Autor Thema: Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)  (Gelesen 125233 mal)

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Offline Hesse

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #180 am: 10 Februar, 2008, 04:37 »
Ich liebe diese "Was war. Was wird."-Dinger.  :)


Einfach köstlich !

(oha, Letzteres sollte nicht zur Völlerei animieren)  ;D

P.S. : Der Stil erinnert ein wenig an ein "viel deutscheres" Illuminatus.

Offline SiLæncer

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #181 am: 21 Dezember, 2008, 00:20 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Ein gutes Leben im falschen ist gar nicht so schlecht": Fischfingers  Paraphrase auf den guten alten Adorno mag für viele Lebensgelegenheiten der passende Spruch sein, für die IT-Welt gilt er allemal. Denn man ist ja immer noch so blöd und gibt Open-Source-Software einen Vertrauensvorschuss, statt sie wie jede andere Software auch zu behandeln. Aber irgendwann ist auch die größte Portion guten Willens aufgebraucht; irgendwann ist auch die Mühe nicht mehr zu viel, die Arbeitsumgebung mit all den lieb gewordenen Gewohnheiten auf ein neues Programm umzustellen; irgendwann ist einem das gute Leben lieber als das vermeintlich richtige, das es im falschen eh nicht gibt. Also weg mit diesem Ding, das als angeblich schlanker Webbrowser wegen der Aufgeblähtheit und Fettleibigkeit von Mozillas Websuite startete und mittlerweile jeder Software-Schlankheitskur spottet: Es war meist nicht besonders gut, das Leben mit dem Firefox, aber allemal besser als mit der Konkurrenz aus der Redmonder Webküche. Üben wir uns jetzt aber nicht in der Kunst des Vergessens, wie sehr uns der Firefox die ganze Zeit gequält hat, preisen wir lieber den Opera. Hach, wie das flutscht ...

*** Aber ja: "... und vor allem träumt man von einem Universum freundlicher Menschen." Das gute Leben im falschen hat eben auch so seine Illusionen. Und es begab sich zu der Zeit, als Merkel Kanzlerin in Berlin war und ihre Familienministerin von der Leyen in einer Altpapiertonne. Zu jener Zeit, als der Stern der Internationalen Raumstation über dem Bundeskanzleramt stand, hörten beide, dass wieder einmal ein Kindlein per Subventionsempfang erscheinen sollte. So beschlossen sie mit ihrer Regierung, das Kindergeld zu erhöhen, denn die Menschen im Lande waren arm und dazu verängstigt, nachdem der reiche Jude Madoff 50 Milliarden Dollar vernichtet hatte und kein Auto mehr gebaut wurde. Für jedes Kindlein sollte es 10 Euro mehr geben, ab dem dritten sogar 16 Euro. Die hungernden Familien frohlockten, nur nicht die Ärmsten der Armen, die Hartz IV-Empfänger genannt wurden. Bei ihnen wurde die Erhöhung auf die Sozialleitung angerechnet und diese entsprechend gekürzt, denn die Menschen waren faul und glaubten nicht an die Segnungen des "Fordern und Förderns" mehr.

*** Zu dieser himmlischen Zeit, als der Post-Mindestlohn gekippt wurde, weil das Geschäft namens "Hungern und Befördern" nicht gefährdet werden durfte, hatten zwei Kuriere Hunger. Sie vergingen sich an einem Gebäck, das wie ein gewickeltes Kleinkind christlichen Glaubens aussieht. Als die beiden jeweils ein Stollenkindlein vernichtet hatten, klebten sie die Packzettel um. Doch der liebe Gott sieht alles – aber er petzt nicht, steht in großen Lettern mahnend auf dem Jahresplaner 2009 des FoeBuD. Auf der Erde sieht es freilich anders aus, oder auch nicht. Singend und preisend kamen die Schafe vom Felde und fragten nach ihren Kreditkarten, denn der Missbrauch war groß.

*** Das christliche Treiben, dem Millionen unschuldiger Tannengewächse zum Opfer fallen, ist für Außenstehende voller Rätsel und Wunder. Hektische Kollegen, die mit flackernden Augen wie entzugsbedrohte Computerspieler nach Ideen für Weihnachtsgeschenke fragen, sind noch das Normalste. Seltsamer ist es schon, dass eine gefährliche heiße Chemikalie namens "Glühwein" (Hydroxymethylfurfural) ausgeschenkt werden darf, gegen die das Gebräu der "Sauerland-Gruppe" Tiramisu ist. Dabei ist alles doch so simplifyistisch. Statt Glühwein trinke man einfach Spülwasser mit einem Schuss Rote Beete, das passt zum Start des Speedee Service Systems heute vor 60 Jahren. Noch kein Geschenk zur Hand? Der Newsletter der deutschen Simpel weiß einen bestrickenden Ausweg:

"Ruhm schenken
Wikipedia, die riesige Internet-Enzyklopädie, bietet eine wunderbare Möglichkeit: Schenken Sie einem Ihrer Freunde Online-Ruhm, indem Sie einen Persönlichkeitseintrag für ihn erstellen. Voraussetzung ist, dass derjenige nicht öffentlichkeitsscheu ist und eine gewisse berufliche Wichtigkeit besitzt. Der Artikel sollte von (zumindest lokalem) öffentlichem Interesse sein, sonst verstößt Ihr lexikalischer Eintrag gegen die Wikipedia-Grundregeln."

Vielleicht müsste der Vorschlag ergänzt werden, weil nicht jeder Mensch eine gewisse berufliche Wichtigkeit hat, sondern etwa ein schlichter Verlagsmitarbeiter ist. Schenken Sie durch die Blume, etwa einen Wikipedia-Eintrag zum "Startloch", von dem so viel die Rede ist, mit einem dezenten Wink, dass das korrekte Wort vergeben war. Für öffentlichkeitsscheue Mitmenschen, die nicht in den Startlöchern der nächsten Konjunktur hocken, muss man sich etwas anderes ausdenken, vielleicht einen kleinen Blog aufsetzen, damit er oder sie sich schon mal an den Gedanken gewöhnen können, eine kleine Bildzeitung zu sein. Dann klappt's auch mit dem Eintrag in der Wikipedia, es sein denn, der Löschkönig zerrt mit kalten Fingern am Eintrag:

Wer schreibt so spät noch bei Nacht wie verhext?
Es ist der Autor mit seinem Text.
Er schreibt den Artikel mit der Tastatur,
vergisst die Zeit, sieht nicht zur Uhr.

Lemma, was birgst du so bang dein Gesicht?
– Siehst, Autor, du den Löschkönig nicht?
Den Löschekönig mit Bier und Schaum?
– Artikel, es ist nur ein Traum ...

*** An Weihnachten wird nicht nur lauteren Herzens verschenkt, sondern bereitwillig gespendet. Eigens zum Fest möchte ich darum einen guten Freund vorstellen, der einen guten Freund vorstellen möchte. Die längere Einleitung kann man natürlich bei der Byteburg lesen.

"Martin hat sich da konsequent etwas ausgesucht, vorgenommen und hat es durchgezogen. Mit seinem Partner Luke, einem French Canadian, sind die beiden in die allerunterste Schublade der nötigen Hilfe gekrabbelt die man sich wohl überhaupt vorstellen kann: im fast ärmsten Land der Welt, Haiti, und dort Waisenkinder und die auch noch mit AIDS, wirklich die extremste aller Notsituationen. Der Plan war vor einigen Jahren nach einigen Besuchen: dort ein brandneues Waisenhaus aufbauen. Und das allein wär' schon ein beträchtliches Unterfangen, schwierig, intensiv, sowohl in Zeit, Energie, Geld und rundherum der Fokus. Hut ab also allein schon für die Idee und die Nerven, anzufangen und den nächsten Hut dann dafür, das durchzuhalten, über Jahre hinweg.
Die beiden haben mit wirklich intensivem Aufwand es dann auch geschafft: Da steht es, ein neues Häuschen, sogar mehrere, und die ersten Kinder sind dort, die ersten Krankenschwestern, Ärzte, Lehrer kommen, Essen, Medizin, alles ist in der ersten Phase angekommen und absolut klasse umgesetzt.
Martin hat mit seinem Team aus dem IT Bereich zu der ganzen Sache eine Webseite entwickelt, und zwar nicht eine simple Spendenaufrufseite, sondern ein ganzes System für sich. Ich sehe es fast als eine generelle Lösung für alle möglichen Projekte, die auf Spenden angewiesen sind. Hier ist es zugeschneidert auf dieses erste Projekt, aber es könnte eigentlich auf HUNDERTE andere passen.
Und ich sage das mal einfach so in den Raum hinein: Ich glaube kaum, dass ich je irgendeine andere Seite gesehen habe, die so effektiv das Ziel verfolgt, jemanden zu einer Spende für einen guten Zweck zu verleiten, und das ohne Schreckensnachrichten, ohne pathetisch zu werden, ohne nur Schuldgefühle auszulösen oder ewig auf die gleichen Pavlov Knöpfchen zu drücken, ohne Tricks ehrlich und offen, und dann aber auch nicht blauäugig oder schönredend - oder noch schlimmer -schöngerechnet. Mit einem kleinen Lächeln, einer kleinen Träne und einem großen Herzen. Mit der Seite wird einem erst wirklich bewusst, wie viele Dinge nötig sind, von der Milch Flasche für $1.25 zum Kabel und Windeln und Benzin und Medizin, bis hin zu den Betten und Waschbecken, und dann das Land, das Holz, die Werkzeuge und schließlich eine Stunde Krankenschwester, ein Tag Kinderhelferin, ein Tag Lehrer, Zimmermann, Koch."

Wir können ein Waisenhaus bauen. Punkt. Aus.

*** Aus? Aber nicht doch, lieber Kai. Wir träumen weiter von einem Universum freundlicher Menschen. Denn die Welt braucht mehr als Spenden, sie braucht auch noch Freude am Fördern, Geschichten und ein paar Träume. Und sie braucht Kommunikation wie das WWWW, was natürlich keine Eigenwerbung ist, sondern diesmal für Wortwechsel weltweit steht, um noch eine Spendenmöglichkeit zu nennen.

*** Had I the heavens' embroidered cloths,
Enwrought with golden and silver light,
The blue and the dim and the dark cloths
Of night and light and the half light,
I would spread the cloths under your feet:
But I, being poor, have only my dreams;
I have spread my dreams under your feet;
Tread softly because you tread on my dreams.

Das schrieb William Butler Yeats an die von ihm angebetete Maud Gonne, die am Samstag vor 143 Jahren geboren wurde. Ein Dutzend Heiratsanträge waren erfolglos. Die irische Aktivistin ließ sich nicht auf den Poeten ein, sondern heiratete den irischen Major MacBride. Ihr Sohn Seán MacBride, einer der Gründer von Amnesty International, wurde 1977 von der UNESCO beauftragt, einen Bericht über die Kommunikationsprobleme in der Welt zu veröffentlichen. Dieser Bericht "Viele Stimmen, eine Welt", auch MacBride-Report genannt, erschien vor 30 Jahren in der ersten Fassung und sorgte für einen weihnachtlichen Eklat. Die USA und Großbritannien sahen die Freiheit ihrer Presse gefährdet und traten aus der Kommission aus. Britischen wie US-amerikanischen Presseagenturen wurde verboten, über den Report zu berichten, der die Einbahnstrasse der der durch westliche Medien und besonders durch Nachrichtenagenturen monopolisierten Informationsflüsse scharf kritisierte. Fast vergessen ist das Kapitel "Der Schutz des einzelnen, seiner Freiheit und seiner Privatsphäre im Computerbereich", das vom Schweden Jan Freese verfasst wurde. Der Kampf um das informationelle Selbstbestimmungsrecht hatte auch internationale Dimensionen.

*** Damit ein letzter Tip für den Gabentisch, für Bastler wie Käufer, die nicht an jedes Weihnachtsmärchen glauben, was mit den Worten "Es war einmal in einigen herausragenden Fällen" beginnt. Erinnern wir uns nur daran, dass ein deutsches Magazin eine mysteriöse "Online-Durchsuchung" beim Bundesnachrichtendienst gemeldet hatte, bei der "eine kleine fette Schwuchtel" eine herausragende Rolle spielt. War da der Weihnachtsmann gemeint, der all die Geschenke bringt und mit seinem Sack bepackt leicht adipös herumsaust? Oder ist das nur eine geschickte Tarnung von Spion und Spion? Wer diese Notizblock-Posse liest, wird an der neuesten Wendung seine helle Freude haben. Nach den drei Amateurfotografen mit Notizblock und ihren reaktionsunfähigen Kollegen im Hauptquartier geht der Tanz der Vampire im Kosovo offenbar weiter. Kleine fette Schwuchteln, soweit das Auge reicht. Europa, du hast es gut.

Was wird.

Weihnachten wird, und dann sind endlich auch die großen Schmidt-Festpiele zu Ende, die uns aus allen Gazetten entgegenquellen und endlos nerven. Dabei ist das finale Wort zur Beendigung dieser Veranstaltung schon gesprochen:"Der große Respekt vor ihm, er ist auch ein Produkt der Nostalgie der Deutschen. Und ihrer zentnerschweren Sehnsucht nach einfacheren Zeiten", resümiert Kurt Kister die Schmidt-Epen auch seines eigenen Blattes im Rahmen der großen Festspiele. Einfacherer Zeiten, die es nie gab und nie geben wird, möchte man fast automatisch hinzufügen.

Aber nun gut, ehe bald die bunten Raketen gezündet werden und das nächste Jahr beginnt, begleitet von einem Jahresend-WWWW mit all den Statistiken und Statistiküssen, die den Fluss der Nachrichten zeigen wollen, gibt es also ein Fest. Hier in der norddeutschen Tiefebene werden die Höfe blitzblank gefegt sein, die Windräder abgestellt; und peinlichst wird darauf geachtet, dass kein Rad im Freien sichtbar ist. Böse Geister könnten in der Nähe sein und so ein Rad benutzen und damit das abgelaufene Jahr erneut anschmeißen, wie eine Klagerunde von SCO. Wer kann das wollen, wer will schon alles noch einmal erleben, was 2008 geschah, das zieht einem doch die Schuhe aus? Allen meinem einen Leser wünsche ich einen darum schönen Datenstollen, viele Dataschenke und Grappa statt Data. Für die ohne Krippe, Ochs und Esel, denen Räder egal sind, Geschenke sowieso, empfehle ich eine ordentliche Kreuzigung: Heute vor 95 Jahren erschien das erste Kreuzworträtsel der Welt.

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/Was-war-Was-wird--/meldung/120802

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #182 am: 28 Dezember, 2008, 00:17 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Zwischen den Jahren über Tage eine Wochenschau schreiben, ist eine elende Lavabelität, zumal dann, wenn der Jahresrückblick wie die Vorschau in ein paar Tagen zur großen Knallerei ihre "Schatten werfen". Die einen haben Eid al Adha, Chanukka oder Weihnachten gefeiert und eine wunderschöne Lichterkette im Forum aufgehängt. Sie spielen mit ihren neuen E-Books, angeblich die Renner im festlichen Konsumrauschen und essen Stollen oder Mikrofiches, je nachdem. Die anderen starten Kwanzaa mit Obama oder solidarisieren sich mit dem großen weißen Snowzilla.

