Autor Thema: Kuhhandel um verkleidete EU-Verfassung  (Gelesen 1022 mal)

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Kuhhandel um verkleidete EU-Verfassung
« am: 20 Dezember, 2006, 15:08 »
Die EU-Kommission hat sich dafür ausgesprochen, den Tätigkeitsbereich von Europol deutlich zu erweitern und die Strafverfolgungsbehörde auf eine "flexiblere Rechtsgrundlage" zu stellen. Statt dem bisherigen, von allen nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten regelmäßig zu bestätigenden Europol-Übereinkommen soll ein einfacher Beschluss des EU-Rates das künftige juristische Fundament des in Den Haag beheimateten Europäischen Polizeiamtes bilden. Zugleich sollen sich die Europolizisten künftig nicht mehr nur auf Ermittlungen im Bereich des organisierten Verbrechens konzentrieren, sondern auch bei grenzüberschreitenden schweren Straftaten analytisch tätig werden sowie unter anderem die Internet-Überwachung forcieren.

Im Rat waren entsprechende Vorschläge bereits Anfang des Jahres ausgearbeitet worden. Sie sahen auch vor, einen Informationsaustausch zwischen Europol und Sicherheitsbehörden in Ländern ohne ein mit der EU vergleichbares Datenschutzniveau zu gestatten. "Es hat sich als notwendig erwiesen, Organisation und Auftrag von Europol den neuen Herausforderungen, die sich durch Terrorismus und internationale Schwerkriminalität stellen, anzupassen", begründet EU-Justizkommissar Franco Frattini nun seinen Gesetzesvorschlag. Das Polizeiamt müsse "einen modernen Rechtsrahmen erhalten, der mit den sich verändernden Gegebenheiten Schritt halten kann."

Die Gründung von Europol geht auf den Vertrag von Maastricht 1992 zurück. Die Einrichtung war die erste Organisation im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit in Europa. Zum Europol-Übereinkommen sind inzwischen drei Änderungsprotokolle vereinbart worden, mit denen der Aufgabenbereich von Europol angepasst werden sollte. Diese Protokolle sind allerdings zum Ärger Brüssels immer noch nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert worden. Der Kommissionsvorschlag sieht daher nun vor, Europol in eine "EU-Agentur" umzuwandeln und die Änderungsprotokolle bei diesem Schritt inhaltlich zu übernehmen.

Mit der Ausdehnung der Tätigkeitsfelder soll gleichzeitig nicht nur die Bekämpfung des Terrorismus erleichtert werden, sondern auch das Vorgehen gegen Menschenhandel, Drogenhandel, Betrug und Cyberkriminalität. Europol soll die Mitgliedstaaten ferner bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung bei Großveranstaltungen wie internationalen Fußballspielen unterstützen können. Der Gesetzesentwurf enthält laut Frattini auch "inhaltliche Verbesserungen", die auf effizienteres Arbeiten sowohl bei der Strafverfolgung als auch im Bereich der Prävention abzielen.

Darüber hinaus soll Europol die Möglichkeit erhalten, zusätzlich zu seinem bestehenden Informationssystem und den Arbeitsdateien zu Analysezwecken neue Datenverarbeitungssysteme einzuführen. Denkbar wäre beispielsweise in bestimmten Fällen "die Errichtung von Datenbanken über Internetseiten, von denen eine Gefährdung ausgeht", heißt es bei der Kommission. Ein "Optionspapier" des EU-Rates über die Zukunft von Europol vom Mai hatte aber auch schon einmal die Einrichtung einer Art Anti-Terror-Datei nach deutschem Vorbild sowie einer speziellen Datenbank zu Kinderpornographie ins Spiel gebracht. Generell soll die Verarbeitung der bei Europol gespeicherten Daten laut Kommission "verbessert" werden bei "gleichzeitiger Gewährleistung eines weitreichenden Schutzes der personenbezogenen Daten".

Die allgemeine Struktur des Amts bleibe weitgehend unverändert, versichert die Brüsseler Behörde weiter. Die Finanzierung von Europol aus dem EU-Haushalt sowie die Anwendung des Beamtenstatuts auf das Europol-Personal sei in den Bestimmungen des EU-Vertrags festgelegt. Im Finanzrahmen 2007 bis 2013 seien ab 2010 bereits Mittel für den Europol-Haushalt vorgesehen, allein fürs erste Jahr 82 Millionen Euro. Durch die geplanten Änderungen werde sich die Funktionsweise des Amts nach einer gewissen Übergangszeit, die eine reibungslose Umstellung auf das neue Statut ermöglichen soll, vereinfachen. Ferner werde die Rolle des EU-Parlaments als Kontrollinstanz gestärkt, was "umfassenderen Informationen" über Vorgänge bei Europol zu verdanken sei.

Datenschützer haben das riesige Europol-Computersystem bislang immer wieder als eine Art "Datenwaschanlage" kritisiert. Strafverfolgungsbehörden können demnach im Zweifel umfangreichere personenbezogene Dossiers in Den Haag "parken", als es ihnen im nationalen Bereich erlaubt ist. Auch die Aus- und Umbaupläne für Europol haben bei zivilgesellschaftlichen Organisationen bereits die Alarmglocken läuten lassen. Der Vorschlag zur Stärkung der Aufsichtsfunktion des Parlamentes etwa sei praktisch wirkungslos. Tony Bunyan von der britischen Bürgerrechtsvereinigung Statewatch hält die damit einhergehende Kontrolle für "nicht existent". Brüssel steht seiner Ansicht nach allein mit der Meinung da, dass das Rahmenwerk für die Überprüfbarkeit der Behörde "ausreichend" sei.

