Autor Thema: Was war. Was wird. (Die Wochenschau von Hal Faber)  (Gelesen 124946 mal)

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #105 am: 19 November, 2006, 00:16 »
Shit happens. Und alte Säcke brauchen mehr als intelligente Toiletten, um in dieser seltsamen Welt zu überleben und nicht an chronischer Ohrverstopfung einzugehen, merkt Hal Faber an.

Was war.

*** "Es gab nur den Song und den Sänger. Wenn du keine Magie hattest, wenn du die Leute nicht durch die Melodie berührt hast, musstest du dich leider, leider erschießen. Heute kannst du's durch die Show retten." Zwei gelassene alte Männer unter sonnenbeschienen Bäumen klimpern ein bisschen auf der Gitarre und lesen anschließend im Interview ganz entspannt der Musikindustrie die Leviten. Einer Musikindustrie, die lieber den Musikfan erschießt. Oder dann halt doch von den Popklassikern lebt, sie neu abgemischt als die Sensation des Jahres feiert, oder gar in Bush-Amerika unerwünschte Personen zur Rettung des Pop ausruft, am liebsten aber immer noch auf die in Kadettenanstalten getriezten Hupfdohlen zurückgreift, die lautes Geschrei mit der Magie eines guten Popsongs verwechseln. Nun, da verwundert es nicht, dass der Pop jetzt rechtsradikal wird. Oder doch nicht – er geht wohl einfach den Weg all dessen, was nur noch langweilig und öde ist. Wer will schon noch das Recht auf Privatkopie, wenn es nichts mehr gibt, was sich zu kopieren lohnte ... Gibt es denn wirklich nur noch bei den alten Säcken ein bisschen Hoffnung?

*** Wer also ist die Hoffnung des Pop? Etwa all die hochgejazzten Web-2.0-Musikanten, von den Arctic Monkeys bis zu den Killers? Oder bleibt's bei den R&B-Eskapisten, die langsam in immer mehr Softsoul-Schmalz versumpfen? Warum dann nicht gleich André Rieu ... Fragen über Fragen, und nur unbefriedigende Antworten. Aber heute ist ja auch passenderweise der Welttoilettentag. Nicht aber, dass alles nur Scheiße wäre – es gibt ja auch noch anderes als die Ranküne der Musikindustrie und der unter akustischer Verstopfung leidenden Musikhörer. Denn schwerpunktmäßig wird der Welttoilettentag in Paderborn im Museum gefeiert, genauer in der Ausstellung Computer.Medizin: Womit wir wieder bei der Scheiße wären. Denn im HNF, da steht das intelligente Scheißhaus der Zukunft, die mit WLAN ausgestattete höhenverstellbare Toilette mit Sitzheizung, die unter anderem die Temperatur, den PH-Wert und den Blutzuckergehalt des Urins misst und per Funk zum PC schickt. Mit dem man wiederum einen Reinigungsstrahl programmieren und die Intensität des Trockenluftstroms bestimmen kann. Bald weiß meine Toilette mehr über mich als mein Hausarzt. Vielleicht kommuniziert sie hinter meinem Rücken mit dem aktiven Implantat in meinem Bauch, damit es das Magenband enger schnallt, weil ich wiedermal zuviel gefressen habe. Gut, man könnte den Welttoilettentag anders feiern, etwa mit einem Toilettenvideo aus der nicht enden wollenden Chronique Scandaleuse von StudiVZ, die uns im WWWW seit mehreren Ausgaben begleitet. Letztens schrieb ich über die Verwendung des Völkischen Beobachters durch die Bande. Nun sind die Illustrationen da und täglich kommen neue Details hinzu. Was man im Rahmen eines Welttoilettentages so kommentieren kann: Die braune Kacke kann man herunterspülen, für die braune Denke in den Köpfen dieser neuen Unternehmer braucht es andere Dinge. Immerhin: Dem gruseligen Essay eines Unbelehrbaren ist eine Entschuldigung 2.0 gefolgt.

*** Für IT-Journalisten wird das Leben mit dem Web 2.0 immer härter. Schluss ist's mit den Verhätschelungen, die sich Pressereisen nennen. Auch die Tratschplätze namens Messen werden besenrein anderen Bestimmungen überlassen. IBM hat dieser Tage neue Geschäftsideen in der Online-Welt Second Life vorgestellt, während Sun seine Java-Ankündigung und das Projekt Darkstar im eigens von Millions of Us aufgebauten Sun-Pavillon auf Second Life verkündete. 60 Leute schafften es, trotz aller verwirrenden Angaben durch Sun, in den virtuellen Pavillon. Journalisten waren nicht darunter, verkündete später Suns Chief Gaming Officer Chris Melissinos. Schlappe 15.000 Dollar hatte der Pavillon gekostet. Noch günstiger waren allerdings die vorab per Mail verschickten Pressemeldungen. Ich weiß nicht, was am Dienstag im Dell-Pavillon von Second Life verkündet wurde, da Dell europäische Teilnehmer von dieser Pressekonferenz ausgeschlossen hatte. Draußen vor wurde nur bekannt, dass man Dell-Rechner nun mit Linden-Dollars kaufen kann. Das Problem der tollen virtuellen Pressereisen ist wahrscheinlich auch ein Generationen-Problem. Am 1. Dezember lädt Socialtext zu einer Pressekonferenz in Warcraft ein. Bis um 5 p.m. Serverzeit muss man sich nach Goldshire im Elwynn Forrest auf dem Eitrigg-Server durchgekämpft haben. Wahrscheinlich werden das nur wenige Journalisten schaffen, wenn sie sich nicht mit einem erfahrenen Warcraft-Spieler zusammentun. Oder einfach auf die E-Mail mit der digitalen Pressemappe warten.

*** Während Cisco in Deutschland mit einem Konnektor etwas für die Gesundheit tut, hat man für schlappe 4 Millionen Dollar im Jahr die Cisco Fields der Oakland Athletics angemietet, um sie mit der neuesten Technologie zu füllen. Dem quengelnden Nachwuchs können Cola und Hot Dogs per Blackberry bestellt werden, ohne dass man auf das spannende Baseball verzichten muss. Hart arbeitet Cisco daran, dass der Spielbesuch sich nicht vom Fläzen vor dem Fernseher unterscheidet, mit Ausnahme der sauberen Toiletten natürlich. Das sollte man am Welttoilettentag fairerweise erwähnen. Zeitlupe auf Monitoren an allen Sitzen, was will man mehr? Und warum nicht bei uns? Wo ist es denn, das Siemens-Stadium? Kein Geld?

*** Cisco nennt den Deal eine Revolution in Anlehnung an die Oakland-Revolution der 68er, als das amerikanische Telefonnetz glühte. Damit ist übrigens nicht die Studentenrevolte gemeint, sondern das Heidi Game, die Entscheidung des Fernsehsenders NBC, am 17. November 1968 die Übertragung des Football-Matches zwischen den Oakland Raiders und den New York Jets eine Minute vor Spielschluss beim Stande von 29 zur 32 für die Jets abzubrechen und pünktlich mit der Ausstrahlung von Heidi zu beginnen. Pech für NBC: Die Raiders drehten das Spiel noch um und gewannen. Seitdem können Sportsendungen in aller Welt überziehen. Sportliche Katastrophen gibt es dennoch weiterhin, wenn Sender Werbespots zur falschen Zeit einblenden oder Waldemar Hartmann auf dem Bildschirm erscheint. Aber ach, was ist schon Waldi gegen Kai? Möglicherweise sind intelligente Toiletten doch die besseren Sportreporter, zumindest weiß man gleich, wohin mit der Scheiße, die am Ring, am Spielfeldrand und neben der Rennstrecke abgesondert wird.

*** Apropos Toiletten: Ich glaube, dass Microsofts Steve Ballmer ein großer Clown sein könnte. Leider muss er eine Firma führen, daher kommen seine Späßchen nicht immer gut an. Dieser Witz über den Teufelspakt soll offenbar verdecken, dass Microsoft offenbar ein Novell-Patent verletzt hat, das bis zum Jahre 2012 gültig ist. Doch Clowns sollte man nicht unterschätzen. Spätestens seit der Entscheidung, MS-Firefox statt dem patchgeplagten Explorer einzusetzen, zeigt sich Ballmer auch als vifer Stratege.

*** Und wenn man schon tief in der Schweiße steckt, kann es doch noch schlimmer kommen. Etwas verspätet verneige ich mich vor Jack Williamson, der im gesegneten Alter von 95 Jahren diesen Teil der Realität hinter sich gelassen hat. Mit "The Humanoids" schrieb Williamson einen der großen Roboter-Romane. Bei uns erschien das Werk unter dem Titel Wing 4 in der Science Fiction Reihe des Philosophen Gotthard Günther. Vom Goldenen Zeitalter der Science Fiction sind nur noch wenige Autoren unter uns und nein, mein Halbnamensvater Clarke gehört nicht zu ihnen, da er erst nach 1945 seine SciFi veröffentlichte. Bei aller Trauer gibt es auch gute Nachrichten: Der hier erwähnte Bibel-SciFi-Comic Acedah ist im freien Download verfügbar, mitsamt den Kommentaren des Autors. Zur Erinnerung: Er erzählt die Geschichte, was passiert, wenn wir alle mit RFID-Chips getaggt sind.

Was wird.

Wo ich bei den Geschenken bin; Weihnachten rückt näher. Das erste Spielzeug für den Admin von morgen wurde bereits als Nachricht gemeldet, doch die richtigen Spielzeugereien für Erwachsene, die der große Raffzahn listet, müssen bald bestellt werden, damit sie möglichst klimaneutral ankommen können.

Am nächsten Dienstag feiert Motorola einen besonderen Geburtstag. 10 Jahre ist es dann her, dass man den ersten Vertrag für den Aufbau eines TETRA-Netzes an Land zog. Trotz der satten Summe von 132 Millionen Euro für innere Sicherheit warten die Einsatzkräfte bei uns immer noch auf den leistungsfähigen Funk. Vielleicht liegt es daran, dass wir bei der inneren Sicherheit führend sind? Ach, die Gelder sollen in die Dauerüberwachung des Internet fließen. Und die Bundespolizei muss ganz dringend renoviert werden, damit "eine Stärkung des Kräftepotenzials für Auslandsverwendungen" erfolgt, während die Bundeswehr zum Ausgleich im Innern schädelsichernde Maßnahmen durchführen soll. Der ganze Irrwitz um Sicherheit und Terror braucht schnellstens eine Exit-Strategie.

Im Kampf gegen den Terror sollen auch die Anonymisierungsdienste die Vorratsdatenspeicherung betreiben. Ich verweise darum auf diesen exzellenten Blog, in dem einmal die Kosten für die Datenspeicherung von einem TOR-Admin durchgerechnet werden. Fazit: Die ausgesprochen sinnlose Anforderung dürfte viele TOR-Nodes zur Aufgabe zwingen. Was dann im Innenministerium als positive Nebenwirkung verbucht werden dürfte. All das ist nur ein zarter Hinweis auf eine Veranstaltung zum Anonymisierungsdienst AN.ON, die in der nächsten Woche im Bundeswirtschaftsministerium stattfindet. Wenn Sicherheitsfanatiker frei drehen, vergessen sie die Kosten des Antiterror-Terrors, die die Wirtschaft aufbringen muss. Derweil verabreden sich die wahren Terroristen zum Brainstorming im leergefegten Sun-Pavillion auf Second Life, in einer Warcraft-Höhle oder konferieren besser gleich als Clan in einem dieser Ballerspiele. Vielleicht kommunizieren sie in naher Zukunft über intelligente Toiletten, die prompt unter die Vorratsdatenspeicherung fallen. Shit happens.

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« Letzte Änderung: 19 November, 2006, 01:54 von SiLencer »

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #106 am: 26 November, 2006, 00:34 »
Was war.

*** Who wants to live forever? Viele, doch, auch wenn alles schon von anderer Seite für uns entschieden scheint. Am Freitag vor 15 Jahren aber starb Freddie Mercury, und eine Ära ging zu Ende. Eine noch weiter zurückliegende Ära verklang eigentlich erst am Donnerstag, als Anita O'Day starb, die voerst letzte der Diven unter den Jazzsängerinnen. Forever is our today.

** Diese Kolumne aber, sie entsteht nicht in der Ewigkeit, sondern am Kaufnichtstag. Das bedeutet zunächst einmal, dass absolut niemand diese Kolumne gekauft hat. Und das, obwohl ich meinen Bauchladen für Erwähnungsbonuszahlungen und Schweigespiralen nach dem neuen Ladenschlussgesetz rund um die Uhr geöffnet habe. Ich schreibe also die kleine Wochenschau, ohne dass ich das übliche Scheinchen der Bande bekommen habe, damit ich Siemens nicht erwähne. Ackermann hat mir gestern Abend bedauernd seine leere Börse gezeigt. 3,2 Millionen muss er zahlen, der arme Kerl, der bei der Deutschen Bank nur 20 Millionen per anno verdient.

*** Aber was sind schon 3,2 Millionen, wenn es um die Ewigkeit geht. Auch Microsoft und Novell haben diesmal keine Asche fürs Kolumnisten-Appeasement über, nachdem die beiden ehrenwerten Firmen am Mittwoch die Tageszeitungen von Filzland mit ganzseitigen Anzeigen pflasterten. "Brücken bauen" wollen sie, wozu ein weitreichender Patentschutz notwendig ist, sagen sie in der Anzeige. Tja, das ist dann wohl eine Partnerschaft, die wirklich für die Ewigkeit geschmiedet wird. Man muss sich das bildlich vorstellen, wie Microsoft eine Brücke in Powerpoint anlegt und merkt, dass in Open Office eine Fähre daraus geworden ist. So lesen wir in der Anzeige: "Die beiden Firmen arbeiten zukünftig zusammen, damit Kunden besser und einfacher Dokumente zwischen OpenOffice.org und Microsoft Office austauschen und damit bearbeiten können." OpenOffice.org, soso. Aber der Text geht noch weiter: "Außerdem werden wir den Kunden des jeweils anderen Unternehmens Patentschutz für unsere wichtigsten Produkte zur Verfügung stellen. So können wir unseren Kunden höchste Interoperabilität bieten." Aha, aha. Liebe Novell, liebe Microsoft, ich bedanke mich ganz herzlich für den anzeigenmäßig geschalteten Irrsinn, dass es ohne Patentschutz keine Interoperabilität geben kann. Das sind wirklich Weisheiten, die für die Ewigkeit Gültigkeit haben. Oder doch nur fürs Jenseits? Disclaimer: Ich weiß, dass sich die vollständige Erklärung etwas anders liest. Aber welcher Tageszeitungsleser tut sich den Tort an, so etwas zu lesen? "Dieses außergewöhnliche Abkommen zwischen Novell und Microsoft ist durch einen umfassenden und konstruktiven Dialog, gegenseitigen Respekt und kreative Problemlösung zustande gekommen." Es gibt Brücken, die (Vorsicht, Video) so ins Schwanken geraten können, dass es Menschen speiübel wird, wenn sie drüber wollen.

*** Dieser kleine Wochenrückblick entsteht in der norddeutschen Tiefebene, über die gerade ein warmer kräftiger Frühlingswind braust. Die Kinder sind draußen, spielen im Wald oder auf dem Bolzplatz. Dennoch werden sie sich heute Abend mit ihren Clans auf irgendwelchen Servern zum Ballern treffen, sofern sie nicht älter sind und Treffen in RL auf Parties vorziehen. Das aufgeregte Geschnatter über das Verbot von Killerspielen nach der Tat des verzweifelten ResidentX brauchen wir hier also nicht zu kommentieren. Natürlich beeinflussen Ballerspiele Kinder, genau wie das gern zitierte Spielen im Wald. Es gibt Auswirkungen: "Es gibt eine Studie aus den USA, die gezeigt hat, dass die Treffsicherheit der Täter durch die Computerspiele enorm steigt. Wenn Sie oder ich zum Amokläufer würden – wir würden mit solchen Waffen keinen Lastwagen treffen." Immerhin zeigt Emsdetten, dass die Waffenrechtsnovelle nach dem Amoklauf von Erfurt gegriffen hat: Die benutzten einläufigen Perkussionswaffen sind frei verkäuflich.

*** Die Kommentare zu Emsdetten zeigen den eigentlichen Irrsinn, der in Deutschland herrscht: Niemand sieht genau hin, hört zu und reagiert auf Hilferufe in den einschlägigen Web-Foren, in denen sich der junge Mann zu Worte gemeldet hatte. Weit weisen die Betreiber dieser Dienste jede Verantwortung von sich, schließlich haben Werbezwecke Vorrang. Die Tagespresse pflegt derweil unbekümmert ihre Steckenpferde und schwafelt Unsinn wie etwa, dass Jahre der feministischen Denunziation haben da volle Breitenwirkung entfaltet haben. Nicht besser allerdings erscheint es, wenn die gleichmachende, friedensbewegte und humanitätstrunkene Gesellschaft für den Griff zum Vorderlader verantwortlich gemacht wird. Und gleich ein höhnisches Looser dazu, das macht sich schick, in diesen Tagen. Derweil hat das Fäuleton der immerzu Anständigen die abscheuliche Ästhetik und die bessere Gewalt diskursiv im Griff und triumphiert mit der Deutungshoheit der immerzu Allesverstehenden. Derweil beginnt bei ResitantX derselbe Mechanismus zu wirken, der die Amokläufer von Littleton umgibt. Vor wenigen Monaten kam eine CD-ROM ihrer Aufzeichnungen heraus. Heute ist sie Kult und nicht wenige WWWW-Leser bestellten sie, als ich auf einen entsprechenden Text im Feuilleton verlinkte, der die Ästhetik dieser Aufzeichnungen lobend rezensierte.

*** Wer die Ballerspielphase hinter sich hat und womöglich an einer Universität zugelassen wird, aber sich nie getraut hat, ein weibliches Wesen anzusprechen, der hat es im Zeichen von Web 2.0 ganz leicht. Er grabscht notgeil digital die Bilder ab, die eine Website wie StudiVZ reichlich ungeschützt anbietet. Er gruschelt und das auch noch hoch arbeitsteilig organisiert. Aber, hey, ich bin doch nur ein völliger harmloser und ewigkeitsinteressierter Beobachter, seit Wochen schon, und freue mich, wenn es heißt, dass es total normal ist, dass sich Studentinnen über Studenten und Studenten über Studentinnen unterhalten. So bleibt mir nur übrig, im Sinne des Mitgründers mit einem (Vorsicht, iranisches Gewaltvideo) weiteren Link zu antworten. Denn heute vor 64 Jahren hatte Casablanca Premiere, ein kleines Filmchen, in 10 Wochen abgedreht. Die Videofassung für alle Aufrechten ist natürlich das Absingen der (Vorsicht, Video mit antidarianischen Untertönen) Marseillaise.

