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Der Kampf um die Macht im Netz
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Thema: Der Kampf um die Macht im Netz (Gelesen 7965 mal)
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SiLæncer
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Der Kampf um die Macht im Netz
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am:
11 November, 2005, 13:52 »
IANA-Aufgaben sollen angeblich in öffentlicher Ausschreibung vergeben werden
Die USA planen angeblich die Aufgaben der Internetverwaltung, die derzeit von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) verantwortet werden, in einer öffentlichen Ausschreibung zu vergeben. Für die ICANN als "Netzverwaltung" könnte damit das Ende bevorstehen, titelt Spiegel Online.
Dabei beruft sich Spiegel Online auf entsprechende Unterlagen, die der Redaktion vorliegen. In die gleiche Richtung geht ein Bericht der USA-Website Computer Bussiness Review.
Dabei geht es um die Aufgaben der Internet Assigned Numbers Authority (IANA), die die Vergabe von IP-Adressen, Top Level Domains und IP-Protokollnummern regelt und derzeit unter dem Dach der ICANN arbeitet. Grundlage dafür ist ein Vertrag der ICANN mit dem US-Handelsministerium, der bislang ohne Ausschreibung vergeben wurde. Dieser läuft im März 2006 aus und soll nun in einer öffentlichen Ausschreibung neu vergeben werden. Wichtige Teile der Verwaltung des Internets könnten damit in Zukunft anderweitig organisiert werden.
Eine offizielle Ankündigung in dieser Richtung gibt es aber noch nicht.
Quelle :
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WSIS: Der Kampf um die Macht im Netz
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Antwort #1 am:
12 November, 2005, 13:56 »
Auf dem zweiten UN-Weltgipfel der Informationsgesellschaft steht nach fünf Jahren der Diskussion das Thema internationale Netzverwaltung ganz oben auf der Agenda und verdrängt andere Themen – angesichts des Streits um die Macht im Internet scheint ein Scheitern des WSIS möglich.
Am 13. November startet der zweite UN-Weltgipfel zur Informationsgesellschaft in Tunis (WSIS) mit der Wiederaufnahme der Vorbereitungskonferenz 3, um dann nahtlos in die eigentliche WSIS-Tagung ab Mittwoch, den 16. November überzugehen. Die UN hatte den zweigeteilten Gipfel ursprünglich gestartet, um die Revolution der Kommunikation durch das Internet für die so genannten Millennium-Entwicklungsziele fruchtbar zu machen. Die Vereinten Nationen haben sich darin unter anderem zum Ziel gesetzt, die Ausbreitung von HIV/AIDS zu bremsen und bis 2015 die Zahl der von extremer Armut betroffenen Menschen zu halbieren und möglichst vielen Zugang zu Bildungsmöglichenkeiten zu verschaffen
Nun steht nach fünf Jahren der Diskussion das Thema internationale Netzverwaltung ganz oben auf der Agenda. Am Sonntag wird der letzte Versuch gestartet, den Streit um die Aufsicht über DNS und Rootserver beizulegen. Ab Montag präsentieren im "Kram Parc des Exposition" in weit über 300 Veranstaltungen Regierungen, Unternehmen, internationale Organisationen und Bürgerrechtler ihre Vorstellungen von der Informationsgesellschaft.
Die Palette der Veranstaltungen reicht von täglichen Seminaren der französischen Regierung zur Regulierung im Netz über Vorstellungen des IT-Einsatzes in Peru durch das Tropeninstitut Alexander von Humboldt bis zu Veranstaltungen großer IT-Unternehmen wie Cisco oder Sun zu ihren Projekten in Entwicklungsländern. Als deutsche Unternehmen sind Siemans, SAP und dieses Mal auch die Deutsche Telekom mit von der Partie. War der erste Gipfel in Genf ein Megaevent, darf man angesichts von Tausenden von Regierungs- und allein 600 bis 700 Medienvertretern dieses Mal bedenkenlos von einem Gigaevent sprechen, von dem viele Veranstaltungen auch ins Web übertragen werden.
Doch das Getöse um den "Kampf um die Kontrolle des Internet" hat in den vergangenen Wochen fast alles übertönt. Schwadronierende US-Senatoren warnten in den dunkelsten Farben vor einer Übernahme des Internet durch die UN. UN-Generalsekretär Kofi Annan konterte damit, dass die Revolution des Internet morgen anderswo stattfinde. Dass die EU sich auf die Seite derer geschlagen hat, die eine geänderte "Weltordnung" in der DNS-Aufsicht wünschen, hat den Ton der Auseinandersetzung noch schärfer werden lassen. Auch bei der ICANN blickt man mit einer gewissen Nervosität nach Tunis. Der zuständige Vertreter im deutschen Wirtschaftsministerium stellte gegenüber heise online allerdings klar, dass man keine neue Weltregulierungsbehörde wolle.
Fast untergegangen ist darüber, dass die internationalen Regierungen inzwischen, wenn auch auf kleinster Flamme, auf die Anerkennung des Digital Solidarity Fonds (DSF) geeinigt haben. Entwicklungspolitisch Engagierte können künftig nach dem DSF-Label Ausschau halten: Prangt es aus dem Rechner in der Stadtverwaltung, dann ging von jeder IT-Investition der Stadt ein Prozent in den vom senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade initiierten DSF.
Eine wirkliche Bereitschaft zur Überwindung der digitalen Spaltung durch Bereitstellung entsprechender Finanzmittel sei nicht zu erkennen, fürchten die Vertreter der deutschen Zivilgesellschaft, also der jenseits von Parteien, staatlichen Organisationen und Industrieverbänden organisierten Gruppen. Das Ziel, 0,7-Prozent des Bruttosozialprodukts für Entwicklung der Länder des Südens auszugeben, werde kaum eingehalten, auch nicht von Deutschland. Im vorgelegten Abschlussdokument fehle zudem die "überzeugende politische Gestaltungskraft für eine Informationsgesellschaft, die diesen Namen als Gesellschaft des freien, gerechten und nachhaltigen Umgangs mit Wissen und Information auch verdient", heißt es in einer Voraberklärung zum Gipfel. Ein totales Scheitern des Gipfels angesichts der aufgeheizten Situation hält man angesichts des Streits um die Macht im Netz für möglich.
Zudem fürchten die Nichtregierungsorganisationen Einschränkungen für ihren als alternative Veranstaltung geplanten Bürgergipfel (CSIS ). Der muss sich fast schon auf eine Art Guerilla-Veranstaltungstaktik verlegen, nachdem das gebuchte Hotel den Veranstaltern auf Grund "unvorhergesehener Bauarbeiten" gerade die Räume gekündigt hat. Ähnlich erging es der Heinrich-Böll-Stiftung mit ihrer Veranstaltung. Die verschiedenen CSIS-Veranstaltungen sollen nun unter dem Banner des "Citizen Summit" an vielen verschiedenen Orten in Tunis, in anderen tunesischen Städten, anderen Ländern und oder virtuell übers Internet stattfinden, raten die Organisatoren. Die Nicht-regierungsoffizielle Informationsgesellschaft geht also in den Untergrund Internet ...
Quelle und Links :
http://www.heise.de/newsticker/meldung/66055
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WSIS: Schwere Konflikte um Internationalisierung der Internet-Verwaltung
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Antwort #2 am:
14 November, 2005, 13:07 »
Der Streit um die Zukunft der Internet-Verwaltung beim UN-Weltgipfel der Informationsgesellschaft in Tunis (WSIS) hat begonnen. Verhandlungsführer internationaler Regierungen haben sich am gestrigen Sonntag im Prinzip auf die Einrichtung eines internationalen Forums für Fragen der Netzpolitik geeinigt. Bis Mitternacht tagte eine Arbeitsgruppe unter der Leitung der kanadischen Delegation. Doch schon am Montagmorgen zeigte sich in den Fragen der eigentlichen Aufsicht über die Netzverwaltung, wie weit die USA und Australien einerseits und andererseits die Länder des Südens, vorsichtig unterstützt von der EU, noch auseinander liegen.
