argument nicht besser.

Wenn für solche Geräte zukünftig GEZ fällig werden sollte, wäre die ARD sogar gezwungen, auch auf diesem Wege Teile ihrer Angebote frei verfügbar zu machen.
Und es wäre keinesfalls hinnehmbar, wenn Dritte für die Tagesschau extra die Hand aufhalten dürften.
Hier fehlt eine Grundsatzentscheidung, die keinesfalls alleine von finanziellen Gesichtspunkten abhängen darf.

Disclaimer:
Ich hatte und habe keinerlei Kontakte zu Hal Faber.
Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen sind rein sachlich begründet und unvermeidlich.

Jürgen
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Fragen gehören in's Forum.

Veränderungen stehen an. Dies ist der bisherige Stand:
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Was war. Was wird. Die Jahresendbeigabe
« Antwort #261 am: 01 Januar, 2010, 02:34 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich – und dieses Mal wie  immer  zum  Jahresende  nicht  nur  und nicht  alleine für die Woche, sondern sie versucht, das ganze Jahr ins Blickfeld zu bekommen.

Was war.

*** Es ist da. 2010. Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen. Bleibt die Frage, womit. Ein schwarzer, die menschliche Intelligenz fördernder Monolith wäre gar nicht schlecht, lässt man die Ereignisse von 2009 Revue passieren. Willkommen zur Rückschau im Spiegel der Statistiken der Zugriffe auf all die Texte, die der Newsticker so präsentiert hatte.

Die meisten Menschen haben als oberste Maxime und Richtschnur ihres Wandels den Vorsatz, mit dem kleinstmöglichen Aufwand an Gedanken auszukommen; weil ihnen das Denken eine Last und Beschwerde ist.

*** Ohne jede Schweife muss erst einmal ein neuer Rekord gemeldet werden. Das abgelaufene Jahr produzierte einen strahlenden Spitzenreiter über alles. Erstmals seit Beginn der Auswertung im Jahre 1996 setzte sich eine Nachricht so deutlich vom Rest des Geschehens ab. Gleich zum Jahresanfang wurde die Meldung über Windows 7 Beta 1 mit 528.570 Zugriffen neuer Spitzenreiter, der den lange dominierenden Evergreen aus dem Jahre 2004 über Windows XPs Service Pack 2 ablöste (526.680). Es ist immer wieder ermunternd zu sehen, auf welch großes Interesse Meldungen aus dem Hause Microsoft stoßen.

*** Aber wäre ein Nachrichtenticker allein mit Microsoft-Nachrichten überhaupt lesbar? Nein! Die nämliche Statistik zeigt klar und deutlich, dass Winzucht bei den Lesern nicht erwünscht ist: Greift man zur Jahresübersicht, so befindet sich Windows 7 mit insgesamt vier Meldungen zwar unter den Top Ten des Jahres 2009, doch die Nachricht über den fertigen Feuerfuchs 3.5 (214.889) und die Überlegung, die Stoppschildzugriffe (183.457) auf gesperrte URLs in Echtzeit zu loggen, belegen ebenfalls vordere Ränge. Der Vollständigkeit halber sei Google erwähnt, noch im letzten Jahr mehrfach ein absolutes Top-Thema. Diese Meldung über Chrome brachte es gerade mal auf Platz 10.

Was aber die Leute gemeinhin das Schicksal nennen, sind meistens nur ihre eigenen dummen Streiche.

*** Im Zoom auf die Top 100 ergibt sich wiederum ein gänzlich anderes Bild. Addiert man die Einzelmeldungen der Top 100, dann streiten sich der Conficker-Wurm und die Debatte um die Kinderporno-"Sperren" der ehemaligen Familienministerin um den ersten Platz über alles. Addiert man verschiedene Meldungen von Antivirenfirmen zum Würmchen, so gewinnt dieser Sicherheitsunfall klar. Überhaupt zeigen die vielen Meldungen von Heise Security in den Top 100, dass 2009 alles andere als ein sicheres Jahr für Computer war. Vorausblickend sei darum jetzt schon der einschlägige Rückblick auf das Jahr 2010 von der Sicherheitsmannschaft empfohlen: In Hannover in der norddeutschen Tiefebene steht die beste Glaskugel der Welt, gleich neben den härtesten Testräumen und der stinkenden Raucherküche – gute Werbung will schleichen.

*** Natürlich lässt sich die Sache auch anders interpretieren, die Fälschung ist bekanntlich die Mutter aller Statistiker: Conficker & Co schmelzen zu einem Häufchen Elend, wenn der Zähler die Politiker und ihre zahlreichen gemeldeten Aktivitäten im Wahljahr addiert. War im Jahre 2008 der Abgeordenete Lutz Heilmann meldungstechnisch strahlender Sieger, so steht diese Ehre nunmehr Ursula von der Leyen zu. Ihr Aktivismus im Aufstellen von Stoppschildern führt zu einem unangefochtenen ersten Platz dank vieler Einzelmeldungen zum Thema. Damit steht Frau von der Leyen in der Hall of Shame jedoch nicht auf dem Siegertreppchen: Nach den Zugriffszahlen über alle Meldungen seit 1996 führt nach wie vor Otto Schily, mit deutlichem Abstand folgt Wolfgang Schäuble auf dem zweiten Platz. Selbst wenn man Nachrichten über IT-Ikonen wie Bill Gates oder Steve Jobs mit den Politikern in einen großen Statistik-Topf wirft und zusammenrührt, bleibt Schily immer noch der Platzotto.

Die wohlfeilste Art des Stolzes ist der Nationalstolz. Jeder erbärmliche Tropf, der nichts in der Welt hat, darauf er stolz sein könnte, ergreift das letzte Mittel, auf die Nation, der er gerade angehört, stolz zu sein. Hieran erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und Torheiten, die ihr eigen sind, mit Händen und Füßen zu verteidigen.

*** Ein sehr durchwachsenes Bild ergibt sich übrigens bei der Piratenpartei. Die Meldung vom schwedischen Sprung ins Europaparlament (125.706) schlug selbst die Meldung vom Ergebnis der deutschen Bundestagswahl (121.587), doch verschiedene Nachrichten über deutsche Piraten und ihre Aktionen verfehlten deutlich die Top 100 im Jahre 2009, in denen ein schwedisches Gerichtsurteil das Schlusslicht mit 91.929 Zugriffen bildet. Meine Interpretation frei Haus: Das Interesse der Leser an dieser Partei ist deutlich geringer, als es die vielen Diskussionen in den Heise-Foren vermuten lassen. Gut möglich, dass sich dies in Zukunft ändert, wenn die Ein-Themen-Partei ein umfassenderes politisches Programm besitzt. Wie alle Menschen, die vom Schreiben leben, bin ich natürlich befangen bei einer Partei, die mir das Leben schwer machen will und im Programm vage von einem "fairen Ausgleich" der Urheber schwafelt.

Jede menschliche Vollkommenheit ist einem Fehler verwandt, in welchen überzugehen sie droht; jedoch auch umgekehrt, jeder Fehler, einer Vollkommenheit.

*** Kommen wir zu den traurigen Dingen, die eigentlich in keine Statistik passen. Die Meinungsfreiheit stirbt in Raten. 76 getötete Journalisten und 157 Medienmitarbeiter, die ins Exil gehen mussten, sind ein schlechtes Zeichen. Die Zeichen finden sich in Hard- wie Software wieder, wenn iPhones mit einem Programm verboten sind, das Zitate des Dalai Lama enthält, wenn die Suchmaschine Microsoft Bing in Indien die Suche nach Regierungsvorgaben filtert und wenn in Deutschland virtuelle Stoppschilder auftauchen sollten. Wo die Meinungsfreiheit stirbt, röchelt die Privatsphäre. Besonders betrüblich ist es darum, wenn es Organisationen im weiten Umfeld der IT gibt, die sich an dieser Demontage beteiligen. Ein Hack, der die anonyme Verteilung einer bestimmten Mode-Marke zeigt, zeugt noch von Phantasie, die Veröffentlichung persönlicher Daten durch Indymedia nur dumpfen Linksfaschismus, um einen halb antiken Begriff zu bemühen. Wo solche "unabhängigen Medien" die öffentliche Meinung bilden und Grundrechte ignorieren, wird man von einer e-Diktatur sprechen können.

Die Barbarei kommt wieder, trotz Eisenbahnen, elektrischen Drähten und Luftballons.

Was wird.

Das neue Jahr beginnt mit einem Geburtstagsständchen, natürlich österreichisch akzentuiert: "Fröhlich wir versammelt sind, grüßen das Geburtstagskind": Heinz Zemanek, der Konstrukteur des Mailüfterl, wird 90 Jahre alt. Sein Mailüfterl konstruierte Zemanek aus 3000 Hörrohrtransistoren der Firma Philips, die nicht schnell wie ein Wirbelwind waren, sondern eben langsam wie ein Wiener Mailüfterl.

Zemanek war lange Jahre, von 1956 bis 1968 der Direktor des IBM-Labors in Wien und von 1976 bis zu seiner Pensionierung auch IBM-Fellow, ohne jemals ein ordentlicher Professor gewesen zu sein. IBM katapultiert die kleine Wochenschau denn auch ins Jahr 2010, das Jahr, in dem IBM Deutschland seinen 100. Geburtstag feiern kann. Als ähnliche Feierlichkeiten im Jahre 1987 anstanden, verfasste der IBM-Informatiker Theo Lutz einen Blick hinter die Kulissen, komplett mit 10 Thesen, welche Rolle Computer im Jahre 2010 spielen werden. Lutz hatte in Stuttgart unter dem im letzten WWWW erwähnten Max Bense studiert, auf einem Zuse-Rechner das erste Computergedicht programmiert und später Kafka-Texte vom Computer Lutzen lassen. Seine Vorhersagen waren nicht unbedingt poetisch, aber doch bemerkenswert, wie These 1 zeigt:

"Bis zum Jahre 2010 wird der Computer ein weit verbreitetes Werkzeug sein. Der Mensch hat sich daran gewöhnt, dass der Computer nützlich ist, aber auch daran, dass ihm der Computer in vielen Bereichen überlegen ist, und dass man nicht mehr auf ihn verzichten kann und will.  – Typisch für heute ist, dass wir keinerlei Gefühl dafür haben, welche Bereiche dies sein werden."

Ja, heute können und wollen wir nicht auf ihn verzichten, den Computer in all seinen Spielarten. Das Gefühl, in welchen Bereichen uns der Computer ersetzt, in welcher Weise er uns prägt und formt, haben wir längst verlernt, seitdem genau um diese Zeit vor ein paar Jahren Entwarnung gegeben wurde und das Leben mit diesen Computern eben nicht kollabierte. Viele Thesen, die Lutz vor 23 Jahren aufstellte, sind inzwischen eingetroffen. Dazu gehört die Ablösung der Telefonkommunikation durch Electronic Mail, der persönliche Desktop an jedem Arbeitsplatz, die Tele-Heimarbeit für viele Berufe und der Einsatz von Computern, um Menschen mit Behinderungen zu helfen. Bei Lutz finden wir auch schon die These vom Ende der Medien, dass immer noch eine Armada von Zeitungstodschreibeblogs beschäftigt.
"Perfekte Kommunikation: Bis zum Jahre 2010 werden die sogenannten 'Neuen Medien' in der Gesellschaft, und damit auch im privaten Bereich, so aktzeptiert und verbreitet sein, dass sich das Individuum im Austausch von Daten, Texten, Bildern und Stimme mit höchster technischer Qualität unabhängig von Raum und Zeit bewegen kann."