Was wird.

Lassen wir das mit den Hymnen. Wer kennt denn noch die großen Gesänge der SPD, wer singt denn noch inbrünstig über Spaniels Himmel, unter dem kein Sozialist den Faschistenkugeln ausweicht? Morgen beginnt die Konferenz über sozialdemokratische Wirtschaftspolitik, zu der auch der bekannte Sozialdemokrat Marcel Bartels eingeladen ist, genau wie sein Gegenspieler, der SPD-Minister Sigmar Gabriel. Der klagt seit geraumer Zeit über einen Forums-Beitrag, den ein Dritter bei dem besagten Marcel Bartels eingestellt hat. Wie heißt es so schön im Impulspapier der Konferenz, Punkt 16: "Die Politik muss zudem Verbraucherinnen und Verbraucher durch Informationsrechte und Transparenzregeln stärken, damit sie von der Nachfrageseite zum Funktionieren des Marktes beitragen können." Informationsrechte, Transparenzregeln? Und jetzt googlen bitte die WWWW-Leser, die es bis hierhin ausgehalten haben, den Satz "Ich will auch zu den Nutten".

Es gibt natürlich auch andere Termine, etwa die tolle Konferenz Bessere Software!. Man denke nur an den flammenden Vortrag, den SAP-Gründer Hasso Plattner in dieser Woche für bessere Software gehalten hat. Ausgerechnet ein SAP-Chef fragt sich: "Bin ich zu blöd, dass ich das nicht sofort bedienen kann?" Ach, wer kennt ihn nicht, den Witz "Wenn SAP Toaster herstellen würde, dann ..."

In Berlin ist T-Com zugange und veröffentlicht am Mittwoch die Ergebnisse der Studie Deutschland Online 4 zur Branchenkonvergenz und der herausragenden Art, die das grandiose Web 2.0 in unser aller Zukunft spielen wird. Nichts weniger als eine gesamtgesellschaftliche Betrachtung des Web 2.0-Phänomens präsentiert Professor Wirtz im Sony-Center. Deutschland Online 3 mit dem gesammelten Unsinn zum Triple Play gab es übrigens in München auf dem Digital Lifestyle Day. Doch das große Gruscheln mit Marissa Meyer und Craig Newmark findet erst im nächsten Jahr im Januar statt und T-Com braucht T-Com 2.0 so schnell wie möglich. Des Kaisers neue Kleider kommen diesmal nicht von Burda Moden.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #107 am: 03 Dezember, 2006, 01:39 »
Was war.

*** "Es sah aus, als habe eine belebte, aus altem Elfenbein geschnitzte Darstellung des Todes ihre Hand drohend gegen eine reglose Menschenmenge erhoben, die aus dunkler und glänzender Bronze gegossen war. Ich sah, wie er den Mund weit öffnete – er sah wie ein gieriger Dämon aus, als wolle er alle Luft, alle Erde und alle Menschen vor sich verschlingen." Heute vor 149 Jahren wurde Joseph Conrad geboren, einer der größten Schriftsteller in englischer Sprache – über den in Deutschland gerne kompletter Mist aufgehäuft wird. Willkommen in dem ungenauen Wochenrückblick mit den unpassenden Jubiläen, und doch ... "Es war, als sei ein Schleier zerrissen. Ich sah düsteren Stolz, erbarmungslose Gewalt, feigen Schrecken auf diesem Gesicht aus Elfenbein, tiefe und hoffnungslose Verzweiflung. Lebte er sein Leben nochmals, jeden einzelnen Wunsch, jede Versuchung und alle Hingabe, während jenes höchsten Augenblicks vollkommenen Wissens? Flüsternd schrie er etwas irgendeinem Bild entgegen, einer Vision – er schrie zweimal, nicht lauter als sein Atmen: 'Das Grauen! Das Grauen!'"

*** Viele kennen Conrad nur als Vorlage für Coppolas Apocalypse Now, den Film, in dem sich die Doors und Richard Wagner die Hand reichen, in dem ein neues Bild des Soldatischen vermittelt wird, eine neoliberale Kriegsidentität, die sich in Amokläufen entladen kann, in Auslandseinsätzen im Kampf aller um etwas. Unsere Gesellschaft ist ein Kampfzusammenhang geworden, in dem das neue deutsche Fräuleinwunder mit weit gespreizten Beinen im Satinhemdchen für Strategiespiele wie Medal of Honor Heroes wirbt. Ein Kampfzusammenhang, in dem die noch braun getünchten Führergestalten des Web 2.0 in Kampfbombern unterwegs sind. Eine heimlich militarisierte Gesellschaft, in der die Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2006 an den SASPF-Programmierer Florian Pfaff kein nachrichtenwertes Thema ist. Lieber hetzt man gegen "Killerspiele" und verkauft den Schund gleich umme Ecke. Leben wir schon in Costaguana?

*** Lehnen wir uns darum in diesen unseren Zeiten großer Bedrohungen in unserem Sessel zurück und freuen uns über das Terrorbekämpfungs-Ergänzungsgesetz und die Antiterror-Datei der neoliberalen Politik-Krieger, die konstitutiv für das Abendland denken, wenn sie uns im Krieg gegen das böse Morgenland die Freiheit einschränken. Natürlich bedroht dergleichen die Bürgerrechte nicht, weil ein Geheimdienst keine Zwangsmittel gegen die Bürger in der Hand hat, schreibt die taz. Die derweil über freudsche Versprechungsleistungen bei den Zwangsüberstellungen berichtet. Bei uns werden alle Zweifel ausgeflogen.

*** In den USA hat Scott Dilbert überzeugend dargelegt, dass Bill Gates einen guten Präsidenten abgibt – wenn man eine Mischung aus Mutter Teresa, Carl Sagan, Warren Buffet und Darth Vader als Präsidenten haben will. Ich persönlich würde eine andere Mischung bevorzugen. Außerdem möchte ich wirklich nicht Michael Greve als Bundeskanzler haben, auch wenn dann schön animierte Grafiken die deutsche Politik beleben würden. Dann schon lieber Lars Hinrichs als Kanzler, dessen Firma satte 319.000 Euro Gewinn machte. Mit OpenBC, das nächste Woche an der Börse klotzt, verfügt er einfach über einen Talentpool sondergleichen, schnell die BRD 2.0 aufzubauen. Wie verkündete Hinrichs auf dem Digital Bambi Day im Januar? "Ich habe 15 Jahre meiner 29 Jahre im Netz gelebt und wünsche, dass das jeder tut. Da gibt es keine Risiken, die man nicht beherrschen lernen kann."

*** Wobei ich überhaupt bekennen muss, dass ich gerade ein Problem mit Visionären habe. Gerade ist iWoz erschienen, ein überraschend schlechtes Buch vom großen Wozniak, der einfach alles erfunden hat außer der Maus, die er mit keinem Wort erwähnt. Der – siehe den Kasten "Ich und die UdSSR" – ganz allein den Sozialismus mit seinen Rockkonzerten zum Zusammenbruch brachte. Offenbar hat niemand dem aufgeplusterten Ego und seiner Mitautorin Gina Smith ("Wie ich mit Larry Ellison den Network Internet Computer erfand") beibringen können, dass manche Mythen besser Mythen bleiben. So aber haben wir iWoz bekommen, mit dem besonders großen I. Demnächst als Präsident.

*** Bekanntlich haben wir eine Justizministerin, die sich zusammen mit Microsoft für den Schutz des geistigen Eigentums stark macht. Erster Preisträger im Wettbewerb Die Idee ist zweifelsohne der Architekt Meinhard von Gerkan, der in dieser Woche dem Urheberrecht zu einem glanzvollen Erfolg verhalt, auch wenn der Sturkopfchef der Deutschen Bahn in die nächste Instanz ziehen will. So wird der Berliner Hauptbahnhof noch eine Weile mit dem Makel "Oben hui, unten pfui" existieren müssen, wie wir mit den Verspätungen der Bahn. Schließlich ist jetzt wirklich der Herbst da, mit diesen gefährlichen Blättern auf den Schienen. Was einem Mehdorn im Auge ist, wird schnell zum Geschwür. So bekommen wir bei der Warterei nicht die Reichsbahn-Ausstellung von Beate Klarsfeld geboten, sondern eine mit dem Material des DB Museums in Nürnberg. Sie soll zeigen, wie das damals war, als die Juden ihre Reichscard bekamen, zu 100% von Deutschen ermäßigt.

*** Ich mag übrigens Coppola. Zu dieser Jahreszeit das von ihm produzierte "Junky's Christmas" mit William Burroughs als Sprecher zu sehen, gehört zu den besseren Chanukka-Bräuchen, auch wenn Burroughs als Sprecher eine Fehlbesetzung ist wie Woz als Autor. Was macht ein aus dem Gefängnis entlassener Junkie? Was macht ein zu 9 Monaten Haft auf Bewährung verurteilter Anwalt, bei dem seine "äußerst herablassende Art, seine völlige Uneinsichtigkeit und sein fehlendes Unrechtsbewusstsein" strafverschärfend wirkten? Wo ist der Kick, sich aus der urgemütlichen Realität zu katapultieren, in einen schönen Raum, der nur für die Explorer von echtem Schrot und Korn geöffnet wird? Auch die Aufmerksamkeitsökonomie hat ihre Opfer, am langen Schwanz der Hoffnung.

Was wird.

Bleiben wir doch einfach im Gericht, auf hoher See. Morgen starten im idyllischen Kassel eine ganze Serie von Verhandlungen zu einer Prozesslawine, bei der selbst SCO die Scheckbücher schlackern dürften. Im wirklich einzigartigen TransiDoc-Verfahren geht es um die Sicherheit von digitalen Dokumenten. Stellen wir uns einmal vor, nicht in der norddeutschen Tiefebene zu wohnen, sondern ein Schloss zu kaufen, das einstmals der Affinger Adel bewohnte. Der Kaufvertrag wird mit einer digitalen Signatur in einem Word-Dokument unterschrieben. Doch dann fordert ein findiger Rechtsanwalt mit Verweis auf eine PDF-Datei Kauflizenzgebühren in ungeahnter Höhe. Wie solch ein Prozess ausgehen kann, soll in Kassel geklärt werden.

Es ist noch ein bisschen hin, doch der IT-Gipfel von Bundeskanzler Greve, äh, uhm, Bundeskanzlerin Merkel schlägt bereits hohe Wellen, wie das IT-üblich ist. Man könnte jetzt die Größe des Planschbecken berechnen, in dem all dies passiert, doch ich weise leidenschaftslos nur auf SAP-Chef Henning Kagermann hin, der zum Kaffeekränzchen ganze Leuchttürme heranschleppt. Es ist natürlich nicht so, dass eGovernement nur mit SAP-Software geschmiert läuft. Wir müssen uns nur fokussieren und das auch bei den Universitäten tun, denen langsam die die InformatikerInnen ausgehen, dann klappt das schon. "In Amerika ist Informationstechnologie groß geworden, weil das Verteidigungsministerium investiert hat." Los Ballermannlos, anyone? Uh, öh, röchel: Fast hätte ich ihn vergessen, den offenen Brief der Bürger an die Kanzlerin, doch bitte beim Gipfel nicht den Zipfel zu vergessen. Welchselbiger nicht immer ein long tail ist. "Das Grauen! Das Grauen!" – aber selbst das ist heutzutage äußerst banal.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #108 am: 10 Dezember, 2006, 02:22 »
Was war.

*** Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andere will Knete sehen.

Darum gibt es heute statt der Faust-Karriere eines Intellektuellen, der es nur zum Bobo 2.0 bringt, das bekannte Gejammer eines Journalisten, der von der Hand in den Mund lebt, mit einer Tastatur dazwischen. Doch das wird sich ändern! Ich werde reich, unfassbar reich! Ich kann schon einmal anfangen, die Vorpixel, aus denen Vollpixel werden und schließlich liebliche Scheinchen, denn hach, im Internet 2.0 sind meine wertvollen Beiträge bares Geld. Im nächsten Jahr. Eventuell. Und nur, wenn der nette honorarzahlende Verlag in der norddeutschen Tiefebene die geldscheißenden Vorpixel auf seiner Webseite installiert und ich jeden Text feinsäuberlich in ASCII an die VG Wort schicke. Nun gut, so richtig hasenrein ist die Methode nicht, aber doch wohl ein feiner Beweis, wie wir Journalisten das Internet mit unschätzbaren Werten füllen und uns an den geistreichen Kommentaren der werten Leser freuen können, während die Blogger mit ihrem Katzencontent halt bluten müssen.

*** Tempo, die Schülerzeitung der 80er Jahre, ist wieder da, auf Stippvisite, und zeigt deutlich, wie das mit der anderen Seele geht. Acht Seiten am Heftende, auf denen der Nutella-Aufstrich des deutschen Journalismus für H&M als Model antritt, brauchen eigentlich keinen Kommentar mehr. Den spare ich mir darum für den im letzten WWWW erwähnten deutschen Bill Gates, Michael Greve, auf, der vor dem Ziel, Bill Gates zu werden, vor allem sehr deutsch ist, komplett mit Anwälten und Anmahnungen. Das sind juristische Vorpixel, aus denen schnell kostennötige Vollpixel werden können. Kann passieren beim Bloggen, dass ein kommender Bill Gates jemanden auf dem Strich hat. Aber ach! Beim Journalismus sieht es nicht viel anders aus. Da darf man nicht nur nicht über den netten BKA-Kollegen berichten, der in Afghanistan den deutschen Staatsbürger Khaled el Masri verhörte, sondern darf nicht einmal etwas über den Rechtsstreit selbst schreiben, weil nette BKA-Beamte keine Personen der Zeitgeschichte sind. Bestenfalls Unpersonen, für die entsprechend das Unrecht zuständig ist. Immerhin hat sich die deutsche Regierung gegenüber dem Kettenraucher el Masri erkenntlich gezeigt und die Diskussion über das Rauchverbot als verfassungsfeindlich eingestellt.

*** Verfassungstreu ist angeblich das Land Hessen, dass mit dem GIAZ eine Behörde vorgestellt hat, in der Polizei und Verfassungsschutz im Kampf gegen den Terrorismus zusammenarbeiten. Dieses "Gemeinsame Informations- und Analysezentrum" kampft auch im Internet, bekanntermaßen die Fernuniversität schlechthin, bei der alle Terroristen immatrikuliert sind, um zu Diplom-Terroristen ausgebildet zu werden.

*** Apropos Ausbildung: Journalisten brauchen keine. Das ist wie bei dem Vorpixel und läuft im Grundgesetz unter dem Stichwort barrierefreie Meinungsfreiheit. Jeder darf sich Journalist nennen, schreiben und das Resultat als Vollpixel verkaufen. Es darf sogar der größte Blödsinn über die ferngesteuerte Online-Untersuchung sein. Sieht man einmal davon ab, dass das Eindringen in fremde Computersysteme strafbar ist, die Unverletzlichkeit der Wohnung vom selbigen Grundgesetz garantiert wird, stellt sich immer noch die Frage, wer da die computertechnisch völlig unbedarfte Autorin technisch beraten hat. Vielleicht ist es am Ende nur eine Gehaltsfrage? Sehen wir es mit Dr. Faustus und Schmidt-Eenboom: Klammernde Organe sind keinem Journalisten fremd.

*** Der Unsinn von der Online-Durchsuchung, die jederzeit möglich ist, wenn man sich im Internet aufhält, wird dadurch nicht richtiger, wenn er angeblich in einem offiziellen "Programm für die Stärkung der inneren Sicherheit" steht. Dagegen hilft das "Programm zur Sicherung des häuslichen Friedens", 14-täglich in Ihrer Computerzeitschrift zu lesen. Vielleicht ist der hoch aufgehäufte Unsinn im Artikel nur ein raffiniert versteckter Aufruf, das programmatische Dokument der inneren Sicherheit zu befreien und zu veröffentlichen.

*** Kommen wir zu Nachrichten, die traurig stimmen. Mit guten IT-Kenntnissen ist es nicht getan. Einfach Google Maps ausdrucken und ohne Beachtung der Wetterberichte in leichter Bekleidung mal eben in die Berge fahren, das kann sich rächen. James Kim, der MP3-Player-Spezialist von CNet, hat genau das getan und dafür mit seinem Leben bezahlt. Seine Familie hat überlebt, die Details haben die Tagesblätter aller Welt ausgewalzt. Der Journalist James Kim war ein sympathische IT-Journalist, der immer die neuesten Familienbilder bei sich hatte; er mag ein warnendes Beispiel sein: Nicht alles, was im Netz, an der Konsole, im Ballerspiel so leicht und einfach aussieht, ist es auch in der realen Welt. Traurig sind darum auch die Nachrichten über die Trittbrettfahrer, die sich ein Witzchen auf die Verzweifelungstat in Emsdetten machen können, weil es wiederum Journalisten sind, die ihre Phantasien über Killerspiele ausleben. Bleibt allenfalls die Frage übrig, warum die Polizei, die gegen Terroristen souverän mit der Online-Durchsuchung vorgehen können, in diesem Fall zu Server-Logs greifen muss.

Was wird.

Morgen beginnt in Berlin eine Konferenz über den Holocaust im transnationalen Gedächtnis. Sie ist als Gegenstück zu einer iranischen Holocaust-Konferenz konzipiert, auf der sich die Holocaustleugner treffen. So aufrichtig die Motive sind, so zweifelhaft sind die möglichen Ergebnisse. Denn weitab von den Rechtsauslegern, denen Deborah Lipstadt bereits 1994 eine souveräne Beherrschung der Datennetze attestierte, breitet sich im Web 2.0 eine spielerische Form des Anti- wie des Philo-Semitismus aus, die bedenkliche Züge trägt. Eine Klitsche, die studentische Kontaktnöte befriedigt, lädt mit einer getürkten Ausgabe des Völkischen Beobachters zu einer Party ein. Von anderer Seite her kommend, zitiert man eben mal die mewineß heran und schreibt dazu gespreizt: "Der echte Blickkontakt hebt die Beziehung zu Mavens auf eine bislang kaum erreichbare Intensität und führt zu einer deutlichen und nachweisbaren Stärkung der Loyalität." All denen, die ziemlich leichtfertig auf religiöse Dispositionen zurückgreifen und Stereotype ausbeuten, sei Dawkins The God Delusion empfohlen, ein Buch, das unter anderem klarstellt, warum eine Haltung schädlich ist, die mit dem Kampf der Kulturen und Religionen Marketing betreibt. Dagegen hilft nur offener Atheismus.