Die USA bezogen am heutigen Montag eindeutig Position, ohne auf kursierende Berichte einzugehen, zumindest die Adressverwaltungsaufgaben der IANA würden im nächsten Jahr in den USA neu ausgeschrieben: Regierungen können an der Netzverwaltung innerhalb der ICANN mitwirken, ein neues Gremium zur Aufsicht über die Verwaltung der Kernressourcen im Internet wie DNS-Namensraum oder IP-Adressen sei nicht notwendig. Die Aufsicht über die eigenen Länderdomains könnte ebenfalls von Regierungen über den ICANN.Mechanismus wahrgenommen werden. "Wir halten die Verabschiedung eines 'neuen Kooperationsmodells' für das falsche Signal, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass dieser Begriff belastet ist durch die Nähe zur Aufsicht durch eine internationale Organisation." Im Klartext bleiben die USA damit dabei, dass man ein Forum zur Netzpolitik ohne Entscheidungsbefugnisse gerade noch akzeptieren würde – eine internationalisierte Aufsicht über die DNS- und IP-Adressenverwalter komme aber nicht in Frage.
Der Vertreter der EU sagte, man sei zwar bereit, auf den Begriff zu verzichten, keinesfalls aber auf das dahinter liegende Konzept einer neuen internationalisierten Aufsicht. Die EU hatte ein solches neues Kooperationsmodell für Netzfragen gefordert, sehr zum Ärger der USA. Dabei gehe es aber keineswegs um einen Superregulator, sondern doch vielmehr eher um eine "variable Geometrie, die auf bestehenden Strukturen aufbaut". Einflussnahme aufs Tagesgeschäft hatte auch der Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums Bernd Weismann kurz vor dem Gipfel abgelehnt. Die EU distanzierte sich mit diesen Hinweisen von weiter gehenden Positionen, wie sie etwa Länder wie Iran oder Saudi Arabien einnehmen. Dass die USA aber keine Zugeständnisse in der Frage der Internationalisierung machen, will man auf Seiten der EU auch nicht hinnehmen.
Länder wie Iran, Saudi Arabien oder China, die "Taten statt leerer Worte forderten", gehen in ihren Ansprüchen tatsächlich weiter als die EU. Sie befürworten einen regierungsamtlichen "Welt-Internet-Rat". Daher warnte die USA mit Blick auf die Position der EU, diese könnte zur Einrichtung einer neuen internationalen Regierungsorganisation führen. Genau das aber müsse unbedingt verhindert werden. Schon jetzt hätten die Regierungen im Übrigen ein Gremium für die Mitsprache, und zwar den Regierungsbeirat (GAC) der ICANN. Im Dezember werde der GAC ohnehin seine weitere Rolle besprechen, Verbesserungen seien durchaus auf der Agenda, meinte US-Vertreter Richard Beaird.
Eine rein beratende Rolle der Regierungen wie beim GAC sei aber nicht ausreichend, meinte daraufhin der brasilianische Verhandlungsführer. Die Idee eines von ICANN losgelösten GAC, der ICANN effektiver kontrolliert, hatte auch die EU schon einmal vorgelegt. Wollte man diesen Weg beschreiten, dann, betonte der Vertreter der Schweiz, müsse es aber "rechtliche Festlegungen" dazu geben. "Sonst wird das wohl nicht passieren."
Die US-Gegner befürchten, dass die USA einfach auf Zeit spielen, zumal Fragen nach den Grenzen möglicher Veränderungen von den US-Vertretern ebenfalls nicht klar beantwortet werden. Die Uhr für die Verhandlungen tickt jedenfalls: Am morgigen Dienstagnachmittag muss ein gemeinsames Papier zur Netzverwaltung vorliegen, soll der Gipfel, der offiziell am Tag darauf von UN-Generalsekretär Kofi Annan eröffnet wird, nicht von vornherein zum Scheitern verurteilt sein. Die Diplomaten dürfen sich also auf eine weitere lange Nacht vorbereiten.
Zum bevorstehenden 2. WSIS und zum Streit um die Oberaufsicht im Internet siehe auch:
* Special cyber-weltgipfel in Telepolis
* Deutsche Delegation für Internationalisierung der Netzverwaltung
* Der Kampf um die Macht im Netz
* Kofi Annan: UN will keineswegs "das Internet übernehmen"
* Forscher fordern "ent-nationalisierte" ICANN
* US-Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein
* Keine Einigung über Root-Aufsicht
* USA und EU im Clinch über Internet-Regulierung
* US-Regierung gibt Kontrolle über DNS-Rootzone nicht her
* US-Handelsministerium verlängert Vertrag mit ICANN
Quelle und Links :
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NETZVERWALTUNG : Wie die USA die Weltherrschaft im Web verteidigen
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Antwort #3 am:
14 November, 2005, 19:42 »
Von der Öffentlichkeit weithin unbemerkt eskaliert der Kampf um die Kontrolle des nur vermeintlich anarchischen Internet. Die Fronten sind eindeutig: die USA gegen den Rest der Welt. Beim Informationsgipfel in Tunis stehen diese Woche harte Auseinandersetzungen bevor.
Wer in diesen Tagen nach Tunesien reist, wird schon im Flughafen-Terminal von Postern und Plakaten mit merkwürdigen Abkürzungen begrüßt. Das "Tor zum Orient", bekannt für die Strände von Djerba oder Monastir, für seine spektakulären Ausgrabungsorte und Kamel-Safaris, begrüßt darauf stolz und großflächig die Teilnehmer des "WSIS 2005", des Weltgipfels der Informationsgesellschaft. Der wird nach jahrelangen Vorbereitungen von Mittwoch an in Tunis tagen, um ein paar Grundfragen der globalen Informationsgesellschaft zu klären.
Zu der Regierungskonferenz eingeladen haben die Vereinten Nationen. Sie rechnen im "Parc des Expositions du Kram" der Hauptstadt mit mehr als 10.000 Teilnehmern aus mindestens 120 Ländern von Australien bis Zypern, darunter rund 50 Staats- und Regierungschefs, hochrangige Emissäre aus der Wirtschaft sowie zahlreiche Vertreter von Verbänden und von Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Als ranghöchster Ringrichter wird der eigentliche Gipfelgastgeber anreisen: Uno-Generalsekretär Kofi Annan.
Moderierende Stimmen werden dringend notwendig sein. Schon im Vorfeld des Klassentreffens der globalen Info-Elite, die sich in den vergangenen drei Jahren mit Fragen von Cyberkriminalität über das Spam-Problem und dem geistigen Eigentum bis zum offenen Zugang zum Internet beschäftigte, kam es zum Eklat: In einer der zentralen Zukunftsfragen für das 21. Jahrhundert liegen die Positionen der entscheidenden Akteure kurz vor dem Gipfel trotz aller diplomatischen Bemühungen so weit auseinander wie selten zuvor.
Der Kern des Konflikts ist so simpel wie brisant: Es geht um das Thema der "Internet Governance" - also schlicht darum, wer künftig die entscheidenden Ressourcen des faszinierenden globalen Netzwerks kontrolliert, in dem mittlerweile rund eine Milliarde Nutzer E-Mails versenden, nach Informationen suchen, einkaufen, spielen, chatten oder telefonieren.
Für die USA ist der Fall klar, sie votieren, schon aus Tradition, für die einzige Macht, der sie wirklich vertrauen: sich selbst - und erklärten diese Position im Oktober zur Sicherheit schon mal als "nicht verhandelbar". Dies wiederum findet eine große und recht heterogene Allianz absolut nicht akzeptabel. Sie reicht von China und Iran über Brasilien und Südafrika bis zur EU, und das ist neu. Vor zwei Jahren stärkten die Europäer ihren amerikanischen Freunden noch den Rücken. Nun verlangt auch Brüssel mehr Mitspracherechte für die internationale Staatengemeinschaft und ein Ende der amerikanischen Hegemonie über den Cyberspace.
"Die 25 EU-Nationen fordern einstimmig ein neues Kooperationsmodell für das Internet, bei dem alle interessierten Länder an einem Tisch sitzen", sagt EU-Kommissarin Viviane Reding, die als Verhandlungsführerin der Kommission nach Tunis reist.
Jenseits des Atlantiks reagiert man auf die Ansprüche so verschreckt wie verstockt: Keinesfalls, ließ die Bush-Administration verlauten, werde man auf seine herausgehobene historische Rolle verzichten. Selbst das einflussreiche Magazin "Foreign Affairs" kritisiert die US-Position in seiner aktuellen Ausgabe heftig.
Macht? Kontrolle? Governance? Geht es nicht um das Internet, jene anarchischen, nicht zu regulierenden virtuellen Weiten? Die Vorstellung ist immer noch verbreitet, sehr romantisch, nur leider ziemlich fern der Realität. In den Anfangsjahren, als vor allem Akademiker die Ausläufer des ursprünglich vor allem militärisch genutzten Arpanets ausbauten, mag es noch eher zwanglos zugegangen sein - über Jahrzehnte war mit dem rauschebärtigen Computer-Guru Jon Postel bis zu dessen Tod 1998 faktisch ein einzelner Mann für die zentralen technischen Standards zuständig.