*** Als bekennend fröhlicher Atheist haben all die Aktivitäten bisher keine Spuren hinterlassen. Kein E-Book mit spannender Lektüre, nicht mal ein Döschen Red Bull vom vierten, theologisch schwer interessanten Weihnachtsmann zum vierten Jahrestag der großen Welle hat sich eingefunden. Dafür hat meine Interpretation der Weihnachtsgeschichte in der vorherigen Wochenschau nicht allen Lesern gefallen. Sie ärgerte der Satz vom jüdischen Bernie Madoff, der gezielt mit dem jüdischen Image spielend das bisher größte globale Schneeballsystem aufbauen konnte, das sich ein später Bewunderer von Mussolini ausgedacht hatte. Alle Investoren wollten schnell reich werden, schnell auf irgendeine Art in diesen geheimnisvollen geschlossenen jüdischen Fond investieren, der sagenhafte Renditen versprach. Vielleicht hilft es den Kurzgeschlossenen, wenn jüdische Stiftungen ebenfalls ruiniert sind. Wie heißt es doch so schön:

"Jede Wirtschaft beruht auf einem Kreditsystem, das heißt, auf der irrtümlichen Annahme, der andere werde gepumptes Geld zurückzahlen. Tut er das nicht, so erfolgt eine so genannte 'Stützungsaktion', bei der alle – bis auf den Staat – gut verdienen. Solche Pleite erkennt man daran, dass die Bevölkerung aufgefordert wird, Vertrauen zu haben. Weiter hat sie ja dann auch nichts mehr." Das schrieb Kurt Tucholsky vor nunmehr 77 Jahren.

*** Mangels E-Book, in dem ich blättern und stöbern kann, werde ich die Zeit zwischen den Jahren mit einer kleinen Betrachtung zur Identität überbrücken. Eine kleine Bilanz: Im gesamten Jahr 2008 habe ich vier Mal meinen Presseausweis vorlegen müssen, drei Mal bei staatlichen Veranstaltungen und einmal bei einer Messegesellschaft. Drei Mal war der Führerschein bei Anmietung eines Fahrzeuges ebenso gefragt wie die Vorlage des Passes beim Wechsel ins westliche und östliche Ausland abseits von Europa. Kein einziges Mal wurde hingegen der Personalausweis verlangt, nicht einmal bei vielen Hotelanmeldungen, wo sofort nach der Kreditkarte gefragt wurde. Fehlanzeige auch bei Besuchen in zwei deutschen Arztpraxen als neuer Patient. Die herkömmliche Krankenkarte reichte. All das wird es in den nächsten Jahren nicht mehr geben. Wir bekommen eine elektronische Gesundheitskarte, mit Foto-ID und einen elektronischen Personalausweis mit Meldepflicht der Adressdaten im Hotel wie der Möglichkeit zum Datenabgleich im Internetportal. Missbrauchen und Abtauchen ist ab sofort verboten und der Seitensprung ist ohnehin sowas von verpönt. Schließlich muss die brutale Klammerung unseres maroden Gesundheitswesens aufgebrochen werden, die nach dem gedruckten Spiegel sich wie eine Apokalypse liest, in der vieltausendfach der Staat versinkt: "Junkies und illegal eingewanderte Ausländer, abgetauchte Straftäter und geldgierige Privatversicherte, die ihren Rückerstattungsanspruch retten wollen", all diese würden Karten am Hauptbahnhof kaufen und dem ehrlichen, meist gesunden deutschen Volkskörper Milliarden entziehen. Gelder, die eben nicht durch die idiotische "Konjunkturmaßnahme" Straßenbau wieder hereinkommen.

*** Alle Proteste gegen Big Brother, die Quellen-TKÜ und die nur für Terroristen angedachte vorsorgliche Online-Durchsuchung mit ihren paar "herausragenden Fällen", für die plötzlich hunderte neuer Richter aus dem Straßenbauetat benötigt werden, sind ein Pieps gegen das was kommt. Eine kontaktbasierte Gesundheitskarte und ein kontaktloser Personalausweis ergeben zusammen ein dichtmaschiges Netz neuer Qualität, in dem zusammen mit der Vorratsdatenspeicherung von jedem Bürger mehrmals im Monat Daten gefischt werden. Perfekt aufeinander abgestimmt wie Hose und Sakko bei Gottschalk wirken ein smartes Bundesinnenministerium und ein tollpatschiges Gesundheitsministerium zusammen, aus Deutschland einen Überwachungsstaat zu machen, über den die Rentner von der ostdeutschen Staatsicherheit glücksstrahlend verkünden können: "Das ich das noch erleben durfte." Als grundsätzliches Problem aller Nachrichtenproduktion des Jahres 2008 bleibt übrig, dass Projekte wie die neue Gesundheitskarte und der neue Personalausweis einzeln betrachtet werden. Wer behauptet, dass zufälligerweise neben einer kontaktbehafteten Smartcard eine kontaktlose Smartcard durchgesetzt und mit attraktiven Angeboten kredenzt wird, kennt Dr. Reiner Zufall nicht, den Bruder von Dr. Seltsam. Ein bisschen Vorhersage gefällig? 2009 werden wir die ersten Arzt- und Zahnarztpraxen mit Hinweisschildern sehen, auf denen deutlich darauf hingewiesen wird, dass der Betrieb nicht an die Online-Überwachungs-Infrastruktur angeschlossen ist. 2010 werden die ersten Hotels mit diesem Hinweis folgen, nicht nur einfache Schuppen, sondern auch die Nobelsteigen, die heute schon die Sterne abmontieren. Bis 2012 eine neue Wichtigtuerei der Politik auch das noch unter Strafe stellt. Dabei ist es übrigens völlig egal, welche Farbkombination regiert.

*** Erwähnte ich schon, dass ich, ganz gegen den überall erwähnten Weihnachtstrend 2008 kein E-Book (Bezahl-Content, in 1 bis 2 Tagen frei verfügbar) bekommen habe? Kein Gerät mit einem eigenen Prozessor, ähem, mit einem eigenen Bewusstsein, das all die Texte auf den Bildschirm bringt und dabei grübelt, was Unterstreichungen in der vorelektronischen papierenen Zeit eigentlich sind: "Ich weiß nicht, was mit einem Buch geschieht, in dem etwas unterstrichen worden ist, ob es dann die unterstrichenen Sachen intensiver denkt." Ein E-Book, das ganz am Ende nach dem Durchforsten des Kanons der abendländischen Literatur erschöpft träumt:

"Ich wäre so gerne das Papierbuch, das die Geschichte jenes Herren enthält, der die Hölle, das Fegefeuer und das Paradies besucht hat. Ich würde in einem ruhigen Universum leben, wo die Unterscheidung zwischen Gut und Böse klar ist, wo ich wüsste, wie man es anstellt, von der Qual zur Glückseligkeit zu gelangen, und wo die Parallelen sich nie überschneiden."

In der echten Welt, ist die Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht so einfach, wie sich dies das kleine E-Book vorstellt, nur die zwischen blöd und noch blöder funktioniert mit hinreichender Genauigkeit und das vor allem bei deutschen Politikern. Sie fordern passend zum Straßenbau ein Mondprogramm, komplett mit EU-Mitteln für Mondbauern und ihre Mondkälber. Eine Erneuerung von Wirtschaft und Konjunktur im Zeichen einer neuen Bio- und Energiepolitik ist ebenso undenkbar wie vor vierzig Jahren der Rückzug der Amerikaner aus Vietnam. Damals begann das Jahr mit einer Einladung der nunmehr auch von uns gegangenen Eartha Kitt ins Weiße Haus, die eben diesen Rückzug forderte. Es endete mit der Tet-Offensive der Vietcong, zu der drei weiße Astronauten um den Mond herum flogen, mit 5682 Kilometern in der Stunde, ohne Kontakt zur Erde. "See you on the other side", der denkwürdige Spruch von Bill Anders inspirierte nicht nur Pink Floyd. Denn die andere Seite des Mondes war nicht nur immer dunkel. "Es war im Jahre 1886, als der deutsche Pharmakologe Louis Lewin die erste systematische Arbeit über den Kaktus veröffentlichte, der seinen Namen, Anhalonium Lewinii tragen sollte", schrieb Aldous Huxley 1954 über die andere Seite.

*** Auch Harold Pinter ist gestorben und Alan Cox hat Red Hat verlassen. Beiden Briten habe ich früher schon ein paar Worte gewidmet. Der grandiose Text von Pinter über die Show der Vereinigten Staaten im Irak kann heute noch gelesen werden, doch die Zukunft für Nobels Preise ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Übrig bleibt eine ziemlich undankbare Aufgabe. "Blicken wir in einen Spiegel, dann halten wir das Bild, das uns daraus entgegensieht, für akkurat. Aber bewegt man sich nur einen Millimeter, verändert sich das Bild. Wir sehen im Grunde eine endlose Reihe von Spiegelungen. Aber manchmal muss ein Schriftsteller den Spiegel zerschlagen – denn von der anderen Seite dieses Spiegels blickt uns die Wahrheit ins Auge."

Was wird.

Wohlan, die Rückblicke werden zum guten Schluss gezäumt, doch mit den Vorschauen und Prognosen habe ich meine Probleme. Ich mag noch akzeptieren, dass 2009 der Niedergang der CES bevorsteht, die wie Comdex, Milia, Brainshare oder Apple Expo ihre Zeit gehabt hat. Etwas schwieriger wird es schon, zum nächsten Jahr den Untergang der Betriebssysteme zu prognostizieren. Eher tippe ich darauf, dass 2009 die 500. Ausgabe des WWWW erblicken wird. Was aber nicht besonders prophetenhaft sein soll, denn dies hier ist Nummer 477. Ach, hätte ich ein E-Book, so würde ich es mit all diese Wochenschauen füttern und vielleicht noch jenen köstlichen kleinen Text beimischen, der über eine Zeit erzählt, als sich die Heldenherzen mit Boxhandschuhen prügelten und James Joyce Arno Schmidt K.O. schlug und mit der Siegesprämie seine Augen operieren lassen konnte.

Meine alten Augen aber taugen nicht zum Blick in die Kristallkugel. Als Hommage an die untergehende Welt des Web 2.0 mit ihrem "andere arbeiten lassen", die einstmals sogar Hal 2.0 möglich werden ließ, rufe ich die WWWW-Leser auf, ihre Prognosen zum kommenden Jahr zu nennen, auf dass der Jahresrückblick auch ein Produkt der klugen Köpfe ist, die hinter dem Forum stecken oder so. Dazu passend die Musik zum neuen Jahr: History Repeating. Ja, genau.

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/Was-war-Was-wird--/meldung/120945

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Offline ritschibie

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #183 am: 28 Dezember, 2008, 00:45 »
Kann mir und Google jemand helfen? Was heißt "Lavabelität"? (im ital. "lavabile" = "waschbar" - paßt nicht)?
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Offline Gulliver

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #184 am: 28 Dezember, 2008, 01:15 »
Kann mir und Google jemand helfen? Was heißt "Lavabelität"? (im ital. "lavabile" = "waschbar" - paßt nicht)?

Das wird wohl das Geheimnis des Artikelschreibers bleiben.
Ich find im ganzen Web auch nur diesen einen Eintrag.
Computer benutzen ist wie U-Boot fahren...kaum macht man die Fenster auf, fangen die Probleme an.

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Offline Jürgen

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #185 am: 28 Dezember, 2008, 21:40 »
In Anbetracht der wenigen Arbeits- / Werktage zwischen den Feiertagen vermute ich, hier war eine Annäherung an den Begriff der Überflüssigkeit angestrebt.

Oder ging's etwa in irgendeiner Weise um Halbseidenes (bzw. Waschseide)? Glaub' ich an dieser Stelle nicht.

Nobody is perfect.
Kein Support per persönlicher Mitteilung!
Fragen gehören in's Forum.

Veränderungen stehen an. Dies ist der bisherige Stand:
28,x°,23.5°,19,2°,13°Ost
,1mØ Multifeed, mit Quattro LNBs; Multiswitches 4x 5/10(+x) - alle ohne Terrestrik und modifiziert für nur ein 12V DC Steckernetzteil (Verbrauch insgesamt 15 Watt)
1mØ mit DiSEqC 1.3/USALS als LNB2 an DVB-S2 STB, aktuell 30°W bis 55°O
1.) FM2A88X Extreme6+, A8-6600K (APU mit 4x 3,9 GHz und Radeon HD8570D), 16GB DDR3 1866, 128GB SSD, 3TB HDD, Win10 x64 Pro 1909 / 10.0.17763.107, Terratec T-Stick Plus (für DAB+), Idle Verbrauch ca. 35 Watt
2.) FM2A75 Pro 4, A8-5600K (APU mit 4x 3,6 GHz und Radeon HD7530D), 8GB DDR3 1600, 128GB SSD, 2TB HDD, Win10 x64 Pro, Idle Verbrauch ca. 45 Watt
3.) Raspberry Pi 512MB u.a. mit Raspbian
4.) GA-MA770-UD3, Phenom II x4 940, 8GB DDR2, Radeon HD6570, 2TiB, USB 3.0, 10 Pro x64 (+ XP Pro 32bit (nur noch offline)), Ubuntu 10.4 64bit, Cinergy S2 USB HD, NOXON DAB+ Stick, MovieBox Plus USB, ...

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Offline ritschibie

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #186 am: 01 Januar, 2009, 10:52 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich – und dieses Mal wie  immer  zum  Jahresende  nicht  nur  und nicht alleine für die Woche, sondern sie versucht, das ganze Jahr ins Blickfeld zu bekommen.

Was ist. Vorspiel, noch nicht im neuen Jahr.


So sei es: Auch in diesem Jahr kann sich die Wochenschau dem allgemeinen Endjahrestrend, der in gewissen Medien bereits im November einsetzt, ganz zum Schluss doch nicht entziehen. Schauen wir ein bisschen zurück, um dann erfrischt ins Jahr des Stadtaffen zu schwingen. Kein Sound of Silence, kein Oratorium zum Niedergang, vielmehr der Klang der locker durchtänzelten Krise. Denn sind wir nicht alle ein bisschen Stadtaffe? Oder, um den Wahrsager Brecht zu zitieren: "Es gab niemals einen Gedanken, dessen Vater kein Wunsch war. Nur darüber kann man sich streiten: Welcher Wunsch?" Da hat man den Neujahrskater dann doch schon heute, und freut sich, dass es das erst einmal war. Umwälzungen fänden in Sackgassen statt, meinte ebenfalls Meister Brecht. Na, da steht uns ja 2009 einiges bevor.

Oder doch nicht? Herr Köhler und Frau Merkel jedenfalls erklären Ruhe zur ersten Bürgerpflicht, Gottvertrauen ist angesagt. Das mag man halten, wie man will: "Einer fragte Herrn K., ob es einen Gott gäbe. Herr K. sagte: "Ich rate Dir, nachzudenken, ob Dein Verhalten je nach der Antwort auf diese Frage sich ändern würde. Würde es sich nicht ändern, dann können wir die Frage fallen lassen. Würde es sich ändern, dann kann ich Dir wenigstens so weit behilflich sein, dass ich Dir sage, Du hast Dich schon entschieden: Du brauchst einen Gott." Wie das aber mit dem Vertrauen ist, das sei erst recht dahingestellt. Möglicherweise hat man ja auch nur zu tief ins ausgesoffene Rollmopsglas geschaut. Ob das auch schon als Kaffeesatzleserei gilt? Wie auch immer, ...