Am Donnerstag steigt in Darmstadt eine offenbar völlig überflüssige Konferenz zur Internet-Kriminalität. Denn wenn die Online-Durchsuchung so einfach funktioniert, wie das die Süddeutsche Zeitung weisgemacht hat, dann sollte man den Phishern, Stalkern und Schwanzverlängerern schnell den Hahn abdrehen können. Zumindest, bis man auf neue Geschäftsmodelle trifft. Natürlich schwer passwortgeschützt, was die Sache noch attraktiver macht. So schließe ich, mit Goethe angefangen und um ca. 300 Euro reicher, mit Shakespeare, der hier sonst nur den Fall des Hauses SCO kommentiert. (Aber dort liegen die Kurse im Keller, Gesundung nicht in Sicht.)

Es beuge sich des Knies gelenke Angel,
wo Kriecherei Gewinn bringt.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #109 am: 17 Dezember, 2006, 03:56 »
Was war.

*** Heute beginne ich rücksichtslos mit den ganz schlimmen Nachrichten, obwohl Weihnachten vor der Tür steht und der geneigte Heiseleser schonmal die Installationsanleitung für den Baum 2.0 ausgedruckt hat. Da wäre die Meldung, dass ich wohl nicht mit den Vor/Vollpixel reich werde, wie im letzten WWWW behauptet. Wie kluge WWWW-Leser erkannten, gibt es üble Konsequenzen, die im Netz der Spammer, Schleimer und Verfüger zwangsläufig eintreten. Den einsamen Kampf, mit dieser Kolumne die maladen Wochenendzahlen von zweieinhalb Millionen Visits am Sonntag wieder über die werktäglich üblichen fünfeinhalb Millionen zu stemmen, den wird mir also nur der kleine bezaubernde Verlag in der norddeutschen Tiefebene vergelten.

*** Doch halt! Wie lange noch? Es gibt noch schlimmere Nachrichten! Wir leben hier in einem bedrohten Erdteil! Drei Viertel des Bundeslandes, das sich rund um das bezaubernde Hannover ausdehnt, liegen in dieser norddeutschen Tiefebene und sind akut bedroht, wenn der Meeresspiegel ansteigt. Das muss man sich einmal vorstellen: heise online unter Wasser, die c't aufgeweicht und zur Manuskriptübergabe muss man mit dem Schlauchboot paddeln. In der norddeutschen Tiefebene wird übrigens die Hälfte der deutschen Windenergie erzeugt. So gesehen ist es nur konsequent, wenn das Land Niedersachsen den Ökostrom abbestellt. Das spart eine Million Euro und ist ein tolles Signal für das nachhaltige Wirtschaften.

*** Es muss wohl, und das ist die dritte schlimme Nachricht dieser Woche, einen Zusammenhang zwischen der Tiefebene und dem Denken der Bewohner dieser Ebenenwelt geben. Langjährige Leser dieser Wochenschau werden das unterstreichen, denn natürlich war früher alles besser, das WWWW inklusive. Ebenenmäßig ist auch das Denken eines tiefniederen Sachsen, der als aktiver Sportschütze die Kriminalisierung von Computerspielen betreibt. Zwei Jahre Haft für den, der die Verherrlichung von Gewalttaten wie der Keilerhetze betreibt, das würde passen. Man könnte nun darüber reden, ob Spiele ökologisch unbedenklich sind oder ob die Unterhaltung virtueller Inseln reale Tiefebenen überschwemmt. Besser ist aber eine Debatte über die Nöte jugendlicher Computerspieler, die medial zu echten Monstern werden. Dabei haben sie es nicht leicht in dieser Welt, wie es von Netzpolitik berichtet wird: "Ich mag keine Kriegsschlachtspiele à la 'Command & Concquer', aber: Die Jugendliche müssen es auch aushalten, dass das ZDF Herrn Knopp hat."

*** Schlimmer als das Bild vom wahnsinnig werdenden Computerspieler ist eigentlich nur das Bild vom Hacker. Während die Szene liebevoll an der Unterscheidung zwischen kreativem Hacker und bösartigen Cracker festhält, nimmt die breite Öffentlichkeit diesen Unterschied nicht zur Kenntnis. Für die gibt es nur noch Datenkünstler und Datenterroristen. Fangen wir bei den hochgelobten Datenkünstlern von ubermorgen an, die mit Hilfe von zwei italienischen Hackern angeblich 3000 Bücher von Amazon geladen haben und die erfolgreiche Erpressung via Amazon Noir als Kunstprojekt deklarieren können. Nun soll es gegen Google gehen, natürlich im Namen der Kunst. In 202 Millionen Jahren soll Google kapitulieren.

*** Dann gibt es die Datenterroristen, die man in zwei Unterklassen einteilen kann, die staatlichen und die nichtstaatlichen. Beide führen den Namen Häcker – bitte, der Bundestag hat diese Aussprache auf einer Art Karnevalssitzung (PDF, ab S. 31) beschlossen. Staatlich sind die Chaos Polizei Häcker oder die BKA-Häcker am Werk, die bisher, wie Staatssekretär Hartenbach in der besagten Sitzung feststellen musste, mit ihrer Online-Festplattenuntersuchung scheiterten. Aber alle Häcker fangen klein an. Wahrscheinlich fehlt dem als Vorauskommando losgeschickten BKA-Trojaner das nötige Quentchen "social engineering". Statt "Hier spricht das BKA. Bitte öffnen sie sofort den Anhang dieser Mail", wäre "Billiges Viagra aus Meckenheim" sicherlich zielführender.

*** Auf der anderen Seite ist der Chaos Computer Club, eine nichtstaatliche Organisation von freundlichen Datenreisenden, die sich früh im Netz tummelten und daher nicht an das Märchen vom bösen Wolf glauben. Zur Erinnerung: Dieser Wolf hatte vor ein paar Tagen erklärt, dass jeder, der online ist, "zielgerichtet die geschützte häusliche Sphäre" verlässt, alle Daten inklusive, die sich auf dem Gerät befinden, mit dem er online ist. Da die Häcker mittlerweile in die Jahre gekommen sind und die häusliche Sphäre schätzen gelernt haben, verweisen sie auf Systeme wie Phantomix, mit denen man den Rechner startet, im Internet herumwolft und dann schnell alle Verbindungen kappt. Dummerweise gibt es auf arabisch ein Anleitung, die genau dieses Vorgehen den Mudschahidin ans Herz legt. Damit ist für die staatlichen Häcker klar, dass die freundliche Häckerei Tarnung ist. Nicht von ungefähr tauchen die Verdachtskritierien islamistischer Terrorismus als befreites Dokument in ihrer Reihen auf. Grund genug für dubiose Anwälte gegen diese chaotischen Computer-Terroristen Anzeige zu erstatten

*** Eigentlich wollte ich an dieser Stelle noch etwas zu einem Ereignis in der abgelaufenen Woche schreiben, das eher beiläufig im Ticker erwähnt wurde. Doch Don Alphonso, den manche Rätselrater lustigerweise bereits für mein Alter Ego halten, nimmt mir die Arbeit ab und berichtet von dem Feuern unliebsamer Journalisten, die schlicht berichten, welch ein Murks im Web-2.0-Zirkus produziert wird, wenn sich die Politik einschleicht. Besonders apart dabei: ein Herausgeber wie Michael Arrington, der seinen Reporter feuert, während er bei Microsoft den tiefen gelenkigen Diener macht, mit dem das WWWW mit Shakespeare in der letzten Woche endete. Weil Don das alles auch noch heute schreibt, entzünde ich das erste Licht. Besser kann Channukah nicht beginnen. Dazu noch ein bisschen Hasidic New Wave, um den akustischen Schmutz des weihnachtlichen Geklingels und Gesäusels, das allenthalben die deutschen Innenstädte erfüllt, aus den Ohren zu spülen: Ja, so geht das.

Was wird.

Gleich zum Wochenanfang setzt es hohe Wellen, und das in Potsdam, das auch dann noch nicht an der Ostsee liegt, wenn von Hannover nur noch ein paar Inseln übrig sind. Ganz seriös tagen dort die Gravitationswellenforscher von der Einstein@home-Community, bei denen ein Team mit dem Namen Special: Off-Topic seltsam vertraut klingt. Etwas unseriöser rummelt es im selben Ort am Hasso-Plattner-Institut beim ersten nationalen IT-Gipfel der Bundesregierung. Dieses stellare Treffen schlägt seit Tagen Wellen, weil Supertanker rumkurven, aber für die grüne Zivilgesellschaft und den Bundesdatenschützer kein Platz im Boot ist. Was kommen wird, hat die Gipfelherrin bereits erläutert: Eine Qualitätsoffensive für Call Center wird gestartet. Das ist für mich zwar nicht gerade IT-Spitzentechnik, aber ausnahmsweise muss ich unser Kanzlerin recht geben. Die Qualität der Callcenter lässt sich nur auf einer nach unten offenen Skala abbilden.

Mehr im IT-Bereich sind die Anmerkungen der Naturwissenschaftlerin Merkel zu den RFID-Chips, mit denen James "Djihad" Bond beim Zocken im Casino Royale besser von der Zentrale kontrolliert werden soll. "Wir werden beschleunigt daran gehen, die Barcodes auf Produkten in Supermärkten durch Radiochips zu ersetzen. Und wir werden eine neue Suchmaschine entwickeln, damit auch Deutschland hier besser an die Spitze kommt." Merke: Quaero getreten macht breit, nicht stark.

Gravitationswellen vor Weihnachten mit Merkel auf dem IT-Kaventsmann? Richtig: Weihnachten naht. Noch nichts Passendes gefunden im allgemeinen Konsumterror? Wie wäre es mit der Fackel der Aufklärung? Oder stilecht mit den Forschern, allen echten Bikern zum Gruß: Big Bang!

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #110 am: 24 Dezember, 2006, 00:32 »
Was war.

*** Der IT-Gipfel ist bapschmäßig verdamp lang her, und so richtig ähnz jenomme hat den wohl keiner, aber dennoch müssen ein paar Worte aus der norddeutschen Tiefebene an die Gipfelleute gerichtet werden. Wir haben also eine Kanzlerin, die sich vor laufender Kamera über die Länge des Informatik-Studiums mokiert und anmerkelt, dass ein Informatiker einfach mal nicht noch die x-te Programmiersprache lernen, sondern lieber früher arbeiten gehen soll. Dafür bekam Frau Merkel viel Beifall von Herrn Burda in der ersten Reihe in einem Hörsaal am Hasso Plattner-Institut, während Herr Plattner zweifelnd mit dem Kopf wackelte. Vielleicht erinnerte sich der Mitgründer einer Weltfirma an die Jugendsünden namens ABAP, einer Programmiersprache, die als verhunzter BASIC-Dialekt gestartet war. Vielleicht erinnerte sich auch niemand daran, denn Erinnern ist in der IT überhaupt schädlich und einem IT-Gipfel schlicht nicht angemessen. Sonst wäre vielleicht dem einen oder anderen ein IT-Gipfel eingefallen, den ein Forschungsminister Riesenhuber in der Regierung Kohl veranstaltete, nach dem die Künstliche Intelligenz der 5. Generation gefördert wurde und ein Verbmobil mit mehr als einer Milliarde DM finanziert wurde. Von dem verhunzten Gipfelprojekt ist ein Übersetzungssystem für Hotelreservierungen übrig geblieben. So fügt es sich ganz wunderbar im Sinne der historischen Kontinuität, dass mit Theseus die Verbmobilisten wieder ein Leuchtturmsprojekt an Land gezogen haben, bei dem nach Herzenslust gefunzelt werden darf. Die Stars der Szene wie Frau Henzinger werden bieder und praktisch in ihre Perlenkette beißen.

*** Apropos Google. Die mit der stattlichen staatlichen Förderung von 0 Dollar gestartete Suchmaschine freut sich über einen neuen Mitarbeiter, den Samba-Entwickler Jeremy Allison, der aus Protest gegen den Nichtangriffspakt von Novell mit Microsoft bei Novell das Handtuch geworfen hat. Über die Hintergründe seines Schrittes, über die Angst, als Paria von der Community ausgeschlossen zu werden, will Allison auf der kommenden FOSDEM in Brüssel berichten. Huch, damit wäre ich viel zu früh beim "Was wird".

*** Also nochmal zurück, denn es war doch noch was los in dieser Woche: Wegen der Mehrwertsteuererhöhung sind die Heiligen Drei Könige vorzeitig gekommen und haben uns reichlich beschenkt. Wie von Merkel angemahnt, setzt Deutschland Standards und so bekommen wir den Bundestrojaner. Zwar ist die Online-Durchsuchung vorerst nur in NRW legalisiert, doch wenn die Klagen scheitern, wird man sich bundesweit darauf einstellen können, dass der Verfassungsschutz den Dodo-Bundestrojaner losschickt. Denn wer sich in das Internet begibt, stellt seinen "standortunabhängigen PC" quasi in ein "Schaufenster", wie es Horst Engel, der Rhetorikexperte der FDP, kundig beschreibt. In diesem wundersamen Schaufenster liegen also Verzeichnisse wie Mein_Moelli_Compi\Meine_Dateien\Meine_Partei\Meine_schwarze_Kasse\Mein_geplanter_Selbstmord quasi offen herum und werden vom Bundestrojaner abtransportiert. Die neue Befugnis, heimlich auf fremde Rechnersysteme zugreifen zu können wird von einem FDP-Politiker verantwortet. Das ist die Partei, in der eine Politikerin aus Protest gegen den Großen Lauschangriff von ihrem Posten als Justizministerin zurücktrat. Lang ist das her, genau 11 Jahre; am 14. Dezember 1995 geschah das. Vielleicht sollte dieser Tag zum Feiertag erklärt werden, an dem wir alle Einigkeit und Recht und Freiheit singen.

*** Ganz nebenbei ziehe ich meinen Hut vor Twister, die ich in diesem WWWW mit allen guten Wünschen in die Twister-Ferien geschickt hatte. Die Schöpferin der bezaubernden Sabrina hat es sich trotz aller Hindernisse nicht nehmen lassen, gegen die Online-Durchsuchung Verfassungsbeschwerde einzulegen. Normalerweise macht ja der beste Verlag der niederdeutschen Tiefebene hier Werbung und bezahlt mich dafür, die Werbung mit etwas Text zu garnieren, aber weil kommt, was manche "Fest der Liebe" nennen, mache ich etwas Werbung für die Möglichkeit, Geld für einen guten Zweck zu spenden. Mit allen üblichen Witzchen: Eine Spendenquittung aus Bielefeld sollte jeder an sein Handtuch tackern.

*** Das zweite standardsetzende Weihnachtsgeschenk kommt von Bundeskabinett und besteht aus einer saugeil kostenlosen Erweiterung des Reisepasses um die Fingerabdrücke der beiden Zeigefinger. Die wieder einmal betonte Vorreiterrolle lassen wir uns einiges kosten: Fingerabdruckleser auf den Meldeämtern bzw. bei den Passbehörden, Vernetzung aller Lesestellen inklusive. Denn die Extended Access Control sieht vor, dass sich das Pass-Lesegerät mit einem gültigen Zertifikat präsentieren muss, ehe die Fingerabdruckdaten vom Chip frei gegeben werden. Unautorisierte Zugriffe soll es der Theorie nach nicht geben, Fingerdatensammlungen auch nicht. Nur bei Nicht-Schengen-Menschen und Verbrechern wird gesammelt. Das Ganze wird als Maßnahme im Kampf gegen den Terrorismus verkauft. Besonders putzig ist diesmal nicht die FDP. Die lamentierenden Grünen haben anscheinend vergessen, dass sie in eben der Regierung waren, die den biometrischen Reisepass auf den Weg gebracht hat. Aber das ist ja lange her, richtig verdamp lang.

*** Das dritte Weihnachtsgeschenk gehört zu der Kategorie der Schrottwichtel. Vor allem aber ist es schwer zu fassen und auf den ersten Blick nicht sehr IT-haltig. Im Februar kassierte das Bundesverfassungsgericht das geplante Luftsicherheitsgesetz. Mit ihm sollten die Streitkräfte zum Abschuss von Flugzeugen ermächtigt werden, ehe diese in Hochhäuser stürzen und ein ordentliches Backup verhindern. Leben darf niemals mit Leben verrechnet werden, verkündete dagegen Karlsruhe. Nun haben uns findige Juristen den Tatbestand des Angriffs auf Gemeinschaftsgüter beschert. Ist also ein Gemeinschaftsgut wie ein Stadion, ein Kraftwerk, ein Bahnhof, ein Bundestag durch einen wie auch immer gearteten Angriff gefährdet, darf das Militär gerufen werden und im Spannungsfall zur Waffe greifen. Eine militärische Besetzung des DE-CIX-Knotens wäre demnach eine legitime Handlung zum Schutze des Gemeinschaftsgutes, wenn die Bundestrojaner ausschwärmen. Lernen wir von den Engländern: Im Kampf gegen Shampoo ist jedes Mittel recht.

Was wird.

Bei so vielen Geschenken muss, was in die Krippe kommt, die reine Freude sein. Und das, obwohl im Weihnachtsgeschäft des abrückenden Jahres 2006 erstmals PCs keine Rolle als Renner spielten. Jedenfalls tauchen sie erstmals nach vielen Jahren nicht mehr im üblichen Bericht des Einzelhandels auf. Aus den USA wird berichtet, dass nur Mac-PCs Zuwächse verbuchten. Noch ist zu früh, um den verspäteten Windows Vista die Schuld zu geben, aber nicht zu spät, allen Lesern ein wirklich ruhiges Weihnachten zu wünchen. Wer sonst als "Computerspezialist" am heiligen Abend Anrufe sehr entfernter Verwandter und Bekannter bekam, wird diesmal offenbar ruhig weiter essen dürfen. Derweil sind die Markt-Auguren schon eifrig tätig und reden von der Hyperdisruption, mit der neue Märkte im Nahen Osten und den BRIC-Staaten erschlossen werden. Ich sehe schon meinen lokalen PC-Händler mit einem Koffer voller Festplatten in Dubai auftauchen. Vielleicht schmeißt er auch den Gewinngenerator an.

Channukah geht zu Ende, das Weihnachtsfest wird auch bald vorbei sein, nur Kwanzaa wird noch ein bisschen länger gefeiert, Übrigens ist Microsoft einer der wenigen Arbeitgeber in der IT, die dieses Fest vorbehaltlos anerkennen. Genau die richtige Zeit für den CCC, im realsozialistischen Prachtbau BCC die Vertrauensfrage zu stellen und Tacheles über die Online-Durchsuchungen zu reden. Wobei es schon auffällig ist: Ein paar Wochen später tagt im BCC der europäische Polizeikongress, ebenfalls mit einem Panel über Online-Durchsuchungen. Form Follows Function?