Mittlerweile gibt es zwei Milliarden Internet-Adressen - und das Netz ist längst nicht nur zum kritischen Faktor für die Weltwirtschaft geworden, sondern spielt auch in Bildung, Kultur und Wissenschaft eine kaum zu überschätzende Rolle. Schon heute machen Geschäfte im, mit und über das Internet knapp neun Prozent des gesamten Welthandels aus.
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WSIS: Alle sind Sieger geblieben
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Antwort #4 am:
17 November, 2005, 19:16 »
Im offiziellen Gipfelbeitrag der Bundesregierung zum 2. Weltgipfel der Informationsgesellschaft hat Bernd Pfaffenbach noch einmal unterstrichen, dass alle Regierungen, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft gleichberechtigt an der politischen Fragen der Internetaufsicht beteiligt werden müssen. "Regierungen müssen bei der bei den anstehenden politischen Fragen, dazu gehören auch die schwierigen Fragen der Aufsichtsstrukturen im Bereich der Netzverwaltung, die Rolle ausfüllen, die ihnen die Nutzer ihnen gegeben haben."
Die Europäer reklamieren dabei durchaus den Sieg in der Internet-Governance-Debatte für sich, ebenso überzeugt wie die US-Amerikaner. "Lesen Sie den Paragraph 63 des Abschlussdokuments, in dem klargestellt wird, dass kein anderes Land Kontrolle über die Länderdomain eines anderen Landes haben soll", sagte EU-Kommissarin Vivianne Reding gegenüber heise online. Reding hatte noch unmittelbar vor dem Gipfel klar gegen die unilaterale US-Rolle gewettert. Nun sagt sie: "Ich bin sehr zufrieden mit mit dem Paragraphen 63 und den beiden Prozessen, die von Kofi Annan in Gang gesetzt werden sollen." Dabei bezieht sie sich auf das neue Internet Governance Forum und einen Prozess zur besseren Zusammenarbeit.
Michael Gallagher, Chef der National Telecommunication and Information Administration (NTIA), meinte dagegen gegenüber heise online: "Es gibt nichts anderes als das Forum. Ich gehe jetzt zurück an meine Arbeit, ohne mir über eine zusätzliche Aufsicht sorgen zu machen." Beim Modell für die verbesserte Zusammenarbeit gehe es auch nur darum, dass die "Welt über das Internet reden kann, denn die Welt hat Schwierigkeiten darüber zu reden". Den Weltgipfel bezeichnete er als ersten "Trainingkurs", bei dem das erfolgreiche US-Internetmodell erklärt werde.
Offensichtlich sind die Parteien sich in den politischen Fragen wenig näher gekommen. Ein größeres Einverständnis herrscht dagegen bei der Betonung, dass es für die Entwicklung der Telekommunikation in den ärmeren Ländern vor allem darum gehe, die Märkte zu deregulieren. "Entwicklungshilfe allein kann das Problem nicht lösen", sagte Pfaffenbach. "Wir brauchen die Kooperation mit dem privaten Sektor, die ICT-Märkte müssen geöffnet werden."
Vertreter von Nichtregierungsorganisationen kritisieren auch bei diesem Gipfel das Markt-Mantra der Regierungen des Nordens. "Der Markt kann manches bewirken," sagt Karen Banks von der Association of Progressive Communication (APC). "Doch in den ärmsten Ländern funktioniert das nicht." Norbert Klein vom Open Forum of Cambodia bekräftigte: "Wir sind kein Markt."
Einig sind sich dagegen die Nichtregierungsvertreter mit ihren Kollegen von der Regierungsbank, dass der Weltgipfel geholfen hat, das Thema IT für die Entwicklung viel nachhaltiger auf die Agenda zu setzen. Auch Unternehmen, die sich zwischenzeitlich zurückgezogen hätten aus entwicklungspolitischen Aktivitäten, hätten im Verlauf des Gipfelprozess neue Anstöße erhalten.
Zufrieden darf die Zivilgesellschaft über die Unterstützung bei Protesten gegen die tunesische Regierung sein. Auch Pfaffenbach kritisierte in seinem Gipfelbeitrag noch einmal die Ausschreitungen gegenüber Menschenrechtlern und Journalisten zu Beginn des Gipfels. Das Gastgeberland, so Pfaffenbach, habe eine ganz besondere Verantwortung bei der Einhaltung der verbrieften Meinungsfreiheit. Man habe sich aufgrund der Behinderung des deutschen Botschafters der EU Protestnote angeschlossen.
Zum zweiten UN-Weltgipfel siehe auch:
* Special cyber-weltgipfel zum 2. WSIS in Telepolis
* Das Recht zu kommunizieren statt des Rechts zu regieren
* Regierungen einigen sich auf Forum zur Diskussion von Internet-Fragen
* Angriffe auf Bürgerrechtler überschatten Weltgipfel der Informationsgesellschaft
* Schwere Konflikte um Internationalisierung der Internet-Verwaltung
* Deutsche Delegation für Internationalisierung der Netzverwaltung
* Der Kampf um die Macht im Netz
* Kofi Annan: UN will keineswegs "das Internet übernehmen"
* Forscher fordern "ent-nationalisierte" ICANN
* US-Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein
* Keine Einigung über Root-Aufsicht
* USA und EU im Clinch über Internet-Regulierung
* Scharfe Kritik an Gipfelgastgeber Tunesien
* USA für einen Gipfel ohne Folgen
* Die Regierungen, die UNO und das Internet
* US-Regierung gibt Kontrolle über DNS-Rootzone nicht her
* US-Handelsministerium verlängert Vertrag mit ICANN
Quelle und Links :
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WSIS: Tunesien protestiert gegen Schweizer Kritik
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Antwort #5 am:
18 November, 2005, 06:07 »
Die kritischen Äußerungen des Schweizer Bundespräsidenten Samuel Schmid und ein Interview des Schweizer Bundesrates Moritz Leuenberger anlässlich des zweiten Weltgipfels der Informationsgesellschaft haben ein Nachspiel. Mehrere tunesische Journalisten störten die offizielle Schweizer Pressekonferenz und beschuldigten Leuenberger und Schmid lautstark, sie würde moralische Lektionen erteilen anstatt bei sich zu Hause über den Missbrauch des Bankgeheimnisses nachzudenken. Leuenberger berichtete auch von einem offiziellen Protest des tunesischen Botschafters in der Schweiz.
Leuenberger, Vorsteher des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK), reagierte gelassen: "Ich bin auch nicht dafür, dass wir bei jedem Land aufstehen und sagen, was man verbessern könnte. Aber da geht es um fundamentale Sachen, um die Einhaltung der Menschenrechte." Man habe im übrigen deutlich auch immer alle Länder genannt, in denen Menschenrechtsverletzungen gibt und sich keineswegs auf Tunesien konzentriert. Schmid hatte in der Eröffnungsrede gegenüber dem tunesischen Präsidenten Ben Ali die Einhaltung der Meinungsfreiheit als eine Vorbedingung für den Erfolg des Gipfels genannt. "Wir haben unsere Meinung gesagt, schließlich hat dieser Gipfel diese Meinungsäußerung auch zum Gegenstand und es wäre ein Verrat an der Grundidee des Gipfels, wenn wir etwas ausblenden würden."
Leuenberger sagte gegenüber Schweizer Journalisten von Swiss.Info, dass eine Ausfilterung von deren Webseiten ebenfalls eine klare Verletzung der Meinungsfreiheit darstellen würde. "Dagegen würde ich auch protestieren." Im Netz des Konferenzzentrums Kram installierten Netz werden laut Beobachtung der Nichtregierungsorganisationen offensichtlich verschiedene Seiten gefiltert, der Zugang vom riesigen Medienzentrum der Konferenz aus funktioniert dagegen ohne Probleme.
Leuenberger bedauerte nach der angeheizten Stimmung während seiner Pressekonferenz gleichzeitig, dass man bald nur noch über das Thema Menschenrechte rede und die anderen Themen des aus seiner Sicht zufriedenstellenden Gipfels dadurch in den Hintergrund gedrängt würden. "Wir sind auch nicht hierher gekommen, um nur über diese Probleme zu sprechen. Aber sagen muss man das schon."
Die Episode mit Leuenberger ist nicht der einzige weitere Zwischenfall. Laut einem dpa-Bericht wurde der Generalsekretär der Organisation Reporter ohne Grenzen, Robert Ménard, an der Einreise nach Tunesien gehindert. Als Grund wurde angeführt, dass er nicht beim Gipfel akkreditiert sei. Das Pariser Außenministerium bedauerte es, dass "keine Lösung" für eine Einreise Ménards gefunden worden sei.