Was war, was wird, die Jahresend-Edition


***... uff, uff, uff – die Sonderschinderei namens Metis ist vorbei, das Jahr kann gehen. Rund 1000 meiner Texte aus dem Internet sind gemeldet, für weitere 1000 Veröffentlichungen in Digitalien fehlte schlicht die Zeit. Mögen sie in Frieden ruhen, tantiemenlos beerdigt. Heute wird das alte Jahr zu Grabe getragen, das neue eingeläutet, es ist The Same Procedure As Every Year, ein Ritual der Stillstellung der Zeit und der Statistik, die seit den Tagen von Miss Sophie oder auch August Bebel die wichtigste Wissenschaft in der neuen Gesellschaft ist. Bekanntlich meinte der Ur-Ur-Opa der SPD, dass mit der Statistik als Messlatte jede gesellschaftliche Tätigkeit gemessen werden sollte. Er kannte halt Zwerge wie Steinbrück und Steinmeier nicht, für die ein Schullineal völlig ausreicht.

"Aber darum muss man die Dummheit ja ausrotten, weil sie dumm macht, die ihr begegnen."

*** Womit ich schnurstracks in die Statistik springe und bei Herrn Heilmann ankomme. Nicht Obama, Gates oder der kranke Steve Jobs, sondern der Bundestagsabgeordnete Lutz Heilmann von der Partei Demokratischer Sperrungen brachte es mit seiner Aktion und Reaktion auf den ersten Platz in der Gunst der Tickerleser, noch vor Sarah Palin und einen bekannten Rechtsanwalt, der die Leserschaft zu mehr als 4000 Kommentaren und einer Orgie in Grün animierte. Allerdings ist Lutz Heilmann mit 279.184 PIs nicht einmal der Rekordhalter in Sachen Wikipedia, da liegt momentan Atze Schröder vorne. Und um in der ewigen Bestenliste ab 1996 Otto Schily mit 352.996 PIs einzuholen, müsste Heilmann schon als Unheilmann auftreten und mindestens Keylogger für alle Computer- und Telefon- Tastaturen fordern.

"Denken ist etwas, das auf Schwierigkeiten folgt und dem Handeln vorausgeht."

*** Bei den politischen Themen dominierten die Meldungen vom "Bundestrojaner" respektive zum BKA-Gesetz mengenmäßig das Jahr 2008, obwohl sie nicht zu den beliebtesten Themen des Nachrichtentickers aus der norddeutschen Tiefebene gehörten: Nur zwei Meldungen schafften es in die Liste der Top 100 und da nur auf die Plätze 93 und 98. Wayne interessiert's, könnte man provozierend fragen, wo doch selbst die tageszeitung beruhigend feststellt, dass das neue, von Präsident Köhler unterschriebene BKA-Gesetz für wenige herausragende Journalisten gilt, die partout über den Terrorismus berichten wollen. Im größeren Umfeld der weiter zunehmenden staatlichen Überwachungsaktivitäten muss man freilich auch andere Meldungen der großen Politik zuschlagen. So schaffte es die Meldung vom Chaos Computer Club und seiner Veröffentlichung der Fingerabdrücke von Wolfgang Schäuble mit 138.655 PIs auf Platz 15 der Top 100. Ob freilich die frisch ausgesprochene Empfehlung der Nerds, mit Schäubles Spuren und einer Urkundenfälschung "Selbstschutz" zu betreiben, eine gute Idee ist, darf bezweifelt werden.

"Ganz allgemein sollte gelten, dass jedes Land, in dem besondere Sittlichkeit nötig ist, schlecht verwaltet ist."

*** In erster Linie ist der Nachrichtenticker jedoch den IT-Nachrichten gewidmet, womit die spannende Frage nach der Topmeldung des Jahres 2008 ganz entspannt beantwortet werden kann. Platz 1 wie Platz 3 gehen an Googles Chrome, dazwischen liegt nur die Meldung über das neue Verschlüsselungssystem von Premiere. Mit 205.107 PIs reicht es der Chrome-Meldung auf dem ersten Platz in der ewigen Bestenliste nur zu einem Platz im Mittelfeld. Unumstritten ist hier die Meldung über Deutschland in Google Earth mit 524913 PIs der Spitzenreiter. Ansonsten bietet die Statistik wenig Überraschungen: Google und Microsoft dominieren bei den Firmen, mit großen Abstand folgt Apple, das vor allem dem iPhone seine prominente Platzierung verdankt. Aus der Produkt-Perspektive betrachtet waren 2008 die verschiedenen Netbooks bei der Hardware die absolute Renner, wenn man die Angebote aller Hersteller zusammenrechnet. Ebenso deutlich dominierten Meldungen zu den Service Packs von Windows XP die Software-Sparte. Schwenken wir ins Reich der Zocker, so hält nach den PIs das Spiel World of Warcraft die Pole-Position, allerdings mit Meldungen über Komatöse und Tätowierte.

"Der Denkende benützt kein Licht zuviel, kein Stück Brot zuviel, keinen Gedanken zuviel."

*** Recht konstant über mehrere Monate hinweg sicherte sich die Firma Nokia bei den negativ bewerteten Nachrichten mit der Schließung ihres Bochumer Werkes den Spitzenplatz. Das knapp vor der Deutschen Telekom, deren "Produktpalette" an Einzelmeldungen von Bespitzelungen über Datenverluste bis zu Entlassungen allerdings deutlich breiter angelegt ist. Ob negativ oder positiv, ist schwer umstritten, doch gewichtet nach den PIs und den zugehörigen Leserkommentaren hat diese Meldung in eigener Sache den Rest der Nachrichten um Längen geschlagen.

"Denn es ist eine Kluft zwischen oben und unten, größer als
Zwischen dem Berg Himalaja und dem Meer
Und was oben vorgeht
Erfährt man unten nicht
Und nicht oben, was unten vorgeht
Und es sind zwei Sprachen oben und unten
Und zwei Maße zu messen
Und was Menschengesicht trägt
Kennt sich nicht mehr."

*** Doch das Leben ist bekanntlich ein großer breiter Fluss und so lohnt es sich, einen kleinen Blick auf die Spitzenreiter der jeweiligen Monate zu werfen. Das Jahr begann mit der bereits erwähnten Spitzenmeldung zum Verschlüsselungssystem und einer ganzen Serie von Einzelmeldungen zum Abschied von Bill Gates von der IT-Bühne. Im Februar sorgte die Videoüberwachung in Kombination mit einem Hundehaufen für eine Diskussion über den Datenschutz. Im März katapultierten die Leser eine Nachricht mit dem schönen Titel Und ich sach noch an die Spitze. Im April schaffte es wider Erwarten kein Aprilscherz, sondern eine Analystenmeinung zum kollabierenden Windows-Universum auf die Pole Position. Den Mai dominierten Meldungen zu Service Packs, darum sei auf einen knappen Verlierer verwiesen. Haben Eltern wirklich ihr Baby in der Bucht versteigern wollen? Im Juni dominierte das Erscheinen von Firefox 3 die Meldungen, während im Juli ein Schnuckelchen das Rennen machte. Neben dem neuen Newsticker erhitzte im August eine Debatte um den wieder konkurrenzfähigen Internet Explorer die Gemüter. Mit 20.391.901 PIs sorgten die Top 100 im September für eine Rekordspitze, nicht nur dank Google Chrome. Der Oktober ging wiederum an Microsoft, das mit mehreren Nachrichten über Windows 7 eine Debatte über Evolution und Revolution in der Software anfachte. Zwei Wikipedia-Sperren durch den bereits benamsten Bundestagsabgeordneten und durch britische Provider stellten die Top 100 im November und Dezember, wobei die Zahlen des letzten Monats noch im Fluss sind. Deshalb sei auf diese Selbstanzeige eines Heise-Redakteurs zum Hackerparagraphen verwiesen, momentan die Meldung mit den meisten Zuwächsen.

"Es ist ungemein wichtig, sich immer zu fragen, von was der abhängt, der vor einem fährt."

Und sonst so? Wohlfeiles Jammern über die Kreditkrise im Angesicht neuer Eskalationen in Nahost ohne Aussicht auf einen Waffenstillstand? Feiern der kubanischen Revolution? Im Jahre 2008 ist Joseph Weizenbaum gestorben, einer, der immer den Kurs auf den Eisberg kritisiert hatte. Der Nachrichtenticker reagierte auf diese betrübliche Nachricht mit der erstmaligen Einbettung der Nachricht in die Navigationsspalte: Einen kritischen Kurs halten, das ist notwendiger denn je.

"Wenn die Irrtümer verbraucht sind
Sitzt als letzter Gesellschafter
Uns das Nichts gegenüber."

Was wohl wird. Ja, ist denn schon 2009?

Gute Vorsätze sind frei nach Oscar Wilde Schecks, die auf eine Bank ausgestellt werden, bei der man kein Konto hat. Die Kanzlerin wünschr uns allen wieder ein "erfülltes und gesegnetes Jahr", doch wie sich dieses 2009 füllt, ist derzeit noch Sache der Glaskugelforscher. Es gibt ausgesucht dämliche Prognosen wie besonders düstere. Es gibt sogar Prognosen, die Abschiedsgrüße sind. Hinzu kommen die Glaskugellektüren, die anscheinend riskant sind und welche, die es sofort riskieren. Denn mal Butter bei die Fische: Twitter kauft Digg. Facebook kauft Twitter. Google kauft Facebook. Und StudiVZ wird an Wer kennt wen verschenkt.

"Die kleinen Verbrechter verletzten nur die Spielregeln der Selbstsüchtigen. Diese Spielregeln sind aber das Verdammungswürdigste."

Nach dem bewährten 2008er Prinzip des Web 2.gähn, auch bekannt als "Andere Arbeiten Lassen", haben sich die Leser dieser kleinen Wochenschau selbst an die Prognosen für das nächste Jahr gewagt. Sie sind einerseits überaus erfreulich ausgefallen, andererseits auch ziemlich düster: endlich wird [Hurd] installiert und die Wikipedia weltweit gültiger Unterrichtsstoff. Mit Linda gibt es lizenzfreie Kartoffeln. Die nunmehr in Kraft getretene Vorratsdatenspeicherung von Internet-Verbindungen und die Speicherung von Mail-Adressen bei großen Providern wird dank der Verfassungsbeschwerde gekippt. Getreu der Erkenntnis, dass das BKA-Gesetz keineswegs dazu da ist, Terroristen zu jagen, wird nicht nur der Besuch von Ausbildungslagern unter Strafe gestellt, sondern auch die Teilnahme an Hard-Drive-Parties. Prognostiziert wird auch das Verbot von Kryptografie und das [ttp://www.heise.de/newsticker/foren/S-Was-wird/forum-149566/msg-16058482/read/ Ende dieser Kolumne]. Aussagen zu Aktien und dergleichen habe ich ignoriert, da ich nichts dergleichen besitze, nicht einmal Ahnung.. Die Zunahme der Arbeitslosigkeit um mindestens 2 Millionen ist keine Prognose, sondern im Gang.

"Wenn der Kapitän ein Genie sein muss, sind seine Instrumente wohl unzuverlässig."

Ja, das Positive kann manchmal schrecklich grau sein. Einen habe ich noch. Dummschwätzer ist im Wahljahr 2009 keine strafbare Schmähkritik, sondern kann eine Bewertung konkreter Aussagen sein. Mit solchen D-Wörtern wird man in einer Demokratie leben müssen. Dummschwätzer, Dinosaurier, Demagoge. Diese Liste kann erweitert werden.

Zum endgültigen Schluss des Jahres sei aber noch für ein paar Sachen besonders gedankt: Dass die Foren auf heise online erhalten bleiben (und das auch ohne Löschungsanforderungsorgie der User) , etwa, und dass es eine noch nicht abgeschlossene  Diskussion über die Nutzungsbedingungen gibt. Und mir selbst, dass ich endlich, endlich auf Opera umgestiegen bin und Firefox dahin getreten habe, wo er in seiner gegenwärtigen Verfassung hingehört, Open Source hin, Open Source her: in die Tonne. Und natürlich sei meine meine Buchhändlerin in lobender Treue erwähnt, zu der ich auch in diesem Jahr nur allzu oft erwartungsvoll hechelnd stürmte, nicht nur, um den neuen  Pynchon schon ein paar Tage früher zu bekommen, nicht nur, um mit der prachtvollen Neuausgabe der Haefs-Übersetzungen von Kiplings Dschungelbüchern bekannt gemacht zu werden, nicht nur, um die Werke des Hölderlin-Freundes Boehlendorff abzustauben. Aber es beginnt, wie es endet, wie es begann, mit Brecht, und einem Gedanken an jemand völlig anderen:

"Der, den ich liebe
Hat mir gesagt
Dass er mich braucht

Darum
Gebe ich auf mich acht
Sehe auf meinen Weg und
Fürchte von jedem Regentropfen
Dass er mich erschlagen könnte".

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/Was-war-Was-wurde-Ein-Jahresendevorspiel--/meldung/121031
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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #187 am: 04 Januar, 2009, 03:25 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.



*** Willkommen im "Superwahljahr 2009", einem Jahr, das mit einem neuen Krieg im Nahen Osten beginnt – für den, wenn man ihn schon führt, Israel hoffentlich die richtigen Schlüsse aus dem (bislang letzten) zweiten Libanon-Krieg gezogen hat, aus dem dummerweise eher die Islamisten der Hisbollah gestärkt hervorgingen. Willkommen also in einem Jahr, in einem doch eher banalen Land, in dem "wir uns doch in weiten Teilen über die Grenzen der Parteien hinweg unserem Land verpflichtet" fühlen. Das jedenfalls sagte Angela Merkel, die Hände auf der ledernen Schreibtischunterlage eisern zum Gebet gefaltet. Deutsche, dem Land verpflichtete Patrioten! Vaterländisch Fühlende! Die erste, die wichtigste und die richtige Wahl haben Sie bereits getroffen, wenn Sie diese kleine Wochenschau lesen. Ziehen Sie mit dem kleinen Verlag in der norddeutschen Tiefebene in die blutige Schlacht um Anzeigen und sonstige Erlöse!

*** Freuen wir uns auf ein Jahr voller Jubiläen, wie dem der erwähnten Varusschlacht, in der sächsische Alkoholiker von ihrem Bärenfell ihre nur für den Angriff starken Leiber erhoben und die Römer dermaßen verprügelten, dass diese das Land mit einem Pisa-Fluch belegten. Den wiederum natürlich nur die Sachsen trotz akutem Sprachschaden besiegen konnten. 2000 Jahre Varusschlacht und Geburt der Deutschen, 20 Jahre Mauerfall und Haus der Kulturen der Welt, 60 Jahre Bundesrepublik Tiudisklande, schöne Jubiläen für schöne Frauen in schönen Kleidern, wie der größte Second Hand Shop und Putzlappendistributor Deutschlands unweit der Schlammschlachtgedenkstättte wirbt. Vor allem aber: Endlich ist das schwachsinnige Jubiläumsjahr 2008 vorbei, in dem die 68er für alles verantwortlich gemacht wurden und sich noch der letzte Bleistift von seiner dunkel schwärzenden Vergangenheit distanzieren musste.

*** Deutschlandverpflichtete aller Länder! Freuen wir uns auf das Jahr, in dem, von IBM und Böblingen ausgehend, die Erde ein intelligenter Planet wird. Wie reizend, dass all dies im Wissenschaftsjahr 2009 passiert, in dem das Jubiläum der Erfindung des kiefergerechten Babyschnullers zeigt, wie Deutschland Maßstäbchen setzt. Wobei die Rede vom intelligenten Planeten auf ein ungleich größeres Jubiläum hinweist, das einmal nichts mit dem von der Kanzlerin gepriesenen Land der Dichter und Denker zu tun hat: 2009 ist auch ein Darwin-Jahr, in dem der Mensch sich darüber Gedanken machen kann, wer seine Mitfahren sind. Mitfahren habe ich von Richard Dawkins, dessen bezaubernde "Zeitreise auf Darwins Spuren" mit zwei berühmten Sprichwörten von Mark Twain und Clarence Darrow beginnt, die auch auf 2009 passen:

Geschichte wiederholt sind nicht, aber sie reimt sich.
Geschichte wiederholt sich; das ist eines der Dinge, die an der Geschichte falsch sind.