Nach dem Feiern geht es weiter, da wartet für Jüngere der Parcour, für Ältere die Disko. Und natürlich das Jahresend-WWWW.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #111 am: 31 Dezember, 2006, 03:07 »
Bei sehr bösen Menschen könne man sich gar nicht vorstellen, dass sie sterben, meinte Theodor W. Adorno – dass aus dieser Unfähigkeit, die nicht nur die individuelle Existenz betrifft, wiederum andere die Konsequenz ziehen, selbst zur hinrichtenden Tat zu schreiten, ist nicht nur absurd, sondern auch keineswegs ein Ereignis, dass es zu begrüßen gilt. Und trotzdem muss man nicht gleich der Komplizenschaft mit einem elenden Tyrannen und Massenmörder schuldig sein. Aber lassen wir das, es gab in diesem Jahr auch Abschiede, die mich wirklich traurig stimmten. Bereiten wir uns lieber darauf vor, sauber ins nächste Jahr zu kommen. Die ausgesoffenen Rollmopsgläser können wir dann morgen bejammern, schließlich kann man einen Kater mit Fug und Recht auch jetzt schon haben. Denn ...

Was war 2006?

*** ... das war's. Jetzt muss ich allen lieben Menschen, die mir und dem WWWW die Treue gehalten haben, einen guten Rutsch wünschen. Und weil das so eine unwahrscheinlich große Masse von lieben Leuten sind, dellen und krümmen wir mit Einstein die Zeit ein wenig, um Raum zu bekommen für ein paar Rück- und Ausblicke. Haben wir wirklich 2006 hinter uns? Wird 2007 kommen? Was ist überhaupt 2007? Das sind alles beunruhigende Fragen. Nehmen wir nur den M87-Zyklus von Perry Rhodan, der vor 40 Jahren anno 1967 angesagt war, als die Zeitpolizei, diese unbestechlichen Schwingunsgwächter im Einsteiniversium Rhodan und die Seinen verfolgen, weil sie in die Vergangenheit geschleudert worden waren und so etwas nun einmal verboten ist. Über solche Zeitreisen berichtete die Süddeutsche zu Weihnachten und schloss die klugen Gedanken ganz schnell als ePaper ein. Denn der schlimme Verdacht ist nicht ganz abwegig, dass 2006 gar nicht 2006 war. Sondern vielmehr ein mit dem Temporaltransmitter eingeschaltetes 1984, eine Raumzeitkrümmung also, verursacht durch die konzertierte Aktion von Problempolitikern, deren technisches Verständnis nicht auf der Höhe der Zeit ist. Ein abwegiger Verdacht, eine perverse Verschwörungstheorie? Wenn die deutsche Hackerelite darüber faseln kann, dass die Attacken vom 11. September 2001 den Illuminaten zugerechnet werden können, dann kann man die Zeit knicken, soviel man will.

Misstrauen ist geraten gegenüber allem Unbefangenen, Legeren, gegenüber dem sich Gehenlassen, das Nachgiebigkeit gegen die Übermacht des Existierenden einschließt.

*** Heraus kommt 1984 als Orwellsches Abziehbildchen, weil niemand mehr die strunzdummen Lügen des großen Bruders, seines kleinen Vetters im Rolli oder der ihm nachgeordneten Innenminister vor allem in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen aufnimmt und widerlegt. Vielleicht wird beim schnellen Rückspulen die Strategie deutlich: Nach einem Mord in Hessen wird vehement die Fahndung in Mautdaten gefordert, doch der Fall mit konventionellen kriminalistischen Methoden gelöst – der Täter benutzte nach dem Mord nicht die mautpflichtige Autobahn. Zur Fußball-WM wird zur Gefahrenabwehr vor dem internationalen Terrorismus eine Datenbank mit den Personalien aller Ticketkäufer angelegt, doch pünktlich zum Anpfiff ist ein Schwarzmarkt da, der jeden Terroristen der Welt mit Tickets versorgen könnte. Mit dem größten Massen-DNA-Test der Welt soll ratzfatz ein Mord aufgeklärt werden, doch derzeit gibt es einen Stopp nach knapp 6000 von geplanten 8000 bis 15.000 Tests.

*** Staatliche Halluzinationen gab es 2006 nicht nur in Deutschland. Großbritannien legte zeitweise den Flugverkehr still und sprach von einem Anschlag ungeahnten Ausmaßes, der mit Flüssigkeiten ausgeführt werden sollte, die im Flugzeug angemischt würden. Mittlerweile sind fast alle Verdächtigen wieder entlassen, nur der "Mastermind" der Gruppe sitzt im (pakistanischen) Gefängnis, wegen anderer Klagen. Unterdessen findet an allen Flughäfen der Welt der Krieg gegen das Shampoo statt. Dann hätten wir noch die unbestritten gefährlichen Kofferbomben in deutschen Nahverkehrszügen, deponiert von bislang nicht auffällig gewordenen Libanesen, die im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis waren. Eine großangelegte Anti-Terror-Datei soll die Aufklärung im Vorfeld stärken. Dort, wo das Data-Mining versagt, will man mit der Online-Hausdurchsuchung und staatlich legitimierten Hacker-Tools zum Data-Drilling übergehen: Anwanzen an die Festplatten mit Hilfe eines "Bundestrojaners" oder eines anderen Loggers soll die Rettung bringen. Nicht umsonst ist "Das Leben der Anderen" der meist ausgezeichnete deutsche Film des Jahres geworden, hat sich Ulrich Mühe für eine Rolle als Schäuble empfohlen. "Wenn wir es nicht verstehen, unseren ausländischen Mitbürgern gleiche Rechte zu garantieren und ihnen die Chance einzuräumen, hier zu leben und gleichzeitig ihre Kultur weiter zu entfalten, wenn wir diese Solidarität nicht aufbringen, werden wir an unserem eigenen Egoismus scheitern." Nein, das ist keine abweichlerische Stimme aus dem Off zur gegenwärtigen Debatte um den "Homegrown Terrorismus", mit dem interessierte Kreise noch die letzte abstruse Überwachungsmaßnahme zu rechtfertigen suchen. Es ist der in diesem Jahr in ebenfalls interessierten Kreisen eher übel beleumundete Günter Grass, der dies bereits 1981 in seiner Rede zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Yasar Kemal von sich gab. Schäuble und seinen Apologeten sei's nach 25 Jahren noch einmal ins Stammbuch geschrieben.

Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.

*** Wo bleibt das Positive anno 2006? Gegen die zunächst in Nordrhein-Westfalen für den Verfassungsschutz genehmigte Online-Durchsuchung läuft eine Verfassungsbeschwerde. Im letzten WWWW habe ich erwähnt, dass man spenden kann, spenden soll für diesen kleinen Stopper im allgemeinen digitalen Machbarkeitswahn. Mittlerweile sind so viele Spenden eingegangen, dass die unerschrockene, den Heise-Lesern wohl bekannte Twister gegen das gesamte Gesetz klagen kann, nicht nur gegen die Onlinedurchsuchung. Noch erstaunlicher vielleicht die Tatsache, dass ausnahmslos alle Einzahlenden auf das Konto des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung bestimmten, dass überschüssige Gelder nicht zurückgefordert werden, sondern in die weitere Arbeit fließen sollen.

*** Und sonst? Man könnte die Flanken von Philipp Lahm nennen, den großartigen, tragischen Problembär Torsten Frings, wäre da nicht ein Motivations-Terrorist wie Jürgen Klinsmann, der in der Kabine seine Spieler aufhetzt, die Polen wegzuhauen. So bleibt der Kopfstoß des großen Zinedine Zidane gegen Materazzi, der die Schwester von Zidane beleidigte – und eine schöne Erinnerung an das Endspiel Brasilien gegen Frankreich. Ja ja, schon gut, die deutsche Elf konnte die Italiener nicht besiegen, aber die deutsche Wikipedia war in besserer Form. Sie konnte sich gegen die digitale Boheme durchsetzen, die den Tod des Studenten Boris Floricic zu einer düster-tragischen Geschichte um den großen Edelhacker Tron aufblähen wollte. Eine Geschichte die es mehrfach unter die Top 100 des Newstickers brachte.

Die Technisierung macht einstweilen die Gesten präzis und roh und damit die Menschen. Sie treibt aus den Gebärden alles Zögern aus, allen Bedacht, alle Gesittung. Sie unterstellt sie den unversöhnlichen, gleichsam geschichtslosen Anforderungen der Dinge.

*** Eine gute Tradition beim Jahresrückblick ist der Blick auf die Statistik des Newstickers und hier besonders das Augenmerk auf die Top 100. Das sind jene Meldungen, die anno 2006 zwischen 230.000 und 84.000 Zugriffe zu verzeichnen hatten. Was hat die Besucher von heise online wirklich interessiert? Mit 236.519 Zugriffen ist diese Meldung über eDonkey Jahresprimus geworden. Eine weitere eDonkey-Meldung folgt auf Platz 9. Doch dieses Bild ist trügerisch. Addiert man alle Meldungen der Top 100 zu einem Thema oder Produkt, dann gehört eindeutig Windows Vista die Krone. Vieles spricht dafür, dass dieses vorrangig für die Unterhaltungsindustrie entwickelte Betriebssystem auch 2007 die Schlagzeilen füllen wird.

*** Doch auch dieses Bild ist trügerisch. Addiert man alle Produktmeldungen seit Beginn der statistischen Auswertung von heise online, dann liegt Google Earth unerreichbar vorne. Nachdrücklich hat sich auch 2006 der Trend der letzten Jahre bestätigt, dass die einstigen Knallermeldungen zu Billigrechnern es bestenfalls ins hintere Mittelfeld schaffen. Auch die Virusmeldungen schaffen es nicht mehr, unter die Top 20 zu kommen. Überhaupt scheint der Newsticker nicht mehr wegen seiner IT-Nachrichten gelesen zu werden, sondern wegen seiner juristischen Berichte: Raubkopierer, Abmahnungen, Massenanzeigen, Forenhaftungen und Prozessentscheidungen stellen die absolute Mehrheit unter den Top 100. Das mag man als Verrechtlichung des "wilden" Cyberspace sehen oder als Indiz dafür, dass das Internet ein Paintball der Juristen aller Couleur geworden ist.

Die Sachlichkeit zwischen den Menschen, die mit dem ideologischen Zierat zwischen ihnen aufräumt, ist selber bereits zur Ideologie geworden dafür, die Menschen als Sachen zu behandeln.

*** Im Trend liegt daher die Tatsache, dass es ein Billiganbieter ganz ohne Rechner unter die Top 10 gebracht hat, eine saumäßige Leistung. Einen bemerkenswerten Spitzenplatz konnte sich außerdem die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen mit mehreren Aktionen und Hilferufen zur Lage der notleidenden Unterhaltungsindustrie sichern. Einen aufsummierten ehrenwerten zweiten Platz sicherte sich das Gezerre um die GEZ-Gebühr für Internet-PC. Bemerkenswert ist auch, dass es Ballmer, Gates, Jobs oder Torvalds im abgelaufenen Jahr nicht wie sonst in die Top 100 schafften. Das gelang nur einem Menschen und dazu noch einem Mathematiker, der für Computer nichts übrig hat.

*** Hemmungslos unbescheiden möchte ich anmerken, dass es sogar eine Meldung von mir unter die Top 100 brachte, zwar kein WWWW, sondern eine richtig ungluabliche Sache. Jawohl, jawohl, die Nachrichten konnten ihr Jubiläum feiern und als besonderes Geschenk gab es ein Gedicht von HelpDesk, dem führenden Forumspoeten. An dieser Stelle muss ich glatt in mein Weihrauchsäckchen greifen und den Verlag in der norddeutschen Tiefebene inzensieren: Als 2006 anlief, gab es nur den Heiseticker, die Bereiche der einzelnen Print-Blätter, Telepolis und die Security-Abteilung. Im Laufe eines einzigen Jahres sind heise Open, die heisen Netze, der Heisetreff und eine geschlossene Gesellschaft namens heise resale hinzu gekommen. Nicht zu vergessen die Earl Grey-Variante, mit der die wunderbar sprachmächtigen Jahresrückblicks-Kollegen vom Register gepiesackt werden. Da halten die Kollegen von heise Security aber locker mit und blicken gleich mal auf das kommende Jahr zurück.

*** Was ist ein Glückwunsch ohne Trauer, ohne Abschied mehr als ein Rülpser? Auch 2006 gab es viel zu viele Abschiede. Auch hier richtet sich der Blick nach Osten: Zu früh starb Anna Politkowskaja, in seiner eigenen Zeit machte der Visionär Stanislaw Lem das Licht aus. In der enger gestrickten IT-Welt verabschiedeten sich so ungewöhnliche Charakterköpfe wie William Norris, Ray Noorda und Al Shugart. In dem großen Strom der Pop-Musik dürfte es bis hin zu Milli Vanilli, ähem, kaum einen Nebenfluss geben, den der Soul Man Funk Hiphopper James Brown nicht beeinflusst hat.

Was wird 2007?

Schweren Herzens tragen wir das Informatikjahr zu Grabe, auch wenn zeitgleich mit ihm endlich der vertrottelte Slogan Dank Informatik verschwindet. Der Ehrenrettung halber muss ich hinzufügen, dass mit Geist begeistert zum 2007er Jahr der Geisteswissenschaften prompt der nächste verkorkste Slogan im Anmarsch ist und dass ABC der Menschheit auch etwas seltsam nach "Denken für Doofe" klingt. Von A wie Anglistik bis Z wie zentralasiatische Sprachen gibt es wohl für jeden Buchstaben eine Wissenschaft, die einen Geist begeistern kann. Seid umarmt, Geisteswissenschaften, hinweg mit so einem anglizistischen Getüddel wie Jump in MINT. Jawohl Mint, nicht Magenta, weil es die schicke Abkürzung für "Jugend Mentoring Programm in Mathematik, Informationstechnik, Naturwissenschaft und Technologie" ist.

Bei vielen Menschen ist es bereits eine Unverschämtheit, wenn sie Ich sagen.

Alles weg, Informatik ist sowieso out. Hoch lebe stattdessen anno 2007 die hehre Geisteswissenschaft mit Projekten wie Xenos und den tollen Unterprogrammen Civitas und Entimon. Für Heise-Leser, die nur Xenix kennen: Xenos kommt aus dem Griechischen. Der Fremde ist willkommen in Deutschland, wo ja schon die Welt zu Gast bei Freunden war. So ändert sich die Welt, um gleich zu bleiben. Aus den No-Go-Areas werden erethische Enklaven, aus der T-City die Telepolis, aus dem Leser-Reporter der Ambidexter. Doch Halt! Inmitten des ganzen ABCs der Menschheit gibt es kleine Inseln von Heise-Themen, nach dem Mozartjahr kommt für uns das Euler-Jahr, gewidment dem Vater aller Navis, die uns beim Autofahren sotto voce instruieren. Dank seiner Beschäftigung mit den so genannten griechisch-römischen Quadraten wird er wohl als Vater der Sudokus gefeiert werden.

Überhaupt, die Geburtstage. Greife ich zu einem der miskonstruierten Laptops mit Schminkspiegel, so sehe ich einen 10-jährigen Jüngling: "I am a HAL Nine Thousand computer, Production Number 3. I became operational at the HAL Plant in Urbana, Illinois, on January 12, 1997". Schaue ich noch einmal hin, sehe ich einen 100-jährigen Nerd, der sich an seinem 50. Geburtstag zu einem Heiratsantrag hinreißen ließ. "Ich wurde sentimental, was sonst nicht meine Art ist, und es gab einen großen Ball, wie offenbar üblich, es war der letzte Abend an Bord." Zwei Mal Geburtstag im Kontinuum der Zeit, wo gibt es das, wer darf denn das?

Nicht bloß die objektive Möglichkeit – auch die subjektive Fähigkeit zum Glück gehört erst der Freiheit an.

Und weil es der letzte Abend ist, darf gestern wie heute das Kolophon zum Jahresende nicht fehlen. Natürlich entsteht diese Kolumne nicht von selbst und nicht auf einem der schicken Ferarri-Laptops der Bloggeria, von denen Vroom-Vroom-Analysten träumen, sondern auf einem betagten Thinkpad. Nicht in einem schnieken ODF-Format, sondern im simpelsten ASCII in einem ollen Editor unter tätiger Mithilfe der Editionen von Lergenmüller und vielen Flaschen Deetlefs und einigen Bouteillen aus einem Hannoveraner Weinladen, der aus Markenrechtsgründen nicht mehr heißen darf, wie er hieß (das wär mal ein guter Vorsatz für 2007: Ein Jahr ohne Abmahnungen ...). Geholfen hat nicht nur heute, heute aber besonders der gute Adorno, seine Sentenzen zum Jahresende sind aus "Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben", zitiert nach der Suhrkamp-Ausgabe von 1951. Musikalisch in diesem Jahr wurde die Wohenschau bei ihrer Entstehung begleitet von Nelly Furtado, J.J. Cale – auch im Duo zweier ganz entspannter Herren –, von den Vandermark 5, Terence Blanchard sowie Charlie Hadens Liberation Music Orchestra, von Gnarls Barkley und Up, Bustle & Out. Und, nicht zu vergessen, immer wieder angeschoben von Lou Reed und beschwingt von Seeed. Oft halfen auch Peter Brötzmann, Alexander von Schlippenbach, Nils Wogram, Gilad Atzmon, Alvin Youngblood Hart und der Wu-Tang Clan musikalisch mit, die Hirnwindungen freizuschaufeln von all dem Mist, der sie nach einer Woche Nachrichten verklebt. Absolut lebenswichtig wie immer die pyknotischen Tipps aller Leser und Leserinnen, die auf ihre Weise immer Erster sind, die ganze Surrealität der vernetzten Welt zu entdecken. Nach dem längst vertrockneten schwarzrotgoldenen Fahnenmeer bleibt die Oriflamme mit knatterndem Heisig gesetzt, wenn sich 2007 breit macht. In diesem Sinne, sollte es auch noch so zappenduster im Zeitenraum werden: Don't give up.

Quelle : www.heise.de

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #112 am: 07 Januar, 2007, 00:24 »
Was war.