Das Auge wird durch langes Anstarren eines Gegenstandes stumpf und sieht nichts mehr: Ebenso wird der Intellekt durch fortgesetztes Denken über dieselbe Sache unfähig, mehr davon zu ergrübeln und zu fassen.

Wie schön, dass diese Wochenschau, der Newsticker und viele andere Angebote von Heise zeigen, wie es weitergehen kann! Ich schließe die Jahresendbeigabe dennoch mit Trauer in der Tastatur und der These 9 von Theo Lutz. Sie berichtet uns von einer anderen, besseren Zeit, die uns nach allen Datenpannen und Datenerschleichereien im Jahre 2009 doch sehr, sehr fern erscheint, nach diesem verlorenen Jahrzehnt des Datenschutzes.
"Auch im Jahre 2010 wird die aufgeklärte und demokratische Gesellschaft ihre spezifischen Ängste haben, aber sie werden wenig mit dem Computer zu tun haben. Themen wie 'Angst vor Überwachung', 'Jobkiller', 'Datenschutz' u.a. werden nicht mehr im Zusammenhang mit dem Computer gesehen. Datenschutz wird als Bürgerrecht akzeptiert und respektiert sein."

Auf ein spannendes 2010! Mögen alle guten Vorsätze in Erfüllung gehen!

Kolophon

Was wäre ein Jahresendbeigabe-WWW ohne ein dickes Dankeschön an all die Menschen, ohne die es diese Kolumne nicht geben könnte? Das WWWW hatte es dieses Jahr tatsächlich auf Nummer 500 gebracht, als nächstes Jubiläum könnte der 10. Geburtstag im Februar gefeiert werden. Das erste Dankeschön geht an den kleinen Verlag in der norddeutschen Tiefebene, der diese Schauerei möglich macht, das zweite an die Kollektive, die meine Arbeit möglich machen. Die Mitarbeiter an Ubuntu, Firefox, Thunderbird und Gedit, die namenlosen Zuträger der Wikipedia, die Kärrner von Wikileaks. Dann wären da die vielen Individuen, die auch im Jahre 2009 selbstlos viele, viele Tipps und Hilfestellungen gaben, etliche davon anonym, die anderen in alphabetischer Reihenfolge: Christian Ankowitsch, Andreas Bogk, Ralf Bülow, Hans Franke, Wolfgang Formann, Peter Glaser, Markus Hansen, Anja Höfner, Thorsten Kleinz, Andreas Kuckartz, Felix von Leitner, Achim Meissner, Klemens Polatschek, Wolf-Dieter Roth, Mathias Schindler, Christiane Schulzki-Haddouti, Harald Taglinger, Volker Weber, Bettina Winsemann, Nils Zurawaski. Und wie üblich darf die Musik nicht fehlen, die das WWW häufig begleitet hat, abseits von Peter Maffay und Bobby Goldsboro, die 2009 in einem WWWW auftauchten. Der Applaus geht diesmal an Colin Stetson, New History of Warfare; Angles, Every Woman is a Tree; Orchestre International Du Vetex, Flamoek Fantasy; Wu-Tang Clan, Chamber Music. Und natürlich an den Weltherrscher mit ja, nein, vielleicht auch nicht!

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #262 am: 03 Januar, 2010, 00:09 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wo war ich bloß stehen geblieben? Es ist tatsächlich 2010 geworden, das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen. Vielleicht haben wir sogar schon Kontakt aufgenommen – unter Vielen, die ihre Hoffnungen auf Obama gesetzt haben, befinden sich auch die UFO-Gnostiker. Sie sind davon überzeugt, dass Obama 2010 die Existenz von Aliens offen anerkennen und die Archive öffnen wird. Darauf einen pangalaktischen Donnergurgler oder besser zwei oder drei, damit die Rollmöpse wieder schwimmen können.

*** Nehmen wir einmal an, dass Obama die Sache ernst nimmt wie den Friedensnobelpreis, die UFO-Archive öffnet und die Roswell-Dokumente freigibt. Wird er auch die schlichte Tatsache verkünden, dass es längst einen Borganismus gibt und dieser als mächtiges Wesen im Internet lebt? Denn, wie jeder Kenner der Geschichte vom Raumschiff Enterprise weiß, ist die Erde eigentlich längst eine kleine Borgwelt: Sie sind unter uns und drehen in Bielefeld und Griechenland einen Film, der 2010 die ganze Wahrheit erzählen wird.

*** Man könnte jetzt wie weiland Erich von Däniken die zahllosen Beweise für den Borganismus zusammenstellen. Da wären die Social Networks wie Xing und Facebook, bewusst schwachsinnig gehaltene Dienste, die 1:1 Kaffeekränzchen oder Cliquentreffen abbilden und damit eine Art Leben simulieren. Glaubt wirklich jemand, dass Menschen, die das Internet phantasievoll nutzen können, sich mit so banalen Identitätsspielereien zufrieden geben und Freundeslisten im Internet brauchen?

*** Menschen unterscheiden sich eben von Borgs dadurch, dass sie nicht einfach assimiliert werden können. Sie haben eine Privatsphäre, tragen Kleidung und lieben das Chaos, in dessen Schutz informationstechnische Lebenszusammenhänge gedeihen. Eine Borg-Königin, die ihre Aufgabe darin sieht, Ordnung in das Chaos zu bringen, ist ihnen zuwider. Doch Menschen haben eine große Schwäche: Das blinde Vertrauen in die Segnungen der Technik, das besonders bei Politikern so stark ausgebildet ist, dass sie unter Rückgratverkrümmung leiden vom vielen Umschwingen. Nun müssen Nacktscanner her und noch in diesem Jahr installiert werden, weil das mit der Privatsphäre schnippeldischnapp mit ordentlich Politdampf gelöst werden kann.

*** Man beachte nur, wie FDP-Chef Westerwelle beim strammen liberalen Njet die Einschränkung macht, dass technische Fortschritte den Schutz der Intimsphäre leisten können. Sein Glaube erinnert an die technischen Ammen-Märchen, dass die LKW-Maut der Umwelt hilft und die Gesundheitskarte mit Notfalldaten im Chip Leben rettet. Oder dass die Sicherheit beim Fliegen stark gestiegen ist, seitdem eine Stunde vor Landung das WC versperrt wird. Das entsprechende wissenschaftliche Projekt zum technischen Fortschreiten trägt den netten Namen Theben, was ein Akronym für "Terahertz-Detektionssysteme: Ethische Begleitung, Evaluation und Normenfindung" sein soll und schon mal einen netten Hinweis liefert. Wenn es mit der ethischen Begleitung hapert, finden wir halt eine neue Norm, komplett mit der Umbenennung von Nackt- in Bodyscanner. Jeder, der seine Murmeln noch beieinander hat, kann sich ausrechnen, wie der Unsinn weiter eskaliert: Die Terroristen stellen auf intrakutanen Sprengstofftransport um. Flugwillige bekommen in Zukunft Spatel und Ausscheidungsbriefchen, damit sie ihre unverdächtige Darmflora nachweisen können. Der Gang zur Toilette im Flugzeug muss drei Wochen vor Abflug schriftlich angemeldet werden, damit das Shit-Flag in den Passenger Name Records (PNR) gesetzt werden kann.

*** Wo waren die Leser nochmal stehen geblieben in diesem jahreszeitlichen WWWW-Wirbel? Achja, die Frage nach der Piratenpartei war es wohl. Die Vorstellungen zum Urheberrecht, die die Piraten haben, klingen für Urheber bedrohlich. Da gibt es den fairen Ausgleich für meine Arbeit, aber auch die "faire Rückführung in den öffentlichen Raum". Aber was ist fair? Die Wikipedia in ihrer majestätischen Volksrelevanz kennt nur Fairness und spricht von einem Begriff, der in Sport, Recht und Informatik benutzt wird. In der Informatik, belehrt mich IBMs Fachwörterbuch, spricht man von fair value und meint einen Verkehrswert. Die Nachhilfe in Sachen Urheberrecht bleibt seltsam vage. Ja, Kultur ist Arbeit, Kultur muss produziert werden, täglich aufs Neue, von Menschen, die von  ihrer Arbeit leben wollen. Wer da wie in den Leserbriefen zurückblafft, dass diese Kultur offenbar nur dann etwas wert sei, wenn damit bares Geld verdient werden kann, hat einen Enterhaken in der Birne. Genau: This is not a love song.

Was wird.

Schade, dass meine Prognosen so schlecht waren: "Twitter kauft Digg. Facebook kauft Twitter. Google kauft Facebook ..." Google hat Firmen wie Etherpad, Teracent und Gizmo gekauft, immerhin. "Google kauft" ist schon einmal eine solide Vorhersage. Ich leiste mir noch eine: 2010 wird das Jahr, in dem Internet-Ökonomen Kontakt aufnehmen mit der Realität, in dem das Gerede von der Aufmerksamkeitsökonomie abebbt. In der deutschen Wikipedia ist der Begriff offenbar schon gelöscht, so verlinke ich zum Mutterschiff, wo der Blödsinn noch zu lesen ist, dass Aufmerksamkeit ein rares Gut ist. Bereits im Jahre 1906 führte der Philosoph Fritz Mauthner in seiner Psychologielehre aus, dass Aufmerksamkeit und Zerstreutheit den gleichen menschlichen Zustand bezeichnen. Modern gesagt: Wir können zerstreut hunderte von Webseiten besuchen, ohne im Geringsten die eigene Ressource Aufmerksamkeit zu verknappen. Für Mauthner ist es das Gedächtnis, das den Menschen munter zwischen beiden Zuständen hin- und herschlittern lässt. Am kommenden Montag soll in Dubai zwischen Pleite und Wüste der höchste Wolkenkratzer der Welt eröffnet werden, als Adresse in der Aufmerksamkeitsökonomie. Man könnte auch von einem Mahnmal der Dummheit sprechen.

Wenn überhaupt von einer Währung im Netz gesprochen werden kann, dann sind es die Kosten der Ausgrenzung. Fast alle sind im Netz und so ist das Gerede von einer Kluft allein durch Netzzugang zumindest in den Staaten der ersten Welt großer Unsinn wie die Aufmerksamkeitsökonomie. Stattdessen wird das Ausgrenzen immer wichtiger: Es wird Menschen geben, die vor Stoppschildern stehenbleiben und andere, die einen alternativen DNS bemühen. Es wird Nutzer geben, die Googles Antworten oder Wikipedias Einträge als bare Münze für das Wissen der Welt halten, und andere, die wissen, dass nur ein Ausschnitt präsentiert wird mit soviel Wahrheit wie die letzte Seite der tageszeitung. Die Ausgrenzung arbeitet subtil, aber manchmal, da wird sie deutlich sichtbar, die neue Barbarei. Sie beherrscht Twitter, Facebook, bedient die Mail und stellte ihre Veröffentlichungen transparent ins Netz: Damit erfüllt unsere neue Familienministerin eigentlich die Forderungen des Chaos Computer Clubs. Weil sie in einem Ausbruch die Würde des Clubs pangalaktisch beleidigt hat, wird belustigt auf dem Kongress mit Hilfe von Bild konstatiert: "Im Internet lesen genügt nicht." Ha ha.