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WSIS: Tunesische Bürgerrechtler beenden Hungerstreik
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Antwort #6 am:
18 November, 2005, 22:24 »
Sieben Gewinner hat der Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) schon: Wie einen Sieg haben die sieben tunesischen Hungerstreikenden, die mit ihrer verzweifelten Aktion für die Freilassung tunesischer politischer Gefangener und gegen die Einschränkungen der Bürgerrechte protestieren wollten, das Ende ihres Hungerstreiks gefeiert. "Unsere Botschaft an den Weltgipfel der Informationsgesellschaft war, dass es hier in Tunesien eine Scheindemokratie gibt", sagte der Anwalt und Sekretär der Tunesischen Liga für die Menschenrechte, Ayachi Hammami bei einer Pressekonferenz in seiner Wohnung im Zentrum von Tunis.
Am Hungerstreik beteiligt waren neben Hammami der Chef der Partei für den Demokratischen Fortschritt, Nejib Chebby, der Richter Mokhtar Yahyaoui, Abderraouf Ayadi, Mitglied der Parti communiste ouvrier tunesien, Mohamed Nouri, Präsident der internationalen Vereinigung für die Unterstützung politischer Gefangener, Lotfi Hajji, Präsident der tunesischen Journalistenvereinigung und der Anwalt Samir Dilou.
Dilou und seine Mitstreiter kündigten am heutigen Freitag gleichzeitig die Gründung eine Komitees an, dass den Streit für die Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit und zudem eine Grundsatzdebatte über eine "echte Demokratisierung" im Land fortsetzen soll. Das Komitee sei für jedermann offen. Man will das Recht einfordern, Politik mitbestimmen zu können, sagte Dilou. Auch innerhalb der politischen Gremien der tunesischen Diktatur sei dies nicht gewährleistet.
Helene Flautre, Mitlied im Europäischen Parlament (Les Verts) war zur Pressekonferenz geeilt und sagte den Aktivisten weitere Unterstützung zu. Das Parlament habe in seiner Sitzung diese Woche in Straßburg anlässlich der Behinderungen in Tunis bereits reagiert. "Viele Abgeordnete haben einen WSIS-Aufkleber mit dem Label 'Weltgipfel der Desinformation' getragen," sagte Flautre. Das Parlament werde die Einschränkungen und die bekannt gewordenen Behinderungen der Meinungs- und Pressefreiheit während des Gipfels zum Anlass nehmen, das Thema in seiner nächsten Sitzung erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Außerdem forderten einige Abgeordnete eine Sondersitzung des zuständigen Gremiums, um über eine Kündigung des bestehenden Assozierungsabkommens mit Tunesien zu diskutieren.
Flaute sagte allerdings, die Teilnahme am Gipfel habe sich trotz der großen Bedenken als richtig erwiesen, habe sie doch die Situation der Bürger in Tunesien eine Woche in den Mittelpunkt des Weltinteresses gerückt. "Hat der Gipfel uns geholfen? Natürlich", sagte Hammami. Die Leiterin des Unterstützerkomitees der Hungerstreikenden sagte, die Aufmerksamkeit in der vergangenen Woche sei überwältigend gewesen.
Die abschließende Demonstration vor dem Haus von Hammami wurde zwar von Sicherheitskräften in Zivil auf beiden Seiten abgeriegelt und kam so nicht vom Fleck. Es kam aber bislang außer zu einigem Gerangel und Anfeindungen zu keinen Übergriffe wie in der vergangenen Woche. Auch das ist ein gewisser Fortschritt, wenn auch ein winziger. Doch der parallel zum WSIS geplante Bürgergipfel in der Stadt konnte aufgrund der Behinderung durch die Behörden nicht stattfinden. Es gelang den Nichtregierungsorganisationen einfach nicht, einen Raum zu finden.
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WSIS: Das Internet der Dinge
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Antwort #7 am:
18 November, 2005, 22:28 »
Statt der Menschen werden bald die Dinge übers Netz miteinander kommunizieren. Diese Vision entwarf Nicholas Negroponte vom MIT-Lab gemeinsam mit Cheftechnologen von Alcatel, Sun, Nokia und Microsoft. Sie stellten einen voluminösen Berichts der International Telecommunication Union (ITU) zum "Internet der Dinge" (PDF-Datei der Zusammenfassung, Bestellformular der ITU) beim zweiten Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) in Tunis vor.
"Nehmen wir einmal an, Sie wären ein Türgriff, verbunden mit dem Internet", erklärte Negroponte seine Vorstellungen. "Sie wären ein smarter Türgriff, der Türgriff an der Eingangstür. Dieser Türgriff würde wissen, wenn Sie zuhause sind. Er wäre so schlau, dass er den Hund rauslassen würde und wieder hinein, er würde aber eben nicht sechs andere Hunde ins Haus lassen. Er würde Fedex-Päckchen annehmen und signieren, wenn Sie nicht da sind."
Solche Szenarien sind nach Ansicht von Negroponte realisierbar – und zwar mit einer im ITU-Bericht beschriebenen Synthese von RFID-Technik, Sensorik, Embedded Intelligence und Nanotechnologie. Er hoffe, dass man von "dummer" RFID-Technologie schnell wegkomme. Auch die Zeiten, in denen beim Mobilfunksystem Sendemasten an Geräte funken und diese sich dann wieder zurückmelden, seien alt. "Das ist Geschichte." Beim "Internet der Dinge" würden Mesh-Netze gebildet "in denen Dinge über andere Dinge mit Dingen reden. Ein Netzwerk ist nicht mehr notwendig". Das Telefon, das klingelt, wenn man gar nicht in der Nähe ist, sei doch zum Beispiel eine blöde Idee, meinte der MIT-Wissenschaftler. Stattdessen sollte das Telefon wie ein guter alter Butler nach dem Adressaten des Anrufs suchen und das Ding, das in der Nähe ist, sollte ihm dann die Nachricht übermitteln. Die Mesh-Technologie soll auch bei der Vernetzung von Negropontes 100-Dollar-Laptop eingesetzt werden.
Alcatels Chief Technology Officer Olivier Baujard meinte dazu, vom smarten Türknauf in Negropontes Szenario sei man schon noch etwas entfernt. Durchaus verbreitet in fünf bis zehn Jahren könnten dagegen Mikrosensoren sein, die etwa Körperfunktionen überprüfen und im Falle anormaler Werte Warnungen senden. Auch das Bezahlen von Metrotickets per Mobiltelefon sei bereits im Test und werde sich durchsetzen. "Grundlegend für diese Technologie werden Standardisierungsprozesse sein", betonte Baujard
Jonathan Murray, CTO und Vizepräsident von Microsoft EMEA, sagte, sein Unternehmen teile die Vorstellung Negropontes und des ITU-Berichtes, wo es in der Zukunft hingehe. Aus Sicht von Softwareunternehmen sei das eine Chance. "Smarte Dinge brauchen Software, das ist es, was sie smart macht." Allerdings müssten sich die Entwickler auf völlig geänderte Paradigmen einstellen, etwa lange Laufzeiten bei minimalstem Stromverbrauch. Zudem müssten selbstverständlich die Datenschutzfragen geklärt werden. "Wir kennen die Datenschutzprobleme, aber Lösungen dafür haben wir noch nicht. Und das kann eine entscheidende Barriere bei der Einführung sein."
Schon jetzt sprechen die Geräte hinter dem Rücken der Nutzer miteinander, sagte John Gage, Direktor des Bereichs Wissenschaft bei Sun Microsystems. "Mobiltelefone der WSIS-Teilnehmer sagen dem tunesischen Netz, wo sie sind und wohin sie gehen." Murray meinte, dem "Ozean dieser neuen Wellen" stünden traditionelle Ansprüche etwa von Seiten der Polizei gegenüber. Die Nutzung all dieser Daten könne leicht den Einstieg in eine andere Gesellschaft bedeuten. Ein Minority-Report-Szenario müsse aber auf jeden Fall verhindert werden sagte Lara Srivastava, Programmdirektor Neue Initiativen der "ITU Strategy and Policy Unit".
Allerdings wirken manche Beispiele im ITU-Report nicht ohne weiteres vertrauenerweckend, etwa die Kennzeichnung von genetischem Material für die künstliche Befruchtung per RFID-Tags. Und was geschieht eigentlich, wenn der schlaue Türknopf versagt oder gerade mit Falschnachrichten versorgt wurde? Baujard sagte, Ausfallsicherheit und Fallback-Möglichkeiten seien entscheidend. Eine Art Technologie-Diversität, ähnlich der Biodiversität, könne ebenfalls für Robustheit sorgen. Negroponte sieht das viel optimistischer: Wenn der Türknopf nicht mehr weiter weiß, dann hat er ja die Möglichkeit, das Nachbarobjekt um Hilfe zu bitten.