Quelle : www.heise.de

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Bundesrat begrüßt geplanten Ausbau der Europol-Befugnisse
« Antwort #1 am: 11 März, 2007, 16:15 »
Der Bundesrat hält den von Brüssel verfolgten Ansatz einer stärkeren operativen Ausrichtung Europols für richtig. Eine entsprechende Stellungnahme (PDF-Datei) zum Vorschlag der EU-Kommission für einen Ratsbeschluss zur Ausweitung des Europäischen Polizeiamtes hat die Länderkammer am Freitag abgegeben. Allerdings gibt es im Bundesrat auch Empfindlichkeiten gegenüber zu großen Einmischungen der Den Haager Behörde in die Polizeiarbeit der Länder. So soll die Bundesregierung bei den weiteren Beratungen der Brüsseler Initiative darauf achten, dass der neue Rechtsrahmen für Europol einen "operativen Mehrwert" mit sich bringt, ohne jedoch dadurch "exekutive Befugnisse" für die Eurocops zu schaffen und aus der Behörde endgültig ein Euro-FBI zu machen.

Die Kommission hat sich Ende Dezember dafür ausgesprochen, den Tätigkeitsbereich von Europol deutlich zu erweitern und die Strafverfolgungsbehörde auf eine "flexiblere Rechtsgrundlage" zu stellen. Statt dem bisherigen, von allen nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten regelmäßig zu bestätigenden Europol-Übereinkommen soll ein einfacher Beschluss des EU-Rates das künftige juristische Fundament der Organisation bilden.

Kritisch merkt der Bundesrat zu dem Vorhaben an, dass die vorgeschlagene Beschreibung der deliktischen Zuständigkeit von Europol in einem abschließenden Straftatenkatalog nicht sachgerecht sei. Vielmehr solle die Behörde für alle Formen der schweren internationalen Kriminalität zuständig sein, sofern nicht nur regionale Bezüge festzustellen sind. Unklar erscheint der Ländervertretung zudem, in welchem Umfang Europol künftig "in die (innerstaatliche) Strafverfolgung einzubinden sein wird". Während einerseits gemäß dem Kommissionspapier Bedienste des Polizeiamtes die eigentlichen Ermittlungsgruppen nur unterstützen dürften, würden an anderer Stelle die "Koordinierung, Organisation und Durchführung von Ermittlungen und von operativen Maßnahmen" gemeinsam mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten oder im Rahmen von gemeinsamen Strafverfolgungsteams mit als Kernaufgaben Europols bezeichnet.

Bei Aktionen aufgrund des Verdachts der Euro-Fälschung sei sogar vorgesehen, Vertreter des Polizeiamtes als stellvertretende Leiter von Ermittlungsgruppen installieren zu können, wundern sich die Länder. Bisher gebe es nach deutschem Recht keine Möglichkeit, Europol-Bedienstete mit der Vornahme operativer Maßnahmen im Inland zu betrauen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher um die Klarstellung, dass die Sachleitung der Staatsanwaltschaft im Bereich der Strafverfolgung auch bei grenzüberschreitenden Ermittlungen zu gewährleisten ist.

Keine Mehrheit bei den Länderchefs fand eine Empfehlung des Rechtsausschuss' des Bundesrates für einen Hinweis, dass dem Ministerrat die Kompetenz fehle, das Europol-Übereinkommen durch einen Beschluss aufzuheben oder zu beendigen. Mit den Formulierungen der Kommission werde nur ein "Anwendungsvorrang" des geplanten Beschlusses zum Ausdruck gebracht, während die Rechtsgrundlage für die Polizeibehörde damit weiter zum gültigen EU-Recht zähle, hatten die Rechtspolitiker zunächst zu Bedenken gegeben. Bürgerrechtler sehen mit den Brüsseler Plänen derweil eine unkontrollierte Ausdehnung der Europol-Befugnisse einhergehen, mit der die Mitbestimmungsrechte nationaler Parlamente ausgehebelt würden.

Quelle : www.heise.de

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Mit Sicherheit außer Kontrolle
« Antwort #2 am: 16 August, 2007, 12:33 »
Wir steuern auf die Entwicklung einer weltweiten Datentauschbörse zu, die dem Missbrauch von personenbezogenen Informationen Tür und Tor öffnet.

Während die europäische Polizeibehörde Europol vor einer erhöhten Terrorgefahr für Deutschland warnt, können einem ausgerechnet die Sicherheitsmaßnahmen der EU-Innenpolitik größere Sorgen bereiten. Im Kampf gegen "Gefährder" wollen die Regierungen immer mehr persönliche Informationen über ihre Bürger sammeln. Doch sie vergessen: Wer mehr Sicherheit durch intensive Überwachung will, muss zuallererst mehr Sicherheit vor Spionage gewährleisten.

Natürlich, die Innenpolitik steht unter Zugzwang. Moderne Kommunikationstechnologien ermöglichen blitzschnelle Absprachen quer über den Globus, lassen in Sekunden Millionen von Verbindungen entstehen und noch schneller wieder verschwinden. Alle rücken virtuell näher zusammen – auch Kriminelle. Die internationalen Strafverfolgungsbehörden müssen nachziehen, müssen ihre Ermittlungsmethoden aufrüsten, müssen sich stärker miteinander vernetzen. Mittlerweile ist die digitale Spurensuche für Polizisten und Geheimdienstler mindestens genau so wichtig wie Untersuchungen vor Ort, und weil es eine ständige Flut elektronischer Informationen gibt, verlangt deren Überwachung eine umfangreiche Speicherung.

Je mehr Datenbanken vorhanden und vernetzt sind, desto effektiver lassen sie sich per Rasterfahndung durchforsten, mit einem entscheidenden Vorteil: In den Datenhalden können sich Hinweise verbergen auf Verbrechen, die noch gar nicht begangen wurden. Man denke an Internet-Protokolle zu kriminellen Übereinkünften, an abgefangene Verschwörungspläne, an die Adressen von Mittelsmännern, wohlmöglich von Drahtziehern – einzelne Hinweise fügen sich zu einem konkreten Verdachtsmoment; Drogen-, Menschen-, Waffenhändler, insbesondere Attentäter könnten möglicherweise frühzeitig gestoppt werden.