*** Mit Sir Toby, Admiral von Schneider, Lord Pommeroy und Mr. Winterbottom sind wir wieder einmal im neuen Jahr gelandet, komplett mit Tigerfell und einem großen Kater. Eigentlich hatte ich mich schon 2006 über die verquaste Formulierung vom Angriff auf Gemeinschaftsgüter im Kampf gegen das Shampoo geärgert. Aber irgendwie scheint 2006 in einer tückischen Zeit/Raum-Krümmung verschwunden zu sein. Nun ist 2007 da, ein Jahr, das im Zeichen des Quasi steht. Ja, quasi wie ein "fachlich abgestimmter" Quasi-Verteidigungsfall, dieses kleine Quasi, mit dem das von Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärte Luftsicherheitsgesetz plötzlich verfassungsgemäß sein soll. So ein Quasi-Fall ist also eine kriegerische Handlung mit zivilem Fluggerät, das auf die "Grundlagen des Gemeinwesens" zufliegt. Ihr fehlt nur ein Quentchen zum richtigen Kriegsfall.

*** Die fehlenden 1,66 Gramm zum ordentlichen Krieg verbinden unseren beharrlichen Bundesinnenminister mit seinem bayerischen Amtskollegen, der vor einem Jahr über einen Spannungsfall spekulierte, in dem das Grundgesetz in einer praktischen Klarsichthülle eingemottet werden kann. Von Beckstein unterscheidet sich Schäuble dadurch, dass er unbedingt das Grundgesetz auf seiner Seite haben will, wenn er dereinst als Quasi-Kriegsminister agiert und die Bundeswehr im Inland dirigiert. Habe ich Inland geschrieben? Europa wächst doch zusammen, bis auch die letzte Staatsdatenbank voll integriert ist. Bis Ende Juni ist unsere Angela Merkel die Europäerin Nummer 1, bis zum 31. Dezember die allmächtige G-8-Chefin mit Thron in Heiligendamm, wo das neue, sprachlich leicht verunglückte Motto "Europa sicher leben" anschaulich vorgelebt werden soll. Derweil haben die geschickten BKA-Fahnder im Internet schon die linksterroristische Homepage gefunden. Hier wird quasi HTML-mäßig gefackelt.

*** Hinter all den Quisquilien steckt der Wunsch nach dem starken Mann als Ersatzvornahme für die derzeitige große Koalition. In einem Jahr, das ganz im Zeichen des Quasi steht, werden starke Männer gebraucht, mächtige Bundes-CIOs, die mit harter Hand durchgreifen, sobald ein IT-Projekt zum Quasi-Sanierungsfall wird. Einen Führer wie Harald Lemke, dem eDemocracy quasi Schnuppe ist, solange nur das eGovernment funzt. Der Demonstrationen wahrscheinlich nur von gepflegten Veranstaltungen der Firma erento her kennt.

*** Apropos Demonstrationen: Vierzig Jahre ist es her, dass die Kommune 1 im Atelier von Uwe Johnson als verklemmtes Treibhaus der wilden 68er gegründet wurde, um das Ende der traditionellen Zweierbeziehungen anzukündigen. Zwar wurden die mietfrei nächtigenden Revolutionäre postwendend vom alten SS-Mann Günter Grass herausgeworfen, doch hatte die Mythos-Produktion längst eingesetzt. Heute erzählen also Stadtteilführer von der Wohnung, in der Kommunarden Sprengstoffe für Bomben mischten und dabei starben, wo doch nur Uwe Johnsons Schwägerin rauchend im Bett den Tod fand.

*** Auch Saddams Hinrichtung dürfte ein Stoff sein, aus dem zahlreiche Mythen entstehen werden, doch den dümmsten Patzer leistete sich ein Stadtteilführer der Süddeutschen Zeitung, der in seinem Kommentar die Seuche Internet geißelt. Wer die ganze Geschichte recherchiert, wird schnell bemerken, dass das allseits beklagte andere Video von der Hinrichtung zuerst vom Sender Al-Jazeera gesendet wurde und danach eine Kopie der Sendung im Netz auftauchte. Aber die Münchener Zeitung hat mit Vollleyendecker ja nur einen Rechercheur und mit Vollkornelius einen Kommentator, der zeigt, was man vom Internet hält, mag man noch so sehr veredelt sein. In diesem Stil kann man auch das liebevoll schleimige Portrait des neuen Web 2.0-Heldens lesen, dem seine widerliche Nazi-Koketterie nachgesehen wird. Der Erfolg ist ja da. Mit StudiVZ wurde die erste UMTS-Lizenz des Web 2.0 bezahlt, auch wenn die kolportierten Zahlen sich größtenteils als Buchgeld herausstellen werden, das der Zeitungsverlag Holtzbrinck von der einen in die andere Tasche fließen ließ. Das Gebot zur Pflicht zur Feier des Jungstars wurde quasi automatisch, jedenfalls artig erfüllt.

*** Man kann auch anders zeigen, wie die große Zeit der Zeitungen vorüber ist. Heute vor 30 Jahren veröffentlichten die Times, Le Monde und die Frankfurter Allgemeine Zeitung die Charta 77. Ausgangspunkt war die Verhaftung einer Band, die sich nach einem Song von Frank Zappa "Plastic People" nannte und Stücke von Zappa, den Doors und den Fugs spielte. Endpunkt der Charta 77 war die Auflösung des Ostblocks. Und natürlich war sie der Beginn der guten nachbarschaftlichen Beziehungen. "Eingekeilt in diese Welt mussten wir es machen", schrieb Václav Havel in seinen "Briefen an Olga". Aber das erwähnte ich schon einmal. Die nächste Charta dürfte sich über Youtoube & Co verbreiten.

*** Ach, das Positive, das ist quasi uralt. Als die Fackel mit dem sympathischen Leitmotiv "Was wir umbringen" erschien, dachte niemand daran, dass sich künftige Zeitgenossen anno 2007 freuen können, eine gemeinfreie Fackel in der Seuche Internet zu zündeln. Mit dürftigem Interface, gewiss, doch mindert das den Spaß am Umbringen nicht. Außerdem punktet der Journalist Kraus gegenüber dem Philosophietreiber Spengler, dessen Untergang des Abendlandes zwar ebenfalls gemeinfrei, doch quasi nicht verfügbar ist.

Was wird.

Morgen bekommen 22 Millionen Haushalte frankierte Versandtaschen, in denen sie ihre Festplatten eintüten und zur Offline-Untersuchung an den Verfassungsschutz schicken können. Uh, oh, das war ein schlechter Scherz auf Kosten der Affen. Denn morgen kommen Tüten der Firma Greener Solutions ins Haus, in die ausrangierte oder kaputte Mobiltelefone gesteckt werden sollen. Die weltgrößte Handy-Sammelaktion sollt dem WWF helfen, die Orang-Utans zu retten. Nach Einschätzung der Müllexperten könnten zwei Drittel aller Geräte in Entwicklungsländer weiterverkauft werden und dort die Kommunikationsmöglichkeiten und die Lebensqualität fördern helfen. Das ist doch mal ein richtiger Ansatz: Hier wird nichts verschenkt im global village. Die Laptops folgen auf dem Fuße, wenn jeder Hacker ihre Aura gespürt hat.

Der Verkauf von gebrauchten Telefonen in Entwicklungsländer ist nicht so problemlos, wie es auf den ersten Blick scheint. Sieht man von der Tatsache ab, dass später die Teile kaum umweltgerecht entsorgt werden dürften, liegt eine schwere Störung des Geschäftsmodelles von Google vor. Erinnert sei an eine Konferenz, auf der Googles Marissa Mayer das Googlephone für Analphabeten in der Dritten Welt ankündigte. Darum sei hier nicht das heiß erwartete iPhone auf der kommenden Macworld erwähnt, sondern die erste klimaneutrale Konferenz, die in München steigt. Denn bei Burdas Digital, Life, Design ist Marissa Mayer wieder mit von der Party.

Während die Apple-Fans auf ihren Nägeln kauen, der Rest der Branche nach Las Vegas starrt, die Web 2.0er feuchte Träume über Marissa im Pool des Bayerischen Hofes träumen, nähern sich die Windows-Fans etwas ausholender der schieren Verzückung namens Vista an. Ende Januar, das ist noch sooo weit weg. Bis man das "Da-diiie, da-diiie" hören kann, das der Windows-Sound-Designer Steve Ball bei seinem früheren Musik-Professor und ehemaligen Geschäftspartner, dem Crimsonhead Robert Fripp geordert hat, vergeht eine Ewigkeit. Die komplette Rezension der Fanfaren des Fun sollte sich niemand entgehen lassen, der wissen will, wie ein "sympathisch auf Aktivität gerichteter Impetus" klingt. Ja, liebe Leser und Leserinnen, so wird aus einem Quasi-Betriebsystem ein Madrigal des 22. Jahrhunderts, höchste Vielfalt auf knappstem Raum demonstrierend. Etwas mehr Ernsthaftigkeit und Disziplin, bitte, angesichts dieser Revolution? Ach, das gibt auch nur mehr oder weniger verständlichen Elephant Talk.

Quelle und Links : http://www.heise.de/newsticker/meldung/83287

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #113 am: 14 Januar, 2007, 00:18 »
Was war.

*** Hey, Captain Starligt trällernd wollte ich eigentlich ganz locker auf meine Geburtstagsparty gehen, doch da spuckte der Ticker die traurige Nachricht über die Existenzverschiebung vom großen RAW aus. Das war's dann, mit dem Feiern. In Erinnerung an den großen Philosophen Wilson erlaube ich mir, eine längere Passage in der Übersetzung des großen deutschen Philosophen Gerhard Seyfried zu zitieren:

"In jeder Nation, in der es nur irgendeine Art von Geheimpolizei gibt, lernen die Leute schnell, diejenigen zu verdächtigen, die *sie* verdächtigen. /../ Je allgegenwärtiger die 'Kontrolle' der Regierung ist, desto misstrauischer und vorsichtiger werden die Leute. Und je mehr Leute zeigen, dass ihnen das Vertrauen in die Regierung fehlt, desto mehr wird sich die Regierung genötigt sehen, sie zu bespitzeln, um ganz sicher zu gehen, dass sie sich nicht so weit entfernt haben, um eine Rebellion auszubrüten oder noch mehr hausgemachte Bomben von der Oklahoma-City-Art zu legen. Die Regierung wird also immer mehr schnüffeln und spionieren, und die Leute werden immer 'vorsichtiger' werden."

*** Nach und nach kommen Details der Arbeit heraus, zu der sich unsere vom Terrorismus gestörte Regierung genötigt sieht, die von zwei Programmierern einen Bundestrojaner entwickeln lässt. Der dann zum Patchday des jeweiligen Betriebssystems als Wartungsprogramm auf unsere Rechner strömt, damit die Online-Durchsuchung endlich starten kann. Sie ist für unsere Regierung offenbar so wichtig, dass, sollte sie der Bundesgerichtshof als verfassungsfeindlich bewerten, schnell die Verfassung geändert werden muss. So groß ist der "gesetzgeberische(r) Handlungsbedarf zur Schaffung einer speziellen strafverfahrensrechtlichen Ermittlungsbefugnis", dass die Frage gestellt werden kann: Was haben die Staatsschützer zu verbergen?

*** Die Regierung wird also mehr und mehr schnüffeln und die Leute werden immer vorsichtiger werden. Gelingt es nicht, die Terroristen beim Aufruf von Google Earth abzufangen, müssen die Verfahren gewechselt werden. Die geheime Online-Durchsuchung zur Aufdeckung von "Täterstrukturen" mag sich wie die krankhafte Phantasie eines frei drehenden Geeks anhören, findet sich aber in den offiziellen Bundestagsdrucksachen. Noch einmal der hellsichtige Robert Anton Wilson:

"Der kalte Krieg hat uns Spionage, Schnüffelei und Verfolgungswahn hinterlassen, die keiner rationalen Funktion mehr dienen. /.../ Keine Kraft von außen hat bis jetzt unsere Bewegung in Richtung einer Kafka-Orwell-Welt verlangsamt, in der die verrücktesten Phantasiegebilde für mehr und mehr Menschen zunehmend plausibel wirken."

*** Die ebenso massierte wie sachunkundige Diskussion um das Verbot von Killerspielen zeigt Wirkung. In Bayern bereitet man ein Gesetz vor, was von der desinformierten Bevölkerung begrüßt wird, die schlicht nicht weiß, dass Spielen intelligent macht und pflichtbewusste Menschen produziert. Doch ein Verbot ist den richtigen Scharfmachern nicht genug. Sie fordern die Indizierung der Spiele, verbunden mit rasch handelnden Staatsanwälten, die zuschlagen und Counterstrike-Server verhaften lassen. Wer Law and Order propagiert, hat natürlich ein Beruhigungschmankerl in der Tasche. In diesem Fall eine alte Kamelle, ummantelt mit zartem Pisa-Schmelz: "Sechstens braucht es ein staatliches Programm zum schrittweisen, flächendeckenden Ausbau unserer Schulen zu Ganztagsschulen. In Zusammenarbeit mit Sportvereinen oder Musikschulen sollte so für den Nachmittag der Kinder und Jugendlichen ein Programm entwickelt werden, das die Lust auf Leben weckt, anstatt die Kinder der Verwahrlosung durch Medien zu überlassen."

*** Musikschulen gegen verwahrloste Medien! Dabei sein ist Alles! Gesangsausbildung für alle, die "Ich hab die Möpse schön" trällern wollen. Und bitte, ein richtigen Internet-Grundkurs für Herrn Plasberg, der den Günther Christiansen geben soll. Seine ach so hartfaire Fragestunde zum Thema Killerspiele hatte das Niveau von Dieter Bohlens Starsucherei. Anderswo ist es leider nicht besser. Da gibt es nun die große SZ-Serie über Onlinekriminalität, über das schreckliche Internet und die Inseln der Gesetzlosen, auf denen Drogenhändler kryptisierte Internettelefone benutzen. Die schaudernd davon erzählt, wie das Internet die Schänder zu den Kindern bringt und wie die Operation Mikado mit ihrer Nichtrasterfahnundung die Gesetzlosen der gerechten Strafe zuführt – auch wenn diese möglicherweise nur eine Art Sachbeschädigung ist.

*** Und was die schönen Möpse anbelangt, so darf auch dieses Detail nicht in der Wochenschau fehlen: Allein in den USA wurden mit dem Verkauf und der Vermietung von heißem Porno auf DVD oder VHS im letzten Jahr 4,28 Milliarden Dollar umgesetzt. Mit der in Las Vegas bekannt gewordenen Drohung des Lizenzentzuges für Blu-ray-Presswerke für den Fall einer Porno-Pressung scheint Sony den Kampf der Formate beendet zu haben. HD steht dann einfach für Hautnah Dabeisein. Doch Las Vegas hatte in dieser Woche mehr zu bieten, etwa die CES mit einer Keynote von Bill Gates, in der dieser drohte, im nächsten Jahr über seine ins Zwielicht geratene Stiftung zu reden – und genau dafür Beifall bekam. Das vernetzte Erlebnis, von dem Microsoft seit Jahren schwärmt, ist schwer langweilig geworden, selbst für die Bewohner von Las Vegas. Die reden lieber über das abgebrühte Zockerstück ihres Stadthelden Steve Wynn, der letzten Oktober seinen Ellenbogen in ein Picasso-Gemälde rammte, das er eigentlich für 139 Millionen Dollar verkaufen wollte. Nach dem Bodycheck wurde die Leinwand nur noch auf 85 Millionen taxiert. Nun will Wynn 54 Millionen Schadensersatz für ein Gemälde, das er für 48 Millionen gekauft hat. Ein Fall für einen unerschrockenen Detektiv. Doch Tote schlafen fest. Ja, ich sehe unser aller Detektiv im Grabe rotieren, bei den heutigen Kriminalitätsbekämpfern und ihren obersten Sicherheitsfanatikern.

*** In der letzten Woche hatte ich überlegt, etwas zu BenQ zu schreiben und es sein gelassen, in dieser Woche geht es mir mit dem iPhone ähnlich. Viel heiße Luft regt die Sinne an, ein Furz schafft das aber auch. Der Rest ist Spekulatius.

Was wird.

Grammatikalisch gesehen ist Europa sicher leben heiße Luft. Doch die deutsche Politik hat sich zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft viel vorgenommen. Da sollen die DNA- und Fingerabdruckdatenbanken miteinander vernetzt werden und in einer großen Konferenz der Stand der Sicherheitsforschung ausgelotet werden. Als Krönung des Ganzen wird die Kanzlerin daran arbeiten, den Gott der Christen in die europäische Verfassung aufzunehmen. Dabei halten sich nach der European Values Study ein Drittel aller Europäer für unreligiös.

Man kann vieles glauben, doch dass Edmund Stoiber bis ins Jahr 2013 über das Land der Laptops und Lederhosen herrscht, glaubt wohl nur noch Edmund Stoiber. Der bayerische Ministerpräsident, der so gern per Transrapid vom Münchener Hauptbahnhof aus abfliegen möchte, ist keine Lichtgestalt mehr, sondern ein Clown. Schuld daran, schreibt der oberste deutsche Verschwörungs-Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung hat wieder einmal das böse Internet, diesmal in Gestalt von Youtube.com. Dort würden Stoibers Versprecher gespeichert, um auf Ewigkeit durchs Netz zu rasen. Sollte das stimmen, sind nicht nur die Apparate die letzte funktionierende Macht in Deutschland, wie Leyendecker meint, sondern ist auch Edmund Stoiber der erste bedeutendere Politiker, der vom Web 2.0 (und seiner eigenen Halsstarrigkeit) entmachtet wurde. So gesehen ist es ein ganz feiner Zug, wenn der oberste Bayer ausweislich der Gästeliste bei der bedeutendsten europäischen Konferenz über die neue Spekulationsblase vorbeischaut. Ein Clown und das passende Publikum, das hat was. Mit einem Lied begann die Wochenschau, mit einem Lied soll sie enden. Natürlich ist es eine Verschwörungstheorie: Wir werden alle sterben.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #114 am: 21 Januar, 2007, 00:12 »
Was war.

*** Am Ende bedurfte es nur noch eines kleinen Sprühens sozusagen in die gludernde Lot, in die gludernde Flut und die Ära Stoiber war vorbei, hingerichtet wie eine kleine Blume am Morgen. Aller Voraussicht nach folgt nun das Prinzip Sicherheit, das schon für manchen bizarren Gedanken im "Kampf gegen den Terror" gesorgt hat, ganz ohne blendende Wortakrobatik. Bundeskanzlerin Merkel bedankte sich bei Stoiber noch, dass er das Land mit "Laptop und Lederhose" zu dem gemacht habe, was es sei. Laptop und Lederhose, diese Kombination gibt natürlich zu denken. Der Bayer als solcher ist mit dieser Ausrüstung gut bedient und kann noch den heißesten Laptop auf dem Schoß halten, während wir Weicheier aus der norddeutschen Tiefebene schnell an die Martha Vögeli-Methode erinnert werden. Doch woher kommt der Spruch vom Laptop und der Lederhose? Ist das nicht eine gute Frage für gutefrage.net, das in dieser weichgespülten Pressemeldung beschrieben wird?