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WSIS: Nach dem Weltgipfel ist vor dem Internet-Forum
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Antwort #8 am:
19 November, 2005, 12:04 »
Der Weltgipfel zur Informationsgesellschaft, mit rund 30.000 Teilnehmern der größte UN-Gipfel überhaupt, ist beendet. Nach der Annahme der 122 Paragraphen der Tunis Agenda für die Informationsgesellschaft schloss der tunesische Präsident Ben Ali in Tunis die zweite Gipfelphase. Die letzte Stunde des vor sieben Jahre gestarteten Gipfels entbehrte nicht einer gewissen Ironie: im großen Saal dankten die Regierungen mit vielen Worten Ben Ali. Im kleinen Pressesaal bewertete die für die Zivilgesellschaft angetretene Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi die Gipfelergebnisse mit deutlich kritischeren Tönen.
"Never again", hatten vorher Vertreter der sogenannten Cris Campaign gefordert, sollte ein Gipfel in einem Land stattfinden, das grundlegende Rechte nicht beachte. Der Bürgergipfel, der außerhalb der offiziellen Konferenz hätte stattfinden sollen, musste abgesagt werden. "Was in Peking im Jahr 1995 (beim Weltfrauengipfel, d. Red.) möglich war, war zehn Jahre später in Tunis nicht möglich", klagte Meryem Merzouki, vom Human Rights Caucus der Zivilgesellschaft. Die Bürgerrechtler fordern eine Untersuchung der Behinderungen und Attacken am Rande des Gipfels. Ebadi fordert die Einrichtung eines UN-Komittees, das sich um verhaftete Autoren kümmern soll.
Die ganz großen Sprünge hat der Gipfel eigentlich nicht gemacht. Bei den Finanzierungsfragen wurde die Hauptarbeit, so sagen Beobachter, schon in Genf geleistet. Der Digitale Solidaritätsfond ist aber gegen anfänglichen Widerstand als ein neues Finanzierungsmittel anerkannt, wenn auch mit derzeit 7 Millionen US-Dollar Einlage noch bei weitem nicht ausreichend gut bestückt. Auf Seiten der Zivilgesellschaft wurde anerkannt, dass in der Tunis Agenda doch auch anerkannt werde, dass es an manchen Stellen deutlicher staatlicher Unterstützung bedürfe. Den Wunsch nach größeren finanziellen Zusagen aber haben die Regierungen abgelehnt. Ebadi machte in ihrer Pressekonferenz allerdings auch darauf aufmerksam, dass manche Regierungen den digitalen Graben gar nicht schließen wollen. "Es ist leichter eine weniger gut ausgebildete Bevölkerung zu dominieren."
Beim härtesten Brocken der Verhandlungen, dem Thema Aufsicht über die Netzverwaltung, haben sich die Regierungen in letzter Minute auf einen Kompromiss geeinigt, der zunächst keine neue internationale Institution benennt. Aber sie haben doch zwei Prozesse durch UN Generalsekretär Kofi Annan in Gang gesetzt: Erstens soll die Zusammenarbeit zwischen und mit Internetverwaltern verbessert werden, was die gegnerischen Parteien - USA einerseits, Entwicklungsländer und auch EU andererseits - schon jetzt sehr unterschiedlich interpretieren. Zweitens soll bereits im kommenden Jahr das Internet Governance Forum in Griechenland gestartet werden.
Das Forum wurde allseits begrüßt. Regierungen hoffen hier auch die Debatte um die Netzverwaltung weiterführen zu können, ebenso wie über andere Fragen wie Cybercrime oder Spam. Die Zivilgesellschaft sieht im Forum die Anerkennung ihrer Beteiligung. Renata Bloem vom Dach der bei der UN akkreditierten NGOs (Conference of NGOs in Consultative Relationship with the United Nations, Congo) nannte den Prozess in dieser Sicht historisch. Nicht nur waren Nichtregierungsorganisationen in vielen Verhandlungsgruppen anwesend, mancher kluge Vorschlag fiel zudem auf fruchtbaren Boden. Der pakistanische Botschafter Masood Khan hob die Bedeutung des sogenannten Multistakeholderprozesses in der Abschlussrede der asiatischen Länder besonders hervor.
Fast noch mehr Anstrengungen hat die veranstaltende ITU sich bei der Übertragung des Gipfelereignisses ins Web gemacht. Verbesserungsbedarf gibt es freilich selbst da. Olaf Mittelstädt vom Hörbuch-Fördergremium Daisy-Forum nannte die WSIS-Webseiten nicht eben barrierefrei.
"Der Gipfel ist kein Event, er ist ein Prozess," sagte der Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger in seinem Schlusswort. Es gebe zwei Möglichkeiten für einen erfolgreichen Gipfel, entweder erklärten sich alle für Gewinner oder alle erklärten sich zu Verlierern. Leuenberger nannte die Debatten teilweise hart, das Ergebnis aber einen guten Ausgangspunkt. Khan sagte: "Wir sehen uns alle in Griechenland wieder."
Quelle und Links :
http://www.heise.de/newsticker/meldung/66407
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WSIS: Die Vereinten Nationen sollen Übergriffe und Zensur untersuchen
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Antwort #9 am:
25 November, 2005, 18:59 »
Die beim UN-Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) vertretenen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wollen Polizeiübergriffe während des Gipfels nicht auf sich beruhen lassen. In einem Brief an UN-Generalsekretär Kofi Annan dringen die NGOs noch einmal nachdrücklich auf eine lückenlose Aufklärung der Angriffe beziehungsweise verbalen Attacken auf Journalisten, Bürgerrechtsaktivisten und Delegierte beim Gipfel. Betroffen waren unter anderem auch der deutsche UN-Botschafter in Genf und die Schweizer Delegation. Sowohl von Seiten der EU wie auch von Schweizer Seite wurde Protest gegen die Behinderung der eigenen Delegierten eingelegt.
Die NGOs fordern in ihrem Brief, der noch bis Sonntag zur Unterschrift ausliegt, bevor er an Annan geht, die Menschenrechtssituation in Tunesien weiter im Auge zu behalten. Die sieben Anwälte und Richter, die zum Abschluss des Gipfels einen über einmonatigen Hungerstreik beendeten, hatten bei ihrer Pressekonferenz in Tunis erklärt, sie würden mit weiteren Repressalien von Seiten der Behörden rechnen. Darauf seien sie vorbereitet, man werde sich nicht von der weiteren politischen Arbeit, einer Grundrechtedebatte in einem neu gegründeten Komitee, abhalten lassen.
Die NGOs bitten Annan in ihrem Brief auch, die Anerkennungspraxis für NGOs bei UN-Veranstaltungen und im Rahmen der Arbeit des UN-Wirtschafts- und Sozialrats (Economic and Social Council, ECOSOC) zu ändern. Anerkennungen dürften nicht von der Zustimmung von Regierungen abhängig gemacht werden. Zudem bedürfe es einer Berufungsmöglichkeit. Während der Vorbereitungen zum Gipfel war etwa die Organisation Human Rights in China mehrfach mit ihrem Akkreditierungswunsch gescheitert. Tunesische NGOs hatten von einer Teilnahme am offiziellen Gipfel vor allem aus Solidarität mit in ihrem Land nicht zugelassenen Bürgerrechtsorganisationen Abstand genommen.
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Weltgipfel der Informationsgesellschaft: Thema verfehlt?
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Antwort #10 am:
20 Dezember, 2005, 13:20 »
Spät kommt es, doch es kommt, das Resümee zivilgesellschaftlicher Gruppen zum Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS). Die Organisationen, die sich unabhängig von Regierungen, Parteien und Verbänden organisiert haben, kritisieren, dass der WSIS keine echten Impulse für die Entwicklung durch den Einsatz von IT gegeben hat. Ingesamt habe der Gipfelprozess damit die an den Megaevent gestellten Erwartungen nicht erfüllt. Man sei besorgt, heißt es in der einen Monat nach dem Abschluss des Gipfels veröffentlichten Abschlusserklärung der zivilgesellschaftlichen Gruppen, dass es keine klaren Zusagen von Regierungen oder der Wirtschaft gebe, den beschlossenen Entwicklungsfonds die notwendige materielle Unterstützung zuzusichern.