*** 2009 hat noch andere Vorteile: Heute können wir den 109. Geburtstag von Bond, James Bond feiern. Dass der berühmte Ornithologe, der im Geiste Darwins die Vogelwelt der Karibik erforschte, kein besonders schrecklich aussehendes Tier auf den Namen von Ian Fleming taufte, ist auch eine wissenschaftliche Leistung: Für Bond gab es keine schrecklichen Tiere. Ob James Bond tatsächlich dank seines Namens aus einem Flugzeug verwiesen wurde, als er seinen Ausweis vorlegte, dürfte eine Frage für die Mythbusters sein. Vielleicht zündet die Anregung in diesem Jahr und der sagenhafte, angeblich fertig gestellte Bundestrojaner wird als Ian Fleming seinen Dienst antreten. Denn dass diese Software ohne tatkräftige Hilfe durch einen priapristischen Top-Agenten installiert werden kann, glauben die, die die Märchen von Jacob Grimm (noch ein Geburtstag) für packende Sozialreportagen halten.

*** In der Geschichte der Evolution sind Augen vierzig Mal unabhängig voneinander entstanden, wenn Dawkins' Arbeiten zum "Gipfel des Unwahrscheinlichen" stimmen. 2009 sollen wir nach dem unbedingten Willen des Bundesschmidtministeriums die elektronische Gesundheitskarte bekommen. Sie soll dabei helfen, die Diskussion um die elektronische Gesundheitskarte einzusparen. Als erste Massenkarte ihrer Art trägt sie den Vermerk "eGK" in Braille-Schrift, damit auch die Blinden sehen können, wenn sie vom frisch gestarteten Gesundheitsfonds genarrt werden. Ob sich der vor 200 Jahren geborene Louis Braille darüber genauso freuen würde wie über die Tatsache, dass heute die Tour de Braille gestartet wird, die blinde Menschen integrieren soll? Wie wäre es überhaupt mit einer Tour de Barriere, die alle Technologien fördert, die Behinderungen überwinden helfen? Die aus Indien recycelte Forschungsexpedition für das Wissenschaftsjahr 2009 ist doch etwas wenig.

*** An dieser Stelle kommen wie immer die Abschiede. Ein Tschüss geht an mein Mailboxfach bei einem deutschen Provider. Die neuen Überwachungsgesetze gehen einfach zu weit, auch wenn die tageszeitung findet, dass die staatliche Überwachung nun etwas erträglicher geworden ist. Ein weiteres Tschüss geht an den Schiffsmeldedienst in Cuxhafen, der im Zeitalter des Internets und des ISPS-Codes überflüssig geworden ist. Ganz nebenbei profitieren die Piraten vor Somalia von diesen Codes genau wie die Anti-Terror-Wächter der Seehäfen. Mit Bolivia geht ein hasta luego an Freddie Hubbard, der es trotz einiger Umwege und Rückschläge in den Jazzhimmel schaffte. Ein großer bunter Regenbogen geht an den Journalisten und rasenden Quick-Reporter Johannes Mario Simmel. Sein letztes Buch über Philipp Sorel, einen Spezialisten für Computerviren, eine Fotografin und einen schwanzlosen Galeristen inmitten des Cyberwars digitaler Terroristen war eine letzte Brücke, über die nur noch wenige Leser gehen wollten. Die "Faction" unterlag dem Verständnis der Fakten, auch wenn Simmel bei diesem Buch für die nötige Nerdung eigens einen Berater vom Chaos Computer Club angeheuert hatte.



Wie schick 2009 sein wird, mag man daran ablesen, dass es mit einem zünftigen Y2K9-Problem begann, komplett mit einer Aussage, die sicher Viele staunen lässt: Die Entwickler zeigten sich überrascht davon, wie viele dieser 2006/2007 gekauften Geräte noch im Einsatz sind. Developers, Developers, Developers! Ich greife zu meinem iRiver H340 aus dem Jahre 2003, der immer noch munter als Jukebox Ogg-Dateien im Büro abnudelt, während in der Mucki-Bude mein kleiner Samsung-Player jeden Schickeria-iPod aussticht. Wer mit solch kurzen Hardware-Zyklen als Entwickler rechnet, muss eine rasante Wegwerf-Routine im Kopf haben und die vielen munter bloggenden Gadget-Krähen mit echten Anwendern verwechseln. Die Alarmzeichen sind längst angegangen – und werden wie die Bruchmeldungen von den Finanzmärkten ignoriert. So mag das ja noch gut aussehen, aber man vergleiche selbst: Im Januar 2007 kam Windows auf 93,33 Prozent, heute steht es bei 88,68. Wer jetzt noch die Mac-OS-Zahlen der letzten sechs Monate anschaut, wird verstehen, warum sich Steve Jobs mit gefrorenem Joghurt den Bauch verdorben hat, den Bauchmuskelkater vom Lachen bekämpfend. Vielleicht stirbt Jobs 2009, dann aber als Kämpe, der seine Schlacht geschlagen hat.

Man kann es anders ausdrücken. Der von den Abrufzahlen eindrücklich bestätigte Trend zu den Netbooks war erstes Indiz für eine Absatzbewegung, bei der die Hersteller sich von Microsoft noch einfach einfangen ließen und den Start vermasselten. Das muss nicht immer so ablaufen. Was derzeit zu Ende geht, was sich als Auslaufmodell entpuppt, hat der Philosoph Sloterdijk mit der Zauberökonomie von Harry Potter erklärt: "Zaubern ist eine Tätigkeit, die das Verhältnis von Ursache und Wirkung verdunkelt. Die Verwirrung beginnt, wenn die Wirkung die Ursache maßlos übertrifft ..." Die Welt der Steinbrücks und Merkels bricht zusammen, auch wenn die Politik als besonders langlebige Hohlform in diesem "Superwahljahr" davon nichts wissen will. Leider werden auch dieses Jahr die besten Versprecher gewinnen, wenn das gewünschte Sein das Bewusstsein bestimmt.

Kann es denn anders weiter gehen? Reichen Appelle wie des Philosophen befehlerisch vorgetragenen "Du mußt dein Leben ändern"? Auch wenn es stellenweise so klingelt und klappert wie bei den durchgeknallten Simplify-Vorschläge eines evangelischen Pfarrers? Gibt es nicht wenigstens eine ordentliche Zusammenbruchsvariante? Ich finde es ganz interessant, wie linke Projekte selbst bei dem Kongress der doch ziemlich unpolitischen Hacker von Chaos Computer Club auftauchen. So tauchen die 3D-Drucker der Flabber-Ökonomie der freien Autos wieder auf, über die der erste Oekonux-Kongress so euphorisch diskutierte. Als erster Link-Vorblick auf das kommende, noch ziemlich schüchterne 2009 möchte ich daher auf die vierte Oekonux-Konferenz verweisen, die in der Stadt Manchester abgehalten werden soll.

Mit einer Rede begann, mit einer Rede endet die kleine Wochenschau. "Wir brauchen Achtsamkeit für das Gemeinwohl. Wir brauchen Anstand, Bescheidenheit und Maß." Ansstand kenne ich noch, bei Bescheidenheit muss mir die Wikipedia helfen, bei Maß gibt es 2009 die Wahl: BMI für Dickerchen oder eben, Simmel sei Dank, Sorel. Dann wäre da noch die Achtsamkeit. Vergesst Zwei- Vier- und Sechssamkeiten! Und was ist mit Neunsam? Zählt nur noch der "Neunte" im Forum?

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/Was-war-Was-wird--/meldung/121104

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #188 am: 11 Januar, 2009, 00:17 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Dumm, Dideldum, mir spukt ein Wort im Kopf herum. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ein gewisser Nico Schwanz (28) einen auf Halbaffen macht und ein Dschungelcamp bei Rammeln, Töten, Lallen beginnt, in dem eine Frau mit Schwanz (bitte, so formuliert die taz) ein Erfolgserlebnis haben will. Kommen wir zum Schwanzvergleich, eine tief in die männliche und manche weibliche Sozialisation eingebettete Tätigkeit, die vom Aussterben bedroht ist. Denn die heute aufwachsenden Kinder spielen Playstation, Wii oder Xbox, greifen aber kaum mehr zum guten alten Autoquartett. Das hat Folgen! Denn der männliche Schwanzvergleich ist der Versuch, ein frühes, köstliches Lusterlebnis zu wiederholen, wenn man *die* Karte mit 340 PS hatte und die restlichen Blätter im Quartet gerade mal 300 oder weniger. Diese "Urschwanzsituation" will jeder Mann wiederholen und kramt darum wahlweise seine Wedelpalme, die Bildersammlung auf dem iPhone oder seine Blog-Statistiken hervor. Wer wirklich glaubt, dass es beim Schwanzvergleich um Minderbepimmelte geht, hat niemals Quartett gespielt, mit schnellen Autos, schweren Lastwagen, Flugzeugen und was sich sonst noch rastern lässt, natürlich auch als Blog-Quartett.

*** All das ging mir durch den Kopf, als Klein-Bloggersdorf aufgeregt notierte, dass Robert Basic, einer der Alpha-Journalisten des Web sein Blog auf eBay vertickert. Deutschlands größtes Blog, Deutschlands meistgelesenes Blog, Deutschlands meistverlinktes Blog, der Superlative sind keine Grenzen gesetzt. Mit Dollar-Zeichen in den glänzenden Augen wie Dagobert Duck, bevor er sich mit erigiertem Pürzel in seinen Talersee stürzt, wird in Klein-Bloggersdorf kommentiert, wie jemand nach seiner bewährten Methode  den Basic macht. Klein-Bloggersdorf? Aber ja doch: Deutschlands dümmster anzunehmeder Journalist greift zum bewährten Schwanzvergleich. Zur Verkaufsankündigung hatte der Blogger nach eigenen Angaben 21.600 Page Impressions. Damit liegt er an diesem Tag nicht in den Top 10 der Tagesmeldungen des kleinen Verlages in der norddeutschen Tiefebene. Dort belegte diese Meldung über DivX 7 mit 21.941 PI den 10. Platz. Bloggst du noch oder versteigerst du schon? wird künftig der Standardgruß unter Bloggern sein.

*** Wenn alle Blogs versteigert sind und die reichen Blogger nur noch zwitschern oder als Dschungelstars auftreten, wird es immer noch das Bildblog geben, das den Kampf gegen das System Bild führt. Hier geht es nicht um länger, größer, dicker, sondern um die diskursive Kritik, was alles im Einzelfall von der schrecklichen Postille vergeigt wird. Das System produziert Woche für Woche mehr Fehler, als die IT-Branche Gadgets. Es wäre schön, wenn die Kritik an Bild nicht aufhört, wie es der Freitag etwas adornös schreibt: "In einer Welt, in der das System Bild existiert, kann niemand wirklich glücklich sein, es frisst sogar die Utopie des Glücks."

*** Besagter wie oben verlinkter Freitag, eine Ost-West-Wochenzeitung, hat von dem kommerziell wertlosen Blog eine Abreibung erhalten, weil beim einfachen Aufruf der zugehörigen Domain freitag.de Werbung für eine 895 Euro teure Uhr das Bild verschleiert. Eine typisch linke Schweinerei, auch wenn sie weggeklickt werden kann. Besser wäre wohl das antiquierte Cybermesser gewesen, komplett mit DIP-Switch-Versteller (wo gibt es die noch?). Nach einigem Her und Hin antwortet Jakob Augstein, der neue Besitzer des Blattes mit einer Beschreibung des heutigen Journalismus im Lichte feinster friesischer Piraten: Vor der Küste segeln abseits der Fahrwasser der Dickschiffe, doch immer mit Küstensicht, denn auf dem Lande, da wohnen die Leser in ihren Hütten und Palästen, immer bereit, den Freitag nicht nur als Fischeinwickelpapier zu akzeptieren. Immerhin ist das eine bessere Perspektive als das eintönige Gequake vom Untergang der Zeitungen, das jeder Blogfrosch von sich gibt, wenn man ordentlich auf ihn drauftritt.

*** Zurück zu den Schwänzen, ähem den Autoquartetts. Noch während ich mein Nettbuch mit einer bescheuert klingenden Systemvariante namens Easy Peasy beschickte, zündete die Meldung vom Download der ersten Windows 7-Beta. Ratzfatzbumms war das natürlich Top of the Pops. Bleibt die Frage, wie oft man schreiben muss, dass die verflixte 7 eine schlichte Vista-Erweiterung ist, was der sympathische Herr Ballmer nicht einmal verneint. Erstaunlich nur, dass eine Firma wie Microsoft den Andrang auf die von Akamai gehosteten Server unterschätzte. BitTorrent und Rapidshare haben sich noch nicht für die unbezahlbare Werbung bedankt, die die Lust begleitet, dass alles beim Alten bleibt, wenn die Welt sich wieder einmal wandelt.

*** Mit dem neuen Sangesschmied werden wir Alten das heute vor vielen Jahren von Carole King veröffentlichte Lied anstimmen, während andere mit mir bei der Hommage an den 29stbesten Gitarristen aller Zeiten auf 1979 anstoßen, als dieser Super-Riff erschien. Adieu, farewell Ron Asheton, die alten Hunde laufen weiter, mancher nennt sie Hamster.

*** Aber halt, da sind ja noch die Jubiläen, die unermüdlichen Maulwürfe, die Hamster, die Faultiere des Fortschritts. Dieser Samstag, an dem die kleine Wochenschau entsteht, ist historisch, denn heute vor 233 Jahren erschien in Philadelphia in den USA eine kleine Schrift, gerade einmal 46 Seiten lang. "Common Sense" von Thomas Paine ist bis heute der größte Erfolg der Buchdrucker. Denn die Schrift erschien und verkaufte sich in einer Auflage von sagenhaften 500.000 Exemplaren in den USA, in der damals gerade 2,5 Millionen lesefähige Menschen in den "Kolonien" lebten. In einfachen, klaren Worten erklärte das Traktat, warum die Kolonien die Unabhängigkeit vom englischen Mutterland erklären sollten. Die Macht der Gedanken von Thomas Paine hat sich verpflanzt und ist selbst in die Deklarationen zur Open Source zu spüren.

Was wird.

Es ist immer noch nicht Jahresende, dieses Jahr wird echt lang – hoffentlich nicht ebenso der Krieg, mit dem das Jahr begann. Und ich hoffe auch immer noch, Israel weiß, was es mit dem Gaza-Krieg bezweckt – einige Israelis jedenfalls scheinen nicht wirklich zu wissen, was sie selbst tun. Genausowenig wie manch Friedensdemonstrierer, der jetzt "Frieden für Palästina" brüllt, aber keinen Mucks von sich gab, als die Hamas wieder anfing, ihre Raketen auf Israel zu feuern.