*** Laptop und Lederhose steht vielleicht für die Vielzahl von öden Orten, die es in Bayern gibt, aus denen man nur dann schnell wegkommt, wenn man einen Laptop hat. Und Stoibers Bilanz entpuppt sich als Erbe von Franz-Josef Strauß und der Gnade der späten Industrialisierung, gepaart mit dem Geschick, zur rechten Zeit das Tafelsilber Bayerns verscherbelt zu haben. Von der Maxhütte bis zum verrotteten Imperium von Leo Kirch hat der bayerische Staatsinterventionismus nicht nur Glanzprojekte vorzuweisen. Am Ende findet sich der Slogan vielleicht in einer Dissertation: "Polit-PR. Öffentlichkeitsarbeit politischer Parteien am Beispiel der CSU", vorgelegt von einer Studentin namens Gabriele Pauli.

*** Die freiwillige Ausreise ist nach der aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der kindgerechten Abschiebung zum Unwort des Jahres gewählt worden. Passend dazu werden Details darüber bekannt, wie intensiv die rotgrüne Bundesregierung darüber beriet, die freiwillige Einreise von Murnat Kurnaz zu verhindern. Wer die Chronologie der laufenden Ereignisse liest, kann nur noch mit dem Kopf schütteln. Passfälscherei und dummdreiste "Immunisierungsstrategien" des Innenministeriums zeigen deutlich die gludernde Lot, abgesegnet vom heutigen Außenminister, dem typischen deutschen Technokraten einer Türkenlösung. Das Studium der Überlegungen, wie Recht und Gesetz umgedreht werden, sollten jeden warnen, der Maßnahmen wie die Online-Durchsuchung, die Einrichtung einer Anti-Terror-Datei und anderer Superdatenbanken akzeptiert, weil sie im Rahmen einer Rechtsordnung liegen. So lernen wir: Im Kampf gegen den Terror verlieren Menschen den Verstand, und das ganz ohne Folter. So sind Appelle zum Rücktritt vergeblich, weil sie etwas voraussetzen, das der Regierung abhanden gekommen ist. Ganz nebenbei ist ein trauriges Jubiläum fällig: Seit fünf Jahren gibt es das Lager Guantánamo, in dem kein Gesetz gilt.

*** Während gerade die Plaudertaschen der Reisebranche Web 2.0 entdecken, dieses tolle Internet, das uns mit Angeboten wie Netvibes so großartig den Verstand erleichtert, sind die Hacker schon weiter. Hacker 3.0 lautet die Losung, und sie wird so rührend vorgetragen, dass die Augen ganz feucht werden. Da gibt es also die Utopie eines Menschenrechts auf Information, denn die dunkle Seite der Macht, das ist eigentlich die, wo man gar nix wissen darf. Gilt es, die Macht transparent zu machen, so sind mit diesem moralischen Anspruch kleinere Schäden vertretbar. Das klingt wie ein bisschen Folter an den Sachen und ist schließlich ja auch für einen guten Zweck. Vor allem klingt es sehr nach dem rührend naiven Bekenntnis zur Hackerethik früherer Jahre, hübsch geschminkt im Zeichen der Vorratsdatenspeicherung. Nur über die Defacements der Skript Kiddies ärgert sich der Hacker 3.0, dabei ist das nur der eigene Nachwuchs, der auch mal spielen will.

*** Der Kolumnist Art Buchwald ist tot. Über 8000 Kolumnen hat er geschrieben, Hut ab. Unter ihnen Goodbye, my Friends, die nach seinem Tode erscheinen sollte. Einige seiner Werke werden Bestand haben, zumindest für drei Jahre, schrieb Buchwald im Hospiz. Ich wünsche mir, dass The six minute Louvre länger bekannt bleibt. Heute kann man solche Kolumnen nicht mehr schreiben, Art. Wenn der Eintritt im Louvre frei ist, gelingt der Weg zur Mona Lisa nur in Tippelschritten. Und ein Text wie "Windows Vista in sechs Minuten installieren" ist schlicht unglaubwürdig.

Was wird.

Was für eine prallvolle Woche. Wer alle Termine in Europa wahrnehmen wollte, müsste den dreifachen Kyrill im Rücken haben, ganz zu schweigen von Veranstaltungen wie der Lotussphere mit ihren 12 Verdächtigen.

Die wichtigste Veranstaltung findet sicher in den Schweizer Bergen statt, wo sich der Homo Davosiensis (so nennt es Richard Sennett) trifft, wo die "Nabelschau der Weltverbesserer" angesagt ist (so nennt es die Süddeutsche Zeitung. Das Thema ist die Verschiebung der Machtbalance und Angela Merkel spricht das Machtwort. 50 der insgesamt 200 Teilkonferenzen werden ins Internet übertragen und wer noch mehr wissen will, kann sich auf der Hype-Plattform Second Life als Avatar die Interviews von Adam Reuters reinziehen. Vielleicht regnet es Pimmel oder lila Schweine, doch was ist das gegen die reine virtuelle Wahrheit, die so serviert wird? Die Rede von der Machtbalance hat nichts mit der Guten Transparenten Macht der 3.0-Hacker zu tun, die die Böse Dunkle Macht bekämpfen. In Davos dreht es sich schlicht ums Geld. Es ist der Ort, wo "Getriebene Manager" das globale Zittern lernen und sich in Davos-Speak geschraubt über den Zustand der Welt äußern. Doch was ist reich, was ist arm, global gesehen? Die Verschiebung der Machtbalance ist übrigens in der IT-Branche längst geklärt. Das Spiel ist vorbei und Google hat gewonnen. Vielleicht erzählt es der Davos-Teilnehmer Eric Schmidt den anderen Berghockern, dass man kein Verb mehr ist.

Darmstadt hat zwar nur die Mathildenhöhe und ähnlich kleine Hügel, ist aber Tagungsort einer Konferenz des CAST-Forums, die sich mit der Frage beschäftigt, ob Public-Key-Infrastrukturen nicht eine völlig überholte Technik sind. Verglichen mit der Geschwindigkeit, mit der sich elektronische Signaturen im Alltag verbreiten, sind Schnecken blitzschnelle Tiere.

In der bayerischen Voralpenebene zu Nürnberg startet zum zweiten Mal das "Heise-Event für IT-Entscheider" unter dem etwas seltsamen Titel Open Source Meets Business, der einen Wettkampf zwischen Hase und Pinguin suggeriert. Neben zahlreichen Fachvorträgen lässt sich sicher noch ein zünftiger Flamewar darüber einschieben, warum Suse Linux besser ist als Windows Vista.

Sollte die superwindempfindliche neue Schnellbahntrasse nach München frei sein, wäre ein Abstecher zu Digital, Life, Design möglich, wo Homini Davosiensii ein paar erleuchtende Keynotes abliefern, ehe es in die Schweizer Berge geht. Dieses Treffen beginnt schon heute und gibt sich schwer Web-2.0-lastig: Laptops sind erlaubt, Lederhosen verboten. Märkte sind Konversationen, geleitet von Mavens. Malen ist sowas von gestern, wenn an der Schnittstelle von Mensch und Design das kollektive Kunstwerk jacksonpollock2.0 zusammengekleckert wird. Auf der Gästeliste übrigens auch der Herrscher über die gluderne Lot, der Performance-Künstler Scatman Stoiber.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #115 am: 28 Januar, 2007, 00:14 »
Was war.

*** "Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch." Adorno hatte in diesem Fall nicht Recht, und das wusste er selbst am Besten. Aber auch wenn die offiziellen Veranstaltungen am Holocaust-Gedenktag, mit denen gestern der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 gedacht werden sollte, in ihrer bürokratischen Steifheit absurd wirken, absurder, als sich Adorno je in Fehlurteile versteigen konnte, so fällt der Kommentar zum alltäglichen Wahnsinn doch schwer. Doch widmen wir uns lieber heute auch wieder diesem alltäglichen Wahnsinn – nicht, dass der Irrsinn, der zu Auschwitz führte, genau in diesem alltäglichen Wahnsinn erneut seine Wurzeln fände. "Der absoluten Verdinglichung, die den Fortschritt des Geistes als eines ihrer Elemente voraussetzte und die ihn heute gänzlich aufzusaugen sich anschickt, ist der kritische Geist nicht gewachsen, solange er bei sich bleibt in selbstgenügsamer Kontemplation."

*** Seit einigen Tagen gibt es in der Süddeutschen Zeitung eine Serie über Online-Kriminalität. Bei dieser Serie kommen die kriminellen Abzocker, die Masseabmahner und die Inkasso-Mafiosos nur am Rande vor. Nach Kräften wird dagegen Online als krimineller Raum verortet, als Netz des Verbrechens stigmatisiert. An diesem Wochenende ist beispielsweise das böse Internet nach Angaben eines hart nach "Diebesgut" recherchierenden Journalisten eine einzige Kopiermaschine. Es sorgt dafür, dass zwei Drittel der Software auf einem Rechner illegal sind und dass Besitzer von speicherstarken MP3-Playern Musik im Wert von Mittelklassewagen mit sich herumtragen. Ist das nicht furchtbar? Zitternd habe ich gleich nach dem Frühstück meinen Player mit 40 MByte Festplatte aus dem Rucksack gekramt. Jetzt liegt das wertvolle Stück neben mir. 15 Interviews sind drauf und über 70 Podcasts, unverzichtbare Ablenkung für Fahrten mit der Deutschen Bummelbahn, auf denen Menschen in ihre Mobiltelefone schreien. Dann aber kommt's happig. Ein Grep nennt 12387 Musikdateien, darunter so fette Dinger wie die klassischen Symphonien, die die BBC veröffentlichte und so kurze Stücke wie "The Paperwork Explosion" vom genialen Raymond Scott. Über 1000 Songs verdanke ich allein der Süddeutschen Zeitung, weil mir ein netter Mensch die SZ-Kompilation "50 Jahre Rockmusik" geschenkt hat, die als Privatkopie auf den Player wanderte, wie der große Rest auch. Und nein, so ein Schmu wie die neue Platte von Norah Jones kommt mir nicht auf meinen Player, Privatkopie hin oder her.

*** Was aus der guten Kopiermaschine Internet stammt, ist lizenzfrei oder unter einer Creative Commons-Lizenz veröffentlicht. Wer vor dem abscheulichen Zeug von Tokio Hotel und Herbert Grönemeyer ausweichen will, kann Entdeckungen beim Open Music Contest machen. Vor allem aber sind freie Inhalte aus dem Internet frei von der DRM-Seuche und den verborgenen Spionierprogrammen, mit der die Medienindustrie über das Internet in unsere Rechner will. Weder DRM noch die diversen Rootkit-Attacken sind im Kopiermaschinen-Artikel zu finden, der sich hauptsächlich mit Shawn Fanning und Napster beschäftigt. Auch mein MP3-Player ist alt, so alt, dass er nicht in ein WLAN gehängt werden kann wie ein toller Zune. Wobei dieser iPod-Killer vor lauter Kopierschutz gar nicht funken kann.

*** Bald werden im bösen Internet Bundestrojaner auf Streife gehen. Wobei gehen streng genommen falsch ist, denn die Dateien liegen herum und können noch nicht einfach zum mutmaßlichen Terroristen geschickt werden, wie eine Horde von Verfassungsschützern zum wieder eingereisten Murat Kurnaz. Im Unterschied zu den bösen Trojanern werden die guten Bundestrojaner natürlich nicht nach Kontodaten phishen. Die hat man schneller dank der Kontenabfragen bei der Bankenaufsicht. Nein, der clevere Bundestrojaner nutzt natürlich das installierte Word in Internetcafes aus, die löchrige Textverarbeitung, zu der es im Handbuch der al-Quaida heißt: "Schreibe deine Nachricht in Word, konfiguriere sie, schneide sie aus, füge sie ein und schicke sie ab. Dann beende die Verbindung. Während du eine Nachricht schreibst, darf deine E-Mail nie geöffnet sein."

*** Verlassen wir die Serie über das schwer verbrecherische Netz mit dem Interview einer Bundesjustizministerin, die sich darüber empört, dass öffentlich zugängliche Anonymisierungsdienste den Straftätern die Spurenbeseitigung erleichtert. Was die Erleichterungen für Straftäter anbelangt, hat ja die deutsche Justiz einschlägige Vorkenntnisse, wie das Hartz-Urteil zeigt. Bei allen Absprachen ist die Hartz IV-Reform vergessen worden. Zumindest dem Namen nach erinnert die Reform zu sehr an den großen Organisator der Aktion "Kraft durch Freudenmädchen", der noch mit seinem Prozess demonstriert, dass man mit Geld alles kaufen kann. Da schlage ich glatt das Anagramm "Zart-H" vor, die zarte Hilfe, sich mit elendigen 345 Euro Regelsatz im Monat schnell wegzumachen aus der Statistik, egal auf welchem Wege.

*** Wenn ich an der deutschen Medienlandschaft etwas schätze, dann ist das der Sinn für hinterfotzigen Humor, der in der Szene gepflegt wird. Da gibt es etwa den reizbaren Henryk Broder, der in jedem Semikolon eine antisemitische Attacke wittert und der angesichts der vielen für ihn unerträglichen Meinungen erklärt "Das Internet macht doof". Just dieser zeitferne ältere Herr ist zum Online-Journalist des Jahres 2006 gewählt worden.

*** Doch lässt sich ein solcher Humor noch steigern (die noch hinterlistigere Anregung stammt natürlich aus dem ach so doofen Internet). Wie endet die Kolumne des lebergeschädigten deutschen Online-Journalisten Henryk "Prometheus" Broder?

" 'Jekami', jeder kann mitmachen, so hießen die vielen Amateurshows, als es noch kein Internet gab und 200 Leute die Freiheit hatten, ihre Meinung zu verbreiten. Waren das schöne Zeiten." Und wie beginnt ein grenzdebiler Artikel über Weblogs, der in der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung stehen soll? "Früher hieß es beim bunten Abend gern 'Jekami'. Das Grundprinzip ist dasselbe geblieben: Jeder kann mitmachen. Nur organisiert sich das Ganze jetzt weltweit in Internet-Tagebüchern, so genannten Weblogs."

Nach diesem schlicht kopierten Übergang folgt ein längerer Text, der für das "partizipative Journalismus-Experiment" der FAZ geschrieben wurde und der die guten alten Newsgroups über den grünen Klee lobt. Partizipativ mit P wie Prometheus meint hier, dass sich ein richtiger Journalist einen von der Palme wedeln kann, wie gut Journalisten doch sind (breites Allgemeinwissen, professionelle Recherche, ein gewisses Arbeitsethos). Beflissen dazu gesellen sich die besten Kommentare braver Musterschüler aus dem Leistungskurs Gemeinschaftskunde, die eine Chance haben, im Blatt abgedruckt zu werden. Leider enthält der Ausgangstext im Frankfurter Blatt ungefähr so viele Fehler, wie sie das neue Frankfurter automatische Kennzeichen-Lesesystem produziert. Darum ist er längst eine Beute bekannter Blogger geworden.

*** Welchselbige als zeitungskritische Spezies übrigens am Wochenanfang bei den Münchener DLD einen fulminanten Auftritt (Video, satte 700 MByte, eine mäßig inspirierte Zusammenfassung hier) hatten.

Was wird

Die kommende Woche ist Vista-Woche. In Deutschland wird dort gefeiert, wo das besagte DLD seinen flippigen Auftritt hatte, im Münchener Hypovereinsbankforum. In den USA zeigt Bill Gates am 29.1. bei Comedy Central in "The Daily Show" von Jon Stewart eine Stunde vor dem Verkaufsbeginn von Windows Vista um Mitternacht, was das neue Windows alles kann. Um Mitternacht soll Steve Ballmer in einer Best-Buy-Filiale in New York als Tänzer auftreten. 2000 exklusiv eingeladene Gäste dürfen vorher in einer fünfeinhalb Stunden langen Supershow im New Yorker Nokia Theatre (ähem) das neue System bejubeln.

Während andere gegen Vista wettern oder schwere Sicherheitslücken befürchten, gibt der neue Microsoft-Slogan Stoff für Grübeleien. "Bereit für den Erfolg. people ready Business", das ist wieder einmal eine Aussage, die auf ein Verb verzichtet. Denglisch ist sie auch noch. Anders als beim letzten Claim "Ihr Potenzial. Unser Antrieb." ist der Erfolg da, aber wer ist denn das, der bereit für den Erfolg ist? Microsoft offenbar noch nicht. Immerhin hilft babelfish ganz wunderbar beim zweiten Teil. "Bereit für den Erfolg, bereiten Leute Geschäft vor". Yo, wir sind bereit man, nix Spaniens Himmel, nix Tote Hosen, man. Reg dich ab, deine Zeit ist knapp.

Bereiten wir uns nicht allzu viele Kopfschmerzen und chaperonieren das noch junge Betriebssystem in sechsfacher Ausführung. Gut, die eine oder andere Vista-Variante wird bei uns den Ratings der Weltbank zufolge nicht zu sehen sein, weil sie exklusiv in Entwicklungsländern eingesetzt wird, den viralen grünen Laptop zu verdrängen, den Nicholas Negroponte als Abschluss seines Lebenswerkes betrachtet.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #116 am: 04 Februar, 2007, 00:13 »
Was war.

*** Ein heftiger Wind bläst in der norddeutschen Tiefebene. Besonders heftig fegt er durch Hannover, durch die zauberhafte Stadt, in der ich geboren und aufgewachsen bin. Viele Hannoveraner werden den Wind nicht einmal spüren, denn es ist der eiskalte Wind, der Sturm der Geschichte, der durch die norddeutsche protestantische Tiefebene fegt. Die letzten Engel sind längst weggeweht.

*** Ich bin in einer missglückten Hochhaussiedlung an der Endhaltestelle einer Straßenbahn aufgewachsen. Schräg gegenüber von unserem Bau lag die Lehrerwohnung, in der Ulrike Meinhof verhaftet wurde. Es war selbstverständlich, damals in den 70ern, dass man in einem RAF-Gefangenen-Komitee mitmachte, genau wie in der Aktionsgruppe, die ein unabhängiges Jugendzentrum in der Öde von Hannovers Norden wollte. Wir hatten nur ein Pfarrhaus, in dem uns Kader mit kapitalismuskritischen Schulungen missionierten. Die Lehrerfamilie wurde gemieden und geschnitten, ein Teil des Taschengeldes ging an die Rote Hilfe. Wir sprachen so häufig von Isolationsfolter und diskutierten den Status von Kriegsgefangenen, wie heute vom Web 2.0 geredet wird. Als ich gleich nach dem Abitur auszog, ging es schnurstracks in eine WG, die gerne durchsucht wurde. Besonders erinnere ich mich an die Aktion Winterreise, weil ich unter der Dusche stand, als es CS-Alarm gab. Ach ja: CS steht nicht für Counterstrike, sondern für Counterinsurgency.