Dass die zivilgesellschaftlichen Gruppen dieses Mal so lange für ihre Abschlusserklärung brauchten, habe vor allem daran gelegen, dass die Erklärung in einem globalen Online-Konsultationsprozess verfasst wurde, erklärte Ralf Bendrath, einer der federführenden Autoren der Erklärung aus Deutschland und Redakteur der WSIS2005-Plattform. Zwischendurch habe man auf französische und spanische Übersetzungen warten müssen und zudem habe es zu verschiedenen Punkten längere inhaltliche Auseinandersetzungen gegeben.
Die Frage der Finanzierung von Maßnahmen gegen den Digital Divide hätte zuallererst beantwortet werden müssen, erklärten die zivilgesellschaftlichen Gruppen nun in ihrer Erklärung. An zweiter Stelle nennen sie die Versäumnisse bei den Vorgaben zur Umsetzung grundlegender Menschenrechte in der digitalen Welt. Der Datenschutz, in der ersten Gipfelerklärung aus Genf zumindest noch erwähnt, ist aus den Tunis-Gipfeldokumenten völlig verschwunden. Stattdessen wird die Notwendigkeit des Kampfs gegen Cyberkriminalität hervorgehoben, "als wäre Privatheit eine Bedrohung der Sicherheit".
Andererseits hat sich das explizite Bekenntnis zu Rechten wie der Meinungs- und Informationsfreiheit in den Gipfeldokumenten in Genf und Tunis kaum in der Praxis bemerkbar gemacht: "diese (Rechte) werden de facto täglich verletzt", heißt es in der Erklärung. Der Gipfel habe auch dort versagt, wo es um die aktive Umsetzung und Kontrolle gehe. Die Abschlusserklärung der zivilgesellschaftlichen Gruppen macht den Vorschlag, eine unabhängige Kommission einzurichten, die nationale und internationale Informations- und Kommunikationstechnikregelungen und deren Umsetzungspraxis auf ihre Vereinbarkeit mit internationalen Menschenrechtsstandards überprüfen soll.
Wie auch bei den Regierungen auf dem WSIS war das Thema Internet Governance unter den NGOs ein heftig diskutiertes Thema. Ein Caveat legen die Organisationen beim Thema Länderhoheit über Länderadresszonen (ccTLDs) ein. So verständlich die Hoheitsansprüche seien, die ccTLDs müssten aber auch unter Wahrung grundlegender Menschenrechte betrieben werden. Der Entzug einer Adresse wegen Kritik an der Regierung – eben in Kasachstan praktiziert – dürfte davon beispielsweise nicht gedeckt sein.
Grundsätzlich begrüßt wird von den NGOs die Einrichtung des Internet Governance Forum zur Diskussion aller Fragen der Internetpolitik; sie kündigten eine engagierte Mitarbeit an. Ein vorbereitendes Treffen dafür soll schon bald in Genf stattfinden. Eine neue Arbeitsgruppe soll Vorschläge für das Forum machen, neben dem bislang mit den DNS-Aufsichtsthemen betrauten Internet Governance Caucus.
Das weitere Engagement "auf gleicher Augenhöhe" in den Gipfelfolgeprozessen ist aus Sicht der zivilgesellschaftlichen Gruppen die zentrale Aufgabe für die kommenden Monate. Auf keinen Fall will man sich mit einer beratenden Rolle abspeisen lassen. Für die künftige Akkreditierung im UN-Prozess, den man zwar für verbesserungswürdig, aber derzeit die beste aller Möglichkeiten in der globalen Politik betrachtet, fordert man mehr Unabhängigkeit von der Meinung von Einzelregierungen: So würden tunesische oder chinesische NGOs zum Teil bei der Zulassung blockiert. Für die Zukunft will sich die Zivilgesellschaft zudem eine eigene Charta geben.
Siehe zum zweiten Weltgipfel der Informationsgesellschaft auch:
* Special cyber-weltgipfel zum 2. WSIS in Telepolis
* ICANN bilanziert den Weltgipfel der Informationsgesellschaft
* Die Vereinten Nationen sollen Übergriffe und Zensur untersuchen
* Schweiz protestiert gegen Zensur beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft
* Tunesische Bürgerrechtler beenden Hungerstreik
* Das Internet der Dinge
* Tunesien protestiert gegen Schweizer Kritik
* Alle sind Sieger geblieben
* Negroponte hofft auf Mitarbeit der Open-Source-Gemeinde beim 100-Dollar-Laptop
* Das Recht zu kommunizieren statt des Rechts zu regieren
* Regierungen einigen sich auf Forum zur Diskussion von Internet-Fragen
* Angriffe auf Bürgerrechtler überschatten Weltgipfel der Informationsgesellschaft
* Schwere Konflikte um Internationalisierung der Internet-Verwaltung
* Deutsche Delegation für Internationalisierung der Netzverwaltung
* Der Kampf um die Macht im Netz
* Kofi Annan: UN will keineswegs "das Internet übernehmen"
* Forscher fordern "ent-nationalisierte" ICANN
* US-Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein
* Keine Einigung über Root-Aufsicht
* USA und EU im Clinch über Internet-Regulierung
* Scharfe Kritik an Gipfelgastgeber Tunesien
* USA für einen Gipfel ohne Folgen
* Die Regierungen, die UNO und das Internet
* US-Regierung gibt Kontrolle über DNS-Rootzone nicht her
* US-Handelsministerium verlängert Vertrag mit ICANN
Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:
* UN-Konferenz verabschiedet Deklaration zur Informationsfreiheit
Quelle und Links :
http://www.heise.de/newsticker/meldung/67560
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Die Internet-Verwaltung und die Netzpolitik: Machtfrage ungelöst
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Antwort #11 am:
10 Februar, 2006, 09:40 »
Der Auseinandersetzung um die Machtverteilung im Netz geht in die nächste Runde. Eine direktere Einflussnahme aller Regierungen und nicht allein der USA forderte Michael Leibrandt vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi). Dort, wo öffentliche Interessen berührt sind, sollten alle Regierungen mitentscheiden, betonte er beim Domainpulse-Treffen der deutschsprachigen Domain-Registries DeNIC, Switch und Nic.at. Leibrandt nannte die aktuelle Beraterrolle, die Regierungsvertretern innerhalb der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) zugestanden wird, eine "Umleitung". Es sei besser, die Bereiche Regulierung, Standardisierung und Entwicklungsfragen als Hauptaufgabenbereiche der ICANN zu etablieren. Statt der Arbeit innerhalb der verschiedenen Interessensvertreter-Gruppen solle dann in diesen Bereichen Regierungen und Wirtschaft zusammenarbeiten.
Eben diesen Vorschlag hat die deutsche Regierung in der auch im Rahmen der Debatte um den Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) bei der International Telecommunication Union (ITU) vorgelegt. Darin wird der ITU eine größere Rolle bei der Nachbereitung des Weltgipfels und der Fortführung der WSIS-Ziele zugewiesen. Auch eine mögliche Übernahme des Sekretariats des ICANN-Regierungsbeirats GAC durch die ITU hält die Bundesregierung aus Kostengründen für denkbar. Zudem wird das Thema Aufsicht über die DNS-Rootzone und Aufsicht über ICANN, die derzeit immer noch bei der US-Regierung liegen, wieder auf die Tagesordnung gesetzt.
Entgegen anderslautender Interpretationen, meinte Leibrand in Berlin, spreche der in den WSIS-Abschlussdokumenten vorgesehene "Public Policy Development Process" die beiden "bösen Worte" klar an. Sowohl Leibrandt als auch sein österreischischer Kollege Christian Singer vom Ministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, der in Berlin auch für die EU Ratspräsidentschaft sprach, betonten jedoch auch, alles gemeinsam mit den US-Kollegen angehen zu wollen. Die hatten nach dem WSIS das Thema Aufsicht für erledigt erklärt.
Die Vorschläge der EU zur "verbesserten Zusammenarbeit" im Bereich Netzverwaltung und zu dem demnächst startenden Internet Governance Forum (IGF) seien gründlich missverstanden worden, meinte Singer. Damit, dass man von Regierungszusammenarbeit gesprochen habe, habe man große Ängste hervorgerufen. Die EU sei aber bei der Frage, wie die "verbesserte Zusammenarbeit" ganz konkret gestaltet werden sollen, noch ganz am Anfang.