Da lob ich mir schon fast die deutsche Politik und ihre Freunde aus der IT-Branche. Wirklich? Ach, naja. T-Systems, die Knappschaft und Gesundheitsministerin werden morgen in Bottrop die elektronische Patientenakte aus dem Taufbecken heben und an die Medien verklappen. Die rührende Show wird von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft begleitet. Diese hat passend zur Schmidt-Revue eine Darstellung veröffentlicht, nach der das deutsche Gesundheitswesen viel billiger sein kann: Die ganze deutsche Republik ist voller brachliegender Effizienzreserven, weil es an Wettberwerb fehlt. Warum, bittschön, fahr ich zu einem Arzt in Isernhagen, wenn einer in Brunsbüttelkoog und einer in Mochenwangen billiger ist? Natürlich ist das egal, solange es WLAN auf allen Strecken gibt.

Gedichte spielen in dieser Wochenschau eine kleine, nicht unwichtige Rolle. Der Dank, den ich erhalte, der muss freilich an die Forumsteilnehmer weitergegeben werden. Sie sind es, die immer wieder zeigen, wie wunderbar binär die Freude an der Sprache sein kann. Spitzenreiter dieser Woche ist die Schließung des Werkes Limerick durch die Heuschrecke Dell, die nach Polen weiter zieht. Was machen unsere Leser draus?

Dell schraubte bislang in Limerick
PCs zusammen - flott und chic
nun geht man nach Polen
und feixt unverhohlen
über diesen Globalisierungstrick

Diese Reimkunst aus dem Forum steht darum im Ausblick, weil es mir gar nicht einleuchten will, dass nur die Varusschlacht und der Mauerfall gefeiert wird. Man muss auch mal trauern können, und dazu gibt der 15. Januar vor 90 Jahren Anlass genug. Ich könnte jetzt mit Brecht an die Ermordung von Rosa Luxemburg (und Karl Liebknecht) erinnern, nehme aber lieber den Anfang der langen expressionistischen Hymne von Johannes Roland Becher zum Mord vor 90 Jahren:

Auffüllend dich rings mit Strophen aus Oliven,
Tränen Mäander umwandere dich!
Stern-Genächte dir schlagend als Mantel um,
Durchwachsen von Astbahnen hymnischen Scharlachbluts...
O Würze du der paradiesischen Auen:
Du Einzige!
Du Heilige!
O Weib. -

Durch die Welten rase ich -:
Einmal noch deine Hand, diese Hand zu fassen:
Zauberisches Gezweig an Gottes Rosen-Öl-Baum.
Wünschel-Rute dem Glücks-Sucher.
... In dich o mütterlichste der Harfen träuft unser aller Heimat Klang ...
Fünfzack diktatorisch über unsre Häupter gespannt.
Blut-Quell dieser Finger Millionen Ärmster Gitter durchfeilte er.

#/.../

Dumm, Didelum, es geht weiter. Zumindest was den Größten, Längsten, Weiten betrifft. Ganz abseits der ehrwürdigen Tradition des Autoquartetts hat sich eine andere Disziplin herausgebildet, die der Computer vortrefflich verfolgen kann. Sie nennt sich Sport:Mord? und feiert am kommenden Samstag ihr Debüt. Komplett mit Wolfgang Schäuble, Thomas Bach und einem gewissen Demagogen namens Zwanziger im Publikum. Dumm, Didelum ...

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/Was-war-Was-wird--/meldung/121495

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #189 am: 18 Januar, 2009, 00:13 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Hallo Leser, eine Warnung. Ich habe gerade die Lektüre der Behandlung von Slashdot-Süchtigen hinter mir, definiert als Geeks, die so vernarrt in /. sind, dass sie alle 5 Minuten nachschauen, was dort passiert. Aus der Sicht von Ärzten ist das natürlich ein krankhaftes Verhalten, eine Sucht, die mit einer ordentlichen Portion Ritalin "geheilt" werden kann. Die behandelnde Psychologin (nachzulesen hier) sieht es anders, sie ließ sich auf lange Gespräche mit den Süchtigen ein, die ihre Abhängigkeit sehr positiv erleben und fühlen. Sie haben zwar die Fähigkeit verloren, ihre Lebenszeit kontrolliert zu gestalten, aber ein Universum anregender Debatten gefunden, von denen sie lernen und in denen sie nach eigener Einschätzung sich sogar politisch engagieren. Zwangsweise stellt sich nach einer solchen Lektüre der neuen, durch Technologie veränderten Selbstwahrnehmung die Vorstellung von einem Leser ein, der alle 5 Minuten bei Heise nachschaut, durch die Foren streift und dazwischen noch das Ausfallforum konsumieren muss. Wobei, halt, da muss ja noch Twitter rein, diese Zigarettenpause für Online-Junkies.

*** Was kann der herkömmliche Journalismus einem Süchtigen geben? Eigentlich nichts. Wer den Blick nicht von den ständig einlaufenden Nachrichten abwenden kann, hat kein Interesse für Hintergrundrecherche, findet komplizierte Zusammenhänge und ihre Erklärung blass und zieht im Zweifelsfall eine ordentliche Verschwörungstheorie vor. Die einzige Lösung ist eine Berichterstattung, die selbst im hohen Maße wie ein Junkie abhängig ist von der Technik, suchmaschinenoptimiert und voller Web 2.0. Wer tatsächlich diesen zusammengeklaubten Mist glaubt, sollte sich schnell in Behandlung begeben. Suchmaschinenoptimierte Meldungen verzapfen groben Unsinn. Dann wird anschleimend der Bill Gates von Köln gelobt, ein schlichter Hosting-Anbieter, der für sehr wenig Geld beste Werbung von lallenden Netzökonomen bekommt. Disclaimer: Serversoft schaltet(e) in der c't Anzeigen, was nun wiederum eine sehr sinnvolle Tätigkeit ist. Die Schrottrush-Prämie von 46.902 Euro mag ein hübsches Sümmchen für den abgewrackten Blogger Basic sein, für den Rest der deutschen Blogosphäre ist sie einfach Scheisse, aber ohne Geruch.

*** suum cuique hat mal wieder zugeschlagen. Bekanntlich stand "Jedem das Seine", auf der Innenseite des Eingangstores des KZ Buchenwald. Lesen konnten diesen Satz die Häftlinge, wie Häftling Nr. 44904 Jorge Semprun in seinem Buch "Was für ein schöner Sonntag" beschreibt. Dort auf dem Ettersberg, wo Goethe und Eckermann Rebhühner, Weißbrot und Rotwein verspeisten, konnten die Deutschen dank der verwendeten Schrift nur etwas lesen, was wie eine jüdische Inschrift aussah. Nun sollte "Jedem den Seinen" nicht für Cato, sondern für Tchibo werben: Jeder soll den Kaffee trinken, den er sich eingebrockt hat, bis die Halluzinationen durch Alzheimer abgelöst sind. Die Rechnung mit dem durchaus kalkulierten Mißgeschick – ich glaube nicht an ahnungslose Werbeagenturen – ist aufgegangen: Jeder weiß nun, dass Tschibo-Kaffe nach Esso schmeckt. Im Kontext deutsch-israelischer Empörung über die ach so dummen Werber schlage ich gazamäßig vor, dass künftig nur noch Denen das Unsere erlaubt ist, derweil globalisierungskritische Gutmenschen ihrem antisemitischen Reflex folgen: "Kauft nicht bei Juden!" hat man auch schon mal gehört.

*** Vor 156 Jahren machte sich ein Gefängnisinsasse über das Finanzsystem lustig: "Glaubt ihr, ihr könnt lange von euren Agios, euren Prämien, euren Skonti, euren Hypotheken leben? Glaubt ihr, das menschliche Denken würde sich, trotz dieser Wunder, mit diesem ganzen Maschinenbetrieb begnügen? Und dass wir zufrieden sind, wenn wir Bergbau-, Wasser-, Eisenbahngesellschaften, Kredit-, Depot-, Spar-, Giro-, Assekuranz-, Diskont- und Kompensationsbanken in Hülle und Fülle haben, und die Arbeit garantiert und das Leben billig?" Das schrieb das Geburtstagskind der Woche, Pierre-Joseph Proudhon, und Le Monde diplomatique druckt es unter dem Titel Jetzt beklagen sich die Trottel ab. Der Theoretiker des Mutualisme hätte wohl noch lustige Beschreibungen für die Trottel gefunden, die im Namen der "guten Banken" eine Bad Bank fordern, bei der sie ihren gesammelten Giftmüll von 300 Milliarden Euro abladen dürfen, all den Mist aus dem Hypothekengeschäft, die LD100-artigen  Credit Default Swaps und die ungesicherten Derivative. Verlinkt sind in einem Land gedruckte Geschichten, das glaubt, mit einem Schädchen davon zu kommen, bekannt für einen hochgelegenen Ort, an dem sich die Aasgeier treffen und ihre Aasgeiermärchen erzählen.

Was wird.

Keine Frage, wo das Positive bleibt, wenn selbst die konservative tageszeitung sich auf die Bescherung freut. Obamas Inthronisierung mit seinem Satz "Wir sind diejenigen, auf die wir gewartet haben" kontrastiert gut mit dem deutschen Superwahljahr, das brutalstmöglich den größten anzunehmenden Opportunisten mit Stahlhelm-Gen die Wahl gewinnen lässt.

Amerika, du hast es besser als unser Kontinent, der alte, hast keine verfallenen Schlösser und keine Basalte. Dich stört nicht im Innern zu lebendiger Zeit unnützes Erinnern und vergeblicher Streit.

Das schrieb Goethe in den zahmen Xenien. Unnützes Erinnern, wo die Zukunft lockt, das ist auch ein Konzept. Dont look back hieß das erste Rockumentary, und es zeigte Bob Dylan auf seiner England-Tournee 1965. Seine Unterstützung von Obama verkündete Dylan sinnigerweise in England, das heute ganz andere Probleme hat. Schließlich jährt sich bald der Tod von Brian Jones, komplett mit dem Hyde-Park-Konzert der Stones. Yo, isch kann, heißt es auch bei uns. Schließlich ist der Fahrer von Thorsten-Schäfer-Gümbel mal Wettkönig von Thomas-Grabbel-Gottschalk gewesen. Auch Deutschland ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, nur in der Variante, dass zuverlässig die schlechteste aller Möglichkeiten wählt. Obama wird dagegen über den Wassern schweben wie der Airbus im Hudson, während bei uns der letzte Mensch die Maschine verlässt.

Im Jahr der Super-Jubiläen von Charles Darwin und der ur-urdeutschen Varusschlacht kommt der 200. Geburtstag von Edgar Allan Poe etwas ungelegen. Den Urvater der Science Fiction, der Roboter und der Horror-Stories wird es nicht stören, war er selbst doch eine einzige Ungelegenheit, ein Vorbild für jeden Worteverwerter und prompt als 'Fürst des Grauens' missverstanden. Zeit seines Lebens hatte sich Poe mit den Gräueln der Cholera auseinandersetzen müssen, welche in unseren zivilisierten Bereichen abseits von Simbabwe längst durch die Flash-Seuche ersetzt wurde. Sei's drum.

Ganz ohne Bezug auf Poe startet T-Mobile am selben Tag mit dem G1 in Deutschland, komplett mit einem kleinen Shop im Vorfeld der CeBIT, wo dieses Gerät den Old Shatterhand geben soll. Der erste Inhaber soll Bond, Peter Bond sein. Der sitzt derzeit als Verhaltensauffälliger in einer Unterhaltungsshow für Grenzdebile. Die dazu passenden PR-Texte treffen das Niveau dieses "Dschungelcamps". Ich hätte es mir nicht träumen können, dass ich eines Tages sogar die Nulpe Chad Kroski als Retter vor dem grassierenden Stumpfsinn begrüßen könnte. Es gibt eben Zeiten, in denen nicht nur ein Obama die Welt erlöst, sondern, siehe Microsoft, das ewig grüßende Murmeltier spannender ist als, naja, eine Love Parade in Bochum. Aber ach, sie wurde abgesagt, weil ausgerechnet der Hauptbahnhof zu klein ist. Der Dorn in meinem Fleisch ist immer der Mehdorn im Auge der Anderen.

Quelle : www.heise.de

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #190 am: 25 Januar, 2009, 00:15 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Er ist da. Noch ist er nicht über die Wasser gegangen, aber einige Wunder haben sich schon ereignet. Durch Handauflegen aktualisierte er Laptops, ein Lächeln genügte und robots.txt änderte sich. Ein noch größeres Wunder als die Verwandlung von Wein in Wasser war das Erscheinen eines virensicher gemachten Internet Explorer. Zählt man zu diesen Wundern ein paar dringend notwendige Korrekturen wie die Anordnung, Guantánamo Bay zu schließen, Folterungen zu verbieten und die Geheimniskrämerei früherer US-Regierungen zurückzunehmen, so kann der Regierungsantritt von Barack Obama als durchaus gelungen bezeichnet werden. Komplettiert wird das Ganze natürlich von Fidel Castro, dem unzerstörbaren Revolutionsführer, der meint, das Ende von Obamas Amtszeit nicht mehr erleben zu können.

*** Vom ganzen Tamtam der Amtseinführung bleibt eine Bemerkung Obamas haften, den ich gerne deutschen Politikern auf die Bretter tackern würde, die sie vor dem Kopfe tragen. Dass die Gründungsväter Amerikas in schweren Zeiten die Freiheit über die Sicherheit gestellt haben, ist ein Satz, den Innenminister Schäuble nicht verstehen kann. Er hat schon Probleme genug mit Menschen, die Amerika als Unschuldige bezeichnet. Was kann mit der Amtsübernahme besser gefeiert werden als die Revolution im Journalismus, die heute vor 48 Jahren zur ersten modernen Presse-Konferenz mit frei gestellten Fragen führte. Ehe John F. Kennedy dieses Wagnis einging, mussten alle Fragen vorab schriftlich gestellt werden, wie dies heute noch bei einigen Firmen in der IT-Branche gepflegt wird. Kennedy schaffte das höfische Zeremoniell ab – allerdings sprach er die Fragen später mit befreundeten Reportern ab und ließ sich mit witzigen Antworten von professionellen Gagschreibern beliefern.

*** Natürlich darf Tanz und Musike nicht fehlen, wenn der erste schwarze Präsident Amerikas den Dienst aufnimmt. Nein, nicht Howard Carpendales elendes Motivationsgehauche. Das perfekt zu Obama passende Jubiläum am 12. Januar erfuhr erstaunlich wenig Beachtung. Vor fünfzig Jahren gründete Berry Gordy in der prosperierenden Motor Town Detroit mit schlappen 800 Dollar die Tamla Records, aus denen noch im selben Jahr die Motown Records hervorgingen. Die schwarze Musik wurde kommerzialisiert, die Musikproduktion gnadenlos industrialisiert. Heraus kam etwas, das auch für Weiße verständlich davon kündete, das etwas passiert, auch wenn sie das nicht tanzen konnten und an den falschen Stellen klatschten. Und die Erben von Motown machen weiter. Apropos Erben: Ein besondere Glückwunsch geht in diesem Fall an die Arf Society als Veranstalter der Zappanale.

*** Obama hat sein Smartphone, sein White House, seine Musik – und sein Pageranking, letzteres als legitimer Nachfolger von Bush. Er bewegt sich in der Abtreibungsfrage und in der Diskussion um die Stammzellenforschung von Bush weg, während er an der bewährten Praxis des Ausspionierens seines Vorgängers festhalten will. Freiheit und Sicherheit sind doch skalierbar. Obama hat sogar eine Art Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas bekommen, komplett mit dem Beweis, dass Israel seine Gegner nicht vernichten kann. Die Waffen schweigen, aber die Parteien sprechen nicht miteinander. Braucht es jemanden, der von sich überzeugt ist, unfehlbar die Wahrheit in den Gesichtern der Anderen lesen zu können? Der Forscher der Mikroausdrücke glaubt an Menschen, hilft aber beim Bau der besten Video-Überwachungsanlagen, denn auch das ist Amerika: "Aber wir sind ein Technologie-Land. Das unausgesprochene Motto der Amerikaner lautet: Bau mir eine Maschine, sonst bringt das nichts. Das Motto der Israelis lautet: Holt uns die besten Leute, wir geben ihnen das beste Training."