*** Vor mir liegt ein eingezogenes Buch, die gesammelten Texte der RAF aus dem Verlag von Bo Cavefors. Es hat wahrscheinlich alle Umzüge darum überlebt, weil es immer gut versteckt sein musste. Fast automatisch klappt das Buch auf Seite 466 auf, auf der kein verkopfter Text mit dschutschen Zitaten von Kim Il Sung abgedruckt ist, sondern eine schlichte Zeichnung der Haftzellen der JVA Bruchsal. Die Frage, wie man es mit der Isolationsfolter hielt, war Dreh- und Angelpunkt aller Sympi-Diskussionen, nicht die Frage nach dem bewaffneten Kampf und den Morden. Über die Isolationsfolter wurde gestritten, wurden Gedichte geschrieben und Vergleiche mit Lagern in aller Welt angestellt. Guantanamo war noch nicht dabei.

*** In der Welt der Sympathisanten war die Trennung zwischen gut und böse, zwischen dem "Schweinesystem der Charaktermasken" und den "antiimperialistischen Kämpfern" der Stadtguerilla genauso klar gezogen wie bei der RAF. Zum Schweinesystem gehörte beispielsweise Amnesty International, deren Büro von einer Gruppe um Christian Klar besetzt wurde. Viele tauchten danach ab, als die "Offensive 77" begann, in der auch Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt aktiv wurden. Nun kommt Brigitte Mohnhaupt frei, wird über das fünf Jahre alte Gnadengesuch von Christian Klar debattiert. Zu den dunkelsten Stunden des deutschen Fernsehens gehörte letzte Woche eine "Show", in der das Volk via TED über gebrochene Menschen abstimmen durfte wie über das Tor des Monats.

*** Im Dezember 2001 fand, im allgemeinen Terror-Alarm kaum beachtet, ein Fernsehinterview mit Christian Klar statt, das von Günter Gaus geführt wurde. Wer dem Gespräch zuhört, hört einen schwer verwirrten Menschen, der gezwungen war, "ein Leben im Kopf in der Vergangenheit zu führen". Einen Weggeschlossenen, der sich nur mit Mühe konzentrieren kann, einen gebrochenen alten Mann. Er ist weit älter als wir anderen Mitfünfziger, die 25 Jahre draußen weiter lebten und weiter lernten, weil Leben eben lebenslanges Lernen ist. Die heirateten oder auch nicht, die Kinder großzogen oder auch nicht, Kinder, die, wenn gezeugt, längst draußen in der Welt mit ihren eigenen Ideen im Kopf leben. Können da ein paar Computerkurse ausreichen? Derweil wird landauf, landab von einer "Reue" geredet, die irgendwo im Grundgesetz von Sabine Christiansen verankert sein muss.

*** Es knirscht im Textgebälk, wenn nach der Betrachtung von 25 Jahren ein Blick auf die vergangene Woche geworfen wird. Immerhin, das Belegen eines Computerkurses möchte man auch den Redakteuren der taz wünschen, die Windows Vista als neuen Trojaner begrüßen. Einen Kurs in Sachen Mac OS X könnte man wiederum Bill Gates empfehlen, der kein gutes Haar an Apples Rechnern lässt. Erfreulich ist jedoch, dass Schwung in die Firma kommt, weil Konzern-Patriarch Gates versprach, dass künftig alle 3 Jahre eine neue Windows-Version erscheinen wird. Freuen wir uns mit den Schweizern, wenn die für die Informatik nicht unwichtige ETHZ triasisch in neuem Glanze erstrahlt.

*** Ohne das sonst übliche Gemeckere über die Konkurrenz arbeiten derzeit die findigsten Programmierer von Microsoft, Google und Amazon zusammen, um die von der amerikanischen Küstenwache aufgegebene Suche nach Jim Gray fortzusetzen. Der bei Microsoft Research arbeitende Gray, ein erfahrener Segler, stach bei besten Wetterverhältnissen in See, um die Asche seiner Mutter zu verstreuen. Es ist eine bittere Ironie, dass der geistige Vater des Terra-Servers nicht auf dieser Erde gefunden werden kann.

*** Bitter auch der Krebstod der amerikanischen Journalistin Molly Ivins, die als Lokaljournalistin begann und sich zur schärfsten Kritikerin der Regierung von George W. Bush entwickelte. Sie starb während der Arbeit an einem Buch, das dokumentieren soll, wie das amerikanische Rechtssystem von Bush und seinem Gefolge ausgehebelt wurde.

Was wird.

Auch um das deutsche Rechtssystem besteht Anlass zur Sorge. Am Montag wird die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu den rechtlichen Grundlagen einer Online-Durchsuchung erwartet. Auch wenn man nicht so weit gehen muss, den PC als ausgelagertes Gehirn zu definieren, so dürfte klar sein, dass der Eingriff in die Privatsphäre sehr weit reicht. Verquaste Argumentationen wie die des FDP-Politikers Ingo Wolf, dass der Standort eines PC völlig unerheblich sei, solange dieser nur am Internet angeschlossen ist, sind Nebelbomben. Sollte die Entscheidung den Einsatz eines "Bundestrojaners" verbieten, hat die Regierung eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen bereits angekündigt. Ein schlichtes Detail dazu am Rande: Seit 14 Tagen bemühen sich Kryptospezialisten von FBI und NSA, die Verschlüsselung des Laptops von Abdalla Fazul zu knacken, der mutmaßlichen Nummer 1 der Al Quaida in Afrika. Wie entfernt ist wohl der Gedanke, jegliche Verschlüsselung und besonders die mit schicken Oberflächen zu verbieten, weil sie die Online-Durchsuchung behindert?

Im Kampf gegen den Terrorismus wird so manche Schlacht geschlagen, die besser als Kuchenschlacht durchgehen müsste. In den USA, wo neue Werbeformen mit Begeisterung ausprobiert werden, hat ein mobiles Blinkenlights-Werbeprojekt in Boston einen Terroralarm erster Güte ausgelöst. Batterien, Drähte und Antennen unterliegen bis auf Weiteres dem Versammlungsverbot.

Nach Einschätzung der deutschen Krankenkassen verläuft die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in den Testgebieten reibungslos. Dass ein paar Hanseln vergessen haben, die Fotos einzureichen, soll nicht weiter schlimm sein. Grund genug also, auf dem Smartcard-Workshop den Erfinder der Technologie zu feiern, mit der sich Heilberufsausweis und Gesundheitskarte die Hände schütteln, ehe gemeinsam Daten in das telematische Netz geschleust werden. Seine Idee ist mindestens 14 Jahre alt. Wir lernen daraus: Gut Ding will Weile haben, Terror Ding muss sofort vernichtet werden. Und wenn es länger dauern sollte, wird mit TED abgestimmt, sofort.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #117 am: 11 Februar, 2007, 00:07 »
Was war.

*** Is there life on mars? Das wissen wir bis heute nicht, aber zumindest die Existenz von Außerirdischen ist bewiesen, ganz ohne Einblick in die Area 51. Denn wie soll man sich ohne die erschröcklichen Körperfresser manche Äußerungen unseres Bundesinnenministers erklären, der meint, der Kampf gegen den Terrorismus rechtfertige jedweden Eingriff in private Bereiche der Bürger ... Aber die Körperfresser machen bei den Politikern nicht halt, auch die Musikindustrie ist nicht sicher vor ihnen. Anders ist kaum verständlich, dass sie sich auf das Gute in der Musik besinnt und sowohl Ornette Coleman als auch Sonny Rollins für den Grammy nominiert. Woran man aber auch merkt, wie fies die Körperfresser in Wirklichkeit sind: Die alten Herren Coleman und Rollins mögen jeden Preis der Welt verdient haben – sie sind aber nicht unbedingt diejenigen, die heute neue Wege in der Musik aufzeigen. Auch Bela Fleck oder Diana Krall beispielsweise, Gnarls Barkley oder Red Hot Chili Peppers, Arctic Monkeys oder Outkast sind aller Ehren wert – aber das sind sie auch nicht erst seit heute.

*** Doch zurück zum Ernst des Lebens: Hilfe, wir sind am Ende aller Verschwörungstheoriehn angelangt, denn wir werden von Aliens regiert. Wirklich? Ach was. Es ist der normale Wahnsinn der Sicherheitspolitiker, denen Freiheitsrechte nichts gelten, solange nur die Sicherheit gewährleistet ist. Anderes Beispiel gefällig? Kein Problem: Murat Kurnaz soll Überlegungen angestellt haben, die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen. Prompt hat sich der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz zu Worte gemeldet und verkündet, dass die "Zuverlässigkeit" von Kurnaz für ihn nicht geklärt sei. Ganz abgesehen davon, dass sich Wiefelspütz immer mehr zum besten Argument entwickelt, keinesfalls SPD zu wählen, verkündet er diesen Unsinn wahrscheinlich, um seinen Parteikollegen Steinemeier zu stützen, der im Fall Kurnaz eine miserable Figur abgibt. Genauso gut hätte Wiefelspütz natürlich an der Pünktlichkeit von Kurnaz Zweifel äußern können oder daran, dass die Bartlänge des Kandidaten nicht geklärt sei. Nun ist Dieter Wiefelspütz einer, der in der Debatte über die heimliche Online-Durchsuchung zwar das BGH-Urteil begrüßt hat, nur um flugs klarzustellen, dass er für das tolle Instrument ein schönes neues Gesetz will: "Die Online-Durchsuchung ist weder eine Hausdurchsuchung noch eine Abhörmaßnahme, sondern etwas Drittes, für das wir keine klare Rechtsgrundlage haben." Das ist alles ziemlich bedauerlich, zumindest für einen wie Wiefelspütz. Denn Murnat Kurnaz wurde nach seiner Wiederkehr vom Verfassungsschutz in Bremen observiert. Mit einer heimlichen Online-Durchsuchung hätte ebenso heimlich, still und leise eine Datei ihren Weg in einen von Kurnaz benutzten Computer finden können, die staatsbürgerlich bedenklich die "Unzuverlässigkeit" zuverlässig dokumentiert. Wenn Apparatschicks auf die Idee kommen, einem in US-Gefangenschaft geratenen Kurnaz wegen einem "Meldefehler" bei der Ausländerbehörde die Aufenthaltsgenehmigung zu entziehen, dann ist der Gedanke nicht abwegig, den einmal gefundenen Online-Untersuchungskanal bidirektional zu nutzen.

*** Es ist ziemlich einfach, sich über den Bundestrojaner lustig zu machen und sich in Sicherheit zu wiegen, weil es per Definition keinen plattformübergreifenden Trojaner geben kann. Entsprechend flach fallen die trojanischen Kriegserklärungen aus, die ahnungslose Redakteure von ebenso ahnungslosen Experten bekommen. Bestenfalls können unbedarfte Leser den Eindruck bekommen, dass WLANs in Wohngemeinschaften schon der Anfang einer terroristischen Zusammenrottung bilden. Mit Lügen wie "Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine Trojaner schicken" verstärken Politiker die Trojanerdebatte und produzieren Zustimmung. Ebenfalls eifrig das Feld beackernd präsentiert sich der Verfassungsschutz, dem ein FDP-Politiker in Nordrhein-Westfalen bereits freies Geleit auf die Festplatten gegeben hat. Kurzum: Wenn Online-Durchsuchungen kommen, so ist noch lange nicht festgelegt, dass sie eine trojanische Gestalt annehmen müssen. Bei den bisher bekannt gewordenen Fällen wurde einmal ein Hardware-Keylogger nicht anders installiert wie eine normale Abhör-Wanze, ein anderes Mal gleich ein präparierter Computer verschenkt.

*** Kann die heimliche Online-Durchsuchung viele Formen annehmen, so ist der nächste grundlegende Fehler, sich den Einsatz des "Bundestrojaners" als Eingriff in einen Computer eines Terrorismus-Verdächtigen vorzustellen. Wenn die heimlichen Online-Durchsuchungen kommen, werden es Durchsuchungen im großen Stil sein, eine Rasterfahndung auf dem Boden der freiheitlich demokratischen Anti-Terror-Datei. Das kann bei vagen Verdachtsmomenten gar nicht anders sein. Nach dem letzten Terroralarm in Großbritannien wurden 21 Verdächtige festgenommen. Jeder dieser Verdächtigen soll nach Angaben des Geheimdienstes MI5 8 Mobiltelefone, 16 Computer und Dutzende von USB-Sticks besessen haben. 6000 Gigabyte Daten wurden – erfolglos – von Spezialisten durchsucht. Vielleicht sind viele Mujahideen Secret-Sticks unter ihnen gewesen. Diese islamistische Verschlüsselung ist angeblich von iDefense geknackt worden. iDefense ist übrigens die Verisign-Tochter, die unlängst ein Kopfgeld auf Windows Vista ausgesetzt hat. Womit wieder einmal etwas bewiesen ist.

*** Das dritte Missverständnis in Sachen Online-Durchsuchung ist die Frage nach dem Terrorismus, der mit einer Durchsuchung bekämpft werden soll. Das dürfen Politiker behaupten. Juristen driften auffallend schnell in Argumentationsketten ab, in denen Vorteile für die Ermittler eine Rolle spielen, die gegen Kinderpornographie vorgehen. Die ziemlich hirnrissige Beschreibung des Internet als "Universität des Terrors" kommt nur dann auf den berühmten Pudelkern, wenn man die Rolle sieht, die das Internet mit den Märtyrer-Videos bei der Selbstradikalisierung von Jugendlichen spielt. Gut, in Deutschland wird die Homepage der Märtyrer-Brigade von Al-Aqsa von Google nicht angezeigt. Dass damit die Videos aus der Welt sind, glaubt wohl niemand. Genau aus diesem Grund müssen die Tagebücher online untersucht werden, denen junge Moslems ihre Konversion zum Islamisten anvertrauen.

*** Wie aber kann in dieser Wochenschau nur vergessen werden, welch wichtige Dinge die IT-Szene wirklich bewegte. Denken wir nur an die Entdeckung des Eicher Kreisels in dieser Woche, eine der seltsamsten Argumentationen neben der Behauptung, dass es anständige Menschen gibt. Oder an die tränenrührige Geschichte von den Gutmenschen des Web 2.0, die ihren eigenen Vater beim T-Shirt-Drucken 12 Stunden am Tag schuften lassen, während sie mit dem Verkauf der auf Führer-Geburtstage spezialisierten Website StudiVZ Millionen scheffelten – angeblich. Freuen wir uns, dass Design-Professor Erik Spiekermann aufgeräumt hat und die erste Computerzeitschrift auf den Markt kommt, die "die nicht auf den ersten Blick eine Computerzeitschrift ist". Ich persönlich wünsch mir ein Cover mit einem nackten Till "Vanity" Schweiger, der ein niedliches Flokati-Vorprodukt im Arm hält und professionell jubelt: "Endlich! Ein PC ohne Zicken!!" (Untertitel: So kopieren Sie alles).

*** In ihrer neuesten Internet-Ansprache ruft unser aller Kanzlerin dazu auf, dass wir ein Volk von Kleinwagenbesitzern werden und Smart Fortwo Diesel kaufen oder ein erdgasbetriebenes Vehikel mit einem dichten Gazprom-Netz. Passend zum Aufruf feiern wir den Geburtstag von Thomas Alva Edison, der die Glühbirne erfand und zu ihrer Glimmichkeit gleich noch das Elektrizitätswerke und die Stromleitung, mithin den Grundstein legte für eine umfassende Klimaentschützung. Feiern wir den mit 1093 Patenten und über 12.000 Patentprozessen gesegneten Erfinder und freuen uns ein ganz klein bisschen, dass in dieser Woche der Zeitungsfresser Bob Metcalfe zusammen mit David Boggs für die Erfindung des Ethernet in die Inventors Hall of Fame gewählt wurde, genau wie die bereits verstorbenen IBM-Ingenieure William Goddard und John Lynott, die mit RAMAC die erste Festplatte entwickelten.

Was wird.

Wohin ich auch blicke, die Online-Durchsuchungen sind schon da. Am Dienstag beginnt in Berlin der Europäische Polizeikongress. Die Delegierten werden zunächst von Bundesjustizministerin Brigitte Zypries und BKA-Chef Jörg Ziercke begrüßt. Beide werden auf ihre Art erklären, warum die Kampfzone gegen den internationalen Terrorismus mittenmang über unsere Festplatten verläuft. Besonders apart ist die Tatsache, dass die erste nähere Vorstellung des "Bundestrojaners" in einem Prachtgebäude stattfindet, das der Chaos Computer Club gerne für seinen Jahreskongress anmietet, weil es so fnordistisch ist.

Wobei die Frage, ob der "Bundestrojaner" sportlich eine "Schwalbe", zeitungstechnisch eine "Ente" oder IT-mäßig ein "Über-Hack" ist, vielleicht schon auf einem Flugplatz entschieden werden kann. Durch tollkühne Männer in fliegenden Computer-Kisten? Aber nicht doch. Auf Platz 2 der Video-Rankings von Google steht ein CCC-Vortrag aus dem nämlichen fnordistischen Kongresszentrum, gehalten vom Rechtsanwalt Udo Vetter. Thema ist das richtige Verhalten bei einer richtigen Hausdurchsuchung. Was kann dieses Video toppen? Britney Spears und Paris Hilton nackt in einer Ziegenherde? Der Video-Podcast von Angela Merkel zu ihrem Rücktritt als Bundeskanzlerin nach einer Online-Durchsuchung ihrer privaten Festplatte? Weit gefehlt! Natürlich wird es wieder ein Anwalts-Video sein, über das korrekte Verhalten bei einer Online-Durchsuchung. "Sie haben das Recht zu löschen." Mit Till Schweiger in der Rolle der Delete-Taste. QED, zumindest, was die Verschwörungstheorien angeht.

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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #118 am: 18 Februar, 2007, 00:16 »
Was war.