Bedenken angesichts der deutschen Position äußerten in Berlin Vertreter der Branche. Die DeNIC-Chefin Sabine Dolderer fragte nach einem versteckten Paradigmenwechsel: "Wir dachten, es geht eigentlich darum, die Sonderrolle der USA zu Gunsten eines Beteiligungsmodells für alle aufzugeben. Jetzt sieht es so aus, als sollten stattdessen die Regierungen insgesamt eine stärkere Rolle bekommen." ICANN-Direktor und Ex-Telekom-Vorstand Hagen Hultzsch warnte vor möglichen negativen Konsequenzen allzu großer staatlicher Einmischung. "Auf Geheiß der Regierungen sollten wir in der Frühphase des Internet einmal X.25 und OSI nutzen und haben dabei enorme Ressourcen vergeudet, anstatt uns darauf zu konzentrieren, was die Kunden wollen."
Leibrandt nannte demgegenüber die Telekommunikationsunternehmen die einstmals größten Feinde des Internet, die sich nun als Gralshüter aufspielten: "Es stimmt so aber einfach nicht, dass das Internet ein Kind des privaten Sektors ist." Auch die Aussage, dass die Industrieselbstverwaltung Demokratie und Freiheit bedeute, sei falsch. "Wer spricht denn mit der Regierung von China über Menschenrechte, die Unternehmen sind es nicht", kommentierte er lapidar. Dass das Internet und auch ICANN funktionierten und daher keine Änderungen notwendig seien, konterte Leibrandt mit dem Hinweis, das Internet funktioniere vor allem deshalb gut, weil Tausende von Einzelakteuren zusammenarbeiteten. ICANN müsse sich dagegen fragen lassen, ob es tatsächlich alle Betroffenen ausreichend beteilige, von unten nach oben durchlässig sei und dabei auch kosteneffektiv. Ihm komme die Organisation aber doch eher wie eine "Mischung aus einer ausgelagerten Regulierungsbehörde und einem Industrieverband" vor, der dabei vor allem US-Interessen vertrete.
Die Debatte über die globale Netzverwaltung hat sicherlich gerade erst begonnen, sagte Markus Kummer, Schweizer Diplomat, der für die UN gerade die Vorbereitungen für die erste Zusammenkunft des Internet Governance Forum trifft. Das soll sich dann nicht nur über die künftige Zusammenarbeit in der Netzpolitik verständigen, sondern über viele Themen einschließlich dem zentralen entwicklungspolitischen Projekt des WSIS: mehr Zugang zu den Netzen. Neben der Aussicht auf einen schnellen Konsens fehlt dazu aber das nötige Geld. Selbst für seine Vorbereitungen zum Internet Governance Forum ist Kummer auf Finanzspritzen angewiesen. Im deutschen ITU-WSIS-Dokument heißt es aber schon deutlich, Deutschland könne keiner Reform des ICANN-Regierungsbeirats zustimmen, die mit Kosten verbunden sei. Mehr Einfluss ja, mehr Kohle nein, lautet die Devise.
Siehe dazu auch:
* Internet-Regulierung: Darf's ein bisschen weniger sein?
* Vorbereitungen für das Internet Governance Forum laufen an
* WSIS: Alle sind Sieger geblieben
* Regierungen einigen sich auf Forum zur Diskussion von Internet-Fragen
* Schwere Konflikte um Internationalisierung der Internet-Verwaltung
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Verhandlungen zur DNS-Aufsicht hinter verschlossenen Türen
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Antwort #12 am:
18 Februar, 2006, 12:55 »
Das vom Weltgipfel der Informationsgesellschaft (WSIS) beschlossene Internet Governance Forum (IGF) soll sich mit Spam, Cybercrime und Multilingualismus sowie dem großen Thema "IT und Entwicklung" beschäftigen. Die heiß umstrittenen Fragen zur technischen und politischen Aufsicht über das Internet und das Domain Name System, also etwa die künftige Aufsicht über die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), wollen die USA, die EU, Australien und weitere einzelne Regierungen hinter verschlossenen Türen verhandeln. Entwicklungsländer, die die Sonderrolle der USA bei der DNS-Aufsicht am meisten kritisiert hatten, sollen draußen bleiben. Der Vertreter der australischen Delegation sagte zum Abschluss von Verhandlungen über die erste IGF-Sitzung im Herbst in Athen: "Ein unabhängiger Parallelprozess wurde zu diesen Fragen gestartet und man sollte sich am besten dieses Prozesses bedienen." Das umstrittene Aufsichtsthema innerhalb der offenen IGF zu diskutieren, würde diesen Parallelprozess lediglich beeinträchtigen.
"Wenn es diesen zweiten Prozess gibt, möchten wird ihn gerne offengelegt haben und hätten auch gerne gewußt, wie der Rest von uns sich daran beteiligen kann," kritisierte US-Kommunkationsforscher Milton Mueller, Gründer des Internet Governance Project. Mueller kritisierte, dass das Nebengleis von vornherein die Legitimität des IGF-Prozesses in Frage stelle. Mehrere Regierungen hatten befürwortet, das Forum solle sich auf nicht-kontroverse Themen konzentrieren. Die nicht mehr ganz geheimen "Geheimverhandlungen" erklären auch die Zurückhaltung der EU- und US-Delegation in den IGF-Vorverhandlungen. Brasilien hatte demgegenüber gefordert, das Thema Aufsicht über Internetressourcen und "verbesserte Zusammenarbeit" innerhalb der IGF auf die Tagesordnung zu setzen.
Dem IGF dürfe auf keinen Fall auf Dauer die Möglichkeit zur Behandlung kontroverser Themen vorenthalten werden, forderten zudem Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen. Der Themen Spam und Cybercrime hätten sich zudem längst andere internationale Gremien von der OECD bis zur ITU angenommen. Das IGF zum Anfang lediglich mit diesem Themen zu beschäftigen, widerspreche der allseits wiederholten Forderung, das neue Gremium solle keine Themen aufgreifen, die bereits anderweitig behandelt würden. Unterstützt wird die Idee, wenig kontroverse Themen zu diskutieren, allerdings auch von den verschiedenen Netzverwaltungsorganisationen, etwa den IP-Adressverwaltern der Regional Internet Registries (RIR), die damit offenbar auf ruhigeres Fahrwasser für die eigene Arbeit hoffen.
Geringer Beliebtheit erfreut sich übrigens auch das andere Reizthema des Weltgipfels der Informationsgesellschaft, die Frage der Menschenrechte im Cyberspace. Rikke Frank Jorgensen vom dänischen Institute of Human Rights forderte dringend, dass das IGF eine Studie zur Vereinbarkeit neuerer Internetüberwachungsgesetzgebung und verbriefter Grundrechtsstandards in Auftrag geben solle. Das Menschenrechtsthema sei in den IGF-Diskussionen unterbelichtet, betonte auch ein Vertreter des Europarates gegenüber heise online.
Vorrangig wird das kleine IGF-Sekretariat Entscheidungen zu den Daten und dem Format des Treffens in Athen im Herbst vorbereiten und UN-Generalsekretär Kofi Annan unterbreiten. Dem Gastgeber Griechenland sagte Nitin Desai, Annans Sonderbeauftragter für das Thema WSIS und Internet Governance, man rechne mit 500 bis 600 Teilnehmern. Innerhalb der nächsten 10 Tage sollen sich alle Beteiligten noch einmal schriftlich dazu äußern, wie das dringend einzusetzende Programmkomitee besetzt werden soll. Regierungen wie private Gruppen befürworteten in Genf mehrheitlich ein einziges Gremium unter Beteiligung von Regierungs-, Wirtschafts- und NGO-Vertretern. In die Hände dieses Programmkomitees will Desai dann auch die leidige Themenfrage legen. "Das sollte nicht von der UN in New York entschieden werden", meinte Desai.
In welchem Maß das IGF künftig an die Vereinten Nationen angebunden sein wird, wurde in Genf ebenfalls verhandelt. Einigkeit herrscht dabei weitgehend darin, dass das IGF nach ganz eigenen Regeln, und nicht wie die eher schwerfälligen UN-Prozesse funktionieren soll. Wie das nun aber genau aussehen soll, dürfte auch beim ersten offiziellen Meeting in Athen noch Thema sein. "Ein bißchen wie die OECD" werde das IGF arbeiten, meint der OECD-Vertreter: weil es nur Empfehlungen machen und keine Verträge aushandeln soll. Ein bißchen wie die IETF soll man arbeiten, mit ad hoc zusammentretenden Arbeitsgruppen, empfahl Sebastian Ricciardi von der Internet Society Argentina.