Was bleibt für 2010, mag ein Gedicht ausdrücken, das einer auch schon vor rund 50 Jahre geschrieben hat, und das die mündige Mediennutzung gegen den heutigen Mediennudismus stellt.

lies keine oden, mein sohn, lies die fahrpläne:
sie sind genauer. roll die seekarten auf,
eh es zu spät ist. sei wachsam, sing nicht.
der tag kommt, wo sie wieder listen ans tor
schlagen und malen den neinsagern auf die brust
zinken. lern unerkannt gehn, lern mehr als ich:
das viertel wechseln, den pass, das gesicht.
versteh dich auf den kleinen verrat,
die tägliche schmutzige rettung. nützlich
sind die enzykliken zum feueranzünden,
die manifeste: butter einzuwickeln und salz
für die wehrlosen. wut und geduld sind nötig,
in die lungen der macht zu blasen
den feinen tödlichen staub, gemahlen
von denen, die viel gelernt haben,
die genau sind, von dir.


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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #263 am: 10 Januar, 2010, 00:12 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Es schneeweht kräftig in der norddeutschen Tiefebene bis hinunter ins Hessische. Deutschland, bleiche kalte Mutter. Überall werden Flüge abgesagt, nur dieser kleine Tiefflug mit Rückblick auf die Woche kann ungefährdet abheben, allen Untergangs-Frohlockungen zum Trotz. Händeringend habe ich das passende Snow Manifest im Internet gesucht, etwa bei den "Fingerabschneidern" von Hennes & Mauritz. Weit und breit jedoch keine Spur von twitternden Schneeflocken, Chatrooms für Schneemänner und crowdsourcenden Schneebällen, die sich zu einer Schlacht treffen. Stattdessen fand sich nur ein schwachsinniges Slow Media Manifest, das daherkommt, als sei es auf dem Einwickelpapier von Manufactum gedruckt worden: "Slow Media sind auratisch".   Ja, es gibt sie noch, die gestelzten Dinge. Soll man sich wirklich über Schleichmedien freuen, die (These 2) "in fokussierter Wachheit mit Genuss konsumiert" werden? Dann doch lieber "zerstreut schlafen" und den Tam Tam der "Prosumenten" in Blogdorf verklingen lassen. Wie überhaupt nach dem Internet-Manifest der blondierten Blogger der langsame Medienerlass dieser Melchiten seltsam aufgeblasen ist. Wer erinnert sich da nicht an sein erstes Semester Informatik und die Definition der Null Theory? If explanation length = raw data length, genau.

*** Während die Tastatur launisch klappert am Tag, an dem der König von Deutschland Geburtstag hätte, darf laut mitgesungen werden: "Ich hab geträumt, der Winter wär vorbei, du warst hier und wir wären frei und die Mooooorgensonne schien!" Natürlich ist das ein Traum, denn auf dem Netbook klappert es überhaupt nicht, es tappert sich höchstens dahin, bis der schwarze Harry den Wagen vorfährt und sie meine kalten starren Finger wegbrechen. Still und starr steht der Rechner auf dem Tisch, dem Freund jedes Philosophen. Mit der Frage nach der Wirklichkeit des Tisches beginnt bekanntlich jede Philosophie, während die Informatik erst dann einsetzt, wenn 5 Philosophen an einem Tisch sitzen und auch noch hungrig sind und sich alle Spaghetti bestellt haben. Wir sehen schnell, wie speziell so eine Wissenschaft ist.

*** Die kleine philosophische Vorrede führt uns schleifenlos zur Frage "Wie verändern Internet und vernetzte Computer die Art, wie wir denken?". Gestellt hat diese Frage John Brockman, der C.W. Ceram unter den Digerati. 131 Wissenschaftler antworteten. Viele Antworten sind von dem Arbeitstisch geprägt, an dem die Wissenschaft getrieben wird. Aus Deutschland antworteten Ernst Pöppel und Gerd Gigerenzer, aus Österreich Anton Zeilinger, aus der Schweiz der Kunstkurator Hans-Ulrich Obrist. Und irgendwie aus der transatlantischen Byteburg war Kai Krause zugeschaltet, mit der genialen Einsicht, dass Brockmans Frage im Spam-Folder aufgeschlagen ist. Da gehört sie auch hin, weil sie zu schlicht ist, im Stil von "Bitte lesen Sie mein Freund".

*** Besonders sympathisch sind mir daher die Antworten der Psychologen, wahrscheinlich weil sie nicht den Unsinn lesen müssen, den die zeitgenössischen Internet-Berater so von sich geben. Man lese Pinkers kluge Einsicht Not at all und die Bewunderung der kollektiven Weisheit durch Geoffrey Miller. Dieser Text hat es sogar ins Deutsche geschafft, weil die FAZ sich Brockman öffnete: Wikipedia ist mein verlängertes Gedächtnis – mit Bezug auf die US-Ausgabe des Gedächtnisses. "Wir müssen unsere intellektuelle und ästhetische Überheblichkeit ablegen." Bescheidenheit ist angesagt, aber doch nicht in Deutschland, wo Internet-Strategie-Berater Fleißpünktchen unter ihren Followern sammeln und meckern, weil einer von den 131 es nicht in die FAZ geschafft hat. Selten ist die kleingeistige Papierfixiertheit der deutschen "Berater"-Szene so klar zum Ausdruck gekommen.

*** Natürlich hat das Internet unser Denken verändert. Na und? Der Kopf ist bekanntlich rund, damit das Denken die Richtung ändern kann, wusste schon Francis Picabia. Wer will, kann sich an die Tische der Philosophen setzen, wo seit Jahrhunderten die Frage auf dem Speiseplan steht, wie der Mensch Werkzeuge benutzt und wie die Werkzeuge den Menschen formen und wie der Mensch die Werkzeuge. Viel interessanter als die philosophische Sonntagsfrage von John Brockman ist die Einleitung, die unter www.faz.net/digitaldenken zu finden ist. Frank "Payback" Schirrmacher erwähnt in ihr ausdrücklich die Pre-Crime-Analytik, "wer plant was, wo, mit welchen Mitteln", komplett mit einem Werbe-Link zu einem Anbieter für Katapher-Kriminalistik. Einen Tag vor der großen Brockman-Präsentation veröffentlichte das nämliche Blatt im Feuilleton den Text Vorwärts in die zweite Reihe, der die Leser auffordert, zwischen Pre-Crime-Analytik und den bald zu testenden Nacktscannern zu wählen. Komplett mit einem eindeutigen Bekenntnis zum Einsatz von Nacktscannern gegenüber der Pre-Crime-Analytik: "Die Maschine verteilt, so sie denn funktioniert, die sozialen Kosten des Kampfs gegen den Terrorismus gleicher: in Form von Wartezeiten für alle, teureren  Flügen für alle, Eingriffe in die Intimsphäre für alle." Wir sitzen alle an einem Tisch, nackt und vor dem großen Rechner.

Was wird.

Wie gut trifft es sich da, wenn dann der Europäische Polizeikongress mit einer Begleitausstellung wirbt, in der auch Nacktscanner gezeigt werden und Pressefotografen auf die Möglichkeit hinweist, "Lara-Croft-Lookalikes" beim Durchschreiten der Systeme fotografieren zu können. Die verdruckste Geilheit verklemmter Pornobrillen-Träger passt bestens zum allgemeinen Sicherheits-Geschwurbel, in der jeder Flughafen-Beamte der Bundespolizei ein Clark Kent mit Röntgenblick werden kann. Die Argumentation, dass wir datentechnisch längst entblößt sind, vor allem dank Flugdatenübermittlung, wenn wir in die USA fliegen, hat große Löcher. Der Nacktscanner ist längst das Vehikel zur Prüfung der nackten Gesinnung. Ein Kommentar der "tageszeitung" bringt es auf den Punkt. Da heißt es mitleidig: "Die Aufregung um den Scanner trägt daher die Züge einer Ersatzhandlung, geführt von Leuten, die noch vor dem Netzzeitalter sozialisiert sind und das Wörtchen 'nackt' für anstößig halten." Zu komisch, dass der Satz vor diesem verwegenen Argument so lautet: "Aufs Fliegen können die meisten Menschen notfalls verzichten, auf die Nutzung des Internets nicht." Ob das Sanatorium Schirrmacher dem armen Journalisten helfen kann?

Sein Geburtstag ist nicht genau datiert, doch irgendwann in diesen grauen Januartagen zwischen dem 9.1. und 17.1. vor 350 Jahren kam Daniel Defoe auf dieser Welt an. Die relevanzgestählte deutsche Wikipedia bespricht den Kaufmann, Essayisten und Schriftsteller, nennt aber nicht die Arbeit, mit der sich Defoe in die Ruhmeshalle des Qualitätsjournalismus verewigte. Der Kämpfer für Frauenrechte, der zeitweilig für 12 Zeitungen gleichzeitig als Journalist arbeitete, gehört zu den Verfechtern der Pressefreiheit. Er gilt als der Erfinder des Kommentars und ist damit Urururururururopa dieser kleinen Wochenschau.  Die Freiheit des Journalisten, bei aller Berichterei auch eine eigene Meinung zu haben und sie getrennt von einer Nachricht dem Publikum zu übermitteln, kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Das Internet ist eben das, ein Tanzplatz dieser journalistischen Nettigkeit. Und wieder einmal schließe ich mit dem größten aller bisher gelebten und gestorbenen Kommentatoren: "Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: Sie hört nicht, was ich sage, und ich sage nicht, was sie hören will."

Ich schließe? Aber Hallo, nein, so einfach geht das nicht! Über viele Jahre hat diese kleine Wochenschau aus der norddeutschen Tiefebene das Treiben der Bobos betrachtet, der digital Größenwahnsinnigen, deren Träume in der Dotcom-Blase platzten oder die ihre StudiVZ genannten Datenalpträume zum Führergeburtstag erfolgreich an einen Verlag verscherbelten. Nun wenden sich die Zeiten und die iHobos kommen. Sie sind die digitalen Hobos, rastlos auf der Suche, die ihresgleichen kurz nur "Bo" rufen oder #untergang twittern. Die neuen Gesundbeter des Internet sind leicht zu erkennen, weil sie erst einmal heftig "das Internet" an eine Tür nageln und bejammern, was das Internet mit unseren Hirnen alles so anstellt. Diese iHobos wollen kein Spielzeug sein, aber trotzdem visionär wie immer die Zukunft durchblicken. Diese iHobos werden uns dieses Jahr beschäftigen, als eine kleine, aber meinungsstarke Minderheit. Wer wird ihr Martin Luther sein, bereit, all das unverständliche Software-Latein des Internets in handliche, praktikable Anweisungen zu übersetzen? Sie wollen Jesus rufen, aber heraus kommt Jobs, Steve Jobs?

Wie sang noch der König von Deutschland?

"Der Traum ist aus! Der Traum ist         AUS.
Aber ich werde alles geben, dass er Wirklichkeit wird."

Wie verändert die Wirklichkeit die Art, wie wir denken?

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #264 am: 17 Januar, 2010, 00:12 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Der Schnee türmt sich in der norddeutschen Tiefebene. Ich vermisse eine Sondersendung über den Allday mit Daisy. Doch längst beherrscht eine richtige Katastrophe die Nachrichten, allem Kachelklatsch zum Trotz: Im ärmsten Land Lateinamerikas spielt sich das ab, was die Medien gern eine "humanitäre Katastrophe" nennen, komplett mit landenden Hilfsgütern ohne Ende. Das über viele Jahre hinweg diverse Dikatoren Haiti ruinierten, wird nachgerade verklärt. Denn ein gescheiterter Staat kann sich wenigstens nicht ins ordentliche Katastophenmanagement der US-Truppen einmischen. Statt Daisy-Tweets lesen wir nun die ohne Schnee aus Haiti – wie fesch ist das?