*** Ob der Goldene Bär ein Problembär ist, mögen die Filmkritiker entscheiden – dass manche bayerischen Politiker nicht nur Brunos und Horsts, sondern auch Leute, die Filme machen, wie sie auf der Berlinale zu sehen waren, nur zu gerne zum Abschuss freigeben würden, ist dagegen kaum der Rede wert, da als bekannt vorauszusetzen. Viel mehr als über den Goldenen aber mag ich mich über all die Silbernen Bären freuen, für Nina Hoss in "Yella" etwa oder für das Team von Robert de Niros "Der gute Hirte" und besonders für Joseph Cedar, der meinte, er habe Angst vor dem Krieg – und dies auch allen politischen Führern wünsche und den Mut, Kriege zu beenden.

*** Es gibt weisere Menschen als mich, die können Filme beurteilen und möglicherweise auch Kriege beenden. Auch sind weisere Menschen als ich der Ansicht, dass der Journalismus tot ist. Oder, wenn noch nicht ganz mausetot, das Geschäft jedenfalls von Halbblinden betrieben wird, die jedem Blogger hinterherhinken. Was ist schon die einfache Meldung über Pamela Jones gegen den aufregenden Blog von der Suche nach Pamela Jones, von dem berühmten Koffer ganz zu schweigen? Was ist die schlichte Erzählungen von den kleinen Nachrichten gegen die vermaschten Wunder des Web 2.0? Was ist ein WWWW gegen den neuen Superblog der deutschen Eliteleser, die mit den staubigen Nüstern und den prallen Nüssen?

*** Auf der anderen Seite hat einfacher Text seine unbestreitbaren Vorteile, weil er zweideutig, dreideutig und vierdeutig ausfallen kann. Da kommt kein Mashup mit. Ich kann sooft meinen Desktop zwischen Gnome und KDE wechseln, wie ich will , bekomme aber nicht die abgründige Bezeichnung Interface Nazi zu sehen, über die gerade wieder mal heftig debattiert wird. Interface Nazi und das noch von jemanden aus einem Lande mit problematischer Nazi-Vergangenenheit gebraucht, oh, oh. Selbst das beliebte Fallbeil namens Godwins Gesetz darf nicht fehlen. Wahrscheinlich denkt Linus Torvalds viel amerikanischer als diejenigen, die sich jetzt über seinen Sprachgebrauch aufregen. Seit den Tagen, als ein amerikanischer Rezensent die Groupware "Communicator" als Nazi-Software charakterisierte, scheint sich wenig geändert zu haben. In diese Form der gedankenlosen Attributivierung passt übrigens auch die Rede von der Communist-Software, nur weil Kuba auf Open Source setzt.

*** Wer dabei mit dem Finger auf die USA zeigt, zeigt mit drei Fingern auf sich. In ihrer Rede vor dem europäischen Polizeikongress ging Bundesjustizministerin Zypries auch auf die Hakenkreuz-Versprecher-Debatte ein. Mit einem Rahmenbeschluss wollen die Deutschen im Rahmen ihrer EU-Ratspräsidentschaft das Hakenkreuz in ganz Europa verbieten, so der Vorwurf. Besonders betroffen reagierte die Alien-Religion der Raelianer, die gerade erst wieder ihren Mashup aus Davidstern und Hakenkreuz zum offiziellen Symbol kürten, nachdem man vor 15 Jahren eine andere Erleuchtungsgrafik genommen hatte. Dagegen argumentierte Zypries in Berlin durchaus vernünftig: "Es geht nicht um Hakenkreuze. Es geht darum, dass es in der gesamten EU verboten wird, aus rassistischen oder fremdenfeindlichen Gründen zu Hass und Gewalt aufzurufen."

*** Mit der Rede der Justizpolitikerin bin ich wieder einmal bei der Online-Durchsuchung angekommen, zur der es in dieser Woche wahrlich genug Nachrichtenmeldungen gab. Im Chor der Durchsuchungspaniker hat Brigitte Zypries noch eine gemäßigte Position angenommen. Etwa härter schon Günther Beckstein, der wie beim Großen Lauschangriff einen Katalog schwerer Straftaten forderte, bei denen online überwacht werden darf. Die üblichen frei drehenden Verschwörungstheoretiker nehmen das natürlich zum Anlass, um Urheberrechtsverletzungen der Schwerstkriminalität zuzuordnen, was selbst einem Beckstein nicht einfallen würde, der gerne mal von einer Birgit Zypries redet. Die Debatte wird in den nächsten Wochen weitergehen, weil nicht zuletzt der BKA-Chef Jörg Ziercke ganz verzweifelt ist, ohne Waffen dazustehen. Besonders verdächtig ist dabei die nun auch von der Generalbundesanwältin benutzte Formulierung, man müsse den Terroristen und Kriminellen auf "gleicher Augenhöhe" begegnen. Mit gleicher Augenhöhe heißt hier offenbar mit gleichen Mitteln. Wenn der Staat aber Terrorist spielen will, dann müssen dem Staat Grenzen gezogen werden. Wenn der Staat seine Bürger auszieht, müssen ihm die Grenzen aufgezeigt werden, so einfach ist das: "Die Diffamierung der Privatheit durch die Sicherheitsbehörden muss ein Ende haben."

*** Wie immer gibt es in dieser kleinen Wochenschau Jubiläen zu feiern. Heute wähle ich ein schon einmal erwähntes Datum aus, das in keinem Patentatlas verzeichnet ist. Diesmal gedenken wir aber nicht des großen Forschers Wallace Carothers, sondern überlegen lieber, was der Chemiker Gary Min gemacht hat. Wer glaubt, dass 22.000 Downloads aus der Firmendatenbank nicht unentdeckt bleiben, hat nicht nur ein chemisches Problem.

*** Vielleicht erinnert sich der eine oder andere Leser oder meine zahlreichen Leserinnen an die hübsche Satire über die Filmrechteverwerter der MPAA, die die Couchkartoffeln regulieren will. Zu den untergegangenen kleinen, unwichtigen Nachrichten gehört dieser Artikel über einen kanadischen Forscher, der die Zahlen analysierte, die hinter der von der MPAA so beklagten Camcorder-Piraterie stehen. Die nüchterne Wahrheit: 179 von ca. 1400 im Untersuchungszeitraum veröffentlichten Filmen wurden gecamcordert und vervielfältigt, ein Schaden, der nicht größer ist als ein Rundungsfehler der Filmindustrie, die im selben Zeitraum 45 Milliarden Dollar einfuhr.

*** Zart hat es sich mit dem Deal von StudiVZ angedeutet, aber mit der Spiegel-Titelstory über den zweiten Maskenball in Second Life am kommenden Montag ist es raus: Die Bobos sind wieder da. Selbst ehrenwerte Websites haben den Verstand verloren und angehende Journalistinnen demonstrieren, dass sie ihn nicht besitzen. Wer Second Life Ernst nimmt und Web 5.0 trällert, hat den Sinn dieser hübsch inszenierten Geldwaschanlage nicht begriffen. Inmitten der aktuellen politischen Diskussion ist es besonders spritzig, wenn bis zur letzten Schülerzeitung Geschichten über die Edelstöhne Anshe Chung erscheinen, während die Hassprediger im virtuellen Gottesdienst nur spielen wollen. Wie wäre es mit einem Inselchen, auf dem sich Terroristen beratschlagen, ganz im Sinn der Pressekonferenzen, die PR-bedröhnte IT-Firmen dort abhalten?

Was wird.

Wenn sich diese Woche verabschiedet, beginnt in Brüssel die FOSDEM. Vorab gibt es einige interessante Interviews. Zu dieser extrem spartanischen Veranstaltung passt es, dass Jim Gettys auftritt. Er wurde unter mehreren Dutzend Bewerbern ausgewählt, die, in der IT-Branche gut herumgekommen, sich auf die ehrenamtliche Position des Software-Chefs kaprizierten. Entgegen der landläufigen Annahme betrachten es viele hochqualifizierte IT-Spezialisten als Ehre, bei der Sache mitzumachen. Warten wir, bis Toyota mit OCPF startet, One Car Per Family. Der Fahrer von Renate Künast wird Beta-Tester auf dem Testgelände in Second Life.

Achja, achja, ganz nebenbei ist die FOSDEM eine gute Gelegenheit für alle Beobachter der Erosion, wie sich GOFHC, die "good old fashioned hacker community", endgültig auflöst. Es wird nicht mehr für schlappen "fun" gearbeitet in der Welt der Open Source 2.0. Das ist ein zivilisatorischer, manche verstörender Fortschritt gegenüber einem Protestantismus, der groß im Zu-sich-selbst-Stehen ist. Das schreibt jemand, der als Beruf den Journalismus gewählt hat. Wie formulierte es noch Max Weber: "Denn für jeden ohne Unterschied hält Gottes Vorsehung einen Beruf bereit, den er erkennen und in dem er arbeiten soll, und dieser Beruf ist nicht wie im Luthertum eine Schickung, in die man sich zu fügen und mit der man sich zu bescheiden hat, sondern ein Befehl Gottes an den einzelnen, zu seiner Ehre zu wirken."

Quelle : www.heise.de

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16 GB (2 x 8 GB) DDR4 SDRAM 2133 MHz
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Re: Was war. Was wird.
« Antwort #119 am: 25 Februar, 2007, 00:16 »
Was war.

*** Ist ein Leben ohne Computer möglich? fragte eine kleine, uns allen bekannte Website, die sich in der norddeutschen Tiefebene täglich mit den wichtigsten philosophischen Fragen beschäftigt. Ja, gibt es ein Leben ohne Computer? Kommt Apple zur CeBIT? Fragen eben, an denen ein Sokrates zerbrochen wäre. Nehmen wir nur diese Frage nach dem computerfreien Leben, bei der auch noch Bill Gates als Kronzeuge dafür herhalten muss, dass es als glückliches, erfülltes Leben geführt werden kann. Seine zehnjährige Tochter ist nämlich süchtig nach einem Spiel aus Papas alter Firma, Viva Piñata, weshalb der gestrenge Papa die Computernutzung auf 45 Minuten täglich beschränkt hat. 45 Minuten für die Pflege eines virtuellen Gartens sind wenig, da hat das Unkraut freie Bahn, wenn man nicht genügend Schokotaler, nicht Linden Dollars hat, die Helperlinge zu bezahlen. Der "Donut of Life" fordert halt seine Opfer, naschen oder vernascht werden, das ist die schwer pädagogische Frage. Verstörend ist allein, dass es keinen ordentlichen Sex gibt, sondern nur Minigames unter den geschlechtslosen Wesen. Piñatas, die sich fortpflanzen wollen, müssen Minigames absolvieren. Der Sieger bekommt ein Neugeborenes, kahl wie Britney, das aufgezogen werden muss.

*** Wie wird diese gekonnte Umgehung des Themas Nr. 1 wohl in der nächsten Panorama-Sendung über die schlimmen, bösen Computerspiele aussehen? Wenn in "Morden und Foltern als Freizeitspaß" allen Ernstes behauptet werden kann, dass Spieler in Grand Theft Auto mit Vergewaltigungen Punkte sammeln können, dürften die Minigames bald als Oralsex mit Ponys diffamiert werden. Schleierhaft bleibt auch, was ein "Experte" einer Firma macht, die fast täglich Server von fundamentalistischen Terroristen meldet, um ihre Filter- und Suchsoftware anzupreisen. Nach monatelanger Beobachtung der Call of Duty-Szene entdeckt er Hakenkreuze, die nicht zu dem Spiel gehören. Da passt es schon, wenn die Aussagen eines Heise-Kollegen weggeschnitten werden, weil der Beitrag "zu lang" war. Kurz, einseitig und gebührenfinanziert auf der Spielerszene rumtrampeln, das macht sich viel besser, selbst wenn danach die Zuschauer meckern.

*** Unterdessen trampelte die gesamte deutsche Printpresse in Second Life herum. Nimmt man die Masse an SL-Veröffenlichungen allein in dieser Woche, dann ist die Frage, ob es ein Leben ohne Computer gibt, definitiv entschieden: Leben gibt es wirklich nur im Computer, und dann nur in Second Life. Eingehaucht wird es vor allem von dem Superstar Ailin Gräf a.k.a. Anshe Chung, der Cicciolina des Web 2.0. Es regnet schonmal Pimmel in Anspielung an ihre Vergangenheit als virtueller Escort-Service, wenn sie interviewt wird. Wie rührend ist es da, dass sich die Goldrausch-Reporter freuen können, dass "die hessische Lehrerin" als Immobilienmaklerin Lebensbezirke für schwul-lesbische Avatare oder für die Fursuites vertickert, die schon einmal dafür sorgten, dass meine kleine Wochenschau nicht jugendfrei war. Und wie rührend, wenn sich der virtuelle Reporter mit flammenden Artikeln die Diskiminierung der Bepelzten bekämpft. Nun zieht die Politik ins zweite Leben und bringt ihre Konflikte mit. Die französische Rechte um Jean-Marie LePen hatte ein Parteibüro in Second Life eröffnet und damit eine Avatar-Demo sowie schwere Krawalle ausgelöst. Jetzt ist die Front National wieder weg. Der virtuelle Gutmensch kann sich zufrieden zurücklehnen und freuen, seine schöne neue Welt vom Bösen befreit zu haben. Erfreut wird er die wissenschaftlich gesicherte Erkenntnis lesen, dass seine schöne neue Welt doch ein normengerechtes Abbild der alten ist, in der Nazis keine Chance haben.

*** Mitunter ist es schwer, das Virtuelle, den Fake und die echte Poltik auseinanderzuhalten. Nach den Äußerungen des Bundesinnenministers zum "Bundestrojaner" preist der virtuelle Innenminister die deutschen Tugenden des Bundestrojaners: "Die Hymne und die Fahnen machen deutlich, dass er aus der Mitte der Gesellschaft kommt. Das ist nicht nur aufgeklärter, das ist aufklärender Patriotismus, das ist die ideale Kombination aus deutscher Ausgelassenheit, wie sie bei der WM zu beobachten war, und deutscher Selbstkontrolle, wie sie unser Volk seit Jahrhunderten erfolgreich praktiziert. Dieser Trojaner ist ein echter Deutscher." Einer wie Schäuble halt, der lebenslänglich bei RAF-Tätern etwas lebenslänglicher machen möchte und glaubt, dass es ein Gesetz geben muss, nach dem die Terroristen ihre Taten aufklären und bereuen müssen, nachdem sie über 20 Jahre weggeschlossen wurden. Inklusive des Verbotes, in Talkshows aufzutreten und Computer oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, solange die nicht einfach abgeschossen oder gesprengt werden können. Ach, das ist jetzt also übertrieben?

*** Der geistige Bruder des Trojaners ist übrigens der Datenübertragungsfehler. Er lauscht nicht mit, sondern schleicht sich in die Texte ein, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr ist. Ein Beispiel dafür lieferte diese Woche die die zweite Ausgabe von Vanity Fair. Das Blatt ist das neue deutsche Flaggschiff des Tom Kummer-Journalismus, der deutschen Leistungselite, gemacht von einem Chefredakteur, der Vermutungen nährt, er könnte seinen akademischen Titel beim Karaokewettbewerb auf der Semester-Abschlussparty gewonnen haben. In ihr findet sich ein Leserbrief des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach, der sich über einen angeblich von ihm verfassten Text lustig macht, der zu zwei Dritteln nicht von ihm stammt und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt lobt. Artig entschuldigt sich die Reaktion – und macht einen "Datenübertragungsfehler" dafür verantwortlich, dass etwas Blauäugiges in den Text gerutscht ist. So kann man die Tom Kummer-Technik natürlich auch erklären. Wie kummerlich das Blatt arbeitet, zeigt ein Text über die Rede von Wladimir Putin. Putin: "Haben wir aber die Mittel zur Verfügung, um diese Bedrohungen abzuwehren? Natürlich haben wir. Es genügt, die jüngste Geschichte in Erinnerung zu rufen. Immerhin ist in unserem Land ein friedlicher Übergang zur Demokratie erfolgt. Immerhin hat eine friedliche Transformation des Sowjetregimes stattgefunden." Vanity Unfair gibt wieder: "Wir haben Waffen, die dieses System überwinden können", und kommentiert das mit "Putin warnt die USA, das Raketenabwehrsystem schütze sie nicht vor den Russen". Wo Putin von Demokratie spricht (die er selbst nicht unbedingt liebt), hört die deutsche Leistungselite Raketenabwehrsystem. Ob da wieder dieser böse, böse Datenübertragungsfehler im Spiel war?

*** Im Jahre 1958 hatte der Film "Totenschiff" seine Premiere, der heute als Kommentar zu dem Leiden afrikanischer Migranten gesehen werden kann. Damals trat ein gewisser Hal Croves in Erscheinung, ein Mann, der sich auch B. Traven, Traven Torvsan oder Ret Marut nannte. Ein sympathisches Vorbild für alle, die nicht den größenwahnsinnigen "Autor" geben wollen, den Macker, der in der Identitätsfalle sitzt. Die geistige Unsitte, die in Deutschland dazu führt, Mullahs im Karneval auf der Achse des Humors zu verspotten. Vor 125 Jahren wurde der unter dem Namen B. Traven schreibende Mensch als Otto Alber Max Feige am 23. Februar in Schwiebus geboren – ein gutes Datum, um an seine Bücher zu erinnern. Außerdem gibt es das erste Interview mit dem Mann zu vermelden. Und statt sich angeekelt daran zu erinnern, dass ausgerechnet in einer Nachbarstadt dieser unserer kleinen Ticker-Webmetropole vor 75 Jahren Adolf Hitler zum Regierungsrat und damit erst zum deutschen Staatsbürger gemacht wurde, gedenken wir lieber des Geburtstags des großen Anthony Burgess, dem wir Clockwork Orange und "Hier kommt Alex" von den Toten Hosen verdanken. Fehlt nur noch der Panorama-Bericht, der beweist, wie Jugendliche unter dem Einfluss der schändlichen Musik von Beethoven zu Vergewaltigern werden.

Was wird.

Die CeBIT naht, die wirklich wichtigen Fragen des Lebens ziehen dräuend auf, die Pressemeldungen übersteigen die tägliche Spamflut, es gibt mehr innovative Lösungen als Viagra-Angebote. Doch wo sind die Antworten auf die Fragen? Gibt es ein Leben außerhalb von Hannover? Kommt Apple? Kommen die Häuser an die Macht, in deren Schutz die Computer werkeln, in denen sich das wahre Leben abspielt? Gibt es Menschen oder Rechner, die an etwas anderes denken als die CeBIT? Gibt es ein Leben nach der CeBIT? Aber ja doch, es findet Berlin statt und wird von Menschen organisiert, die sich an der Kreuzung von Katzencontent und Pinguin versuchen. Die eine Veranstaltung namens re:publica abhalten und um einen freundlichen Hinweis gebeten haben, ohne die CeBIT zu erwähnen. Mach ich doch glatt.

Quelle : www.heise.de

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