Die Internet Society ihrerseits will Desai gerne für mögliche Briefings zu internetbezogenen Themen während der Sitzungen einspannen. Er forderte zudem, dass besser betuchte Nichtregierungsorganisationen und die Wirtschaft nicht nur geistig, sondern auch finanziell Beiträge liefern sollten. Geld fehlt nicht zuletzt für die Beteiligung von NGOs und Unternehmen aus Entwicklungsländern, die vom ganzen Internet-Governance-Konferenzzirkus, der durch das IGF noch eine Runde mehr dreht, praktisch ausgeschlossen sind. Je attraktiver die Programme, desto interessantere Leute werde das Forum anziehen, sagte der australische Regierungsvertreter. "Damit wird auch die Finanzierung wieder leichter." Wenn sich allerdings in Zukunft zeigt, dass das IGF tatsächlich zur "Laberbude" wird, geht das Kalkül wohl nicht auf. Brasilien hat angesichts der möglichen Unterschlagung der harten Netzverwaltungsthemen einfach die Flucht nach vorne angetreten und zum Abschluss des Forums die zweite IGF-Konferenz nach Rio de Janeiro eingeladen.
Siehe dazu auch:
* Internet Governance Forum: Wer bestimmt was im Internet?
* Quatschbude oder Kreativitätstube? in Telepolis
* WSIS: Alle sind Sieger geblieben
* Regierungen einigen sich auf Forum zur Diskussion von Internet-Fragen
* Schwere Konflikte um Internationalisierung der Internet-Verwaltung
* Der Kampf um die Macht im Netz
* US-Präsident greift in Streit um Internet-Kontrolle ein
* Keine Einigung über Root-Aufsicht
* US-Handelsministerium: Kein DNS-Management durch die Vereinten Nationen
* US-Handelsministerium verlängert Vertrag mit ICANN
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Initiative kämpft für gefährdete Netzneutralität
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Antwort #13 am:
26 April, 2006, 18:51 »
"Save the Internet Coalition" will Netzneutralität erhalten
Einzelne Internet-Provider würden künftig gerne selbst entscheiden, welche Web-Inhalte ihre Kunden zu Gesicht bekommen. Auch in Deutschland hat die Telekom eine entsprechende Diskussion angestoßen. In den USA bildet gegen solche Bestrebungen nun eine breite Koalition.
Das Gebot der Gleichbehandlung aller Internet-Inhalte, die so genannte Netzneutralität, wird in den USA derzeit scharf debattiert. Mehrere große Internet Service Provider machten Schlagzeilen mit ihrer Forderung, das aktuelle Internet-Prinzip umzukehren. Statt nur die Nutzer für Zugangsabos zahlen zu lassen, sollten künftig auch Website-Betreiber wie Google oder eBay dafür Gebühren entrichten, dass die Provider ihre Kunden auf ihre Seiten lassen.
Die "Save the Internet Coalition", der unter anderem der Vater des Internet-Protokolls , Vint Cerf, als Galionsfigur angehört, wehrt sich nun massiv gegen diese Vorstöße - sie will den US-Kongress davon überzeugen, Gesetze einzubringen, die die Netzneutralität in Bundesrecht festschreibt.
Derzeit gehören der Initiative vor allem unabhängige US-Organisationen wie Verbraucherverbände und liberale Netzaktivisten an. "Save the Internet" ist aber auch offen für Firmen - so hat sich die eBay-Tochter Craigslist, der populärste Anzeigendienst im US-Internet, ebenfalls angeschlossen. Vint Cerf arbietet zudem für Google und vertritt in dieser Sache auch die Interessen des Suchmaschinen-Anbieters.
Save the Internet will nun versuchen, bestehende Gesetzentwürfe, die die Netzneutralität zerstören könnten, zu stoppen. Unterstützen erhalten sie auch von Amazon, Google, eBay, IAC und Microsoft - die Netzunternehmen äußerten sich gegenüber dem US-Senat bereits besorgt über die Pläne der Provider.
Auch in Deutschland ist die Netzneutralität inzwischen ein Thema. Telekom-Chef Ricke sagte vor zwei Monaten gegenüber der Wirtschaftswoche, sein Unternehmen plane im neuen High-Speed-VDSL-Netz ebenfalls, Websites zur Kasse zu bitten.
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Netzneutralität: USA debattieren, EU wartet ab
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Antwort #14 am:
16 Juli, 2006, 13:27 »
Trotz taktischer Manöver und großem Druck von Telekommunikationsunternehmen wird noch einige Zeit vergehen, bevor das neue US-Telekom-Gesetz zur "Netzneutralität" verabschiedet wird. Bürgerrechtsgruppen wie Common Cause monierten diese Woche, dass der vom Abgeordnetenhaus verabschiedete Entwurf HR 5252 anders aussehe als der ebenfalls in HR 5252 umbenannte Text, der derzeit von verschiedenen Senatskomitees debattiert wird. Das Gesetz des Abgeordnetenhauses war enger gefasst und vor allem auf Lizenzen für Videoangebote fokussiert worden. Der Senatsentwurf dagegen enthält laut Experten der Organisation Free Press auch noch Bestimmungen zu Geldern für Notfallkommunikation, zum Schutz digitaler Inhalte, zu schädlichen Inhalte und zur Medienkonzentration. "Die Betitelung ist gleich, aber die Texte sind sehr verschieden," sagte Celia Wexler von Common Cause gegenüber heise online.
Auch die EU-Kommission hat sich des Themas Netzneutralität in der Überprüfung der Rahmenrichtlinie "elektronische Kommunikationsnetze und -dienste" angenommen. In einem aktuellen Arbeitspapier (PDF) schreibt die Kommission, dass ein funktionierender Markt Netzneutralitätsregeln verzichtbar mache. "Im allgemeinen wird bei funktionierendem Wettbewerb ein Provider mit offenerem Angebot auftreten, sobald ein anderer Anbieter versucht, Nutzerrechte einzuschränken." Im übrigen erlaube der Regulierungsrahmen in Europa den Anbietern, unterschiedlichen Kundengruppen unterschiedliche Dienste anzubieten. Kunden in vergleichbarer Situation unterschiedlich zu behandeln, kann dagegen durch den Regulierer auch jetzt schon unterbunden werden, vor allem wenn ein Unternehmen den Markt beherrscht.
Ein mögliches Blocken bestimmter "Dienste der Informationsgesellschaft" durch marktbeherrschende Unternehmen könne vor allem durch die Zugangs- und Verbindungsregeln im Artikel 5 (1) der Zugangsrichtlinie verhindert werden, schreibt die Kommission. Allerdings sieht man trotzdem immerhin ein gewisses Risiko, dass die Qualität der Dienste durch Diskriminierungsmaßnahmen unter ein bestimmtes Level sinken könnte. Daher schlägt man vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden Mindestanforderungen an die Dienstegüte festlegen sollen. Damit könnte aus Sicht des Kunden ein Mindestmaß an Übertragungskapazität eingefordert werden.
Großen US-Breitbandanbietern -- und mittlerweile auch einigen europäischen Carriern wie der Deutschen Telekom -- geht es darum, für den Aufbau ihrer Hochgeschwindigkeitsnetze Inhalteanbieter für die zugesicherte oder besonders rasche Übertragung von Content zur Kasse zu bitten. Sie wollen Möglichkeiten zur unterschiedlichen Behandlung des Datenverkehrs in ihren Backbones schaffen, abhängig beispielsweise von Quelle, Dienst und Bandbreitenhunger. So könnten sie etwa den Datenverkehr von besser zahlenden Kunden bevorzugt behandeln. Kritiker befürchten, dass zum Beispiel die Deutsche Telekom auf diesem Wege auch VoIP-Angebote, unliebsame Konkurrenz zum Festnetzgeschäft, an den Rand drängen könnte.
Webgrößen wie Google, Amazon, eBay, Microsoft oder Yahoo gehören zu einer Gruppe von Verfechtern strenger Netzneutralitäts-Regeln. Zusammen mit einer bunt zusammengewürfelten Truppe zivilgesellschaftlicher Organisationen werben sie online etwa als "It's Our Net"-Koalition für ihre Ziele. Sie fürchten dass Telekommunikationskonzerne und TV-Kabelanbieter das Internet in teure, mit Mautstationen abgesperrte Luxusbahnen und holprige Feldwege aufteilen wollen.
Die Berliner Juristin und Informatikerin Barbara van Schewick empfiehlt im Interview mit heise online klare Regeln zur Netzneutralität. Ohne solche fürchtet sie um die Innovationsfähigkeit im Netz. Newcomer im Dienstebereich würden sich schwer tun, wenn sie nur unter bestimmten Bedingungen oder gegen finanzielle Mehrleistung ihre Dienste ins Netz bringen könnten.
Quelle :
www.heise.de
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