Kurz: Eine Verbesserung der europäischen Strafverfolgung sowie -prävention ist wünschenswert. Nichtsdestotrotz: Die Überwachungsformen und -standards, welche die EU-Regierungen derzeit über die Köpfe ihrer Souveräne hinweg durchzusetzen versuchen, stinken zum Himmel! Genauer: Wir steuern auf die Entwicklung einer weltweiten Datentauschbörse zu, die dem Missbrauch von personenbezogenen Informationen Tür und Tor öffnet.

Eine wichtige Rolle spielt hierbei die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die im Mai 2006 in Kraft trat. Danach haben sich die Mitgliedsstaaten verpflichtet, alle Verkehrs- sowie Standortdaten, die bei der Telekommunikation (TK) anfallen, zu Fahndungszwecken auf mindestens sechs Monate zu speichern. Die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie in nationales Recht läuft am 15. September 2007 ab. Für Internetdienste darf sie bis zum 15. März 2009 aufgeschoben werden.

Bitte was! Vorratsdatenspeicherung? Will mich die Regierung jetzt ausspionieren?, mag man sich fragen. Glücklicherweise findet Justizministerin Brigitte Zypries beruhigende Worte: "Man muss sich zunächst mal klar machen, dass heute bereits die Daten der Telekommunikationsteilnehmer genau so gespeichert werden, nur zu Abrechnungszwecken, und dass auch dann, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt, auf diese Daten zugegriffen werden kann. Wir werden künftig die Speicherung aber nicht nur für 90 Tage haben, sondern für 180 Tage. Ansonsten ändert sich ja im Wesentlichen nichts."

Gott sei Dank. – Leider entspricht die Aussage nicht der Wahrheit: Bislang hielten die Telekommunikationsanbieter lediglich jene Verbindungsdaten fest, die sie zur Abrechnung benötigen. Im Falle eines Festnetztelefonats sind das die gewählten Rufnummern samt Gesprächszeitpunkt und Dauer. Nach dem neuen Telekommunikationsgesetz müssen die Provider darüber hinaus Namen und Adressen der Gesprächsteilnehmer speichern. Bei Gebrauch eines Handys wird außerdem der Standort erfasst. Beim Verschicken einer Mail sind Sendedatum, Absender- und Empfängerdaten betroffen. Beim Surfen im Internet, Dauer und Benutzerkennung – so dass sich rekonstruieren ließe, wann man welche Webseite besucht hat.

Warum versäumt es die Justizministerin, über diese Neuerungen zu informieren? Etwa weil sie unerheblich sind? Kann nicht sein. Mit den Änderungen verbinden sich – um mit dem geringsten Problem zu beginnen – erhebliche Kosten. Die TK-Branche stöhnt auf. Der Geschäftsführer des Lobbyisten-Verbands Bitkom schimpft:

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Kuhhandel um verkleidete EU-Verfassung
« Antwort #3 am: 19 Oktober, 2007, 15:10 »
Die neue rechtliche Grundlage der EU wurde in Lissabon schneller beschlossen als erwartet

Stimmen gegen Zustimmung lautete das Motto auf dem Lissabonner EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Als Gegenleistung zur Erfüllung ihrer Forderungen sagten die "Quertreiber" in der 27er Runde Ja zum neuen Reformvertrag. Das Abkommen ist jedoch nichts anderes als die umetikettierte EU-Verfassung - mit all ihren Konsequenzen für Wirtschaft, Sozialpolitik und militaristischen Kurs der Europäischen Union.

José Socrates ist zufrieden. Portugals Premier strahlte auf dem Lissabonner EU-Gipfel, als sei die weitgehend konfliktfreie Absegnung der [extern] Reformverträge nur ihm zu verdanken. Dabei war es keineswegs der portugiesische EU-Ratspräsident, der die drei Störenfriede Lech Kazcynski, Gordon Brown und Romano Prodi zur Raison brachte. Sowohl Warschau als auch London und Rom hatten mit ihren Forderungen den Gipfel bis zuletzt zu einer Zitterpartie gemacht - wenngleich zumindest die polnische und die britische Regierung vor dem Treffen deutliches Entgegenkommen signalisiert hatten. Letztlich aber wurde den "Stänkerern" ihre Zustimmung zu den Reformverträgen abgekauft.

Großbritannien, Polen und Italien konnten ihre Forderungen durchsetzen

Vor allem London hat mit diesem Vorgehen reichlich Erfahrung. Seit 1984 Margaret Thatcher mit ihrem berühmten Kampfruf "I want my money back" und dem nachdrücklichen Handtasche-auf-den-Tisch-Schlagen den britischen Beitragsrabatt durchsetzte, hat sich Großbritannien für verschiedene unliebsame europäische Bestimmungen Ausstiegsklauseln reservieren lassen. Nahezu jeder EU-Haushalt, jedes wichtige Abkommen, jede zentrale Personalentscheidung musste der Londoner Regierung abgehandelt werden. Im Lissabonner Reformvertrag setzte Brown die britische Abstinenz für die ungeliebte justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit sowie die Nichtzuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs in diesen Fragen durch. Auch die Sonderrolle bei der europäischen Sozialpolitik, aus der London ohnehin weitgehend ausgestiegen ist, pflegte der Nachfolger Tony Blairs. Die Grundrechtecharta, ohnehin ausgelagert und allein per Protokollvermerk mit einem bestimmten Maß an Rechtsverbindlichkeit versehen, soll für die Briten nicht gelten.