*** Zurück in die heile Welt der Datenverarbeitung. Heile Welt, wenn selbst Microsoft Stellen streichen muss und damit ausgerechnet bei den Programmierern des Flugsimulators beginnt? 26 Jahre konnte die Truppe bei Microsoft arbeiten, der Pakt hielt länger als jede andere Franchise-Vereinbarung der Industrie. Wer erinnert sich noch daran, dass die Geschichte des Flugsimulators mit der Firma Sublogic und dem Apple II begann? Es folgte eine Version für den TRS-80 und seiner Grafik von 128 × 48, die mangels Instrumentendarstellung als "Blindflugraten" in die Computergeschichte einging.

*** Als die PC-Kisten populär wurden, war der auch der Flugsimulator auf dem Höhepunkt seiner Popularität, jedoch nicht als Computerspiel, sondern als Testprogramm. Ein Rechner wie mein erster Apricot-PC, auf dem der Simulator abstürzte, galt als nicht IBM-kompatibel. So bestand das "Testen" in vielen Computerzeitschriften darin, auf der ausgepackten Kiste die "Testdiskette" mit dem Flugsimulator zu starten. Mehr passierte meistens nicht, da schrieb man lieber über das gefällige Logo einer Firma oder dass der Monitor schwenkbar von 0 bis 180 Grad ist. Viele Tester haben ihre Fähigkeiten nicht weiter entwickelt, wie man an den "ersten Testeindrücken" sehen kann, komplett mit Prognosen, dass Windows 7 der Linux-Killer schlechthin sein wird, dank des überarbeiteten User-Interfaces.

*** Im Jahre 2004 zeichneten einige helle Köpfe ein düsteres Bild der Bedrohung des freien Internet durch die Pläne von Google. Daraus entstand ein Video, Epic 2014 genannt, weil für das Jahr 2014 die Weltherrschaft von Google prognostiziert wurde. Nun schreiben wir 2009, das erste Google-Telefon kommt auf den deutschen Markt und die Weltherrschaft des Konzerns ist zum Greifen nahe. Ohne Google-Mail, Maps, die Streetview und das Googlen nach Produkten geht gar nichts. Das Gerät liefert seinen Nutzer auf Gedeih und Verderb dem Cookiemonster Google aus. Ja, das G1 hat einen schicken Bildschirm und eine lustige Rollkugel-Handsteuerung, mit der man sich durch Boschs Garten der Lüste treiben lassen kann: "In der Verwandlung dieser Bilder in schwindelerregende Mikrokosmen manifestiert sich auch die Utopie einer totalen Verdauung, einer totalen Vergoogelung der Welt durch das Internet, dessen elektronische Kutteln sich über alles und jedes stülpen können. Bleibt abzuwarten, wann und wie dieses Organ seine ersten Rülpser produziert." Einen Klingeltonpfurz für das G1 gibt es schon im Android Market.

Was wird.

Niemand anders als Marissa Mayer, das Google Covergirl, hatte als erste ein Google-Telefon angekündigt, angeblich um Google zu den Menschen auf Kontinenten wie Afrika zu bringen, in denen die Internet-Infrastruktur fehlt. Das geschah 2005, auf einem Panel namens "The Next Big Thing" der Burda-Konferenz Digital Lifestyle Day. Auch dieses Jahr findet der Herden-Auftrieb der Internauten vor dem Davoser Weltwirtschaftsforum in München statt. Zur Zeit blökt die Avant-Herde des Web 2.0 aus München und frisst Wiener Schnitzel, doch morgen Mittag ändert sich das alles gründlich. Besagte Marissa Mayer diskutiert beispielsweise mit Monika Wulf-Mathies und Silvana Koch-Mehrin. Die Leitung hat Maria Furtwängler-Burda. Women Power ist das Thema, nicht die Suche nach einem hübschen Doppelnamen für Marissa. Noch schöner klingt das Thema Philanthrocaptitalism, moderiert von einem Matthew Bishop vom Economist. Im Jahre 2006 im Juli hatte der Economist eine sarkastische Titelgeschichte mit Bill Gates als Coverboy, die sich über die "Billanthropy" des Microsoft-Gründers lustig machte. Heute sind das alles nur gute Taten und so kann der gütige Gates in einer Epistel verkünden, dass seine Stiftung im Jahre 2009 noch einmal 3,9 Milliarden Dollar von ihm bekommt. Ja Leute, das schreit doch nach einem "Woodstock für Philokapitalisten" am 15. August!

Wir sind natürlich gute Deutsche. Wir haben Pickelhauben, die kleineren Schwänze und kleineren Autos und freuen uns mächtig auf den 150. Kaisergeburtstag. Das ist nicht der Kaiser mit dem Fußball oder das blaue Werbemännchen von 02, sondern ein IIter, der bis zum letzten Hauch von Roß und Reiter kämpfen lassen wollte – in eeinem unsäglich mörderischen Weltkrieg, in die er seine Untertanen schickte. Wer heute die virtuose Beherrschung des Web 2.0 durch Obama über den grünen Klee lobt, hat schnell vergessen, dass es unserer Kaiser Wilhelm II war, der alle Register im Umgang mit Presse und Öffentlichkeit zog und darum als Medienkaiser berühmt wurde. Ob Beckenbauer, Hitler oder Obama, alle haben sie von ihm lernen können.

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/Was-war-Was-wird--/meldung/122307

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #191 am: 01 Februar, 2009, 00:12 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ich gebe zu: Bisher wusste ich nicht, dass es Cello-Hoden und Gitarren-Nippel gegeben haben soll. Als ehemaliger Handball-Torwart kannte ich nur gedellte Hoden, die man bekommt, wenn man das Suspensorium vergisst. (Das vergisst man nur einmal.) Nun weiß ich, dass es weder Cello-Hoden noch Gitarren-Nippel gibt. Ob die Wissenschaft sich wirklich intensiv mit dem Cello-Hoden beschäftigt hat, weiß ich immer noch nicht, aber wohl kann ich mir junge Leute vorstellen, deren Weltbild nun kräftig schwankt. Was ist mit dem begabten Jüngling, der Querflötist wurde aus Angst vor dem Cello-Hoden und nun mit seinem Stummelchen dasteht? Was mit den wenigen Gitarristinnen, die die Angst vor dem Gitarren-Nippel überwanden und mit Bands wie Nashville Pussy losrockten? Wie viele Träume junger Menschen wurden so zerstört?

*** Digital, Life Design, auch DLD genannt, ist eine Konferenz, die viel von einem Cello-Hoden hat, weil auf ihr Einbildungen aller Art gefragt sind. Die Süddeutsche Zeitung berichtete von dem im vorigen WWWW erwähnten Auftrieb der digitalen Avant-Herde in München und zitierte ausgerechnet ein Mädchen: "Ich lebe auf Facebook. Alle meine Freunde sind da. Zusammen können wir viel erreichen, Peace and everything." Da ist er, der strahlende Glaube der Jugend, die vom jungen Herzen gekommene Aussage der Lisa Furtwängler. Ihre Familie finanziert dieses DLD und der SZ-Journalist hat nicht die Cojones, ihren Namen zu nennen. Vielleicht wäre er dann im Nu weg von Fenster, in der Isar, an ein Beton-Cello gekettet. DLD, das ist ein deutsch-israelischer Spaß, den sich zwei alte Männer leisten, der Verleger Hubert Burda und Yossi Vardi, der Vater von Arik Vardi. Dieser programmierte den Instant Messanger ICQ, den sein Vater 1998 erfolgreich an AOL verscherbelte. Wer die spezielle Sorte DLD-Spaß nächtens erleben will, sei auf dieses Video verwiesen.

*** DLD startete im Mai 2000 unter dem Titel Cool People in the Hot Desert punktgenau zur Feier des 35. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel. Die von Burda und Vardi konzipierte Veranstaltung sollte eine Mischung aus Präsentationen deutscher wie israelischer Startups sein, komplettiert von einer philosophisch-wissenschaftlichen Konferenz und einem politischen Treffen, das Shimon Peres und sein Peace Technology Fund finanzierte. Schon zum Start gab es Probleme: Wizapp, ein Startup ultra-orthodoxerJuden, an dem Yossi Vardi beteiligt war, verweigerte den Auftritt mit Deutschen, Hi-Tek-Engineering aus dem palästinensichen Ramallah, ein Startup mit Siemens als Investor, wurde als Sicherheitsrisiko ausgeladen. Insgesamt präsentierten 30 Startups, von denen heute offenar noch drei im ursprünglichen Sinne existieren: JustBooks, Desaster und Browzear. Eingeschränkt könnte man noch Ciao nennen, obwohl längst nicht mehr Opinion Community.

*** Fünf Jahre lang wollten Burda und Vardi die Cool People-Konferenz in Israel durchführen und die richtige Mischung aus Startup/Investoren-Laufsteg und Philosophie finden. Doch schon in der letzten Nacht, als Burda und Vardi als Sheiks verkleidet in einem Wüstenlager zu dieser Musik von Shlomo Gromich und des Sheba Choir tanzten, war Schluss. In dieser Nacht lieferten sich Palästinenser und Israelis in Ramallah ein heftiges Gefecht zum 52. Jahrestag der Naqba. Das war das Vorgeplänkel zur Zweiten Intifada. Wir wurden unter verschärften Sicherheitsmaßnahmen zum Flughafen gebracht. Die nächste Konferenz war folgerichtig eine der ersten zum Thema Cyberwar zwischen Israel und Palästina.

*** Die deutsch-israelische Verständigung, getragen von Startups wie Investoren, ist nur noch auf der "hidden agenda" der DLD zu finden. Man findet sie noch, wenn die Startups-Investments der Gründer wie Fring (Vardi) oder Semantinet (Burda) ihren Auftritt haben, doch viel ist nicht mehr geblieben. Jahr für Jahr bevölkern die immergleichen Redner und/oder Moderatoren wie Marissa Meyer, Martin Varsavsky oder Jeff Jarvis, die meistens aus jüdischen Familien stammen, die Podien. Wenn es Ausnahmen gab, wie in diesem Jahr der furiose Auftritt von Nassim Taleb, dann hörten die netzwerkenden Gäste nur noch hin, weil gleich danach der jüdische Bengel Mark Zuckerberg Wunderzahlen aus seinem wunderbaren Facebook präsentiert. Talims Forderungen, gesprochen im Tagungszentrum der Hypovereinsbank, die gesamte Banking-Kamarilla zu feuern, wurde von den Entreprenören nicht begriffen. Die Krise ist noch lange nicht vorbei. Ebensowenig begriff der mit Handschuhen behandelte Mark Zuckerberg, was es mit der Privatsphäre auf sich hat, um die sich Europa so kümmert. Das begriff aber auch der fragende Journalist nicht, der ganz zufällig ein Buch über Facebook schreibt. Schließlich gibt es viel geilere Sachen, etwa wie aus der Datenmasse der Facebook-Nutzer ein Barometer des Befindens zu destillieren. Wer einen schlechten Tag erwischt hat, bekommt dann "Happy News" vom Cello-Hoden zur Aufmunterung. In welcher Stimmung diese Nachricht über die negative "Legal- und Sozialprognose" eines bekannten Anwalts erheitern kann, überlasse ich den Lesern dieser Wochenschau.

*** Die heißeste Nachricht des DLD produzierte übrigens Mike Arrington, wie Robert Basic ein ausgebrannter Blogger, der sein Techcrunch verhökern will und nach der DLD-Buschtrommel nur schlechte Angebote bekam. Auf dem Podium glänzte er mit Sottisen gegen Journalisten, bei der Abfahrt ins Hotel wurde er nach eigener Darstellung bespuckt. Das Kuriose an der Tat: Obwohl beim DLD jeder laufend über jeden twitterte, das Bankgebäude von Sicherheitskräften umstellt und von Videokameras überwacht wird, hat niemand sonst den Angriff auf Arrington gesehen. Traditionell gilt in der Branche die Torte als Protestmittel, oder auch das Ei, wenn der Geek keine Torte gebacken kriegt. Aber Spucke kann sich jedes Startup leisten. Wie ein Schuh draus wird (den man nicht werfen soll), demonstrierten prompt die einschlägigen Kommentatoren, die sich anschleimen und jedes harte Wort bitterlich bereuen.

*** Eine Konferenz weiter, in Davos, auf einer Veranstaltung, die von einem Tross größenwahnsinniger Manager produziert wird, wollte der Moderator David Ignatius unbedingt pünktlich beim Abendessen sein. Er provozierte damit den Türken Erdogan, der auf den Israeli Peres antworten wollte. Prompt katapultierte dies Davos in den Mittelpunkt der laufenden Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern und Israelis. Seit der zweiten Intifada hat sich wenig verändert. Den Blödsinn von Davos I-tüpfelnd schaffte ein deutscher Journalist mit der Forderung nach Arbeitslosenorchestern. Das steht in einem Blatt, dass sich schon mal über die Berechnung von Kindern in Hartz-IV-Familien mit der Bemerkung mokiert, ob denn die Kleinen Instrumente bräuchten.

Was wird.

Selten verweise ich auf tagesaktuelle Sachen, doch der Tatort "Kassensturz" heute abend darf die Ausnahme sein. Er wurde produziert, als die Überwachung von Mitarbeitern bei Lidl bekannt wurde. Szenen mussten noch einmal gedreht werden, weil die Wirklichkeit dem Film voraus war. Dazu genieße man einen Wein und die Jahresbilanz (PDF-Datei) des Bundesarbeitsgerichtes. Hier findet sich nicht nur viel Erhellendes zum Fall Lidl, sondern auch zu weiteren Fällen, die uns 2009 begleiten werden: Ob betriebliche E-Mail-Adressen, die Namen und Vornamen des Mitarbeiters enthalten gegen den Datenschutz verstoßen, soll höchstrichterlich entschieden werden. Also: Hal.Faber@heise.de geht gar nicht, während Bussibär@heise.de ausreichend die Person schützt.

Wie wäre es mit 20er@dfb.de? Schließlich lesen wir, dass ein gestandener Funktionär für die UEFA kandidiert. Wer international reüssieren will,muss sich modern zeigen und so lesen wir ergänzend, dass der DFB für die Zukunft sich die Voraussetzungen geschaffen hat, um sich im Internet besser währen zu können. Wer jetzt die große Freistoßmauer gegen freie Meinungen über Demagogen und Demeleen erwartet, muss enttäuscht werden. Ganz schlicht sagt die Pressestelle, dass man im Internet Blogs und Diskussionsplattformen einrichten will. Ob auf ihnen die Kritiker plattgemacht werden, überlasse man den guten Deutschen, denn bekanntlich ist Fußball ein Volkssport. Und wenn es Verletzte gibt, dann kommen sie in eine schicke Datenbank. Wenn Deutschland gegen Norwegen antritt, wird offiziell die "Fußballdatenbank Nationalmannschaften" ans Netz gehen. Wen der Name verwirrt: Das ist eine zentral geführte Gesundheitsakte aller Leistungskicker, auf die die vernetzten Trainer, Ärzte, Physiotherapeuten und Betreuer zugreifen können. Vom erlaubten Dope bis zum verrenkten Knorpel wird sie alles enthalten, was die Kickerkörper unserer Besten plagt. Auch die Balltreter sollen zugreifen können, natürlich nur, wenn Gesundheitskarte und Heilberufsausweis gesteckt sind. Und alles ist so sicher wie ein Sieg gegen Norwegen.