*** Ja, Hänschen klein, ging allein in die weite Welt hinaus, mit Googlemut und Stock und Hut, ging es lange Gut. Die "Wir-sind-nicht-böse-Woche" endete nicht nur mit einem schlichten Nein der Firma, die mit ihrem Insecurity Explorer den ganzen Schlamassel ausgelöst hat und einem Protest der USA, dass Google nun auch die amerikanische Außenpolitik übernommen hat. Nein, da meldete sich prompt der deutsche IT-Branchenverband Bitkom und forderte jammernd einen freien Zugang zum chinesischen Markt. Ja, liebe IT-Lobbyisten, nur keine falsche Scham und Prüderie: Was sind schon Menschenrechte, wenn der Yen winkt? Die Technik lehrt es ja: ohne die Nullen kann es keine Einsen geben. Passend zum Schmu von Google und zum China-Besuch unserers Außenministers kommt nun die Nachricht, dass in China die Wahl zum Mr. Gay von der Polizei gestoppt wurde. So wird es Zeit für ein schwul-solidarisches WWWW, mit einem ordentlichen amerikanischen Ruf: YMCA!

*** Die Frankfurter Allgemeine Zeitung befeuert seit Tagen die Debatte um ein Payback genanntes Buch ihres Kulturchefs mit einer Reihe von Texten, die es den Internet-Apologeten heimzahlen. Da findet sich die Beschreibung des Menschen als Datensatz durch den Denkchef des CCC, komplett mit der Forderung nach einem Datenbrief als Auskunftspflicht aller Unternehmen und der persönlichen Haftung von Unternehmern bei "Sicherheitsschwankungen". Außerdem kann ein Interview mit Jaron Lanier erklickt werden, der in seinem neuen Buch bekannte Texte neu zusammenmischt. So prangert Lanier wieder einmal den digitalen Maoismus des Web 2.0 an: Oberflächlich betrachtet sind wir alle gleich in der digitalen Welt, aber es gibt Gleichere, etwa A-Blogger und Wikipedia-Admins. Nicht alle sind Straight Boys.

*** In Laniers Buch "You are not a Gadget – You have to be somebody before you can share yourself" wird eine Passage aus seinem Halben Manifest ausführlich ausgebreitet, die der VR-Forscher für die Urszene der Computerei hält. Es ist der berühmte Turing-Test, den Alan Turing nach Ansicht von Lanier unter dem Einfluss einer medikamentösen Zwangsbehandlung seiner Homosexualität in einer schwer depressiven Phase entwickelte. Deshalb übersah Turing die eigentliche Logik des Testszenarios: Zwar kann die künstliche Intelligenz immer "klüger" werden, bis der Mensch sie nicht mehr als Computer wahrnehmen kann, genauso kann aber auch der Mensch immer "dümmer" werden, bis Gleichstand erreicht ist. Computer und Programme halten sich seit den Tagen von Turing an Variante 1, während das Fernsehprogramm mit seinen alltäglichen Verdummungen demonstriert, dass Variante 2 genau so zielstrebig verfolgt wird. Immerhin: Aus einem schwulen "Defekt" entfaltet sich das Drama des 22. Jahrhunderts. Es ist halt ein wunderbar dialektisches, schönes Geschenk, das Turing uns gemacht hat.

*** Lanier kämpft also gegen die iHobos, die Gesichtsbuchspießer mit ihren tollen Freundeskreisen und die Zwitschervögel mit ihren Schwärmen von Zweitleuchtern. Auch gegen die strunzdumme Überzeugung der 2.0-Prediger, dass Wissenschaft überflüssig ist, weil die Weisheit der Massen jedem wissenschaftlichen Erklärungsansatz überlegen ist. Gewiss, das Dasein als iHobo hat seinen Reiz, wird einem doch das Denken abgenommen. Es ist kein Zufall, dass die Firmen wie Sun oder Oracle, die von dem wolkigen Cloud Computing profitieren, Denker in ihren Reihen haben, die die Privatsphäre für beendet erklären. Get over it? Die Privatsphäre ist nicht mehr zeitgemäß auf Facebook? Wer will dann laut beim Lied vom tollen Iwan mitsingen?

*** Ist die Haltung elitär, wie das Interview von den 2.0-Fanboys abgekanzelt wird? Ortega y Gasset, im Dezember 1933, drei Jahre vor Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs und ein Jahr nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten in Deutschland, schrie "zum ersten Mal mit der Lungenkraft, die mir geblieben ist" gegen den Marsch ins Dritte Reich: "Es lebe die Republik!". Und schrieb im "Aufstand der Massen", dass die "Massen ihrem Wesen nach ihr eigenes Dasein nicht lenken können noch dürfen und noch weniger imstande sind, die Gemeinschaft zu regieren ..." Das hört sich ganz nach den Warnungen vor dem "digitalen Mob" von Jason Lanier an, zumal Gassets Beschreibung der "ungerichteten Aggressivität" der Massen, die er mit der Aufhebung der Unterscheidung zwischen Massen und Elite begründet, sehr an die Herrschaft einer technischen Elite erinnert, mit der viele unserer Internetvordenker heimlich oder in aller Offenheit zu liebäugeln scheinen.

*** Ist der Jude Jaron Lanier nur falsch gefragt worden? Von seinem Diktum "Ohne Nachzudenken ist es schwer, ein Individuum zu sein" ist es nur ein kurzer Schritt zu Ortega y Gassets "Die Welt ist zivilisiert, aber ihre Bewohner sind es nicht; sie sehen nicht einmal die Zivilisation an ihr, sondern benutzen sie, als wäre sie Natur." Der Mob als gedankenlose, amorphe und jeder Aufregung nachstrebende Masse, ist er denn das Gegenteil des denkenden Einwohners des Social Web, der ach so informierte Entscheidungen im Echtzeit-Internet zu treffen in der Lage ist? "Es ist also nicht unwichtig, den Massenmenschen aus dem Grunde zu kennen; denn er birgt die Möglichkeit zu größtem Heil wie größtem Unheil in sich", meinte Gasset, der gerade die Wissenschaftler und Techniker mit ihrer historischen Unbewusstheit und gelehrten Ignoranz als Prototypen des Massenmenschen sieht. Die sind nun nicht unbedingt "the one you love".

*** Wir sehen die FAZ auf der Suche nach einem klugen Kopf, während die Zeitung selbst längst geshreddert ist und ihre Schnippsel von der Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen gelesen werden. Das bringt uns hupps, hupps, zu der Mörderknete, die die Zeitungen jetzt von Google für die Schnippsel haben wollen – und das als Rettung der abendländischen Kultur verkaufen. Ja, von Google wollen sie alle Geld, da gibt es nicht die kleinsten Bedenken, was Google sonst so aus uns macht. Man sieht es am Nexus, das mein innig geliebtes G1 ablösen soll, wenn auf einmal die Erben des Mannes aufkreuzen, dem wir viele Geschichten aus der Zeit verdanken, als heute das Morgen von gestern war. Da wäre die Geschichte der Keks-Dame, der Cookie Lady, die das Leben aus Bubber Surle saugt, oder die der Marsianer, die nur in der Wolke handeln können. Wo bleiben die Zahlungen all der Browser, die Cookies benutzen und vom Cloud Computing reden? "Nur Verräter schließen Kompromisse", schrieb Philip Kendrian Dick.

Was wird.

Wanderer, kommst du nach Hannover zur CeBIT, der schönsten Stadt der norddeutschen Tiefebene: Wundere dich nicht. Da haben wir seit nunmehr zwei Jahren allen CeBIT-Besuchern mit Auto die Feinstaubplakette verscherbelt mit dem Versprechen, dass eines Tages nur die "Grünen" reindürfen. Eigentlich wäre es jetzt soweit, doch wir haben einen FDP-Umweltminister in Niedersachsen, der wieder einmal beweist, dass dieses Wörtchen "Freie" die Kurzform von "merkbefreit" ist. Per Erlass wird alles revidiert, damit auch die "Gelben" wieder fahren dürfen. Steuererleichtert erfahren wir seltsames Zeug wie den Plan von der elektronischen Gesundheitskarte, die plötzlich eine Bezahlungsfunktion haben soll.

Es kommt noch besser, Wanderer, wenn du es in der nächsten Woche bis nach München schaffst. Dort steigt am Wochenende der Digital Lifestyle Day, als 2.0-fluffige Veranstaltung mittlerweile in Digital, Life, Design umbenannt. Kurz bevor sich der Homo Davosiensis (Richard Sennett) in den Schweizer Bergen ans Entlüften der vollgestaubten Gedanken macht, werden seine Pupse im Vorflachland als Trends offeriert. So gibt es ein Panel über Informavore, die Informationsfresserchen, die nach den Pflanzen- und Fleischfressern die Erde bevölkern werden. Mit 2500 Euro für die Eintrittskarte distanziert man sich von ähnlichen Veranstaltungen wie der re:publica, wo Netzpolitik für Arme verhandelt wird. Natürlich sind alle Preisschilder nur symbolisch gemeint, das wissen die Vereinstalter und Mob-Dresseure. Umso freudiger stimmen sie alle in den Song schlechthin ein: I will survive.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #265 am: 24 Januar, 2010, 00:07 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Im Unterschied zum schlichten privaten Schreiben ins Web werden Journalisten für diese Tätigkeit bezahlt. Das ist auch gut so, bei dieser Wochenschau und anderen Texten, die Onkel Heise kauft: ich kann davon leben. Andere kämpfen gerade um ihr Leben. Das Honorar für diese kleine Wochenschau geht diesmal an Ärzte ohne Grenzen, die mit ihren "Plug&Play-Hospitals" in Haiti helfen. Nein, das ist kein Spiel. Wer die Ärzte nicht mag, kann sich ja hier beteiligen. Wer pleite ist am Monatsende, sollte für die Zukunft zumindest ein Nichtkaufen-Häkchen bei den Firmen setzen, die mit der Katastrophe Werbung machen. Den Vogel schießt diesmal die schwedische Firma Anoto ab, deren PR-Meldung so beginnt: "Die schrecklichen Bilder in Haiti führen es wieder vor Augen: Bei Massenereignissen geht es zuallererst um schnelle und effiziente Hilfe vor Ort. Die mobilen Sanitätseinheiten der Schweizer Armee setzen daher bereits seit Anfang des Jahres auf eine ausgeklügelte Lösung für die rasche Erfassung und Verarbeitung von Patienteninformationen. Elementare Bestandteile sind dabei die digitalen Stifte..." Soso, dabei ist die Schweizer Armee pleite.

*** Alles glänzt so schön neu. Wie war das noch mit der seinerzeit teuersten Werbekampagne Deutschlands? "Raider heißt jetzt Twix, sonst ändert sich nix." Was für ein schöner Slogan! Auf einmal war die Welt viel heller und Philosophen schrieben tiefe Texte über das Sein und das Nix. Die Nix-Sex-Bewegung hatte Zulauf und jeder mümmelte enthaltsam seinen Schokostümmel von 29 Gramm. Heute ist das alles vergessen. Aus dem elektronischen Personalausweis wird der neue Personalausweis und die einzige Kampagne, das Kärtchen zu verbreiten, ist das Anfixen von 16-Jährigen, die unbedingt ihren ersten Ausweis haben wollen und sowieso gläserne Kerlchen und Mädchen sind.