Ebenso wenig für Polen. Auch Warschau sind fixierte Bürgerrechte ein Dorn im Auge. Vermutlich liegen die polnischen Vorbehalte dabei aber weniger bei den sozialen Festlegungen - ohnehin ist die Charta in dieser Hinsicht nur dürftig ausgestattet -, sondern bei den politischen Grundfreiheiten. Bekanntlich werden im Polen der Gebrüder Kaczynski nicht nur sexuelle Minderheiten diskriminiert und teilweise sogar verfolgt, sondern demokratische Bürgerrechte mehr oder minder offen eingeschränkt. So liegt Polen auf der erst vor wenigen Tagen von "Reporter ohne Grenzen" veröffentlichten jüngsten Rangliste der Pressefreiheit auf Platz 56 - und damit an letzter Stelle in der EU. Insofern dürfte die Warschauer Regierung mit der faktischen Ausradierung der Grundrechtecharta aus dem Vertragstext zufrieden sein.

Gelöst hat sich auch der Konflikt um die beschnittene Stimmenzahl Polens im Ministerrat, dem eigentlichen EU-Entscheidungsgremium. Als "Kompensation" hatten die Kaczynskis auf die Fixierung des Ioannina-Mechanismusim Vertragstext gepocht. Die im griechischen Ioannina verabschiedete Regel sieht vor, dass Mehrheitsentscheidungen für eine "angemessene Zeit" auch dann blockiert werden können, wenn die notwendige Sperrminorität knapp verfehlt wird. Dass Polen mit der Forderung den Lissabon-Gipfel ernsthaft gefährdet, war aber nicht erwartet worden. Zwar sollte etwas Kraftmeierei die Chancen der Zwillinge bei den Wahlen in Polen am Wochenende erhöhen. Letztlich aber können die Kaczynskis den Bogen nicht überspannen. Einmal, weil die Zustimmung in Polen zur EU groß ist – nicht zuletzt wegen Summen, die Brüssel in das Land pumpt. Mit 67 Milliarden Euro von 2007 bis 2013 ist Polen größter Empfänger von Fördermitteln in der EU. Als weiteres Zuckerbrot gab es von Frankreich noch kurz vor dem Gipfel die Zusage für ein lukratives Wirtschafts- und Energieabkommen. Zum anderen kamen die restlichen EU-Staaten Warschau in Lissabon weiter entgegen. So ist die Ioannina-Regel zwar kein Vertragsbestandteil geworden, allerdings in ein Zusatzprotokoll aufgenommen worden. Auch Italien wurde in der portugiesischen Hauptstadt befriedigt. Ob Romano Prodi mit einem Sitz mehr im Europaparlament aber seine innenpolitisch angeschlagene Position verbessern kann, ist fraglich.

Der "Reformvertrag" hält an den strategischen Weichenstellungen fest, auch wenn es kleinere Veränderungen gibt

Dass die EU und die europäischen Regierungen auf die Forderungen eingegangen sind, ist nicht überraschend. Nachdem der europäische Verfassungsvertrag im Frühjahr 2005 in Frankreich und den Niederlanden durchgefallen, danach Monate auf Eis gelegt und auf dem Juni-Gipfel in Brüssel offiziell beerdigt worden war, konnte sich EU keinen weiteren Fehlschlag leisten. Und dies aus drei Gründen. Erstens ist eine Reformierung der EU tatsächlich dringend nötig. Selbst vehemente Gegner einer gesamteuropäischen Konstitution können nicht ignorieren, dass Institutionen und Mechanismen bereits seit Jahren kaum noch handlungsfähig sind.

Ein großer Teil der Undurchsichtigkeit und der ausufernden Bürokratie geht auf die ineffizienten Strukturen zurück. Dass das Regelwerk Staaten, Wirtschaft und deren Lobbyisten weitreichende Möglichkeiten der Einflussnahme auf Politik und "europäische Gesetze" gibt, ist bekannt und wird nicht zuletzt von solchen Organisationen wie Lobbycontrol mit schöner Regelmäßigkeit angeprangert.

Zweitens will die EU Handlungsfähigkeit beweisen. Nach der Schlappe mit der Verfassung, nach ständigen Reibereien um Stabilitäts- und Schuldenkriterien ist das Bild einer funktionierenden Gemeinschaft deutlich gestört. Drittens - und das ist das Entscheidenste - soll der Neoliberalismus in Europa festgeklopft werden. Dazu wurde der Verfassungsvertrag letztlich einfach neu aufgelegt. Schon der Reformgipfel im Juni, auf dem das Verhandlungsmandat erteilt wurde, hatte eher kosmetische Änderungen wie die Umbenennung des europäischen Außenministers beschlossen. Die strategischen Weichenstellungen bleiben allerdings erhalten. Zwar wurden einige Formulierungen der Verfassung nun entschärft, die Fixierung auf den "offenen Markt" bleibt aber ebenso erhalten wie das Primat der Wettbewerbsfähigkeit oder die starke und verselbständigte Rolle der Finanz- und Stabilitätspolitik. Verschärfungen gab es sogar bei den sicherheitspolitischen Festlegungen. Neben den bekannten Klauseln zur Aufrüstungsverpflichtung und zu internationalen Militäreinsätzen gibt es jetzt sogar einen Fonds, mit denen solche Missionen vorfinanziert werden können.

Natürlich existieren auch Neuerungen, die durchaus positiv gesehen werden können. Die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen (bei Einführung einer "doppelten Mehrheit" von Stimmen und Bevölkerungszahl) gehört dazu, auch die Möglichkeit von Bürgerbegehren. Dass diese allerdings eingeschränkt sind, entspricht der EU-Politik. So wollen die Regierungen Volksbefragungen zum neuen Reformvertrag (in Irland ist dies jedoch schon beschlossen) möglichst umgehen. Nicht zuletzt deshalb wurde die EU-Verfassung in einen angeblich "weniger gefährlichen" Reformvertrag umetikettiert.