Zum guten Schluss sei noch der Hinweis erlaubt, dass am Donnerstag der Freitag beginnt, im Journalismus mit Pass und Doppelpass zu experimentieren, wie Heise-Forums-Liebhaber das von ihrem Lieblingstreff im Internet her kennen. Das seit vielen Jahren geschätzte Blatt versucht so, die Auflage ohne Meldungen vom Cello-Hoden zu erhöhen. Die Blogwerker von der aasigen Medienlese meinen ja, wir hätten's nötig – und geben allen Lesern Tipps, warum dieser kleine Nachrichtenticker so erfolgreich ist.

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/Was-war-Was-wird--/meldung/126686

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #192 am: 08 Februar, 2009, 01:14 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Regelmäßige Leser dieser kleinen Wochenschau wissen, dass der Verfasser ein Fan der norddeutschen Tiefebene ist, ebenso ein Fan des kleinen kostenbewussten Verlages, der in der pulsierenden Metropole der Niedersachsen zu Hause ist und informationstechnische Hilfsleistungen aller Art vertreibt. Auch die heutige Wochenschau ist ausnahmsweise eine Hilfsleistung. Blogger würden von einem Komm-Befehl sprechen: Wanderer, komm doch nach Hannover, komm doch zur CeBIT! Mach die CeBIT wieder grün wie das Forum zu einem vollendeten Betrüger.Noch ist diese CeBIT eine eigene Veranstaltung mit dem roten Logo späterer Jahre, doch wenn die IT-Schwindsucht weiterhin grassiert, wird man die Messe bald platzsparend in einem natürlich grünen ÜSTRA-Wagenzug unterbringen können, für den man ohnehin Eintritt bezahlen muss. Nehmen wir nur die Präsenz des CeBIT-Partners Kalifornien mit all seinen Erfinder-Garagen, Googleplexen und Siliziumtälern. Sie wird ausgesprochen mickrig ausfallen. 20 kleinere Firmen wird ein kleiner kalifornischer Gemeinschaftsstand beherbergen, ein Häuflein, das Conan der Barbar mit einem einzigen Schwerthau plattmachen würde.

*** Keine Panik. Noch haben wir ja Microsoft, das auf der CeBIT mit dem wirklich seltsamen Slogan Unternehmenserfolg ist Jedermanns Business antritt. Angeblich hat Bachmann Turner Overdrive mit Taking care of business die Anregung gegeben, passend zum Web 2.0: "And we're all self-employed. We love to work at nothing all day ..." Wie wahrer Unternehmenserfolg aussehen kann, weiß Microsoft natürlich: Die Microsoft-Zentrale in Redmond hat ganz offiziell die Firma Siemens in München mit "Beratungsleistungen für die Korruptionserkennung, -Behandlung und -Vermeidung" beauftragt. Der Vertrag soll im einstelligen Millionenbreich liegen, aber ausbaufähig sein. Eine Windows-Windows Situation gewissermaßen: Was Siemens an Schmiersummen zum Fenster rausgeworfen hat, kann es mit Beratungsleistungen wieder einnehmen. Leider können wir hier mit den Bayern nicht mithalten. In der norddeutschen Tiefebene kann man nicht einmal für schlechte Einführungen in Computerprogramme bestraft werden, die so schlecht waren, dass Hard- wie Software beschädigt wurden. Dafür haben wir für eine probate Beschäftigung für Jedermann, nämlich Islamisten ausgucken. Die Schweinezucht war schon immer ein bedeutsamer Exportfaktor bei uns in Niedersachsen.

*** Dafür können wir Deutschen endlich einmal locker den Finnen zeigen, wo der Bembel hängt. Eine Lex Nokia brauchen wir nicht, die Vorratsdatenspeicherung ist genau dafür da. Wie wäre es, wenn der größte Telefonbäcker mit seiner Zentrale nach Bochum zieht? Den mahnenden Kunstsee ums Gebäude, komplett mit einem symbolisch abgesoffenen Boot zahlt der anerkannte Firmenlenker, der reuige Blogwart und Blitzentschuldiger Hartmut Mehdorn, der nicht nur die Bahn, sondern auch die Vorratsdatenspeicherung privatisieren möchte. Was bitte, ist denn eigentlich so schlimm daran, etwas Data Mining mit den Daten von 220.000 Mitarbeitern zu machen? Das passiert mit den Daten der Bahncard-Besitzer auch fortlaufend: "Jedes Mittel ist uns recht, die Pünktlichkeit der Bahn zu steigern."

*** Es empfiehlt sich, die aktuelle Bahn-Blockade aus der Sicht des Bloggers Markus Beckedahl zu lesen. Nicht nur, weil er im Zuge der Auseinandersetzung fortan als Journalist geführt wird, eine juristische Einschätzung, die für viele Blogger wichtig sein kann. Auch die "Welle" an Reaktionen im Internet, komplett mit den Tröten, des Web 2.0 zeigt an, wie sehr das Internet die Öffentlichkeit verändert. Nun hat der David der deutschen Publizistik zugeschlagen und den neuen Freitag auf Papier und im Internet vorgestellt. Die erste Ausgabe ist mit "Klick den Kanzler" und dem Untertitel "Die Wähler müssen jetzt nur noch mit der Maus die Macht übernehmen" eine typische Flunkerei des Web 2.0, aber die Richtung ist klar und erfreulich, komplett mit einer Mitmachkomponente, die aus Lesern Blogger machen soll. Möge das gewählte Modell auch kommerziell erfolgreich sein und David König werden. Zweifel gibt es natürlich, wenn gleich das erste Leser-Blog das Erlösmodell mit einem Hinweis in die Tonne tritt. Jajaja, so leidet auch der kleine Verlag in der norddeutschen Tiefebene darunter, dass 25 Prozent aller Besucher seiner Site mit eingeschaltetem Adblocker aufkreuzen und damit die Einnahmen empfindlich schmälern. Schließlich ist das hier ein echtes Tiefebenen-Angebot, ohne Interstitials, Pop-ups, es gibt keine überdeckende Werbung und ähnlichen Scheiß. Dezente Werbung eben, doch steigt die Zahl der Blocker an. Die Welt ist ungerecht.

*** Leb wohl, leb wohl Poet
Eh noch der Condor an Ketten geht
reißt er sich das Bein mit den Ketten raus,
schwingt sich in den Himmel und blutet aus.

Pablo Neruda starb zwar an Krebs, doch mit So starb auch Neruda hat Kurt Demmler etwas von seinem Abschied vorweggenommen. Der große deutsche Volksdichter hat sich in einer Zelle erhängt. Etliche Male waren Demmlersongs in dieser Wochenschau ein Thema, weil er nicht von den Hetzern einer bekannten Boulevardzeitung zur Strecke gebracht werden wollte, weil er nicht über die ihm vorgeworfenen Missbrauchshandlungen aussagen wollte. Früher war das alles kein Thema, auch seine Vorlieben für jüngere Mädchen, die bereits bekannt waren, als es noch die DDR gab. Showbusinessklatsch halt. Wie es um ihn stand, hat er zuletzte einem Blogger geschrieben. Jetzt wird der Mann, dem wir die Anti-Stasi-Hymne "Irgendeiner ist immer dabei" verdanken, von den gängigen Berufsverurteilern abgewatscht, von Psychologen und anderen Glückskartenlesern zum Monster verzerrt, in der ****-Zeitung zur Strecke gebracht, während sie sich vorher niemals um die Diagnose scherte, dass dem manisch-depressiven Künstler auch mit einer Therapie geholfen werden muss. Wer denkt noch an das wunderbare Lied, das er Maria sang? Oder an den Blues von der letzten Gelegenheit, mit der er das ewige Thema vom Eingesperrtsein in diesem unseren Land so verpackte, dass alle die Nachricht kapierten, die hören konnten und nicht verblödet waren. Und eingesperrt waren alle, auch der Westen, mit dem mächtigen Klotz namens DDR am Bein.

Warum lässt du den fliegen
vielleicht die letzte Gelegenheit,
Aber ich fing ihn nicht.
"Mutter", sag ich, "eben darum,
weil er jung ist und so schön.
Soll er fliegen weit in die Welt,
dass kein Ring ihn drückt oder hält!"
Darum fang ich ihn nicht.

Was wird.

Ich werde mich damit abfinden müssen, dass der eine oder andere nicht die CeBIT, nicht Hannover, nicht diese kleine Wochenschau, aber Werbung zum Kotzen findet. Zum Glück gibt es noch für alle Alternativen, etwa den Kauf von Blättern aus dem erwähnten kleinen Verlag oder die Wahl spezieller Feeds. Schwierig ist nur, eine Alternative für das wunderbare Hannover zu finden. Wie wäre es mit Berlin? Da gibt es viele interessante Veranstaltungen gleich nächste Woche, etwa eine Anhörung zu Internet-Filtern und einen kuscheligen europäischen Polizeikongress, der Grundzüge einer europäischen Sicherheitsarchitektur festklopfen soll. Schließlich hat der Deutschmarrokaner Bekkay Harrach wüste Bedrohungen in einem Video ausgestoßen und "Überraschungspakete für die Besatzungsmacht in Afghanistan" angekündigt. Zur Bundestagswahl soll der Abzug der Bundeswehr aus dem Land in die öffentliche Debatte gesprengt werden. Ob auch diesmal wieder die Sprengzünder von einem Geheimdienstmann kommen?

Bekanntlich bereitet sich Berlin langfristig nicht nur mit einem Problembär auf die Leichtathletik-WM vor, sondern auch auf das Jubiläumsfest des Grundgesetzes vom 22. bis 24. Mai. Mittendrin, am 23., die Wahl des Bundespräsidenten. Was es sonst noch gibt? Zu den Feierlichkeiten gehört ein Boulevard der Marken mit Nivea und Erdal und, als Höhepunkt, ein Car-Walk, vulgo die "Parade von Deutschlands schönsten Autos". So zeigt die Hauptstadtpolitik, was sie vom Grundgesetz hält: nichts. Das gilt ohnehin nur noch in Karlsruhe. Messetechnisch finde ich freilich nur die Tattoo Convention. Vielleicht ist doch die CeBIT die bessere Wahl? Hat schließlich eine Webciety und den seltsamen Slogan "Internet is coming Home". Ha! Home! Ein Lied, zwo, drei vier: Sweet Home Hannover, Where the skies are so blue. Sweet Home Hannover, Lord, I'm coming home to you.

Quelle : www.heise.de

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #193 am: 15 Februar, 2009, 03:19 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Man muss Charles Darwin zugutehalten, dass er nicht versuchte, den Menschen zu ergründeln. Ihm reichte der Gedanke, dass Mensch und Affe gemeinsame Vorfahren haben könnten und der Ur-Mensch irgendwo in Afrika begann, seinen Verstand zu entwickeln. Sein 200. Geburtstag ist in eine Zeit gefallen, in der der Mensch seinen Verstand verliert und selbst die Trolle schon mal bessere Tage hatten. Was den Menschen ausmacht, haben viele nach Darwin zu bestimmen versucht. Halten wir uns an den Philosophen Kenneth Burke, der vom großen Menschenmeister Shakespeare beflügelt befand:

Being bodies that learn language
thereby becoming wordlings
humans are
the symbol-making, symbol-using, symbol-misusing animal
inventor of the negative
separated from our natural condition
by instruments of our own making
goaded by the spirit of hierarchy
acquiring foreknowledge of death
and rotten with perfection.

Komplett mit einem Webinar ist dies eine hübsch pathetische Definition des Menschen. Als Körper, die Sprache lernen, damit zu Wortlingen werdend, sind Menschen keine Werkzeug nutzenden Tiere, sondern elende Wortdrechsler und Smybolverschieber, Erfinder des Negativen, mit Worten verrottend in Perfektion. Mit Worten die Gräben ziehend, trennend in Überlinge und Unterlinge, denen das Maul gestopft gehört, dass sie nicht aufbegehren sonder sich committen zu Concentrate, Integrate, Innovate. Ja, so heißt es bei Burda und Booz Company, wenn die letzten Kotztütchen von Digital, Life, Design in München und Davos abgeräumt sind und die konvergente Zukunft angesagt ist, ohne jegliches Morgen. "Am Ende müssen Effizienz und Innovation zur DNA unseres Unternehmens werden, wenn wir in der digitalisierten und globalisierten Welt erfolgreich sein wollen." Wer solch einen Mist über einen Change Prozess und den Beraterquatsch vom Unternehmens-DNA schreiben kann, dem sollte man Schnuller und Rassel bereit legen, aber nicht die Leitung eines Unternehmens geben, das vor allem mit Sprache, gedruckt wie digital verschickt, sein Geld verdient.

*** Dieses Geplappere, das in der IT-Szene verharmlosend Bullshit-Bingo genannt wird, hat ernste Hintergründe, zumal in einer Branche, die durch und durch verlogen ist und mit dieser Verlogenheit in die Gesellschaft ausstrahlt. Nehmen wir nur die verlogene Bezeichnung Sperrmaßnahmen für die Einführung der Internet-Zensur in Deutschland, komplett mit einem kuriosen Vertrag, mit dem das Bundeskriminalamt als oberste Zensurbehörde auftritt. Das ist eine Konstruktion, die Juristen komisch finden, während Techniker sich über den hübschen Verschreiber "vollqualifizierte Domainnamen" amüsieren, die Wildcards nicht berücksichtigen. Das Beispiel Matti Nikki hat gezeigt, wie Kritiker der Sperrlisten schnell auf eben diese Sperrlisten kommen. Meinungszensur ist immer die Freiheit des Sperrenden, müsste man an die Große Mauer von der Leyens tackern und sich nebenbei die acht großen Internetprovider merken, deren Allgemeine Geschäftsbedingungen so geändert werden, dass der Dienst aufgekündigt werden kann.

*** Hoppla, ich habe die deutsche Wikipedia verlinkt. Und die nennt mir nicht die acht Nazghuls, sondern 23 Provider, was schon von der Zahl her schwer verdächtig ist. Die freie Web-Enzyklopädie hat Probleme mit Wilhelm und Walter. Wilhelm tauchte auf, als der Cousin von Florian Oscar Henckel von Donnersmark, Karl-Theodor zu Guttenberg, unser Wirtschaftsminister wurde. Weil diese Evokation vielen Journalisten gefiel, machte der Wilhelm die Runde, während alle übrigen Politiker ihre Namen prüften. Genasführt wurde offenbar unser Außenminister Frank Steinmeier, dem irgendein Witzbold ex incuria zu einem Frank-Walter machte. Die ganze Debatte um Wilhelm, Walter und die Wikepedia wird nun von Wortlingen geführt, die das Prinzip der Wikipedia nicht verstanden haben und ziemlichen Unsinn schreiben. Wie heißt es noch korrekt: Die Nachprüfbarkeit, nicht die Wahrheit ist oberstes Prinzip des freien Wissens. Fragt sich jetzt nur, wo sich denn die Wahrheit immer versteckt, wenn sie nicht nachprüfbar ist.