*** Für die geplante Kampagne der Bitkomiker muss da schon ein besserer Name her! Wie wäre es etwa mit Identitätskondom oder schick denglisch IDentpres wie Identity Preservation Reservoir. Schließlich soll das Teil nur zertifizierten Firmen verraten, wer sich hinter SexyHornyBiSlut verbirgt, damit diese zertifizierten Firmen nach dem Datenstrip noch ordentlich mit den Daten Handel treiben können. Ist Identitätskondom zu peinlich, könnte man analog zu den Lümmeltüten von Lümmelkärtchen reden. Oder vornehm-hintersinnig von einem e-Tui sprechen, in dem die digitale Identität der künftigen Tuis steckt, die mitnichten chemische Nothelfer sind. Und für die Unterschichten könnte man bigbrothermäßig mit dem Wort Fratzencontainer darauf hinweisen, dass in dem Chip mehr Grips drinsteckt als in sieben Staffeln einer Fernsehsendung. Spätestens dann, wenn der Ausweis in allen deutschen Internet-Cafes pflichtschuldig als IDPrüferli neben den automatisch auslesenden PC gelegt werden muss wie beim Zigarettenziehen, wird Werbung für das Teil überflüssig. Die Zwangsbeglückung wird dann zur Erfolgsgeschichte verklärt.

*** Als Raider der Privatsphäre wird Google in Deutschland zum Urbösen erklärt, vor allem von Verlegern und Journalisten, die ihren Schrebergarten enttarnt, fotografiert und vermessen sehen. Die einen sehen durch Google gleich die Demokratie gefährdet, faseln von geheimen Servern und sehen in der IP-Adresse 8.8.8.8 schon den "Beweis" für die große Google-Verschwörung. Die anderen sehen schrumpfende Gewinne und machen Google dafür verantwortlich, dass sie über die Jahre ideenlos zugesehen haben, wie sich der Journalismus ändert. Gefordert wird ein Leistungsschutzrecht, doch hinter dem Gedanken steht der Versuch, die Pressekonzentration weiter voranzutreiben und die politischen Bedenken in Sachen Meinungsvielfalt auszuhebeln. 4G, das ist doch ein schöner neuer, unverbrauchter Name für die Fusion von Burda, Holtzbrinck, Springer, SWMH und WAZ, die Liste ist verlängerbar. Dann hat man zwar immer noch keinen Durchblick, was Google wirklich macht, aber Kinners, diese Synergien! Die vierte Gewalt, ein Großkonzern für Meinungs-Immobilien, wie praktisch. Und wie demokratisch: Wenn Google das Äquivalent zur Kommunistischen Partei maoistischer Prägung ist, sind alle anderen zusammen die Guten! Wer davon redet, dass Google auch eine Akademie der Aufklärung ist, ist böse.

*** Bill Gates hat diese Woche für Schlagzeilen gesorgt, weil er das macht, was Millionen anderer Menschen auch als Hobby pflegen. Gates bloggt und twittert, beschützt von einem eigenen Blogsupportteam, über das was er denkt, was er lernt und wohin seine Reisen gehen. Gedanken, Handlung, Tat und Blog sind alles eins, wie einst bei  Fichte. Was seinen Geist bewegt, ist durchaus ehrenswert und was er cool findet, wird in einfachen Sätzen mitgeteilt, nicht ohne auf den eigenen Anteil hinzuweisen. Selbst wenn Gates Notes das Produkt bezahlter Redenschreiber ist, ist dieser Bill Gates echt.

*** Viele werden es dank dem Google-Logo wissen, aber es schadet niemals, auf Django Reinhardt hinzuweisen, der mit zwei Fingern und einem Daumen Musikgeschichte schrieb, nachdem er einen Brand in einer Zigeuner-Wagenburg knapp überlebte. Sein Einfluss reicht bis hin zu den Powerchords der Schwermetaller. Gestern war der 100. Geburtstag des "Vaters" der europäischen Jazz-Szene. Und natürlich darf dieser Django nicht fehlen. Nicht zu vergessen Djangos Marseillaise, mit der zur Befreiung von den Deutschen gleich der ganze Nationalfimmel kommentiert wird.

Was wird.

Nein, es sind nicht die Informatiker in ihrer Nische, die ungeduldig auf ihre Uhr schauen, es ist die ganze Welt, die auf Apples Tablet wartet wie auf den Messias. Was soll das bestens berüchtete Gerät nicht alles können: Bücher speichern, Fernsehen steuern, Ehen retten und so weiter und so gähn. Interessanter ist natürlich, was das Gerät nicht können wird. Denn im Anfixen seiner Kunden ist Apple zweifelsohne Weltklasse: Man denke nur an die Anstrengungen, die die Firma unternommen hat, damit keine Firma eine vernünftige Tastatur für das iPhone anbietet, mit der längere Texte geschrieben werden können. Mit allen Kräften verhindern Juristen das iType von Ion Audio, blockieren Programmierer den Zugang zum iPhone: Geschrieben darf nur mit einer Brückenanwendung, aus der kopiert werden muss. iBah. Wer scharf auf das ultimative Gadget ist, vergesse Apple und greife zu diesem niedlichen Mausstaubsauger, komplett mit packender Produktbeschreibung: "The mouse has a dust reservoir at the back-end. But seems to be too small that needs you to empty it very often. Or else it might burst off and get your desk full of dust again." Heißer Staub, der uns einnebelt, das braucht die Welt!

Richtig vernebelt sind die Denker und Visionäre wie in jedem Januar, wenn sie in Burdas Laufhalle zum Thema Digital, Life Design einfallen, ehe es in die Höhenluft nach Davos zum Weltwirtschaftsforum und seinem Rethink, Redesign, Rebuild geht. Ausgerechnet zum 40. Jubiläum gab der Gründer Klaus Schwab der Süddeutschen zeitung ein (kostenpflichtig abzurufendes) Interview, in dem er als Obergrenze für Gehälter das 20-Fache des Mindestsalärs einer Firma forderte. Der typische Homo Davosiensis, der zum Geschäftemachen in die kalten Berge zieht, hat für solche Beschränkung ähnlich viel Verständnis wie Banker für Obamas Vorschläge. Nach all dem Google-Gegurgel wird CEO Eric Schmidt mit Interesse in Davos erwartet, wo die tatkräftigen Google-Gründer schon häufiger einen Auftritt hatten.

Glückliche Berliner, beneidenswerte Frankfurter: Die Welturaufführung (PDF-Datei) von Metropolis steht bevor, die Ausstellung zum Film ist in Berlin eröffnet. Wie war das noch in ferner Zukunft vor über 80 Jahren, als Herz und Verstand eine Einheit bilden sollten? Und wo bleibt die Erinnerung an Jef Raskins, der einfache Computer für Millionen bauen wollte und Apple mit seinen Ideen prägte? Zu seinen Lieblingsstücken an der Orgel zählte die Musikbegleitung von Metropolis.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #266 am: 31 Januar, 2010, 06:30 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

Man arbeitet bis zum Tode
erschöpfter als ein Esel
früher aufgestanden als ein Hahn
später Feierabend als eine Nutte
nach fünf Jahren älter aussehend als alle anderen.

*** Dieses Gedicht stammt von einem chinesischen Fabrikarbeiter, der in einem Werk der taiwanesischen Firma Foxconn in Shenzen arbeitet. Dort wird der oder das iPad von Apple hergestellt. An der 499 US-Dollar teuren Basis-Version verdient Apple 203 Dollar, am Top-Modell für 829 Dollar sind es 446 Dollar, die Apple bleiben. Das meldet die Computerworld von der neuen Mother Lode der Kalifornier. Hinter jedem schicken iPad stecken erbärmliche Arbeitsbedingungen und nur wenige neue Innereien.

*** "Vorahmung" steht in der gedruckten Zeitung über dem Gedicht, in der Internetfassung leider zur platten Vorahnung verschlimmbessert. Denn wer wird es sein, der die Vorahmung von Apple nachahmt? Vielleicht die tageszeitung, die für das brandneue iPad-Abo warb?

*** Muttis Computer ist endlich da, begleitet von unzähligen Blogs und Tweets. Seit Al Gore das Internet und Twitter erfand, wurde noch nie so viel über ein vergleichsweise simples Gerät spekuliert. Der bunte Retro-Newton führte zu aberwitzigen Zeitungsgeschichten über das Ereignis, in denen ohne jede Faktenkenntnis schwadroniert wird. Aber was sollen die Armen auch machen bei einem Unternehmen, dessen Arroganz (oder ist es Paranoia?) inzwischen so weit geht, Journalisten auf Faktensuche freundlich Engadget zu empfehlen.

***  "Ein Lied geht um die Welt" ist ein Beispiel von vielen für so eine faktenarme Zeitungsgeschichte. Nein, liebe Süddeutsche Zeitung, der Apple Computer wurde 1982 nicht vom Time Magazine als Man of the Year gefeiert, es war der Personal Computer und das war eine der schlimmsten Niederlagen im Leben von Steve Jobs. Denn niemand anderes als Jobs sollte damals der Man of the Year werden, bis die Reaktion sich anders entschied. Ganz nebenbei konnte Steve Jobs die Musik von Grateful Dead nie leiden. Und das erste Zubehör, eine iPad-Weste, kommt von einer Firma, bei der Steve Wozniak im Aufsichtsrat sitzt.

*** Das iPad ist eine wunderbar sorgfältig kupierte Maschine, die weder als Netbook noch als Smartphone genutzt werden kann. Ob das Gerät tatsächlich dafür geeignet ist, die Digital Natives auf einem Einbaum durch das Internet surfen zu lassen, ist schwer die Frage. Analog zu iTunes soll ein Service wie iPaid entstehen, über den die kostbaren Inhalte der Verlage DRM-geschützt zum Leser rauschen. So hat die IT-Branche immerhin Grund zum Jubeln, da nach dem Kampf der Browser der Kampf der eBücher kommt. Kindle gegen iPad, das kann nur ein Jobs, das kann kein Obama bieten. Folgerichtig, dass die tageszeitung keine Links auf den Langweiler bringt. Wären bloß nur das Internet und Twitter nicht von Al Gore, sondern von Steve Jobs erfunden worden! Die Welt wäre ein Stück abfragebedürftiger.

*** Immer ein Stückchen besser soll die Welt werden, wenn das Weltwirtschaftsforum in Davos beendet ist. Dort beraten die Mächtigen und Macher seit 40 Jahren über die Schlechtigkeit dieser unserer Welt. Diesmal fehlten die Chinesen fast völlig, weil sie das iPad bauen müssen und obendrein stilecht ein Weltwirtschaftsforumklon eingerichtet haben. Statt Friede und Freude gab es diesmal selbstgemachten Eierkuchen aus faulen Eiern. Der Banker ist ein Stänkerer und zwar so derbe, dass der Geist nachhaltig irritiert ist.

*** Mit einem klaren Unentschieden endete zuvor in München die Debatte darüber, ob Maschinen oder Menschen die besseren Informationsfresser sind. Zu sehr ähnelten sich die Argumente der Teilnehmer in der entsprechenden Diskussionsrunde des DLD. Der Informatiker David Gelernter stimmte wunderbar mit den Zeitungsmachern Frank Schirrmacher (FAZ) und Andrian Kreye (Süddeutsche Zeitung) überein. So viel Harmonie muss belohnt werden und wird auch belohnt: Ab nächsten Frühjahr bekommt Gelernter eine regelmäßige Kolumne in der FAZ. Derweil mussten Journalisten, die partout einen Gegensatz in der verbalen Tätschelei sehen wollten, zum richtig groben Wortschatz greifen. Heraus kam die bemerkenswerte Formulierung weinerlicher Halb-Checker, offenbar in Referenz an das Supatopcheckerbunny. Oder hat da jemand seinen Schelling verlegt, dem wir das berühmte deutsche Wort Halbversteher verdanken? "Die Halbversteher, die Hegel sich für ihre Zwecke zurecht machen, sind ebenso schlimm, als die Nichtversteher, die sich ein Phantom als Hegel in den Kopf setzen."