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Offline Freddie

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Re: Kuhhandel um verkleidete EU-Verfassung
« Antwort #4 am: 19 Oktober, 2007, 16:35 »
ich Frage mich sowieso schon lange was die Englaender oder Polen in der EU wollen! >:(
IMHO rausschmeissen!

Offline Jürgen

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Re: Kuhhandel um verkleidete EU-Verfassung
« Antwort #5 am: 20 Oktober, 2007, 01:06 »
Wieso?

Ich wurde garnicht gefragt, auch nicht, ob ich in der EU sein will, oder den Euro haben, oder die DDR, oder 'ne Regierung der Nationalen Front Grosse Koalition...
Warum sollte ich mich fragen? Die Antwort kenne ich doch schon.

Wie auch immer, m.w. ist ein Hinauswurf ebensowenig im System vorgesehen wie ein Austritt...
Kein Support per persönlicher Mitteilung!
Fragen gehören in's Forum.

Veränderungen stehen an. Dies ist der bisherige Stand:
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1mØ mit DiSEqC 1.3/USALS als LNB2 an DVB-S2 STB, aktuell 30°W bis 55°O
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3.) Raspberry Pi 512MB u.a. mit Raspbian
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Grüne verlangen stärkere Kontrolle von Europol
« Antwort #6 am: 27 Januar, 2008, 16:33 »
Die Fraktion der Grünen im Bundestag macht sich für eine stärkere Aufsicht über Europol stark. In einem vor kurzem veröffentlichten Antrag (PDF-Datei) der Oppositionspartei zur "rechtsstaatlichen Verbesserung" des europäischen Polizeiamtes erheben die Grünen zwar keine prinzipiellen Bedenken für die von Brüssel geplante Neustrukturierung der Den Haager Polizeibehörde. Sie erwarten aber, dass der überarbeitete rechtliche Rahmen für Europol eine "Kriminalitätsbekämpfung mit Augenmaß gewährleistet und den Schutz der Bürgerrechte sichert". Er müsse daher vor allem durch erweiterte Kontrollmöglichkeiten begleitet werden. Darüber hinaus müssten die bestehenden Gefüge, in denen die Eurocops operieren, "transparenter und effizienter" gestaltet werden.

Laut dem Antrag soll Europol künftig vor allem gerichtlicher Kontrolle unterliegen. Bisher enthält das Übereinkommen für die Behörde allein die Möglichkeit, durch einen Beschluss der Mitgliedsstaaten Streitfragen dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorzulegen. Darüber hinaus soll das EU-Parlament bei der Wahl des Europol-Direktors konsultiert werden. Auch erwarten die Grünen, dass die Behörde die EU-Abgeordneten vorab jeweils über die Prioritäten der Arbeit des kommenden Jahres unterrichten. Den Zuständigkeitsbereich von Europol wollen sie auf organisierte Formen der schweren Kriminalität beschränkt wissen. Der vom EU-Rat bereits prinzipiell befürwortete Vorschlag der EU-Kommission sieht dagegen vor, dass die Ermittler auch zur Prävention und Bekämpfung von terroristischen Straftaten tätig werden sowie das Internet überwachen dürfen.

Weiter setzen sich die Grünen für klare Grenzen bei der Verarbeitung persönlicher Daten durch Europol und die Weitergabe an Drittstaaten oder andere EU-Einrichtungen ein. So solle das Polizeiamt von privaten Stellen übermittelte Informationen nur unter strengen Bedingungen und bei Unbedenklichkeit ihrer Erhebung aufnehmen. Daten, deren Bedeutung für die Aufgaben von Europol noch überprüft würden, müssten in separaten Informationssystem maximal sechs Monate gespeichert werden. Einen unmittelbaren Zugriff auf die Daten im Europol-Computersystem dürfe es für "Bedienstete" und nationale Verbindungsbeamten nicht geben. Andererseits dürften die Auskunftsansprüche über vorgehaltene Daten betroffenen Bürgern nur dann versagt werden, wenn dadurch die Tätigkeiten der Fahnder in Den Haag, nationale Ermittlungen oder die Rechte Dritter tatsächlich gefährdet würden. Alle drei Jahre sollen die Angaben in der umfangreichen Europol-Datenbank zudem auf die Erforderlichkeit einer weiteren Speicherung überprüft werden.

Generell soll die Bundesregierung nach Wunsch der Grünen aufgefordert werden, auf die Erreichung dieser Ziele in Brüssel zu pochen. Im Falle eines Scheiterns der Bemühungen müsse sie einen Parlamentsvorbehalt erklären. Auch bei den EU-Abgeordneten gibt derweil es Sorgen über ein Kontrollvakuum bei Europol. Der innenpolitische Sprecher der Liberalen im EU-Parlament, Alexander Alvaro, schlug vor kurzem Alarm. Er sieht mit der inzwischen verabschiedeten, den Rat allerdings nicht bindenden Empfehlung der Volksvertreter den Weg prinzipiell für die Neuaufstellung und Befugniserweiterung Europols und damit bald eine Lücke bei der parlamentarischen und gerichtlichen Aufsicht über die Behörde klaffen. Grund sei, dass der EU-Reformvertrag von Lissabon und das damit neu geregelte Kontrollgefüge noch nicht in Kraft getreten ist.

Quelle : http://www.heise.de/newsticker/meldung/102528

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Verfassungsrichter entscheiden über Europas Zukunft
« Antwort #7 am: 30 Juni, 2009, 09:23 »
Das Urteil könnte das Schicksal der EU auf viele Jahre prägen: Das Verfassungsgericht entscheidet an diesem Dienstag darüber, ob der Reformvertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz vereinbar ist. SPIEGEL ONLINE beschreibt die möglichen Szenarien - und ihre Folgen.