*** Also bleiben wir lieber bei der Wahrheit. Der kleine Wochenbericht von den Problemen der Wortlinge wird am Valentinstag geschrieben, bekannnt als Tag des Blumenhandels und der dummen Schwüre. Vor 20 Jahren wurde der britische Schriftsteller Salman Rushdie, seine Verleger und Übersetzer von dem schiitischen Ajatollah Khomeiny zu madhur ad-dam erklärt, weil sein Buch "Die satanischen Verse" angeblich den Islam verletze. Wörtlich sind das jene, deren Blut vergossen werden muss, weil sie Worte verbreiteten, in denen vom Nebeneinander islamischer und westlicher Kulturen die Rede ist. Gedenken wir der Opfer dieser Fatwa, die ihren Mut mit dem Leben bezahlten. Hitoshi Igarashi, der japanische, und Aziz Nazin, der türkische Übersetzer, starben, der italienische Übersetzer Ettore Capriolo und der Norweger William Nygaard überlebten schwer verletzt. Zu denken ist auch an den Verlag Artikel 19, der die "Satanischen Verse" in Deutschland herausbrachte, weil kein deutscher Verlag den Mut hatte, das Buch zu publizieren. Dann wäre da noch die tageszeitung, die als einzige das erste Kapitel des Romans abdruckte, während die anderen Blätter der Republik in letzter Minute einen Rückzieher von der abgesprochenen Protestaktion machten, angeblich aus urheberrechtlichen Gründen. Zur bitteren Ironie der Geschichte gehört, dass Salman Rushdie im Auftrag von Margaret Thatcher beschützt wurde, während Iqbal Sacranie, später Leiter des Muslim Council of Britain verkündete, dass Rushdie mit dem Tod noch zu glimpflich davon komme. Unter der Labour-Regierung wurde er für den Verdienst um den "interreligiösen Dialog" zum Ritter geschlagen. Und als Lehre für heute kann man die Geschichte von Hossein Derakhshan lesen, der immerhin noch lebt. Da mag man zumindest Henryk M. Broders Ausspruch von der "Überlegenheit der westlichen Zivilisation" nicht nur für arrogant halten, im Gegenteil.

Was wird.

Zu den bitteren Erkenntnissen dieser Woche gehörte die Einführung der Wissenschaft in den Fußball mit einem anschließenden Kick, der so grottenschlecht war, dass jede wissenschaftliche Erklärung ins Abseits lief. Zu den beruhigenden Erkenntnissen für die nächste Zukunft gehört darum für mich, dass ein wissenschaftlich ausgerichteter Dokumentarfilm über den Mythos Bielefeld angekündigt wurde, der im Geist der Aufklärung gedreht wird. Erinnert sei an das weiter oben erwähnte Kriterium Nachprüfbarkeit in der Wikipedia. Bielefeld gibt es bekanntlich nicht oder nur dann, wenn der Big Brother Award an Datenverbrutzler verliehen wird. Doch das freie Wissen lässt sich nicht beirren: Gerd Schröder vom Verlag Artikel 19 machte hier sein Abitur. Für die Rolle des Erklärbären wurde bereits der renommierte Künstler Neo Dampf engagiert, der im Datenstrudel all der aberwitzigen "Fakten" über Bielefeld sicher einen klugen Kopf behält und zur Nachprüfbarkeit im Sinne von Friedrich Engels auffordert, den Pudding an die Wand zu nageln.

Mein Loblied auf Hannover in der letzten Wochenschau hat nichts genutzt. Auch der großartige Heise-Verlag wird wie Suhrkamp nach Berlin umziehen. Dort werden alle deutschen Verlage nach Vorbild der Bad Bank in einem Unternehmen Bad Paper zusammengefasst. Die Abwrackprämie für Kultur diktiert dazu die Rahmenbedingungen. Wie war das jetzt mit der Nachprüfbarkeit und der Wahrheit? Nun ja, nach der Abwrackprämie für Altautos, Telefone und Software ist es einfach nur logisch an der Zeit, dass es eine Kulturflatrate für das Abwracken gibt. Was ist schon der Sputnik-Schock gegen das ordentliche Abwracken in der Noosphäre. Freunden wir uns mit dem Mischmasch ab, den der neue Walser mit einem Dauertest von Windows 7 ergibt, gesprenkelt mit den Memoiren von Michael Glos der ein gutes Dutzend Rücktrittsschreiben ständig um sich herum hatte.

Ja, Festhalten und Beharren und Deutschland, das ist ja so old-fashioned wie eine Fehmarnbeltbrücke, die vom Bundesrat beschlossen wurde, damit wir schneller zum Urlaub in Haparanda sind. Als ich das erste Mal von dieser Brücke hörte, spielte Jimi Hendrix und es war ungelogen arschkalt. Ist letztlich nicht das Festhalten an einer Wochenschau abwrackbedürftig? Nein! Meine Generation steht für das Recycling! Und weil es Leser gab, die bei der Musik der letzten Woche protestierten, wiederhole ich mich heute, wie gewünscht mit Bachmann Turner Overdrive und der richtigen Version von Takin' Care of Business. Wer mitzählt: 1234567890 ist ja ganz nett. Die Darstellung im Dezimalsystem ist eine von unendlich vielen Möglichkeiten, doch was sind wir schon, wir Wortlinge mit dem verfaulten Zwang zur Perfektion?

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #194 am: 22 Februar, 2009, 00:07 »
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Manche Schriftsteller schreiben nur ab und zu, vor allem ab." (Heinz Erhardt, von 1919-1924 Hannoveraner)

*** Wanderer, reist du zur CeBIT an und kommst ins schöne Hannover, so reist du in eine vom Terror gefährdete Stadt. Denn hier lebt ein Innenminister namens Uwe Schünemann, der davon überzeugt ist, dass 30 bis 40 Islamisten in Terrorcamps bereit stehen, die niedersächsischen Tiefebene zu löchern. Darum ist der Innenminister seit Wochen dabei und wirbt für ein "Gesetz zur Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten", auch als Terrorcamp-Gesetz bekannt. Wie ein kundiger Kommentator feststellte, ist dieses Label der zweitgrößte Blödsinn der aktuellen wahlfeilen Terrorhysterie. Jegliche Unterweisung im Umgang mit gefährlichen Stoffen soll pönalisiert werden, wie in der PDF-Datei zu lesen ist. Als gefährliche Stoffe können schon die künstlichen Aromen gelten, die Schünemann in seiner Zeit vor der politischen Karriere verkaufte – all das Zeug, dass uns Erdbeer-Aroma in einem Joghurt schmecken lässt, der Beeren nur in homöopathischen Dosen enthält. "Erfasst werden soll zum Beispiel die vielfach ohne konkreten Tatbezug erfolgende Verbreitung von Bombenbauanleitungen und so genannten 'Kochbüchern' zur Planung terroristischer Anschläge über das Internet. Auch das Sich-Verschaffen von solchen Schriften z.B. durch Herunterladen aus dem Internet wird unter Strafe gestellt, wenn es zur Vorbereitung einer solchen Gewalttat erfolgt."

*** Aus Kalifornien kommt vielleicht Herr Schwarzenegger nach Hannover, um im Film Mama, ich habe die CeBIT geschrumpft aufzutreten. Ganz sicher sind aber die Kalifornier von Hewlett-Packard dabei, die mit einem Terror-Video für Verstörung in der IT-Szene sorgen. So ungrün wurden Rechner lange nicht mehr entsorgt. Vielleicht werden aber auch die Leute von Go Grid aus dem kalifornischen San Francisco dabei sein und zeigen, wie Server zu Clouds werden. Wäre das Terrorcamp-Gesetz beschlossen, könnten diese Herren direkt verhaftet werden, ehe die Tiefebene einen Kratzer bekommt: Sie geben ja zu, sich Anleitungen aus dem Netz besorgt zu haben.

*** "Über Politiker lache ich mich schief, eckig und krumm, was übrigens ein guter Name für eine Baufirma ist." (Groucho Marx)

*** Wie schlimm es um die Demokratie steht, zeigen die Bemühungen der Politiker, die Daten terroristischer Kinder ab 12 Jahren zu erfassen, wenn die Rotzbengel rotten.com oder 4chan.org heimsuchen. Denn was ist das Ergründeln solcher Sites anderes als die Vorbereitung auf ein Leben in Terrorcamps? Während diese Wochenschau verbytet wird, läuft im Radio ein Gespräch mit dem Staatssekretär des Innenministeriums und ehemaligen Geheimdienstmann August Hanning, der die Speicherung dieser Daten verteidigt: "Will man mehr Sicherheit? Oder will man hier bewusst weiße Flecken lassen und im Sinne der Political Correctness und im Sinne des Datenschutzes entscheiden?" Die Formulierung lässt aufhorchen, nicht nur, weil 12- bis 14-Jährige kriminalisiert werden, sondern auch, weil der Datenschutz hier mit dem Terrorismus gekoppelt wird. Schmieriger geht es kaum noch. Das kaputte Weltbild der Sicherheitsexperten hat seine eigene Logik: Noch vor der Sommerpause soll das Verfassungsschutzgesetz geändert werden, damit Kinder erfasst werden können. Beim Datenschutz für Arbeitnehmer hat man dagegen Zeit bis zum nächsten Regieren. Du darfst kein Kind sein in dieser Welt, könnte man mit den Prinzen trällern.

*** "Die Redaktion wollte mit dem Konzept dieser Geburtstagsgala die nachhaltige Wirkung darstellen, die Heinz Erhardt bis heute auf den deutschen Fernsehhumor hat. Aus diesem Grund erhielt eine Vielzahl der derzeit populärsten TV-Humoristen die Gelegenheit, ihre Verbundenheit mit Heinz Erhardt auszudrücken. So konnte auch jüngeren Zuschauern die außerordentliche Bedeutung des längst verstorbenen Jubilars vermittelt werden." (Presseerklärung zur niveaulosesten Sendung seit Gründung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.) Ich möchte es so formulieren: Wenn jedes Wort mit G anfängt und ein verbohrter Doofmann in der Senderegie siebtklassige Knallschargen dazwischen mischen darf, ist die GEZ-Gebühr ein Latrinen-Groschen.

*** Zur Empörung einiger Leser des kleinen Nachrichtentickers hat selbiger nicht Heinz Ehrhardt gewürdigt, sondern das Jubiläum des futuristischen Manifests. Dafür gibt es gute Gründe, wie die prompt auftauchende Diskussion über elektrische Puppen und Computerliebe zeigte. Nachzutragen wäre das akustische Manifest, das als Anzeige in einigen deutschen Tageszeitungen und in eben jenem Figaro erschien, in dem auch das futuristische Manifest abgedruckt wurde: "Befreit den Menschen aus der Sklaverei kapitalistischer Bewegungsideologie!" Ich würde nicht so weit gehen wie die Verfasser des neuen Manifestes, die in der Anbetung des Lärms durch die Futuristen den geistigen Nährboden des Faschismus erblicken. Aber das "Irrenhaus der Akustik", in dem wir leben, ist ja nicht nur im Karneval zu hören: Wenn unser Körper ein Schlachtfeld ist, dann sind wir es, die ihn mit akustischen Gadgets eigenhandy umbringen.

*** TaTaa, TaTaa, TaTaa: Karneval ist eigentlich keine Tradition, die im schönen Hannover zu Hause ist. Hier gibt es nur das größte Schützenfest der Welt. Aber weil heuer alles so globalisiert ist, gibt es auch in Hannover einen kleinen Umzug und einen großen Haufen Besoffene. Norddeutsche verstehen die Prinzenkultur nicht und schütten sich einfach nur zu. Es ist wie mit der Kultur des Adels, die mit unserem neuen Wirtschaftsminister von der FAZ ganz vorzüglich beschleimt wird: "Wer sich über Jahrhunderte halten und dann noch ein gewisses Vermögen vorweisen kann, versteht überdurchschnittlich viel von Wirtschaft." KoTau, KoTau, KoTau ... Bedenklich ist allerdings, dass der Karneval auch in den Hochburgen der Tollitäten zur Sauferei ausartet und eine wirklich lustige Debatte über Nacktscanner und Nonnen überlagert. In Hannover trottete der Karnevalszug am Samstag am Landtag vorbei, in dem die Ausstellung zum Auschwitz-Prozess einen etwas lieblos in die landtäglichen Wandelgänge gepressten Auftritt hat. Eine surreale Szene ergab sich nun beim Wandern durch die trotzdem sehenswerte Ausstellung, der Blick fiel vorbei an den Tafeln zur Historie der Judenvernichtung mit schaurigen Bildern von antisemitischen Parolen auf den Karnevalswagen im Deutschland Mitte der 30er-Jahre, der Blick fiel durch die großen Fenster der Wandelgänge, die die Sicht auf den vorbeiziehenden Karnevalszug freigaben. Eine Szene, vergleichbar der, die Dolf Sternberger schon einmal in Frankfurt erlebt hatte: "Am Römer regieren die Fastnachtsnarren, die bunten Garden ziehen auf, das Prinzenpaar lächelt, wir brauchen nichts mehr zu hören und zu lesen von den Selektionen an der Rampe, nichts von Zyklon B, nichts von tödlichen Herzinjektionen." Ja, wir sind ein glückliches Volk. Aber vielleicht haben wir auch nur mal wieder zu viel gesoffen. Von was auch immer.

Was wird.

Die CeBIT kommt und viele, viele kommen. Tickets gibt es ja zum Überfluss, etwa auf einer skurrilen Werbeseite, die ein Web-Flaneur hinterlassen hat. Dort fallen die "Content-Produzenten" von einem Entzücken ins nächste, während die üblichen Kommentatoren die Sache etwas nüchterner sehen oder schlicht mit den Prinzen befinden, dass Alles nur geklaut ist. Ein kleiner Blick zurück ist immer schick, zumal die Macher der Webciety jetzt schon aus dem Häuschen sind über die Chance zum prokrastinieren, twittern und Sixtus beschimpfen. Was war eigentlich vor 10 Jahren schwer angesagt, als das Internet auf der CeBIT ganz groß rauskam? Da gab es tolle Sachen. Eine ganze, große und sehr abgedunkelte Halle war den Avataren vom Cycosmos gewidmet, die sich IRL trafen. Das war schick und fesch, ganz anders als das Treffen der deutschen Compuservler vor 20 Jahren in einem Heidekaff weit außerhalb Hannovers. Die Uhren gingen eben einfach anders: Vor 10 Jahren war der Stand der Firma Swatch schwer umlagert, weil sie erstmals die Internet Time vorstellte. "In wenigen Jahren wird die Jugend ihre 'Dates' nur noch mit der Internet Time bestimmen und wie selbstverständlich die Stundenpläne in Schule und Studium so koordinieren, dass es jeder Internet-Partner verstehen kann." Tja.

Diesmal wird natürlich alles noch viel anderer. Nach Z wie Zorro und S wie Superman wird The H seinen Auftritt haben. H wie Heise, H wie Hilfe, H wie beinhart und H wie Hacken wird in H wie Hannover durch H wie Hallen streifen, im klassischen Look der Super-H wie Helden vom Planeten ^H. Im feschen Speedo-Ganzkörperanzug werden sich die heiseblauen Redakteure, von einem flammendroten Cape ummantelt, ins Getümmel stürzen und dabei die Zauberformel "tie eitsch" murmeln, die jeden PR-Fuzzi erstarren lässt und jedem Progger die Sourcen zum Überquellen bringt. Vergessen wir den langweiligen H-Index der Wissenschaftler und verneigen wir uns vor "The H". Ist nicht selbst Atlantis nichts anderes als der gescheiterte Versuch eines Bootes, ein ordentliches H auf dem Meeresgrund zu zeichnen? Wir H wie Hyperboreener lächeln weise leise.

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