*** Ob etwas zurecht gemacht wird oder nur ein Phantom ist, diese Frage ist im Fall vom guten Google und dem bösen China noch längst nicht entschieden. In München wollte man besonders gut sein und beschenkte alle Teilnehmer des DLD mit einem Nexus One, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass der Hersteller HTC nur in Taiwan und Brasilien fertigt. Nur die Journalisten bekamen zeitlich limitierte Teststellungen, was einige verärgerte, die auf dem DLD die hohe Kunst des Bratwurst-Journalismus mit seinen wilden Feiern pflegten. Ein Google-Kontra kam bekanntlich von Bill Gates, dem frisch gebackenen Blogger. Prompt attestierte Kommentator Liu Dan von der Parteizeitung Good Times der Firma Microsoft ein "relativ tiefes Verständnis für den chinesischen Markt". Freuen wir uns mit Gates, auch wenn er gleichzeitig mit dem Verweis auf Deutschland zeigt, dass er keine Ahnung hat. Ja, bei uns ist die Holocaustleugnung ein Straftatbestand, wie in vielen anderen Ländern auch.

*** Dennoch kann ist Gates ein belesener, kluger Mann und der "Fänger im Roggen" ist offenbar sein Lieblingsbuch, wie hier zu lesen ist, in einem Abschnitt über Lernresistenz. Tatsächlich ist Salinger in den letzten 10 Jahren mehrfach in dieser kleinen Wochenschau aufgetreten, doch damit ist Schluss. Am Mittwoch ist der Schriftsteller gestorben, der "fuck" in die Literatur einführte und sich dennoch von der Wirklichkeit verraten fühlte.

*** Heute ist der Geburtstag des Mannes, der als europäischer Rekordhalter 22.514 Stellen von Pi auswendig kann. In Großbritannien gehört Daniel Tammet damit zu den 100 lebenden Genies. Die von ihm geschaffene Sprache Mänti sollte ursprünglich die Sprache der Na'vi sein, doch dann besann sich der Filmemacher James Cameron und bestellte bei einem Linguisten eine komplette Sprache, die in der Enzyklopädie des  Abstrusen ausführlich behandelt wird.

Was wird.

Die nächste Woche verspricht interessante Themen. Man denke nur an die nicht käufliche FDP, die für eine geile Spende für jede Sauerei zu haben ist. Ausgerechnet diese Schutzpatronin der Apotheker und Pharmabranche wird von der CSU aufgefordert, die elektronische Gesundheitskarte einzusparen. Damit die FDP nicht umfällt und die arg beschnittene Karte bleibt, rollt in der deutschen IT-Industrie eine millionenschwere Kampagne an, die Gesundheitskarte jetzt endlich oder nie einzuführen. Der konzertante Schwerpunkt liegt dabei auf dem "Jetzt endlich", das Nie wird nur drohend ausgehaucht, gemeuchelt von angeblich einer halben Milliarde Vorabinvestitionen. Es geht um die Investitionssicherheit der Wirtschaft und nicht um die Datensicherheit der Patienten.

Auch der "neue Personalausweis", einstmals als elektronischer Personalausweis vorgestellt, ist wieder einmal Thema eines Kongresses. Beim alljährlichen Smartcard-Workshop sind der Ausweis und die für ihn benötigten kontaktlosen Kartenleser das Schwerpunktthema der Kartographen. Der Kurs liegt an, der Plan ist stramm: im November muss alles beisammen sein.

Noch schneller soll es bekanntlich bei den Nacktscannern gehen. Geht es nach unserem Innenminister, so sollen die Scanner schon im Sommer kommen und natürlich fast freiwillig genutzt werden: Wer nicht durch den Scanner will, wird penibel abgetastet und nicht nur mit dem Metalldetektor abgewischt. So freundlich kann Europa sein, das will der Europäische Polizeikongress (PDF-Datei) des Behördenspiegels zeigen. Zum Warmlaufen für diesen Kongress hat der BKA-Präsident Jörg Ziercke einen neuen Beweis für die technische Kompetenz seiner Behörde geliefert, als er über die Stoppschilder flunkerte: "Denn wer solche Warnschilder bewusst umgeht, hinterlässt Spuren auf seinem Computer." Das sind offenbar Spuren, die nicht so einfach gelöscht werden können wie das Löschen einer IP-Adresse. Löschen einer IP-Adresse? Aber ja doch. "Das alleinige Löschen einer IP-Adresse führt damit nicht zum Verschwinden der schrecklichen Bilder aus dem Internet."

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Was war. Was wird. (Reminiszenzen und Statusberichte)
« Antwort #267 am: 07 Februar, 2010, 00:15 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich. Und nach 10 Jahren sei dieses Mal ein etwas weiterer und möglicherweise auch grundlegenderer Rückblick gestattet.

Was war.

*** Sind wir alles alte Säcke? Menschenskinder, Leute. So vergeht die Zeit. Vor 10 Jahren, am 6.2.2000 startete in der norddeutschen Tiefebene ein Projekt, dazu geeignet, die bescheidenen Zugriffszahlen auf den Newsticker am Wochenende anzuheben, aber auch als gepflegte Sonntagslektüre der Unentwegten. Eine kleine Wochenschau wurde installiert, die Informationsbröckchen zu sammeln, die es nicht zu einer richtigen Nachricht schaffen. 10 Jahre sind schnell rum, die Kinder sind aus dem Haus und müssen nicht mitten im WWWW-Schreiben zu irgendwelchen Fußballäckern gekarrt werden. Aus den Informationsbröckchen ist ein Informationsbröckchenberg geworden, so viele erwähnenswerte Nachrichtenschnippsel sammeln sich Woche für Woche an. Nein, das ist keine Informationsmüllhalde, aber dazu komme ich noch.

*** 10 Jahre und 536 Ausgaben, das ist aber auch sooo lange her. Zum Start der Wochenschau gab es keine Wikipedia, erst recht kein Facebook, das gerade auch Geburtstag feiert. Die deutsche Bloggerszene begann damals nur zögerlich, ein Wasserglas zu füllen: Der Schockwellenreiter, ein Großvater seiner Art, startete im April 2000 und benutzte dafür nicht das iPad, obwohl das doch viel älter ist. Ja, das WWWW begann mit langen Texten und nur wenigen Verlinkungen: Es sollte eben gerade kein Blog werden, wie es Doc Searls bei einer Diskussion im November 1999 vorgeschlagen hatte. Doch schnell wurde deutlich, dass die treuen Wochenschauleser einen besonderen Spaß an verlinkten Sachen hatten – Lernkurven soll man bekanntlich ungebremst durchfahren.

*** Das erste WWWW, die ersten Kommentare, der allererste Korinthenkacker zu einem Schreibfehler beim Namen des Slashdot-Gründers Rob Malda, überhaupt das Aufkommen der Forenkultur von Heise. Die Arbeit am WWWW machte von Anfang einen Riesenspaß. Heute längst vergessen, startete das WWWW auch deshalb hervorragend, weil Spiegel Online seine Foren schloss und Zig-Tausende von Beiträgen einfach gelöscht wurden, weil andere Verlage dazu übergingen, ihre Foren einer straffen Zensur zu unterwerfen. Die Freiheit des anders Lesenden endet an der Löschtaste. Das hat sich nicht verändert, die Medien werden zickiger, so manches frei getippte Wort geht ihnen zu weit und die Einrichtung einer Trollwiese ist ihnen zu aufwendig. Natürlich darf hier der Hinweis auf den Splitter im eigenen Auge nicht fehlen, der zu einem veritablen Balken wuchs, ehe er entfernt werden konnte. Und diese kleine Wochenschau bekam in der norddeutschen Tiefebene die schlechtesten Noten.

*** Das Internet, das ach so freie, befand sich zum Start der Wochenschau auf dem Höhepunkt seiner Kommerzialisierung. Zumindest sah es damals danach aus. Es knisterte bedrohlich und dann knallte es auch ordentlich, als im März 2000 die Dotcom-Blase platzte. Zurück zu kleineren, realistischen aber auch menschengerechteren Verhältnissen, das war ein Wunsch, der zum WWWW führte. Er stand gleich in der ersten Mail, mit der der Ticker-Redaktionsleiter Jürgen Kuri im Spätsommer 1999 begann, mich anzubaggern und abzuwerben. Ich schrieb damals Kolumnen auf toten Bäumen, die die Leser für das Internet begeistern sollte – es war die Zeit, als aus den technischen Hürden geknickte Streichhölzchen wurden und es nur noch schwache Ausreden gab, die Angebote im Netz nicht zu benutzen.

*** Wie begann noch mal das erste WWWW? Mit einem Satz zum angeblichen Information Overload, gegen den ad anno Gutenbergensis schon immer der beherzte Gebrauch von Filtern geholfen hat. Und mit einem kleinen Gespött über die alten Medien, die eine Zeitungsente produzierten. Der ganze Absatz, schamlos kopiert, zeigt eine Entwicklung und auch keine Entwicklung: Filtermechanismen, die die Spreu von dem Weizen trennen sollen, die aber auch Nachrichten unterdrücken können, sind hochkomplizierte Kill-Files. Manchmal versagen sie und schon debattiert die Republik über das Fax des Kommandos Helmut Kohl. Die Fälschung vor einigen Tagen mit der Mitteilung, Kohl wolle die Spender doch nennen, schaffte es, von einigen Nachrichtenagenturen verbreitet zu werden, die keine Zeit zur Überprüfung des Faxes hatten. Das Kommando hatte Tatzeit wie Tatort gut gewählt, einen Sonntagnachmittag in unterbesetzten Agenturen. Eine E-Mail mit denselben Behauptungen wäre wohl glatt nach dev null gewandert. Damit sich solche Pannen nicht wiederholen, wollen die Agenturen jetzt Codes an Parteien und Verbände ausgeben, die häufig Pressemeldungen faxen. Fehlt der Code, ist das Fax nicht authentisch. Bei E-Mail, deren Anteil am Nachrichtenaufkommen noch minimal ist, soll das Verfahren nicht eingesetzt werden. Der Enten-Schutz sei hier nicht nötig, weil die Kennung viel schwieriger zu fälschen sei, meint ein dpa-Mann. Eine mutige Aussage im Zeitalter des Spam.

*** Faxe, durch einen Code zertifiziert, sind heute längst Geschichte, weil faxen als Technologie ausstirbt, noch vor dem Zeitungsdruck, den sie eigentlich nach einem Plan von Nikola Tesla beerben sollte. So mancher Müll, den Agenturen heute produzieren, entsteht durch E-Mail ohne Entenschutz, durch einen Tweet ohne jegliche Quellenprüfung. Man kann bei Stefan Niggemeier lesen, dass die Verhältnisse sich nicht gebessert haben. Ganz nebenbei hat auch die Frage, wer denn die Geldspender der CDU waren, nichts an Brisanz verloren: Wir haben einen Finanzminister, den diese Frage mal beschäftigt hat. Und wir haben eine Debatte um Steuersünder-CDs, in der erstaunlich oft das Wort Moral vorkommt und nicht Morast, das die politische Argumentation um den Sport der Happy Few viel besser beschreibt.