Hamburg - Bislang hielt sich das Interesse an der Karlsruher Entscheidung zur Europapolitik in Grenzen - weil alle auf Irland schielten. Als die Iren den Reformvertrag im vergangenen Jahr ablehnten, brachten sie den europäischen Einigungsprozess erheblich ins Stocken. Im Herbst wird die Abstimmung wiederholt. Allerdings nur, weil das Land ein Zusatzprotokoll durchsetzte, das seine Souveränität schützen soll.

In der Debatte über den irischen Sonderweg ging fast unter, dass auch die Ratifizierungsurkunde aus Berlin noch fehlt. Ausgerechnet von Deutschland, das sich in der EU gern als Musterschüler präsentiert.

Dabei könnte die deutsche Haltung im schlimmsten Fall eine verheerende Kettenreaktion auslösen. Fällt Lissabon in Deutschland durch, wird ein Ja der Iren sehr viel schwieriger zu erreichen sein. Die Staatschefs von Polen und Tschechien, deren Entscheidung ebenfalls noch aussteht, werden sich wiederum nach Irland richten.

Eigentlich hatte der Bundestag den Mammutvertrag im vergangenen Jahr mit einer Mehrheit von 90 Prozent durchgewunken. Doch mehrere Kläger - darunter der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler - hatten beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gegen das Zustimmungsgesetz Beschwerde eingelegt.

Die erforderliche Unterschrift von Bundespräsident Horst Köhler liegt seitdem auf Eis. Am Dienstag entscheiden die Karlsruher Richter nun darüber, ob Deutschland mit seiner Zustimmung zum EU-Vertrag gegen das Grundgesetz verstoßen hat. Sogar Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wird zur Urteilsverkündung nach Karlsruhe reisen.

Mehr Macht für Brüssel

Der Lissabon-Vertrag ist die abgespeckte Version der ursprünglich geplanten EU-Verfassung. Wie sein Vorgänger soll das Regelwerk helfen, die Union schlanker, transparenter und entscheidungsfreudiger zu machen. Das bedeutet aber zwangsläufig weniger Einfluss für die einzelnen Mitgliedstaaten - einer der Gründe, warum sich Frankreich und die Niederlande bei ihren Volksabstimmungen 2005 gegen den Vertrag sperrten. Doch die Staats- und Regierungschefs der EU gaben nicht auf: Während ihrer Gipfelkonferenz in Lissabon beschlossen sie 2007 einen formal neuen, inhaltlich aber kaum geänderten Reformvertrag.

    * Vorgesehen ist etwa, das Vetorecht der 27 Mitgliedstaaten einzuschränken und öfter Mehrheitsentscheidungen zuzulassen.
    * Zugleich bekommt die Union mehr Macht, etwa beim Strafrecht. Künftig können die EU-Staaten einstimmig neue Straftatbestände einführen. Bislang konnte dies in Deutschland nur der Bundestag.

Das Gericht entscheidet über die Verfassungsklagen Gauweilers, der Linksfraktion im Bundestag, des ÖDP ("Die Öko-Demokraten")-Chefs Klaus Buchner und einer Gruppe um den Juristen Franz Ludwig Schenk Graf von Stauffenberg.

Die Kläger rügen, dass es durch die Verlagerung von Kompetenzen auf die EU zu einer "Entmachtung" des Bundestags und einem "Verlust der staatlichen Souveränität Deutschlands" komme. Rechtsakte der EU seien zudem nicht ausreichend demokratisch legitimiert.

Droht ein "Grundrechte-Dumping"?

Vor allem die sogenannte Flexibilitätsklausel, nach der die EU auch dort ergänzend eingreifen darf, wo sie eigentlich keine Befugnis hat, ist den Gegnern ein Dorn im Auge. Im Kern des komplexen Streits geht es um die Frage, ob die Übertragung weiterer Machtbefugnisse an die Europäische Union das deutsche Demokratieprinzip und das Prinzip der Gewaltenteilung verletzt. Die Befürchtung der Kritiker ist, dass der Bundestag zu viel Macht und Gestaltungsspielraum an Brüssel abtrete.

Die Gründe der Ablehnung sind verschieden. Die Linksfraktion moniert den Verlust parlamentarischer Kontrolle im Militär- und Sozialstaatsbereich. Sie befürchtet, dass europäische Militäreinsätze nicht mehr von nationalen Parlamenten kontrolliert werden können.

Gauweiler sieht die nationale Souveränität in Gefahr: Die Möglichkeit, Beschlüsse im Rat mit Mehrheit statt wie bisher einstimmig zu fassen, verhindere die wirksame Einflussnahme der Mitgliedstaaten. Die Hoheitsrechte Deutschlands würden in "unüberschaubarer Weise" auf die EU übertragen, fürchtet der CSU-Querkopf. Beispielsweise könne der Europäische Gerichtshof (EuGH) theoretisch das deutsche Embryonenschutzgesetz kippen - weil ein verbotener Handel mit Embryonen dem Grundsatz des freien Warenverkehrs widerspreche.

Die Übertragung von Zuständigkeiten der Inneren Sicherheit auf die EU hebele faktisch das Grundrecht der Deutschen auf eine Vertretung durch den Bundestag aus, argumentiert er. Zudem sei das Europäische Parlament "in einem undemokratischen Verfahren gewählt" und nicht hinreichend vom Volk legitimiert.

In der mündlichen Verhandlung im Februar hatten Steinmeier und Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) das Vertragswerk verteidigt. Wie das Urteil ausfallen wird, können aber selbst erfahrene Europarechtler nicht vorhersagen.

Szenario 1: Die Klagen werden abgelehnt

Dass Karlsruhe die Zustimmung des Bundestags zur EU-Reform einfach so abnickt, ist angesichts der vielen skeptischen Kommentare undenkbar. Die Richter zeigten sich bereits bei der mündlichen Verhandlung nicht von allen Facetten des EU-Vertrages restlos überzeugt.