*** Datürlich hat sich das WWWW über die Jahre verändert. Genau wie der Newsticker, der mittlerweile auch am Wochenende von Diensthabenden während der Wochenendschichten bestückt wird. Und erst das Internet! Zusammen mit dem digitalen Fortschritt haben wir heute Werkzeuge zur Verfügung, an die im Jahre 2000 nicht zu denken war – mitunter sind die Werkzeuge weiter als die Gesellschaft, die sie benutzen soll. Das führt bei technisch weniger interessierten Menschen zu panischen Reaktionen, während die aufgeschlossenen Geister überlegen, mit welcher Strategie man einen kühlen Kopf bewahren kann. Dass all das Neue auch das Gute ist, das da im rundum guten Internet auf uns zukommt, glauben wohl nur die Internetversteher mit ihrem Unbelehrbarkeitsdefekt.

*** Auffällig ist jedenfalls, dass über die Jahre hinweg sich die Missverständnisse nicht geändert haben. Im Jahre 1997 formulierte der Physiker Michael Goldhaber die Grundzüge seiner Theorie von der Aufmerksamkeitsökonomie, die eine neue Wirtschaftsgröße im Internet ins Spiel bringt, weil wir alle beachtet werden wollen. "The Internet is primarily a system for individuals to obtain attention for themselves." Jeder ist sein eigener Sascha Lobo. Der Mensch will Aufmerksamkeit auf sich ziehen, war die These, die heute huschhusch an die Geräte, wahlweise an die Medien weitergereicht ist, die von dieser Aufmerksamkeitsökonomie profitieren wollen. Die richtige Antwort auf diese Quirlerei war der sportliche Firstpost-Wettbewerb im Newsticker, bei Weitem mehr als ein schlichtes, schnelles "Erster".

*** Jaja, Erster. Die erste neue Theorie, die sich nach dem Start des WWWW entwickelte, war die von den Smart Mobs, den Schwärmen intelligenter Anwender, die sich gezielt zusammenfinden. Howard Rheingold schrieb schnell ein ganzes Buch darüber, ehe ein Schwarm auf den Gedanken kam. Das heißt heutzutage Book Sprint und produzierte gerade auf der Transmediale ein Buch, das – hier hat Jaron Lanier wohl recht – nur Suchmaschinen und andere e-Vehikel lesen werden. Aus der nämlichen schwärmerischen Ecke entwickelte sich nach den Smart Jobs die Idee des Crowdsourcing, für das die aktuelle Pressemeldung der CeBIT zu ihrer schwarz abgedunkelten Webciety eine hübsche Definition enthält: "Crowdsourcing bezeichnet die gezielte Auslagerung einer üblicherweise von Erwerbstätigen erbrachten Leistung auf freiberufliche Tüftler im Internet." Natürlich werden diese Tüftler entlohnt, mit Aufmerksamkeit.

*** Seit der Gründung von alt.journalism.newspapers im Usenet der 80er wissen wir, dass der Journalismus keine Zukunft mehr hat. Wer ihn dennoch verteidigte, bekam ehrenwerte Titel verpasst wie "Dümmster anzunehmender Journalist". Als das WWWW startete, gab eine Organisation den Geist auf, die Computer Press Association. Sie scheiterte an ihren eigenen "Code of Ethics", der Journalisten die "lebenslange" Annahme von Testgeräten untersagte. Solch bestechende Geschenke waren nach dem Jahr 2000 allgemein akzeptiert und sind heute populärer denn je, seit der allgemeine Gadget-Wahn die Szene nuttigt. Heute ist all das kein Thema mehr. Ein Sprücheklopfer wie Jeff Jarvis wird herumgereicht und darf allen Ernstes erzählen, dass die Zukunft des Journalismus unternehmerisch ist. Jeder freie Journalist wird über diese Binse müde lächeln. Wenn dann großartig gespuckte Entrüstung sich breit macht, dann darf man herzlich lachen. Hey, Daniel, das war schon OK so. Bereits im letzten WWWW vor dem Jubiläum schrieb ich von den verärgerten Kollegen, die ein Geschenk erwarteten.

Was wird.

Natürlich geht es weiter. Zum Beispiel mit dem Superbowl heute abend. Das war schon vor 10 Jahren so und noch viel früher, als Apple eine epochale Anzeige schaltete. Vor 10 Jahren gaben 17 Internet-Firmen insgesamt 42 Millionen US-Dollar aus, um prospektive Kunden zu erreichen. Mein Favorit damals im ersten WWWW war OurBeginnings.com, die heute bei einem Domaingrapscher zum Verkauf stehen: "Es hat uns 4 Millionen US-Dollar gekostet, Ihnen diese Adresse zu zeigen".

Heute abend startet aber auch @halfaber auf Twitter. Stilecht, auch als Reminiszenz an die aktuelle Debatte, mit einem Tweed pro Tag. Um um es genauso stilecht wie Jonny Schwartz mit einem Haiku zu sagen, beginne ich mit dem Meister Kobayashi Yataro und seiner Schnecke am Fujiyama:

Ja, Schnecke,
besteige den Fuji, aber
langsam, langsam!

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #268 am: 14 Februar, 2010, 00:07 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Gleich vorab ein warnendes Wort an alle Leser: Diese kleine Wochenschau wird mit dem neuen, aber offenbar schon weit verbreiteten  Trivial File Transfer Protocol in die Redaktion geschickt. Mit diesem TFTP werden nämlich Terroranschläge dadurch verhindert, dass immer ein Stück Dummheit und Blödheit mitgeschickt werden. Dieser Huckepack sorgt dann dafür, dass Bomber ihre Mischungen vermasseln und Politiker das Netz nicht verstehen: Kleine, geschickt im Datenstrom versteckte Trivialitäten schlagen dabei der Realität ein Schnäppchen. Bekanntlich scheiterten die Sauerland-Bomber an der Aufgabe, H20 in Wasser aufzulösen. Politiker fanden die Auffahrt zur Datenautobahn nicht in ihrem Navi. Verdeckte Ermittler in sozialen Netzwerken twitterten das Menü des Tages aus der BKA-Kantine in Wiesbaden.

*** Trivialitäten, wohin man sieht: Aus irgendeinem Grunde ist Jeff Jarvis, der Hohepriester des Web 2.0 beim Saunieren in einer deutschen Sauna gelandet, in der Männlein wie Weiblein schwitzten, und hat daraus gleich eine Theorie der deutschen Privatsphäre entwickelt. Wäre es eine Kontaktsauna gewesen, hätten wir wohl Kolle 2.0 bekommen. So aber ist es bei der verschwitzten Erklärung der Privatsphäre geblieben, mit der sich der Befürworter von Nacktscannern intim gibt. Hoppsa, welche Trivialität hat aus diesen Geräten eigentlich Körperscanner gemacht? Und warum gibt es Ausdrucke, obwohl dies der Flughafenbetreiber dementiert? Wo bleibt die wissenschaftliche Untersuchung, was beim Trivial File Transfer alles passieren kann? Vielleicht die Erkenntnis, dass die Form den Inhalt beeinflusst. Besonders bei Bloggern kann man ganz abenteuerliche Deformationen und Herleitungen der Privatsphäre finden, wenn sie in freudiger Selbstaufgabe vom Kontrollverlust faseln und padeluun altmodisch finden: "Wir sind per se enteignet!"

*** Vielleicht ist es auch der triviale Unterschied, den Dan Bricklin in seinem schönen Buch On technology so formuliert: "I believe that there is a people factor in the adoption of technology that is too often neglected." Nur der, wer nicht an die Verantwortlichkeit der Programmierer glaubt, kann solchen Unsinn formulieren, wie der erwähnte Blogger mit defektem Kontrollsystem: "Heute muss die Privatheit künstlich, sehr aufwändig hergestellt werden. Opt-Outs bei Facebook, Haken, die man in seinem Internetbrowser setzen muss, Plugins, die man installieren muss, Caches und Cookies und Histories, die man regelmäßig löschen muss." Die behauptete Aufwändigkeit ist schlicht nur Schlamperei der Firmen und ihrer Programmierer, gegen die man sich wehren muss. Das zeigt das Beispiel von Google Buzz. Zwei Tage nach dem Start hatte Google die gröbsten Schweinereien umgebaut und den Kontrollverlust eingedämmt, ganz nach dem Firmenmotto "Don't be live".

*** Mit dem gebotenen demokratischen Anstand hat das EU-Parlament das SWIFT-Abkommen abgelehnt, auch wenn dieses mit dem Trivial File Transport Protocol wahre Wunder bewirkt. Die Wochenchronik registriert nach langer Dürre einen guten Tag für den Datenschutz, auch wenn in langen, zähen Verhandlungen herauskommen dürfte, dass hinter TFTP ein Terrorist Finance Tracking Program steht und keine Trivialinjektion in den alltäglichen Datenwahnsinn. Als Basis künftiger Verhandlungen schlage ich eine finnische Sauna vor, auf einer kleinen, leicht abzusichernden Schären-Insel.

*** Kultur kommt aus dem Lateinischen und leitet sich bekanntlich davon ab, dass schon im alten Rom der Mist und die Kotze auf die Felder gefahren wurden, zur Wiederaneignung durch Getreide und Bohnen. Nun hat sich eine 17-jährige an dem Mist und der Kotze eines Bloggers vergriffen und daraus, gepatcht mit vielen anderen Textübernahmen und Pappi, ein Buch gemacht, vor dem das deutsche Feuilleton ergriffen niederkniet. Derweil ärgert sich die Blogosphäre und selbst Don Silberkanne über das Feuilleton, das sonst bei jeder gelegenheit vor der Copy&Paste-Kultur warnt. Unbehelligt kann derweil die arrogante kleine Textdiebin auf Talkshows im Fernsehen unter anderen Kotztüten auftreten und ihre Kultur zeigen. Warum auch nicht, wenn jeder Überdenker weiß, dass man sich ungestraft am Overmind vergreifen kann, ohne korrekte Angabe des Griffs. Peinlich wird die Sache erst, wenn mit "Wir haben abgeschrieben" gewitzelt wird und die selbstproduzierte literarische Sensation mit einer im besten Sinne subversiven Aktion auf eine Stufe gestellt wird.

*** Jaja, die spinnen, die Römer. Von ihnen kommt nicht nur die Kultur, sondern auch die "Dekadenz": Der Mist wurde auch in spätrömischen Zeiten zwar immer noch kultiviert auf die Felder gekarrt, aber man kotzte und kackte mitten im Fressgelage. Das kann man bei Petronius nachlesen. Bislang ist dies eine der wenigen Quellen für das Vulgärlatein der niederen Schichten. Über die, die heute ganz unten sind, hat sich Guido Westerwelle von den Freiwilligen Deutschen Pensionsbesitzerschützern ausgekotzt, weil nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes die Menschenwürde neu berechnet werden muss. Ganz besorgt um die "Missachtung der Mitte" verkündete er: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein." Zur grottenfalschen Analogie wie zur fehlerhaften Rechnung passt es bestens, dass Arbeitsministerin von der Leyen den Namen "Hartz IV" abschaffen und einen neuen nicht von oben herab verordnen will. Wie wäre es spätrömisch-neudeutsch mit Beapossi, gebildet nach Beati Possidentes, mit einem Hauch Tuttifrutti. Aber halt, da war doch noch der von Arbeitspflichten schwärmende Roland Koch. Zur Wiederfasturaufführung von Metropolis rühmte er die Restaurierung des Films mit der "Software unserer Tage", und die "von 1927 aus gezeichnete Darstellung des Menschen als Computer". Wer assoziiert da nicht die "Computeures" des Gaspard de Pronys, die armen, arbeitslosen Friseure nach der französischen Revolution, die schlicht als Rechenmaschinen die Werte logarithmischer Tabellen ausspucken durften? Aber vielleicht denkt man auch daran, dass das Hirn schnell in Marschtritt  verfällt, wenn man den Swing nicht hat. Aber Gelassenheit, Coolness und Hipness hat auch unserem Außenminister noch niemand nachgesagt, auch wenn er sich noch so sehr bemüht.