Kritisch wurde vor allem eine mögliche "Entstaatlichung" Deutschlands durch die Verlagerung von Kompetenzen des Bundestages auf die EU gesehen. Auch die angeblich unzureichende demokratische Legitimation der EU durch das Volk wurde mehrfach bemängelt. Der als europaskeptisch geltende Richter Udo di Fabio warnte schon vor Jahren vor einem "Einstieg in den Ausstieg" aus dem völkervertraglichen Charakter der EU.

Sollte das BverfG alle Verfassungsklagen ablehnen, könnte der deutsche Ratifizierungsprozess unverzüglich zu Ende gebracht werden. Die von Bundespräsident Köhler unterzeichnete Ratifikationsurkunde würde an die EU gesandt.

Szenario 2: Das Zustimmungsgesetz wird gekippt

Indirekt könnten die Richter des Zweiten Senats das Vertragswerk platzen lassen. Erklärt das Gericht das Zustimmungsgesetz für verfassungswidrig, wäre der EU-Vertrag in dieser Form gescheitert und müsste völlig neu verhandelt werden - mit verheerenden Folgen für die europäische Integration.

In diesem Fall würde es zu einer gigantischen politischen Krise der EU kommen. Die 27 Mitgliedsländer müssten den mühsam ausgehandelten Vertrag neu ratifizieren - eine kaum zu bewältigende Aufgabe. Damit wäre der Lissabon-Vertrag tot und auch eine Erweiterung ausgeschlossen: Deutschland und Frankreich lehnen eine Aufnahme weiterer Staaten ab, so lange der Reformvertrag nicht greift.

Übrigens kann der Bundestag nicht einfach nachträglich erklären, seine Billigung gelte auch für einen überarbeiteten Reformvertrag. Das Zustimmungsgesetz segnet den EU-Vertrag so ab, wie er ist.

In Regierungskreisen gibt man sich allerdings gelassen: Insider halten es für undenkbar, dass die Richter den Vertrag scheitern lassen wollen. Dass Karlsruhe Änderungen an dem Dokument selbst verlangt, gilt als eher unwahrscheinlich. Allerdings erwarten Experten eine Reihe von Auflagen.

Szenario 3: Deutschland muss Auflagen erfüllen

Verfahrensbeteiligte halten einen Kompromiss - also eine Korrektur einiger Kernpunkte, ohne gleich den ganzen Vertrag scheitern zu lassen - für relativ wahrscheinlich. Der Vorsitzende des Europaausschusses des Bundestags, Gunther Krichbaum (CDU), etwa rechnet damit, dass Karlsruhe in das Zustimmungsgesetz "einige Leitplanken einziehen wird".

Denkbar wäre, dass das Gericht der Bundesregierung auferlegt, vor ihrer endgültigen Zustimmung zu einschlägigen EU-Entscheidungen generell zunächst das Parlament zu befragen. Durch diesen sogenannten Parlamentsvorbehalt würde der deutsche Souverän stärker in die Entscheidungsprozesse involviert - und die umstrittene Flexibilitätsklausel abgeschwächt.

Ob das Verfassungsgericht das nach Ansicht Gauweilers "notorische Demokratiedefizit der EU" beanstandet, ist offen. Richter Udo di Fabio hatte aber im Februar betont, es müsse eine "Legitimationskette" von jedem EU-Amt zum Volk angestrebt werden.

Als Konsequenz dieses Urteils müsste das Zustimmungsgesetz überarbeitet werden - und zwar schnell: Am Freitag endet die letzte Sitzungswoche vor der Sommerpause. Vorsorglich wurde für Mittwoch eine Bundestagsdebatte über die Entscheidung der Richter zum Lissabon-Vertrag angesetzt.

Wie SPIEGEL ONLINE aus Regierungskreisen erfuhr, würde diese dann bereits als Erste Lesung gelten, und ein möglicherweise überarbeitetes Gesetz direkt in die zuständigen Ausschüsse überwiesen werden. Theoretisch könnte dann eine entsprechende Erklärung bereits am Freitag verabschiedet werden - allerdings nur, wenn die Fraktionen mitziehen. Hagelt es gegen die Hauruck-Aktion massenhaft Einspruch, müsste der Bundestag seine Sommerpause für eine Sondersitzung unterbrechen.

Warum Karlsruhe in eigenem Interesse entscheidet

Schließlich dürften die Karlsruher Richter noch etwas in eigener Sache vorbringen. Denn es gibt im EU-Reformvertrag eine Klausel, durch die der Vertrag zu einer Art "europäischen Oberverfassung" gemacht wird. Die Folge könnte sein, dass der EuGH sich in rein innerstaatliche Verfassungsangelegenheiten einmischen dürfte, bei denen es umstritten ist, ob es um Europarecht geht - und hierbei das Bundesverfassungsgericht korrigiert. Ob sich Karlsruhe dies gefallen lässt, ist eine der spannenden Fragen, die am Dienstag beantwortet werden.

Solch eine Entmündigung dürfte das Bundesverfassungsgericht wohl kaum hinnehmen. Darauf lassen auch mehrere Entscheidungen des Gericht in der Vergangenheit schließen. Bereits in seinem Urteil von 1993 zum Vertrag von Maastricht bezeichnete es die Aufgabenverteilung zwischen ihm und dem EuGH zur Anwendbarkeit von Gemeinschaftsrecht in Deutschland selbstbewusst als "Kooperationsverhältnis".

Im 1986 ergangenen "Solange-II-Beschluss" betonte Karlsruhe die Grenzen dieser Kooperation. Der Beschluss bekam diesen Namen, weil das Gericht darin bestimmt, dass es "nur solange" auf die Ausübung seiner Gerichtsbarkeit verzichtet, wie auf Gemeinschaftsebene ein ausreichender Grundrechtsschutz durch den EuGH gewährleistet ist.