*** Nach dem Auftauchen diverser Datenträger mit Bankgeheimnissen wird in Deutschland eine interessante Debatte geführt. Im Extrem tanzt das Kamel auf dem Nadelöhr Tango, wenn eine Justizministerin befindet, dass man Daten nicht klauen kann. Vielleicht hätte sie mal mit ihren Ermittlern gesprochen, die in Bayern besonders gerne Festplatten ausbauen. Ein anderes Extrem kommt aus der Schweiz, wo spekuliert wird, dass nach den bösen Hackern über den Datendieb als Lehrberuf spekuliert wird. Noch hübscher ist freilich der Konter mit der Drohung, die Schweizer Konten deutscher Politiker zu veröffentlichen. Wer Stil beweisen will, wählt die geplante Wikileaks-Präsenz in Island zur Veröffentlichung. Dort sind die Banken längst geschmolzen.

Was wird.

So ganz verstehe ich ihn nicht, den Valentinstag heute. Wer mich mag, wird sicher nicht auf dumme Gedanken mit Krawatten kommen. Und Rosen aus Kenia sind sicher nicht romantisch, nur weit gereist. Ob aber die Idee, mit freier Software so viel besser ist? Egal, ich mach mich draußen in der hübsch verschneiten Tiefebene ans Umarmen des nächsten Schneemannes. Schnee und Sand stehen immer unter einer Free Commons License.

IT-mäßig gesehen sind Olympische Winterspiele seit jeher ein Leckerli. Wie war das noch mit Tonya Harding, deren Mail-Passwort auf der Rückseite der Akkreditierungskarte von einem Journalisten gelesen wurde? Oder nehmen wir die Spiele von Albertville 1992, die in HD-TV ausgestrahlt wurden, was heute begeistert im Tal der Ahnungslosen gefeiert wird. Als Antidot zu strunzdämlichen Fernsehkommentaren muss hier die Mitschrift von Jens Weinreich empfohlen werden, der neben Gedanken über den toten Rodler darauf verweist, dass München 2018 auch kritisch gesehen werden kann.

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Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)
« Antwort #269 am: 21 Februar, 2010, 05:09 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Es gibt moralische und schwer moralische Fragen. Zu den moralischen gehört die, ob man sich auch die Hände gewaschen hat, auf dem Klo. Schwer moralisch ist die Frage, ob man überhaupt an einem Tag schreiben darf, an dem sich der große Journalist Hunter Stockton Thompson von der Welt verabschiedete. Müssen nicht alle journalistischen Drecksfedern ruhen in Gedenken an den Mann, der den Satz von HJF vom Kopf auf die Beine stellte: "Ein guter Journalist macht sich nicht mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten Sache. Auch dann nicht, wenn er voll ist mit extrem nützlichen Dingen wie Alkohol, Drogen, Gewalt und Verrücktheit. Genau dann legt er aber los." Ein spannendes Portrait von Richard Nixon unter der Auflage zu schreiben, nur Fragen über Football stellen zu dürfen, gehört zu den großen Momenten des Journalismus. Aber hey, in Vancouver langweilen die Winterspiele mit einem gezähmten Bode Miller und einer gehemmten Maria Riesch. Da passt es schon mit dem Gonzo-Journalismus: Schließlich bekam Thompson den Ehrentitel "Gonzo" nach einer für den Playboy geschriebenen Geschichte über den Skiläufer Jean-Claude Killy. Der will bekanntlich Nizza zum Zentrum der Winterspiele 2018 machen und das mit Hilfe der größten Villenbesitzer in der Gegend, Bill Gates und Paul Allen. So schließt sich ein Kringel.

*** Gleich mit dem zweiten Kringel dieser Woche wird es etwas ernster, allem albernen Gekicher der neu produzierten Star-Autorin Hegemann zum Trotz. Schließlich hat das Axolotl auch in der IT seine Spuren hinterlassen. Der Titel der Kompilation, die das heilige Feuilleton deutscher Nation beschwafelt, erinnert natürlich an das Axolotl, das der Gen-Papst Juan Enriquez bei seinen Auftritten zur Zukunft des Homo Evolutis regelmäßig zeigt. Das Urvieh mit den schwarzen Augen repliziert sich selbst, hat sich aber von der Evolution verabschiedet. Diese treibt der Mensch munter voran: Nach Hör-Implantaten für Taube, Seh-Chips für Blinde oder ohrenzupfenden Äpps sollen Hörgeräte für den Walgesang und Chips kommen, mit denen der Mensch auch Infrarotlicht sehen kann. Mit den Maschinen zu einer neuen menschlichen Einheit verschmelzen, wie es William Grey Walter vorhersagte, das wird noch eine Zeit dauern. Auch das Internet wird sich weiter entwickeln, gefüllt mit einer eigenen Intelligenz wird sich Second Life wieder mit Leben füllen, ganz nach den feuchten Träumen der KI-Szene und der SM-Berater, die wieder auf Montage gehen können. Ob dann die berühmte Singularität eintritt, weiß nur das Wassermonster. Wie war das noch mit dem Technorealismus, der 1999 in der Dotcom-Blase so mitleidig bestaunt wurde?

*** Der dritte Kringel ist eigenlich ein Hoccer. Wer einmal Dateien auf diese Art vom Telefon aus geworfen oder gefangen hat, wird wissen, wohin die Reise geht. In Barcelona ist der Debütantenball der Telefone zu Ende und das Jahr der Androiden ist ausgerufen worden. 20 Millionen Droiden sollen es am Ende sein, wenn die Rechnung mit 60.000 Telefonen pro Tag stimmt, die Googles Eric Schmidt bei seiner Keynote präsentierte. Wer die nicht nur von der Batterie her abgeschottete, keimfreie Welt von Apple (das 8,7 Millionen iPhones in den letzten 3 Monaten 2009 verkaufte) nicht mag, hat eine Alternative. Geht es um die Anwendungen, so spielt die Spracherkennung und Sprachsteuerung eine zunehmend wichtige Rolle. Aus der Spache fließt alles und auch das erinnert an 1999 und den Papagei von Zazie in der Metro. Doukipudonktan?

*** Eine wirklich wilde Verfolgungsfahrt absolviert viertens sehr kringelig derzeit ein rechtmäßig in Deutschland zustande gekommenes Gesetz. Bundestag und Bundesrat haben es abgenickt, der Bundespräsident hat es für alle "überraschend" unterschrieben und so ist es in Kraft getreten, na Freude aber auch! Neben der Ankündigung, dass ein neues Gesetz alles anders machen soll und einer Ankündigung der für Gesetze zuständigen Ministerin, den ungeliebten Balg schnellstens zur Adoption durch die zensurerprobten Chinesen freizugeben, regte sich noch die oberste Polizeibehörde mit einem Erlass, das Gesetz nur teilweise anzuwenden: Es wird eine ordentliche Stange in den Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gerammt, das beschlossene Stopp-Schild für die Surfer aber noch nicht angebracht. Was bleibt, ist eines dieser Warntäfelchen, die in meiner Jugend von der Deutschen Bahn an die Fenster geschraubt wurden: "E periculo sporgersi": Es ist gefährlich, das Web da draußen. Wild wurchtbar gewährlich.

*** Dräuen die Sperren, so sind sie doch nix gegen die Operation Muschtarak, die in Afghanistan begonnen hat und uns mit noch bekloppteren Phrasen versorgt, direkt von Joseph Conrad geborgt. Endlich geht es ins "Herz der Finsternis", jaja, ins furchtbare Helmand und das auch noch mit der Losung "Hold and Build" für den immer wieder gern angemahnten "Aufbau". Doch was ist mit dem Rückzug? Im internationalen Verband ist z.B. Deutschland für die Polizei zuständig und Japan für die Entwaffnung. So eine Schulung kann man auch in einer besonders gefährdeten Gegend durchführen. Passend dazu haben die üblichen Vernebelungen begonnen: Deutschland regt sich viel lieber über erfundene Schweineleber-Fressereien seiner Soldaten auf und wird darob gleich richtig philosophisch. Derweil sprengte es bei unseren Nachbarn die Regierung. Sollten die Kaaseköppen vielleicht sluwer sein als wir?

Was wird.

Hey, die CeBIT kommt und wenn die vielen Presseerklärungen recht haben, wird sie ein "Traum in 3D". 3D-TV, 3D-Kiosk, 3D-Live werden in der ausgesprochen zweidimensionalen norddeutschen Tiefebene triumphieren und uns auf das "Next Level 3D" führen. Freuen wir uns auf die Zukunft, wenn ich ein WWWW voller Ecken und Kanten präsentieren kann. Auch die knallige Dröhnung namens Webciety präsentiert sich wieder den erwarteten Messebesuchern, die 2010 mit Eintrittskarten überhäuft werden. Die neuen "Mechanismen der Webgesellschaft" wollen erörtert werden, etwa der "Flashmob als neue Form des Arbeitskampfes". Ob es so etwas überhaupt geben kann, hängt von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ab, die parallel zum Start der CeBIT verkündet wird. Denn mit der durchgeführten Vorratsdatenspeicherung können genaue Bewegungsprofile ganz ohne Mitlauschen der Gespräche erstellt werden. Die Ausführungen, die Frank Rieger vom Chaos Computer Club in der Erörterung vor dem Gericht in Karlsruhe mit schönem Kartenmaterial abrundete, können leider erst ab Montag online nachgelesen werden und stecken hinter einer Paywall. Es ist aber bezeichnend, dass die Nullen der Social Media den Vortrag reflexartig als Verdummung abwatschen. Sie passend zur Aufregung um Axolotl als Elektronik-Lurche zu bezeichnen, ist noch die freundlichste Umgangsart für diese algorithmisch leicht berechenbaren Menschen.

Kann die Politik vom Netz lernen? Sie kann es und sie tut es. Vergleichen wir nur die Sponsor-Möglichkeiten (PDF-Datei) einer dieser aufgeblasenen Konferenzen über das nächste dicke Ding. 50.000 Euro für ein Ständchen, weil Gespräche bekanntlich Märkte sind, 18.000 für ein Plausch über die Firma ("Best Practice") und 15.000 für die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion zeigen: Der "Arbeiterführer" Rüttgers ist ein Schnäppchen. 20.000 das Ständchen, Plausch inklusive oder stumm nur 14.000 mit geilem Fotoshooting (nicht anfassen), das kann sich sehen lassen. Ein freibleibendes Angebot, Inder ausgenommen. Verglichen mit einer ordentlichen Spende zeigt sich, dass die CDU noch lernen muss, was die möFenDickPartei schon weitaus besser kann und was das DENIC so formuliert: br.de wird ausverkauft. Darauf ein Ständchen.

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250 GB SSD Samsung 750 EVO / 1 TB HDD
ZOTAC Geforce GTX 1080TI AMPExtreme Core Edition 11GB GDDR5
MSI Z170A PC Mate Mainboard
DVD-Brenner Laufwerk
Microsoft Windows 10 Home 64Bit

TT S2 3200 ( BDA Treiber 5.0.1.8 ) + Terratec Cinergy 1200 C ( BDA Treiber 4.8.3.1.8 )