Auf dieses Recht der letzten Entscheidung wird das Gericht voraussichtlich weiterhin pochen. Die Verfassungshüter könnten am Dienstag fordern, dass der Erhalt dieser Kontrollbefugnis in den deutschen Ausführungsgesetzen zum Lissabon-Vertrag beachtet wird. Mit dem Parlamentsvorbehalt und dem Kontrollvorbehalt des Gerichts wären das Souveränitätsprinzip und auch das Prinzip der demokratischen Gewaltenteilung gewahrt.

Quelle : www.spiegel.de

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Verfassungsgericht billigt Lissabon-Vertrag nur unter Auflagen
« Antwort #8 am: 30 Juni, 2009, 11:05 »
Ganz Europa schaut auf dieses Urteil: Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass der EU-Vertrag von Lissabon mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Allerdings muss sich der Bundestag künftig stärker an EU-Entscheidungen beteiligen, die Ratifizierung ist erst einmal gestoppt.

Karlsruhe - Deutschland darf dem EU-Reformvertrag von Lissabon vorerst nicht zustimmen. Zwar ist das deutsche Zustimmungsgesetz zu dem Vertragswerk mit dem Grundgesetz vereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Bevor Bundespräsident Horst Köhler seine Unterschrift unter den Vertrag setzt, müssen aber zunächst die Beteiligungsrechte von Bundestag und Bundesrat gestärkt werden, hieß es in dem Urteil vom Dienstag.

Die Ratifikationsurkunde zum Lissabon-Vertrag darf deshalb solange nicht hinterlegt werden, bis ein entsprechendes Gesetz in Kraft getreten ist, entschieden die Verfassungshüter. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) war zur Urteilsverkündung nach Karlsruhe gereist.

Der Vertrag von Lissabon soll die Zuständigkeiten Brüssels erweitern und die EU schlanker, demokratischer und entscheidungsfreudiger machen. Der Bundestag hatte im vergangenen Jahr ein Zustimmungsgesetz mit großer Mehrheit abgesegnet, mit dem der EU-Reformvertrag gebilligt wurde.

Bundespräsident Köhler hatte seine Unterschrift unter den Vertrag mit Rücksicht auf die Karlsruher Entscheidung zurückgestellt - nun wird sie noch länger auf Eis liegen. Neben Deutschland haben auch Polen, Tschechien und Irland den Vertrag noch nicht ratifiziert.

Die Kläger - darunter der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler -, die vor dem Gericht Beschwerde eingelegt hatten, befürchten jedoch, "dass weiter unkontrollierte Macht an die EU-Gremien abgegeben wird". Der Vertrag verletze die Souveränität der Bundesrepublik, weil die EU und der Europäische Gerichtshof (EuGH) immer weitere Kompetenzen an sich ziehen könnten.

Bundestag gerät unter Zeitdruck

Die Verfassungsrichter gaben den Klägern zum Teil recht: Das Parlament und die Länderkammer seien bei der Übertragung von Rechten an die Europäische Union bislang nicht ausreichend beteiligt, hieß es in der Urteilsbegründung.

Nach den Worten des Gerichts weist das deutsche Begleitgesetz, das die parlamentarische Beteiligung am Erlass europäischer Vorschriften regelt, Defizite auf und muss nachgebessert werden. Erst dann dürfe die Ratifikationsurkunde zum Vertrag hinterlegt werden. "Das Grundgesetz sagt Ja zu Lissabon, verlangt aber auf nationaler Ebene eine Stärkung der parlamentarischen Integrationsverantwortung", sagte Vizepräsident Andreas Voßkuhle bei der Urteilsverkündung.

Durch das Urteil gerät der Bundestag unter Zeitdruck - der Vertrag soll spätestens Anfang 2010 in Kraft treten. "Der Senat ist zuversichtlich, dass die letzte Hürde vor Hinterlegung der Ratifikationsurkunde schnell genommen wird", sagte Voßkuhle.

Der Bundestag wird nun am 26. August zu einer Sondersitzung zusammenkommen. An diesem Tag soll die erste Lesung zu einem neuen Begleitgesetz stattfinden, wie eine Sprecherin der SPD-Fraktion in Berlin sagte. Die Schlussabstimmung soll dann am 8. September stattfinden.

Die CSU-Abgeordneten Gauweiler und Willy Wimmer hatten als einzige gegen den Lissabon-Vertrag gestimmt. Der frühere Staatssekretär im Verteidigungsministerium Wimmer erklärte nach der Urteilsverkündung gegenüber SPIEGEL ONLINE, die von seinem Kollegen Gauweiler erstrittene Entscheidung sei von historischer Bedeutung. Damit habe er die "Substanz des deutschen Rechtsstaates und des Selbstbestimmungsrechts des deutschen Volkes auf dem Weg zu dem von uns nachdrücklich gewünschten freiheitlichen, friedlichen und sozialen Europa gewährleistet".

Die Entmachtung des Bundestags als dem wesentlichen Sprachrohr der Bürger in der parlamentarischen Demokratie werde durch die Entscheidung substantiell gestoppt. "Es liegt jetzt am Deutschen Bundestag, sich gegen die verordnete Ohnmacht zu stemmen und wieder zum Sprachrohr des deutschen Volkes zu werden", so Wimmer.

Gericht spricht sich selbst mehr Kompetenzen zu

Das Verfassungsgericht wies sich zudem selbst eine stärkere Kontrollfunktion zu. Es sei notwendig, dass das Bundesverfassungsgericht darüber wache, dass Brüssel nicht die Verfassungsidentität verletze und "nicht ersichtlich seine eingeräumten Kompetenzen überschreite", erklärte das Gericht.

Gegen den Lissabon-Vertrag vor Gericht gezogen waren neben Gauweiler eine Gruppe um den Ex-Europaparlamentarier Franz Ludwig Graf von Stauffenberg (CSU), die Linksfraktion im Bundestag sowie Klaus Buchner, Vorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei.

Quelle : www.spiegel.de

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